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Deutschlands zweitgrößte Container-Linienreederei nimmt nach einer Serie von Übernahmen in den vergangenen Jahren das größte EDV-Projekt ihrer Geschichte in Angriff. Bis 2013 soll konzernweit eine neue Software-Plattform für alle Prozesse von der Container-Buchung über Equipment-Steuerung und Auftragsabwicklung bis zur Buchhaltung eingeführt werden. Durch die Investition, die im dreistelligen Millionenbereich liegen soll, verspricht sich die Reederei einen Produktivitätsschub. Über die Vorgehensweise dabei, die allgemeine Marktentwicklung und die Aussichten für weitere Übernahmen sprach die Hansa mit Dr. Ottmar Gast, dem Sprecher der Hamburg-Süd-Geschäftsführung. Das Gespräch führte Michael Hollmann.

HANSA: Im Frühjahr hieß es, dass die Carryings bei Hamburg Süd schon wieder das Vorkrisenniveau überflügeln, dass die Frachtraten[ds_preview] aber noch sehr dürftig seien. Wie hat sich die Situation seitdem entwickelt?

Dr. Ottmar Gast: Die Entwicklung ist weiterhin stabil. Wir gehen in der Tat davon aus, dass unsere Ladungsvolumina dieses Jahr nennenswert über dem Niveau von 2008 liegen werden. Selbst wenn man den schon einsetzenden Einbruch in den letzten zwei Monaten 2008 neutralisieren würde, gehe ich für 2010 von einem höheren Wert aus. Insoweit schon eine bemerkenswerte Entwicklung.

HANSA: Welche Routen entwickeln sich am dynamischsten?

Gast: Das sind schon die Verkehre aus Asien zu den beiden Küsten Südamerikas und nach Australien. Auch der europäische Export nach Südamerika entwickelt sich stark. Die für uns wichtigen Verkehre für die Automobilindustrie sind wieder zurückgekommen.

Unsere Aktivitäten aus Asien heraus liegen bereits knapp über den europäischen Exportvolumina.

HANSA: Auf den Ost-West-Strecken haben die Raten bereits stark angezogen, zum Teil neue Höchstwerte erreicht. Warum nicht auch in den Südamerika-Trades?

Gast: Das ist das Verhältnis von Angebot zu Nachfrage. Auf den Routen Fernost-Europa und Transpazifik haben die Carrier im vergangenen Jahr erheblich Federn gelassen. Da die Raten extrem niedrig waren und dass die Hauptprodukte für die globalen Carrier sind, haben sie besonders darauf geachtet, dass in diesen Bereichen zu einem Schifffahrtau des Überhangs der operativen Kapazität kommt. Das in Verbindung mit der unerwartet schnellen Erholung hat dazu geführt, dass die Kapazität knapper wurde als man erwartet hatte. Man konnte gar nicht so schnell reagieren. Auch wusste man nicht ob das nur ein kurzer Peak wegen der Auffüllung der Läger war. Bei uns ist die Kapazitätsknappheit nicht so ausgeprägt, trotzdem haben sich die Raten erholt, wir liegen nur noch nicht auf dem Niveau vor der Krise im Oktober 2008.

HANSA: Wie viel müssen Sie denn noch aufholen?

Gast: Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Verkehre, die immer noch mit Verlusten behaftet sind und solche, die schon zufrieden stellend sind. Die Raten auf der Route Südamerika nach Europa sind noch unbefriedigend, weil der Export durch den starken Real leidet. Zudem führt Russland bei bestimmten Produkten wie Geflügel immer noch nicht wieder so viel ein wie vorher. Die Unpaarigkeit des Europa-ECSA-Verkehrs hat sich dadurch allerdings verringert, denn vorher hatten Sie immer deutlich mehr Ladung nordgehend. Das wirkt sich inzwischen bei der Containerpositionierung positiv aus. Die Frachtenraten sind aber eindeutig unbefriedigend. Aus Asien haben sich die Raten in unsere Zielgebiete sehr ordentlich entwickelt.

HANSA: Eine Konsolidierung unter den Anbietern könnte wohl helfen. Wie stehen die Chancen dafür?

