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Seit langem erregen schwere See- und Personenunfälle in den Werften die Aufmerksamkeit des Autors. Immer wieder berichten die Medien über derartige Unfälle und über die Konsequenzen aus diesen Unfällen für die Kapitäne und Offiziere der betroffenen Schiffe. Ein weiterer Anlass für die folgenden Betrachtungen sind Beobachtungen als Kapitän und als DPA auf Schiffen in der Werft.

Der Kapitän befindet sich während der Reparatur seines Schiffes in einer Werft häufig in einer sehr schwierigen und oft kaum[ds_preview] zu überblickenden Lage. Nur sehr gute Vorbereitung, Organisation und ununterbrochene Kontrolle ermöglichen es, dass die zu lösenden Aufgaben, einschließlich Vorbereitung, Durchführung und Überwachung der Reparatur- und Wartungsarbeiten, die von der Werft sowie von deren Subunternehmern, oder von Subunternehmern des Eigners / Managers sowie von der Besatzung ausgeführt werden, unter Beachtung der Sicherheitsbestimmungen in der gewünschten Qualität erledigt werden. Die­se Zielstellung kann nur dann realisiert werden, wenn die Verantwortung für die einzelnen Aufgaben auf Grund existierender gesetzlicher Regelungen den Kapitänen und Offizieren bekannt ist und von ihnen wahrgenommen wird. Die folgenden Überlegungen stehen im Zusammenhang mit der Reparatur, nicht mit dem Neubau eines Schiffes.

Beispiele von Seeunfällen in der Werft

Die Tabelle auf S. 62 führt nur Ereignisse auf, in denen Personen zu Schaden kamen. Sie wäre um ein Vielfaches länger, wenn Unfälle ohne Personenschäden eingeschlossen worden wären.

Die Reparaturzentren mit den größten Problemen sind Singapur und der Großraum Piräus mit seinen verschiedenen Werften. In den letzten Jahren erregten aber auch 14 tödliche Unfälle auf den Werften in Tuzla die Aufmerksamkeit der International Metalworker’s Federation. In Singapur war die Association of Singapore Marine Industries in ihrer Veröffentlichung »ASMI News 2004« unter der Überschrift »Safety Performance« zu folgender Einschätzung gekommen:

The industry has made significant improvement in safety performance over the last 12 years. The number of accidents, the accident frequency and severity rates have been on a downward trend since 1994. Accident cases fell from 1,140 accidents in 1992 to 429 in 2002, and down to 394 in 2003. This shows an improvement of 8.2 %. The industry’s Accident Frequency Rate (AFR) was 3.4 accidents per million man-hours worked in 2003, 9.7 % higher than the AFR of 3.1 in 2002. The Accident Severity Rate (ASR) recorded by the industry increased by 15.2 % from the ASR of 394 in 2002 to 454 man-days lost per million man-hours worked in 2003.

Im Jahre 2008 mussten Behörden und Parlament, nachdem innerhalb von drei Monaten neun Arbeiter umkamen und 19 verletzt wurden, diese Einschätzung korrigieren und feststellen, dass die Situation auf den Werften außer Kontrolle ist. Es wurden alle 89 mit Reparaturen beschäftigten Werften überprüft und Strafen in Höhe von 1,3 Mio. US$ ausgesprochen.

Stellvertretend für die in der Liste aufgeführten Beispiele soll der Unfall der »Trade­wind Sunrise« näher erläutert werden. Der 1991 gebaute und 6.288 tdw große Chemikalientanker lag im Juni 2005 zur Reparatur in Trinidad. In einem vorläufigen Untersuchungsbericht (siehe Lloyd’s List 25.08.05) kamen die Behörden zu dem Ergebnis, dass Manager und Besatzung ihren Verpflichtungen zur Gewährleistung der Sicherheit während der Reparaturen nicht nachkamen. So sei es fraglich, ob die Besatzung für die Entfernung aller Kohlenwasserstoffe aus den Tanks gesorgt hätte. Außerdem wäre ein Butterworth-Verschluss zu Tank 2 (Bb.) offen gewesen, ein »Hot Work Permit« nicht gefunden, eine Risikobewertung vor den Schweißarbeiten nicht vorgenommen, keine Tests zur Ermittlung des Gasgehaltes durchgeführt und niemand für die Einhaltung der betreffenden Verfahrensanweisungen verantwortlich gemacht worden.

