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Breakbulk-Messe Antwerpen: Verlader schieben Investitionsvorhaben wieder an / Seefrachtraten noch weit unter 2008er Niveau

Verglichen mit dem Containermarkt haben sich die Verkehrsströme im Projektgeschäft in der Krise recht wacker behauptet – nur bei massenhaftem Stückgut[ds_preview] wie Stahl und Holz gab es große Einbrüche. Grund: Laufende Projekte z.B. für neue Kraftwerke oder petrochemische Anlagen werden nur in den allerseltensten Fällen aufgestoppt.

Durch die langen Vorlaufzeiten machte sich die globale Rezession erst mit Verzögerung in der Branche bemerkbar. Steigende Buchungen und Ausschreibungen in der Projekt- und Schwergutlogistik schüren wieder Hoffnung auf kräftig steigende Ladungsvolumina. Das wurde vergangene Monate auf der Breakbulk-Europe-Messe in Antwerpen deutlich. Ob die Belebung auch für einen nachhaltigen Anstieg der Transportpreise ausreicht, wird in den einzelnen Sektoren durchaus unterschiedlich eingeschätzt. Luftfracht-Charteragenten berichten schon wieder von extremen Engpässen und stark gestiegenen Frachtraten, wobei aber wohl auch der hohe Frachtraumbedarf für humanitäre Projekte im ersten Quartal zu Buche geschlagen hat. Hingegen seien die Kapazitäten im Seeverkehr dank der hohen Reederinvestitionen vergleichsweise entspannt, wie es heißt – wenn auch mit deutlichen Unterschieden je nach Fahrtgebiet. Einigkeit herrscht in einem Punkt: Die grünen Knospen auf der Nachfrageseite kommen allmählich zur Blüte. Viele Bau- und Energieprojekte, die während der Finanzmarktkrise zurück in die Schublade gesteckt wurden, kommen jetzt in Gang. Neben dem wiederkehrenden Wirtschaftswachstum und den erneut gestiegenen Energie- und Rohstoffpreisen wirken sich die gesunkenen Zinsen und das verbesserte Kreditangebot förderlich auf die Investitionen aus.

Bergbau expandiert

Zu den verheißungsvollen Märkten zählt der Bergbausektor in Südamerika. »Die Projekte, die Ende 2008 ausgesetzt werden, laufen jetzt wieder an. Die Bergbauinvestitionen dürften dieses Jahr und bis 2011 hinein schwungvoll zunehmen«, sagte Alex Azparrent, Logistikmanager des US-Anlagenbauers Fluor, mit Blick auf die Kupfer- und Goldförderung in Chile, Peru und Argentinien. Die Minenbetreiber müssten ihre Kapazitäten aufstocken, um mit der steigenden Nachfrage mithalten zu können. So sei die Förderung von Kupfer, Gold und Silber in Chile, Peru und Argentinien selbst im Krisenjahr 2009 noch in einer Bandbreite von 0,5 % bis 4,3 % gewachsen. Fluor sei an knapp einem Dutzend »Megaprojekten« beteiligt, die insgesamt jeweils über eine Mrd. US$ verschlängen. »Alles sieht im Augenblick positiv aus«, sagte Azparrent. Fluor führt vor allem mittelgroße Anlagenteile und Baumaschinen bis 220 t über die Häfen der südamerikanischen Westküste ein. Großmodule, die viele hundert Tonnen wiegen, spielen im Gegensatz zu Projekten in der Öl- und Gasbranche keine Rolle. Großmodule können im Nachlauf nur schwer befördert werden, da die Bergbauprojekte in entlegenen Gegenden in großer Höhe durchgeführt werden – bis zu 4.200 m über dem Meeresspiegel bei Windgeschwindigkeiten von bis zu 220 Stundenkilometern. »Wenn Sie eine Herausforderung suchen, sind Sie hier genau richtig«, so Azparrent. Projekte in der Region seien zudem mit einer besonders umfangreichen Transportlogistik verbunden. Anders als in Asien gibt es in Südamerika keinen so starken Trend zur Lokalisierung des Anlagen- und Maschinenbaus. »Die Lieferanten der Verarbeitungsanlagen und Geräte sind über die ganze Welt verstreut, die Seefracht ist folglich ein sehr wichtiges Element«, erklärte Azparrent. Allerdings nehme die Tonnenmeilen-Nachfrage durch Synergien und Kooperationen zwischen Großverladern etwas ab. So versuchten Importeure von Projektladung und Exporteure von Produkten wie Kupferkathoden ihre Bedarfe abzustimmen und gemeinsame Rundreisen mit denselben Schiffen zu disponieren. Das erspart teure Ballastfahrten. »Das gab es vorher schon, nimmt aber jetzt zu«, konstatierte der Chilene.

