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Hans-Jürgen Reuß

Mit der Vorstellung ihrer neuen Wechselmotoren der Baureihe 20 DF rundet die Wärtsilä Corporation ihr Programm für Motoren, die eine flexible Kraftstoffwahl bieten, nach unten ab. Die ersten Motoren mit Nennleistungen zwischen 876 und 1.584 kW werden ab 2011 lieferbar sein. Sie können außer mit Gasöl oder Schweröl auch mit Erdgas betrieben werden. Mit diesen Motoren kann das Unternehmen jetzt große Passagier- und Frachtschiffe mit umweltfreundlichen Haupt- und Hilfsantrieben ausrüsten. So ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die notwendige Infrastruktur geschaffen wird, um umweltfreundlich mit Erdgas zu fahren. Die Vorteile von Erdgas liegen auf der Hand: Es ist ungiftig und leichter als Luft. Seine Verbrennung ist mit sehr wenig Schadstoffen verbunden, und es wird wesentlich länger verfügbar sein als Dieselkraftstoff.

Bislang waren bei Wärtsilä mit den beiden Wechselmotoren-Baureihen (dual-fuel engines) 34 DF und 50 DF Leistungen zwischen rund 2.600 und[ds_preview] 17.000 kW verfügbar. Für 2010 erwartet das Unternehmen, dass 3 Mio. kW mit Motoren der Baureihe 50 DF installiert sein werden. Damit gehört diese Baureihe zu den erfolgreichsten des Unternehmens. Mit einem thermischen Wirkungsgrad bis zu 49 % sind die Motoren der Baureihe 50 DF zu den besten Mittelschnelläufern der Welt zu zählen.

Begonnen hat diese Erfolgsserie erst 2006 mit der Motorisierung der ersten LNG-Tanker von Gaz de France Energy mit Wechselmotoren. Inzwischen sind mehr als 20 Schiffe allein dieser Gesellschaft mit derartigen Motoren von Wärtsilä im Einsatz. Die Laufzeit aller Motoren dieser Art im maritimen Einsatz beziffert das Unternehmen auf 500.000 Betriebsstunden. Den großen Erfolg führt Wärtsilä unter anderem darauf zurück, dass die von den Reedern erzielten Einsparungen bei den Betriebskosten über den Erwartungen liegen.

In unmittelbarem Zusammenhang damit stehen die Vorteile, die sich aus der Aufteilung der erforderlichen Leistung auf mehrere Motoren bzw. Aggregate und den elektrischen Antrieb der Schiffe ergeben haben. So beeinträchtigt zum Beispiel langsames Fahren den Wirkungsgrad der Antriebsanlage weit weniger als bei Einmotorenanlagen. Unabhängig hiervon können die Motoren inzwischen auch für den direkten Antrieb verwendet werden. Dafür können auch zwei Motoren über ein entsprechendes Getriebe auf eine Propellerwelle wirken.

Wechselmotoren bieten eine hohe Sicherheit für die Zukunft. Das gilt einerseits hinsichtlich der freien Wahl des Kraftstoffs, je nach Verfügbarkeit und Preis, und andererseits in bezug auf steigende Anforderungen an den Umweltschutz. Im Gasbetrieb liegen die Emissionen dieser Motoren nicht nur weit unterhalb aller aktuellen Grenzwerte, sie bieten gegenwärtig die einzige Technik, mit der die für 2016 zur Diskussion stehenden IMO-Grenzwerte der küstennahen Bereiche (ECAs – emission controlled areas) ohne jede Änderung erfüllt werden können. Wärtsilä hat mit eigenen Spezifikationen bei diesen Motoren auch den Betrieb mit verschiedenen Bio-Kraftstoffen freigegeben.

Mit den Reihenmotoren der Baureihe 20 DF baut Wärtsilä auf den umfangreichen Erfahrungen mit zahlreichen Dieselmotoren der Baureihe 20 auf, die bereits Anfang der 1990er Jahre vorgestellt wurde. Angeboten werden die Viertaktmotoren mit sechs, acht und neun Zylindern. Ihre Bohrung beträgt 200 mm und der Hub 280 mm. Die Zylinderleistungen liegen zwischen 146 und 176 kW, bei Drehzahlen von 1000 bis 1.200 min-1. Insofern handelt es sich hierbei um äußerst kompakte schnellaufende Motoren, wobei die maximalen Kolbengeschwindigkeiten mit 9,3 bzw. 11,2 m/s noch als moderat zu bezeichnen sind. Der spezifische Kraftstoffverbrauch wird für den Betrieb als Dieselmotor mit 194 bis 199 g/kWh angegeben, allerdings ohne Berücksichtigung aller vom Motor angetriebenen Pumpen.