Rechtliche Grundlagen

Die Verantwortung des Kapitäns für das Schiff beginnt mit der Übernahme des Schiffes durch den Eigner / Reeder / Manager von der Bauwerft. Sie wird während eines Aufenthaltes des Schiffes in der Werft zur Ausführung von Wartungs- oder Reparaturarbeiten in keiner Weise eingeschränkt. Das heißt, der Kapitän hat auch in dieser Phase die uneingeschränkte Verantwortung für das Schiff, für alle Personen an Bord und für die sich möglicherweise noch an Bord befindende Ladung. In der Fachliteratur finden sich dazu nur unzureichende Angaben. Im Müller / Krauß (Müller, Krauß: Handbuch für die Schiffsführung, Achte Auflage, Erster Band, Teil A, 1983, S. 16) heißt es:

»Worauf ist beim Docken eines Schiffes zu achten?

Während der Arbeiten sind alle einschlägigen Vorschriften der UVV See (z. B. über gefährliche Arbeiten und Räume) zu beachten!«

In der UVV See (See-Berufsgenossenschaft: Unfallverhütungsvorschriften für Unternehmen der Seefahrt, UVV See, in der Fassung des Ersten bis Sechzehnten Nachtrags, Stand: 1. Mai 1999) § 77 Betreten von gefährlichen Räumen ist festgelegt:

»6 Aufgabe von Verträgen

Der Unternehmer genügt dieser Bestimmung, wenn er z. B. bei Abschluß von Verträgen die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften und im übrigen den allgemein anerkannten sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Regeln vereinbart. Müssen Auftragsleistungen von ausländischen Auftragnehmern erbracht werden, wird es darüber hinaus erforderlich sein, dem Auftragnehmer im einzelnen die Vorschriften, technischen Regeln usw. zu bezeichnen, die nach deutschem Recht erfüllt sein müssen.«

Paragraph 7 Koordinierung von Arbeiten verlangt:

»(1) Vergibt der Unternehmer Arbeiten an andere Unternehmer, dann hat er, soweit ­dies zur Vermeidung einer möglichen gegenseitigen Gefährdung erforderlich ist, eine Person zu bestimmen, die diese Arbeiten aufeinander abstimmt.«

Die in der UVV See enthaltenen Vorschriften gelten nur für Schiffe unter deutscher Flagge.

Von erheblicher Bedeutung für den Kapitän und für den Wachoffizier sind die Festlegungen in den Vereinbarungen mit der Werft. Dem Autor liegen vier solcher Verträge von Werften auf drei Kontinenten vor. Es gibt sprachliche, aber keine generellen, die Sicherheit betreffenden Unterschiede zwischen den »Standard Terms and Conditions of Work« genannten Verträgen.

Chinesische Werft:

Article 13: The vessel will remain controlled and managed by the Captain during the period of repairing, mooring, sea trail and berthing, so the commission party shall be held responsible for the safety of the vessel and its property. During this period the contracting party shall not be held responsible for the following events (except the events caused directly by the contracting party):

1. The loss or damage of the ship, the goods and spare parts on board, the properties of the commission party, the employee or the crew, as well as some parts remained temporarily at the shipyard after termination of repairing.

2. Any trouble or accidents which happen during this period.

3. The harm, diseases or death of the commission party, the employee, the crew or the passengers staying on board during this period.

Europäische Werft:

3. The Vessel shall at all times remain under the authority, control and at the risk of the Customer.

4. Prior to commencing the repair work, The Yard shall be entitled to inspect The Vessel and carry out such works at the expense of the Customer to ensure that the Vessel is clean, gas free and safe for the conduct of Hotwork by the use of open flame thereon.

7. The Customer shall be solely responsible for the safety from personal injury of the Servants or Agents of The Customer.

13. The Customer shall be solely responsible for death, injury and disease of the Servants and Agents of The Customer occurring whilst The Vessel is under repair and thereafter occurring prior to the departure of The Vessel unless caused by the gross negligence of The Yard and / or its employees or Sub-contractors at The Yard.«

Beachtet werden sollte auch, dass die Genehmigung für Reparaturen, speziell Schweißarbeiten, in Häfen mit Bedingungen verknüpft sein kann. Das war so im Fall der »Maersk Newport«. Die Hafenbehörde in Algeciras hatte in der Genehmigung festgelegt: »… the works are carried out in compliance with the Ship Management Procedures (S.G.S) and under the control and supervision of the Captain«. (MAIB: Report on the investigations of heavy weather damage on board the container ship Maersk Newport 50 miles west of Guernsey on 10 November 2008 and fire alongside at the container berth in Algeciras, Spain on 15 November 2008)

Organisation des Werftbetriebes

Es liegt in der Verantwortung des Kapitäns, für eine straffe Organisation zu sorgen. Als der Autor 1998 die »Taurus« in Gdynia übernahm und mit dem Schiff noch einige Zeit in der Werft blieb, hatte er sich schon vor der Übernahme des Schiffes und erst recht danach um eine straffe Organisation bemüht. Morgens besprach er mit den Verantwortlichen der Bauaufsicht in deren Büro das Tagesprogramm. Danach informierte er die Bereichsleiter an Bord, die dann alles Notwendige veranlassten. Damit gab es von Anfang an keinen Zweifel daran, wer für die Vorbereitung und Überwachung der Arbeiten verantwortlich war.