Für die globalen Projektreedereien ist die Region in den Turbulenzen der vergangenen zwölf Monate noch eine sichere Bank gewesen. »Südamerika ist für uns im Augenblick der wichtigste Markt. Wir waren dort in guten und auch in schlechten Zeit aktiv, die Kunden sind sehr loyal«, erklärt Svend Andersen, Vorstandschef von BBC Chartering & Logistic. Der in Leer ansässige Operator, der stets 120 bis 130 Mehrzweck- und Schwergutschiffe in der Befrachtung hat, bindet Südamerika auch durch Liniendienste vom US Golf und von Europa an. »Da gibt es nach wie vor ein gutes Ladungsvolumen, vor allem für die Bergbauminen«, so Andersen. Nicht nur volumenmäßig, sondern auch preislich sei das Fahrtgebiet recht glimpflich durch die globale Wirtschaftskrise gekommen. Die Frachtraten gaben seiner Einschätzung nach mit minus 10–15 % deutlich geringer nach als in anderen Regionen.

In den vergangenen zwei Monaten sei die Aktivität in der Projektbefrachtung deutlich gestiegen, was auch mit neuen Finanzierungen für ältere, ausgesetzte Bauvorhaben zu tun haben dürfte. Auf der wichtigen Route von Asien nach Mittelost sieht Andersen eine spürbare Belebung. »Wir sind aber noch nicht da, wo wir eigentlich sein sollten«, betont der Däne. Erst 2011 rechnet er mit einer signifikanten Verbesserung der Frachtraten.

Chancen bei US-Ladung

Unterdessen bemüht sich BBC um neue profitable Nischengeschäfte wie den Transport unter US-Flagge. Hintergrund: Immer mehr große Projekte werden durch die US-Förderbank Export-Import Bank finanziert, versehen mit der Auflage, dass bestimmte Transporte mit US-amerikanischen Schiffen durchgeführt werden. Zwei bis drei Einheiten, u.a. die »BBC Australia«, will die Firma in Kürze unter US-Flagge bringen. Nach Informationen von Schiffsmaklern verfügt derzeit nur die US-Reederei Intermarine über Schwergut-Tonnage unter dem Sternenbanner, womit die Konkurrenz in diesem Marktsegment sehr eingeschränkt ist. Obendrein baut BBC als Zusatzgeschäft die Bulk-Befrachtung aus und stellt dazu in den kommenden Monaten zwei Handysize-Bulker mit Tragkapazitäten von 37.300 t in Dienst. Den Anspruch auf einen größeren Marktanteil im Heavy-Lift-Segment gebe BBC damit aber nicht auf, stellt Andersen klar. Immerhin befänden sich zwölf Mehrzweckschiffe mit Krankapazitäten von 800 bis 900 t im Zulauf, für die auch landseitig das Heavy-Lift-Knowhow aufgestockt werde. »Wir suchen an mehreren Standorten zusätzliche Schiffbauingenieure, in Leer, Singapur und Houston«, berichtet Andersen.