Gast: Das ist ein Branchenthema. Da sind einige große Wettbewerber der Meinung, dass die Branche immer noch zu zersplittert ist, dass es zu viele Player gibt. Das ist wohl so. Was die Hamburg Süd angeht, haben wir in den vergangenen Jahren Übernahmen durchgeführt, weil wir in den Verkehren, die wir als relevant ansehen, eine substantielle Position erreichen wollten. Das haben wir auch weitgehend erreicht. Wir hatten seinerzeit die Wahl, durch aggressives Preisverhalten Marktanteil zu erobern oder andere zu übernehmen und dadurch einen Sprung beim Marktanteil zu erreichen. Wir haben uns für letzteres entschieden und deswegen haben wir diverse kleinere Carrier übernommen.

HANSA: Sind weitere Übernahmekandidaten in Sicht?

Gast: Da gibt es im Grunde kaum noch Kandidaten, als kleinere Container-Carrier, die in den für uns relevanten Fahrtgebieten möglicherweise in Frage kommen. Von daher ist die Phase der Übernahmen wohl abgeschlossen. Konsolidierung könnte nur noch mit großen oder größeren Firmen stattfinden. Wir wollen aber unabhängig bleiben. Die Krise hat auch gezeigt, dass wir dazu in der Lage sind, weil wir weniger schlecht durch den Markteinbruch kamen als andere. Wir haben keinen Flopp dabei gehabt, fast alle Übernahmen haben sich schneller augezahlt als projektiert. Wenn man einen eindeutig kleineren übernimmt, ist man schneller in den Lage, eine Integration durchzuführen. Wir haben immer sehr schnell die Funktionen zusammengeführt, also einen Equipment-Pool, ein EDV-System usw., um auf diese Weise schnell Synergien zu heben. Die Marken haben wir in der Regel immer längere Zeit beibehaltem, bis wir der Meinung waren, die Kunden haben genug Vertrauen zur Hamburg Süd-Gruppe gefasst.

HANSA: Jetzt sind Sie dabei, die EDV-Landschaft in der Hamburg Süd-Gruppe general zu überholen und ein neues IT-System einzuführen. Ist das die logische Folge aus den vielen Übernahmen?

Gast: Nein, die Übernahmen sind nicht die Ursache sondern eher eine Bremse dafür gewesen. Eigentlich wollten wir schon viel früher mit der Einführung einer neuen IT loslegen. Dann kam immer eine Übernahme dazwischen, und es wurde klar, dass wir nicht gleichzeitig eine Integration der existierenden Systeme vornehmen und dann noch parallel unsere EDV-Welt komplett erneuern. Es ist auch keine Generalüberholung sondern eine ganz neue Entwicklung, basierend auf einem existierenden Softwareprodukt, das aber nur den Nukleus bildet.

HANSA: Wie gehen Sie dabei vor?

Gast: Wir fangen mit den eigentlichen Kernprozessen an: Buchung, Auftragsabwicklung, Stammdaten, Containersteuerung, Operations, das ganze Schiffsnetzwerk. Alle diese Kernprozesse werden erneuert. Das Buchhaltungssystem wird als letztes erneuert. Das wird dann zum Schluss in einem einzigen Standardsystem gebündelt, dass mit einigen lokalen Anpassungen weltweit eingesetzt wird. Dieses Projekt mit dem Namen Globe ist eine große Herausforderung.

HANSA: Wie ist der Aufwand einzuordnen. Ihr Vorgänger Dr. Meves sagte einmal, es handele sich um eine Investition im dreistelligen Millionenbereich?

Gast: Da hat er sicher Recht gehabt. Von den ersten strategischen Überlegungen bis zur Umsetzung vergehen sicherlich sieben Jahre, wobei solche ein Projekt nie voll abgeschlossen ist.

HANSA: Wie weit sind Sie jetzt?

Gast: Wir haben die ersten Anwendungen weltweit ausgerollt und wollen Ende des Jahres die beiden ersten Regionen aufschalten, die das dann in der Auftragsabwicklung auf den gemeinsamen Routen anwenden. Das werden Asien und Australien / Neuseeland sein, die betreffenden Verkehre repräsentieren nur einen kleineren Teil unserer gesamten Carryings, vielleicht rund ein Zehntel. Wir wollen natürlich nicht gleich mit den wichtigsten Regionen anfangen, sondern erst einmal unsere Erfahrungen sammeln, um bei der flächendeckenden Einführung gegebenenfalls Anpassungen vornehmen zu können.

HANSA: Wie wird sich das auf den Geschäftsverkehr mit den Kunden auswirken?

Gast: Für den Kunden ergeben sich daraus keine neuen Anforderungen. Allerdings wird er als Konsequenz daraus von uns verlässlichere, schnellere Informationen bekommen zu den Fahrplänen, zur Auftragsabwicklung, zu den Nachläufen etc. Unsere Auskunftsfähigkeit sollte sich deutlich verbessern.