Im Hinblick auf die hohe Flexibilität, die diese Motoren bei der Wahl des Kraftstoffs bieten, ist ein Punkt sehr wichtig: Der Wechsel von einer Kraftstoffart auf die andere erfolgt auch bei laufendem Motor und unter Last problemlos ohne Unterbrechung. Der Vorgang läuft auf Befehl des Schiffsführers völlig automatisch ab, gleichgültig, ob es sich um einen Wechsel von Gasbetrieb auf Dieselbetrieb und umgekehrt, oder um eine Umschaltung von Gasöl auf Schweröl handelt.

Im Gasbetrieb, der nach dem Otto-Verfahren abläuft, wird der Kraftstoff dem Motor über eine Ventileinheit zugeführt, in der das Gas gefiltert und auf den korrekten Druck eingestellt wird. Integriert in diese Einheit sind die erforderlichen Absperr- und Belüftungsventile. Am Motor wird das Gas-Luft-Gemisch zunächst über eine gemeinsame Leitung (common rail) geführt, um dann mit Stichleitungen an die einzelnen Zylinder gebracht zu werden. Alle Gasleitungen sind doppelwandig ausgeführt. Die Zündung erfolgt im Gasbetrieb mit der Einspritzung einer kleinen Menge Dieselkraftstoff, die etwa 1 % des Vollastverbrauchs beträgt, in das verdichtete Gemisch. Die Optimierung des Zündstrahls führt das Motorregel- und Überwachungssystem in Abhängigkeit der Betriebsbedingungen aus.

Da Wärtsilä für den Gasbetrieb das Magergemischverfahren gewählt hat, arbeiten die Motoren mit relativ niedrigen Verbrennungstemperaturen und erzeugen folglich wenig Stickoxide. So wird gegenüber dem Dieselbetrieb eine Reduzierung der NOx-Emission um 80 bis 85 % erreicht und damit der Grenzwert von IMO Stufe 3 schon heute eingehalten – ohne jede Abgasnachbehandlung. Die CO2-Emission ist – bei derselben Leistung – beim Betrieb der Motoren mit Erdgas mindestens um 20 % niedriger als im Dieselbetrieb. Das liegt am niedrigeren Kohlenstoffanteil des Erdgases (= Methan = CH4) gegenüber den schwereren Kohlenwasserstoffen des Dieselkraftstoffs, die mehr Kohlenstoffatome im Verhältnis zur Zahl der Wasserstoffatome enthalten. Die Emission von Schwefelverbindungen ist vernachlässigbar gering, da das Erdgas keine Schwefelverbindungen enthält. Sie werden bei der Verflüssigung des Gases entfernt. Schwefel ist nur über die geringe Menge an Zündöl am Verbrennungsvorgang beteiligt. Entsprechend verhält es sich mit der Partikelemission. Um die Emissionen eines Motors insgesamt zu minimieren und den bestmöglichen Wirkungsgrad zu erzielen, werden die für die Verbrennung wichtigen Parameter jedes einzelnen Zylinders separat gemessen und geregelt. Um diese Vorgänge kontinuierlich zu optimieren, hat Wärtsilä sein Regelgerät UNIC (unified controls) weiterentwickelt.

Mit den neuen Motoren der Baureihe 20 DF stößt Wärtsilä in einen Leistungsbereich bei umweltfreundlichen Schiffsmotoren vor, der noch unterhalb der mit Erdgas betriebenen Gas-Ottomotoren von Rolls-Royce liegt. Damit steht jetzt zur Stromerzeugung an Bord großer Schiffe und als Hauptantrieb kleiner Schiffe quasi ein Vielstoff-Motor zur Verfügung, mit dem anspruchsvolle Projekte im Hinblick auf Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit realisiert werden können. Eigner und Charterer haben bei Schiffen mit derartigen Antrieben die Wahl, über den Preis zu entscheiden, was sie bunkern, Erdgas oder Dieselkraftstoff. Wenn erst einmal eine Infrastruktur steht, zum Beispiel an der Ostsee, wie sie heute schon an Norwegens Küste vorhanden ist, werden auch die Entscheidungen einfacher, Wechselmotoren zu wählen.

Lagen MAN Diesel mit der Baureihe 51/60 DF und Wärtsilä mit der Baureihe 50 DF eine Zeit lang mit ihren Angeboten mit Viertakt-Wechselmotoren etwa im selben Leistungsbereich, so hatte sich Wärtsilä schon bald mit der Baureihe 34 DF dem Bereich unter 5.000 kW bis zu 2.600 kW gewidmet. Mit seinen drei Baureihen ist Wärtsilä nun auf dem Weltmarkt führend mit Leistungen von 876 bis 17.100 kW. MAN Diesel hat sich dagegen zunächst dem Ausbau des Programms im oberen Leistungsbereich gewidmet und kann so Zweitakt-Gas-Dieselmotoren bis zu 26.160 kW anbieten.


Dipl.-Ing. Hans-Jürgen Reuß