Derweil spielt die Hamburger Rickmers-Linie, die ab nächstem Jahr zahlreiche Neubauten in Empfang nimmt, den Aufbau neuer Dienste durch. Zu den Routen, für die sich das Unternehmen interessiert, zählten Verkehre zwischen Fernost und Mittelost / Indien einerseits sowie zwischen Asien und Brasilien andererseits. Ein Beschluss sei aber noch nicht gefallen, sagte der Geschäftsführer der Rickmers-Linie, Jan Boje Steffens. Die Firma ist heute vor allem auf den Hauptrouten zwischen Europa, Indien, Asien und Nordamerika engagiert. Interessante neue Strecken nach Mittelost / Indien und Brasilien ergäben sich durch die hohen Investitionen in den Öl-, Gas-, und Kraftwerkssektoren. Die Projekte werden zunehmend aus China und Korea beliefert. »2011 wird ein starkes Jahr werden«, sagt Steffens zu den Aussichten auf diesen Relationen. Bei einem Ölpreis von über 60 US$ pro Fass wie heute stimmten die Parameter für viele energiebezogene Projekte in Brasilien und im Mittleren Osten. »Das ist das Niveau, auf dem diese Investitionen langfristig getätigt wurden«, so der Manager. An Schiffen für neue Dienste sollte es der Reederei ab dem nächsten Jahr nicht mangeln. Dann werden zahlreiche Neubauten in China fertiggestellt. Mindestens vier 24.000-Tonner mit zwei Mal 350-Tonnen-Geschirr sowie vier 17.000-Tonner mit zwei Mal 150-Tonnen-Geschirr sollen bis Ende 2011 abgeliefert werden.

Eine von drei Neubauserien in Gefahr

Allerdings hinkt der Bau der Schiffe auf zwei Werften bereits hinter dem in der Rickmers-Flottenliste verzeichneten Zeitplan hinterher. Die Bauprojekte auf der Tongfang-Werft in China, wo sechs Mehrzweckschiffe mit Tragkapazitäten von 19.000 tdw zur Ablieferung 2010/11 bestellt wurden, drohen sogar zu scheitern. Die Werft habe »massive Probleme, den Auftrag zu erfüllen«, so dass die Neubauten wahrscheinlich nicht zur Ablieferung kämen, lässt Steffens durchblicken. Das dürfte dem Unternehmen angesichts der immer noch schwelenden Gefahr einer Überkapazität im Seeverkehr gar nicht so ungelegen kommen. Anders als vor ein paar Jahren im Iran: Durch das Scheitern des 2005 bei der Sadra-Gruppe kontrahierten Neubauprogramms fehlten der Reederei im boomenden Markt von 2007/08 die dafür geplanten Kapazitäten. Der Extrabedarf wurde teilweise durch Charterschiffe gedeckt. Zu möglichen Vertragsstrafen oder Ansprüchen auf Rücker-

stattung von Bauanzahlungen durch die chinesische Werft wollte Steffens keine Aussagen machen.

Der Rickmers-Konzern nimmt schon ab September dieses Jahres vier neue 30.000-Tonner in Empfang, die allerdings langfristig an Hyundai Merchant Marine verchartert sind. Die Koreaner wollen die Mehrzweckschiffe dem Vernehmen nach im Asien-Mittelost-Verkehr einsetzen.