HANSA: Wann genau legen sie in Asien/Australien los?

Gast: Das wird 2011 vollständig live gehen. Weltweit wollen wir die Kernanwendungen des neuen Systems bis 2013 flächendeckend einführen.

HANSA: Haben Sie den Zeitplan unter dem Eindruck der Krise gestreckt?

Gast: Nein. Man hätte auch gern an dieser Kostenschraube gedreht. Aber man kann diese große Projektorganisation nicht einfach stoppen. Das wäre so, als würden Sie den Bau eines Schiffs abbrechen. Dann kommt alles zum Erliegen, und Sie müssen dann wieder ganz von vorn anfangen. Aus einem ähnlichen Beweggrund haben wir uns auch dagegen entschlossen, Personal abzubauen, weil Sie die Mitarbeiter nach der Krise wieder brauchen und sie sonst neu einstellen müssten.

HANSA: Zurück zum Verkehr. In einigen Häfen wie Rotterdam sind die Abfertigungskapazitäten schon wieder angespannt. Wie ist die Situation in den südamerikanischen Häfen?

Gast: Dort sind wir wieder sehr stark von Engpässen betroffen, sowohl in Brasilien als auch anderen Ländern Lateinamerikas und Zentralamerikas. Da sind hohe Mehrkosten notwendig, um die Schiffe im Fahrplan zu halten. Das sind Dauerzustände, die sich durch das erneute Wachstum der Ladungsmengen wieder verstärken.

HANSA: Wird sich das durch den Bau ihres eigenen Terminals in Itapoá/Santa Catarina verbessern?

Gast: Davon gehen wir aus. Wir bauen das Terminal dort mit einem brasilianischen Partner zusammen und wollen die Anlage Ende des Jahres in Betrieb nehmen. Der Hafen, der zunächst einmal für 300.000 TEU ausgelegt ist, soll eine Hub-, als Knotenfunktion für uns haben. Wir könnten beispielsweise Asien-Ladung, die für Manaus bestimmt ist, dort auf unsere Kabotagedienste (Alianca) umladen, oder auch Direktanläufe in anderen Häfen reduzieren und sie dann per Feeder von Itapoá aus bedienen.

HANSA: Durch die Verkehrserholung war Container-Equipment in den vergangenen Monaten immer knapper geworden. Wie sah Ihre Strategie für die Containerflotte seit vergangenem Jahr aus?

Gast: Im vergangenen Jahr haben wir wie alle anderen abgebaut, weil wir zu viel Equipment hatten. Wir fingen dann vergangenen Herbst wohl als erster Carrier abgesehen von den Leasinggesellschaften wieder an zu ordern. Allmählich wurden die Fabriken in Asien dann wieder im Einschichtbetrieb geöffnet, nachdem wir und die Leasinggesellschaften anfragten. Dieses Jahr geben wir rund 300 Mio. USD für neue Container aus.

HANSA: Und was tut sich noch bei der Schiffsflotte?

Gast: Wir erwarten noch zehn 7.100-teu-Schiffe bis 2012, zwei davon in diesem Jahr.

HANSA: Ist bei 7.100 TEU die Grenze erreicht?

Gast: Wir bewegen uns damit sicherlich an der Grenze, weil eine Reihe von Häfen in unseren Fahrtgebieten noch dabei sind, ihre Wassertiefen entsprechend anzupassen. Das geht in etwa einher mit der Ablieferung unserer Schiffe. Was die fernere Zukunft bringen wird, bleibt abzuwarten. Nicht auszuschließen, dass wir noch mal einen Schritt zu größeren Schiffen machen, wenn sich die Bedingungen in den Häfen verbessert haben. Im Moment geht aber nicht mehr. Wir waren auch immer die ersten, die zu größeren Schiffen übergegangen sind und zum Beispiel auch die ersten Postpanamaxschiffe nach Südamerika geschickt haben.

HANSA: Denken Sie derzeit überhaupt über weitere Neubauaufträge nach?

Gast: Wenn wir weiter wachsen und dabei auch einen gewissen Anteil an eigener Kapazität halten wollen, müssen wir permanent dafür sorgen, dass Neubauten dazukommen. Überlegungen zu dem Thema gibt es immer, aber es wäre noch zu früh, dazu etwas Konkretes zu sagen.

HANSA: Herr Dr. Gast, wir danken für das Gespräch.

Michael Hollmann