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Hellmann und Astrium treiben Vermarktung von Containerüberwachung voran

Groß war die Aufregung vor einigen Jahren, als in einem Hafen an der US-Ostküste ein mit Getränkeprodukten gepackter Container aus Deutschland geöffnet wurde. Bei der Routineinspektionen entdeckten die Beamten vor den Kartons auf dem Boden einen Umschlag mit Pulver. Da wurde nicht lange gefackelt und gleich Alarm ausgelöst. Konnte es sich doch um eine giftige Substanz handeln, vielleicht sogar einen gezielten Anschlag. Ein Irrtum, wie sich später herausstellte.

Beteiligte von damals gehen davon aus, es habe sich nur um Dreck gehandelt, den ein Mitarbeiter in der deutschen Packstation[ds_preview] mit dem Dokumenten-Couvert zusammengefegt hatte. Wie man die Anekdote auch interpretieren mag – als Indiz für eine um sich greifende Sicherheitshysterie oder beflissenes Risikomanagement – der Fehl­alarm hat die Abläufe im Hafenumschlag wohl zunächst einmal ordentlich durcheinander gebracht. Bei großem Ansturm an den Toren und hoher Belegung der Schiffsliegeplätze kann so eine Störung verhängnisvoll sein. Vielleicht hätte sich die Angelegenheit rasch geklärt, wäre der Container mit elektronischer Sensorik und Ortungstechnik ausgerüstet worden. Mit wenigen Knopfdrücken hätte man den Anfangsverdacht der Ladungsmanipulation ausräumen können.

Der Osnabrücker Logistikkonzern Hellmann Worldwide und das Raumfahrtunternehmen Astrium gehen fest davon aus, dass es in den kommenden Jahren sogar einen Markt für streng überwachte Containertransporte geben wird. Die Niedersachsen haben Anfang des Jahres einen Vertrag über die Ausrüstung von 20 Seecontainern mit Ortungs- und Überwachungseinheiten (Sensorik, GPS, Sender) unterzeichnet. Das von Astrium entwickelte SeCure-System – ein kofferradiogroßer Apparat, der an den Containertüren befestigt wird – schlägt Alarm sobald Unbefugte Hand an den Container legen.

Alternative zum Scanning?

Es zeichnet auch alle ordnungsgemäßen Türöffnungen auf und meldet sich regelmäßig via Satellit oder GSM-Netz mit Positionsdaten im Kontrollzentrum bei Astrium in Bremen. Von dort werden die Disponenten bei Spedition und Verladern und andere Prozesspartner wie Zoll und Sicherheitsbehörden nach Bedarf mit Berichten versorgt. Zugang zum Container bekommen nur autorisierte Personen durch Code-Eingabe. »Das System ist aber kein Schloss, wir decken nur Anomalien auf«, erklärt Dr. Wolfgang Busch. Und das mit einer Fehleralarmquote von unter 1 %, wie der Astrium-Projektleiter beteuert. »Damit kommen wir der Integrationsquote der Raumfahrt sehr nahe.« Aufgrund der erhöhten Überwachung, hoffen Anbieter und Kunde, könnten SeCure-Containerverkehre von einer drohenden Röntgenpflicht befreit werden. Denn die USA streben langfristig eine Durchleuchtung aller Importcontainer noch in den Abgangshäfen an, auch wenn das Homeland Security Department die Einführung des hundertprozentigen Scannings ab Mitte 2012 zunächst vertagt hat.

Die Folgen wären höhere Kosten für Häfen und Verlader und Verzögerungen im Transit. Die deutsche Bundesregierung stehe dem System offen gegenüber. »Wir wünschen uns auch, dass die Amerikaner das System akzeptieren«, so Hellmann-Generalbevollmächtigter Karl Engelhard. Der Transport per intelligentem Containern soll die Wirtschaft deutlich günstiger kommen als die Durchleuchtung aller Boxen in den Häfen. Dafür wären massenhaft millionenteure Röntgengeräte bei den Terminals erforderlich; außerdem würden die Lagerhaltungs- und Kapitalbindungskosten der Unternehmen steigen, weil sich die Ware durch die verstärkten Kontrollen länger im Transit befände. Allerdings lehnen Astrium und Hellmann konkrete Angaben zu Kosten und Preisen von SeCure strikt ab. Das System sei für den Massenmarkt ausgelegt, »die Betriebsgrößeneffekte führen zu geringeren Stückkosten«, wiegelt Busch ab. »Wir gehen jetzt in die Vermarktung und müssen schnell auf Stückzahlen kommen«, weicht auch Hellmann-Manager Engelhard der für potenzielle Kunden so entscheidenden Preisfrage aus. Ohne Transparenz bei den Kosten dürften die Projektpartner aber kaum die Widerstände bei den Verladern durchbrechen. Die setzen die sicheren und teureren Container wohl nur dann ein, wenn die damit verbundenen Effizienzgewinne die Mehrkosten pro Box wieder aufwiegen – egal wie die gesetzlichen Rahmenbedingungen ausschauen.

Vergleichbare Systeme kaum im Einsatz

Spezielle Überwachungsaggregate wie SeCure werden bislang fast gar nicht im Seeverkehr angewendet. In Südamerika soll der Nachlauf von Importcontainern, die mit sehr hochwertigen Produkten beladen sind, zum Teil schon elektronisch verfolgt und abgesichert werden. »Einige Logistikanbieter haben solche Systeme für Kunden in Betrieb gesetzt«, sagt Dr. Nils Meyer-Larsen, Experte für Informationslogistik beim Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL). Die Projekte werden häufig geheim halten, um Verbrechern keine Hinweise zu liefern. »Wenn Status und Position der Container immer nachverfolgbar sind, können die Transporte besser überwacht und gesteuert werden. Dadurch lässt sich ein wirklicher Nutzen für die logistischen Prozesse erzielen«, ist Meyer-Larsen überzeugt. Rund zehn Anbieter von Containersicherheitsaggregaten macht der Experte weltweit aus. »Aber der Markt scheint bislang sehr schwierig zu sein«, sagt er.

Hellmann-Manager Engelhard sieht speziell bei verderblicher Ware wie »Fleisch aus Südamerika« gute Chancen für den Einsatz von SeCure-Containern. Die eingebaute Sensorik könne leicht erweitert werden, um Temperatur- und Klimazustände im mehrwöchigen Transit zu überwachen. So können Transportschäden frühzeitig erkannt und verdorbene Ware während der Reise umgeroutet werden – statt zur Wurstfabrik in die Tierfutterfabrik etwa. Womöglich kommt die Technologie im zivilen Bereich erst mit Verzögerung zum Durchbruch. Längst werden Gedankenspiele angestellt, wie man SeCure für die Einsatzlogistik der Armee nutzbar machen kann. Zum Beispiel für den überwachten Transport von strategischen Vorräten zu den Truppen im Ausland. Als Bundeswehrlogistiker im Inland dürfte Hellmann gut aufgestellt sein für den Job.


mph