Steffens ist zuversichtlich, dass sich das Wachstum im Projekt- und Stückgutverkehr im weiteren Jahresverlauf verstetigen werde. Durch die Einbrüche in wichtigen Gütersegmenten wie Stahl sei das Beförderungsvolumen der Reederei im vergangenen Jahr von über 3 Mio. t auf rund 2,5 Mio. t gesunken. »Ende 2009, Anfang 2010 haben wir in einigen Fahrtgebieten einen Knick gehabt«, sagt Steffens. In den vergangenen Monaten habe das Ladungsangebot dann wieder so stark zugelegt, dass es auf einigen Relationen Kapazitätsengpässe gebe. Die Abfahrten ab Nordeuropa ostgehend seien bereits wieder vier Wochen im Voraus ausgebucht. Er sei »völlig überrascht, wie schnell die Krise in einigen Segmenten überwunden wurde«, erklärt er. Dazu zählt er vor allem die Stahlindustrie mit ihren konventionellen See-Exporten. Nach Vorhersage des europäischen Branchenverbands Eurofer wird die globale Stahlproduktion dieses Jahr sogar ein neues Allzeithoch erreichen. Die Branche sei einer der besten Indikatoren für die Projekt- und Stückgutfahrt, bemerkt Steffens. Nach der Erholung der europäischen Exporte nach Fernost, die durch die Euro-Schwäche noch an Fahrt gewinnen könnten, zögen nun auch die Stahlverschiffungen von Asien Richtung USA an. Aus Japan sei zu hören, dass die Buchungsanfragen der Kunden so geballt kämen, dass die Reeder kaum wüssten, wie sie die Volumina für das kommende Jahr abfahren sollen, so Steffens. Rickmers kooperiert in Japan mit der Reederei Eastern Car Liner (ECL) und nutzt deren Kapazitäten in der Transpazifikfahrt.

In den vergangenen 15 Monaten hatten viele Stückgut-Reeder zusätzlich Containerschiffe für konventionelle Stahlpartien und auch Projektladung eingechartert. Die Frachter waren durch den Charterratenverfall im Containerschiffsmarkt so günstig zu haben, dass sich ihr Einsatz selbst bei erhöhtem Laschaufwand und Zusatzkosten für Schwimmkräne im Projektmarkt rentierte. »Diese Zeiten sind jetzt vorbei«, betont Steffens. Inzwischen hätten sich die Tagesraten der Containerschiffe so weit berappelt, dass sich der Aufwand für die Projektreeder nicht mehr rechtfertigen lasse.

Spediteure ziehen Netz dichter

Auch die Projektspediteure setzen auf einen erneuten Aufschwung und bauen ihre Präsenz zum Teil massiv aus. Der Hamburger Logistiker Bertling, der stark auf die Öl- und Gasindustrie fokussiert, eröffnete in den vergangenen 12 Monaten nach eigenen Angaben 15 neue Standorte rund um die Welt. Die Spedition Deugro schuf acht neue Niederlassungen u. a. in Indien, Algerien, Frankreich, der Türkei und Brasilien. Der US-Spediteur Expeditors baut ebenfalls mit Hochdruck seine noch junge Projektlogistikabteilung aus. »Da kommen von 2011 bis 2016 gigantische Projekte auf uns alle zu, und die sind bereits durchfinanziert«, heißt es bei Expeditors. Speziell im Energiebereich und dem Anlagenbau würden wieder verstärkt Logistikleistungen ausgeschrieben. »2011 sieht bereits sehr gut aus, da könnten wir wieder das Vorkrisenniveau erreichen«, sagt ein anderer Spediteur. In den Häfen sorgt der erneute Aufschwung bei massenhaftem Stückgut in den vergangenen Monaten für neue Hoffnung. In Bremens Neustädter Hafen seien die Abfertigungsmengen kürzlich wieder auf das Niveau von 2008 geklettert. Reinhard Raab, Geschäftsführer der Betreibergesellschaft BLG Cargo Logistics, sieht deutliche Zuwächse bei Zellstoffprodukten, Papier, Stahl und Röhren. »Nur im Maschinen- und Anlagenbereich ist die Nachfrage noch etwas verhalten«, so Raab. Immerhin ist die Auslastung so weit gestiegen, dass die Kurzarbeit auf dem Terminal seit Ende März wieder ausgesetzt ist. Mit dem Großkunden Linde würden dieses Jahr wieder mehrere Projekte verladen, heißt es. Derweil stellt man sich in Hamburg auf zunehmende Anlagen-Verschiffungen von Siemens ein, wie Hafen-Marketing-Chefin Claudia Roller kürzlich vor Journalisten sagte.