Mit der Einführung des ISM-Codes sind die Aufgaben des Kapitäns und der anderen Schiffsoffiziere eindeutiger formuliert worden. Deshalb sollte der Kapitän, unabhängig davon, ob das Safety Management System seines Unternehmens und des Schiffes dies vorschreibt, folgende Schritte mit der nötigen Sorgfalt durchführen:

• Ermittlung und Studium der existierenden Vorschriften und Regeln,

• Besprechung der Arbeiten mit Ermittlung der von ihr ausgehenden Gefahren unter Einbeziehung existierender Checklisten sowie Festlegung der nötigen Vorsichtsichtsmaßnahmen. An dieser Besprechung sollten die zuständigen Werftvertreter, der oder die technischen Inspektoren und die Schiffsleitung teilnehmen. Beachtung der möglicherweise von Behörden erteilten Auflagen

• Instruktion (Briefing) der Verantwortlichen der Werft, des Subunternehmens, der Wachoffiziere und -ingenieure, des Sicherheitspostens usw. über die möglichen Probleme, die erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen, Kontrollen, Art und Weise der Kommunikation zwischen den verschiedenen Parteien usw.,

• Ein Gasfrei-Zertifikat ist bei einer unabhängigen und dafür zugelassenen Firma in Auftrag zu geben. Die dafür erforderlichen Messungen sind von Zeit zu Zeit zu wiederholen. Eine Kopie des Zertifikats erhalten die Werft, der Kapitän und eine ist an der Gangway auszuhängen. Ausstellung des »Hot Work Permit« oder »Permit To Work« (Räume, in denen gebrannt oder geschweißt wird, sind gut zu belüften!).

• Morgens und abends sollte eine Besprechung stattfinden, an der die Vertreter der Werft, die Inspektoren und die Schiffsleitung, eventuell auch weitere Besatzungsmitglieder, teilnehmen.

Versicherungsfragen

Grundlage für Versicherungsfragen sind das BGB (§ 823) sowie die Dock- und Reparaturbedingungen auf der Grundlage des AGB-Gesetzes. Innerhalb der Grenzen dieses Gesetzes kann sich die Werft für einige Verschuldenstatbestände ihrer Mitarbeiter von der Haftung frei zeichnen. Würde die Werft über den vom AGB-Gesetz vorgegebenen Rahmen bei den Haftungsausschlüssen hinausgehen, würde sie ihren Versicherungsschutz verlieren und in vollem Umfang gemäß BGB haften.

Die Werft übernimmt die Feuerversicherung in dem Moment, in dem das Schiff auf den Pallen sitzt oder die Arbeiten an der Pier beginnen. Das ist ein Teil der allgemeinen Dockbedingungen. Aus diesem Grund dürfen dann auch keine »Hot works« wie Schweißen, Brennen usw. von der Besatzung an Bord durchgeführt werden.

Zusammenfassung

Bei der Untersuchung der Unfälle wird regelmäßig festgestellt, dass die bekannten Sicherheitsbestimmungen, die in der Regel mehr oder weniger gut in entsprechenden Verfahrensanweisungen ihren Niederschlag gefunden haben, nicht beachtet wurden. Leidtragende dieser unprofessionellen Sicherheitsorganisation sind die Besatzungen und die Werftarbeiter.

In Piräus führte die Explosion auf der »Friendshipgas« bei den Werftarbeitern, nicht zum ersten Mal, zu wütenden Protesten und Streiks. Im Februar 2009 wurde berichtet, dass zwei Arbeiter eines Subunternehmens, die durch die Explosion starben, sowie Sicherheitsverantwortliche des Unternehmens, wie auch des Schiffes, für den Unfall verantwortlich sind, weil Sicherheitsvorschriften nicht befolgt wurden. Neben zwei Verantwortlichen für die Sicherheit wurde der Kapitän des Schiffes verhaftet. Auch der Kapitän der »Ailsa ­Craig« wurde nach der Explosion auf seinem Schiff verhaftet und der Kapitän der »Snam Portovenere« angeklagt.

Gewerkschaften, wie auch Behörden, äußerten die Auffassung, dass vor allem unzureichend ausgebildete Arbeiter der Werften sowie der Subunternehmen, verbunden mit der hohen Auslastung der Werften (vor Eintritt der Krise- HHD), für diese schweren Unfälle verantwortlich sind. Diese Fakten schmälern nicht die Verantwortung des Kapitäns. Sie sollten ihn im Gegenteil dazu veranlassen, mit äußerster Gründlichkeit und Sorgfalt die Reparaturen, gemeinsam mit seinen Offizieren, vorzubereiten und zu überwachen.


Hans-Hermann Diestel