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Die Transportkapazität für verderbliche Ware wie Obst, Fleisch und Arzneimittel könnte Anfang nächsten Jahres wieder extrem eng werden. Ein Großteil solcher Produkte wird längst per Kühl-Container transportiert. Doch das Angebot an Boxen hält seit vergangenem Jahr nicht mehr mit der Nachfrage Schritt.

Es gibt viele gute Gründe für den Transport im Container: Regelmäßige Schiffsabfahrten in hoher Frequenz, leichter Wechsel zwischen Verkehrsträgern, Verladung[ds_preview] kleinerer Sendungsgrößen statt großer Breakbulk-Partien etc.. Das gilt natürlich auch für Obst und Gemüse, Fisch und Fleisch oder andere sensible Produkte wie Arzneimittel. Wurde ein Großteil solcher verderblichen Waren bis zu Beginn des Jahrtausends noch mit konventionellen Reefer-Breakbulk-Schiffen über die Weltmeere befördert – abgesehen von den eher Luftfracht-affinen Pharmaprodukten – so dominiert auch in dieser Nische heute der Container. Den Beschaffungsstrategien der Lebensmittelhändler kommt das sehr entgegen. Lieber kleinere Mengen möglichst just-in-time in Empfang nehmen und direkt auf die Geschäfte verteilen, als riesige Obst- und Fleischberge in den Kühlhäusern zu horten, was nur unnötig Kapital bindet. Das System bewährt sich, aber nur, solange die Lieferketten reibungslos funktionieren und immer ausreichend frische Ware in gewohnter Qualität nachkommt. Dieses Jahr mussten viele Ex- und Importeure bestürzt feststellen, dass die Transportlogistik per Container ihre Achillesferse ist. Nachdem Linienreeder und Leasinggesellschaften im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise Investitionen in neue Kühlcontainer zurückgestellt und sich obendrein die Rundlaufzeiten der Boxen durch das Slow Steaming in der Schifffahrt verlängert hatten, fehlte es zu Beginn dieses Jahres plötzlich in den meisten Fahrtgebieten an Transportkapazität. Nach der Obsternte auf der südlichen Halbkugel herrscht zwischen Februar und April Hochsaison in den Reefer-Verkehren. Den Gesetzen von Angebot und Nachfrage folgend, schossen die Frachtraten in die Höhe, obwohl die Linienreeder mit der Servicequalität schwer zu hadern hatten. Nach Einschätzung von Experten wird sich die Lage auch im kommenden Jahr nicht verbessern. »Nächstes Jahr dürfte genauso werden wie dieses Jahr, wir werden wohl dieselbe Situation erleben«, sagte Andrew Ngan, verantwortlich für den Bereich Global Reefer Management bei der japanischen Reederei Mitsui OSK Lines, auf der Cool Logistics-Konferenz Mitte September in Hamburg. Die Japaner gehen für dieses Jahr von einem Anstieg der globalen Kühlcontainertransporte um 6.6 % aus, während die Menge der in Umlauf befindlichen Reefer-Boxen nur um 4,1 % zunehmen werde. Auch der Marktführer Maersk Line macht seinen Kunden keine Hoffnung auf eine rasche Besserung der Lage. »Die Engpässe werden sich nächstes Jahr wiederholen. Wir haben noch keinen Anstieg der Reefer-Containerflotte beobachtet«, warnte Thomas Eskesen, Senior Director Reefer Management bei Maersk. Hingegen könnte die Verkehrsnachfrage nächstes Jahr sogar um 10 % wachsen, schätzt Eskesen. Zudem gebe es keine verlässlichen Bedarfsprognosen von den Kunden. »Ich habe noch keinen gesehen, der uns eine ordentliche Vorschau für die nächsten 12 Monate geben konnte«, so Eskesen. Das macht es den Carriern nicht leicht, die Kühlcontainer bedarfsgerecht zur Hochsaison in den jeweiligen Laderegionen bereitzustellen.

Teure Equipment-Positionierung

Die Positionierung des Equipments gehört ohnehin zu den größten logistischen Herausforderungen für die Linien. Die Stellplatzkontingente auf den Schiffen müssen behutsam austariert werden, um sicherzustellen, dass neben beladenen Containern ausreichend leere Reefer-Container in die Ernteregionen zurückgelangen. Das verursacht zunächst einmal nur Kosten, doch wer hier spart, muss später zur Hochsaison auf erhebliche Frachtenerlöse verzichten, wenn er die Nachfrage nicht bedienen kann. Denn die Raten im Reefer-Geschäft können schon einmal das Doppelte oder Dreifache des Standardtarifs betragen. So haben Reeder im westgehenden Europa-Nordamerika-Verkehr kürzlich Raten von rund 3.300 US$ pro Reefer-Vierzigfußcontainer quotiert gegenüber 1.800 US$ für gleich große Dry-Container. Marktbeobachter gehen davon aus, dass der Engpass an Equipment in den Ladehäfen nächstes Jahr noch dramatischer ausfallen könnte, weil die rechtzeitige Positionierung der Reefer-Boxen durch die angespannte Stellplatzsituation auf den Schiffen erschwert wird. Seit Ende 2009 haben die Linienreeder das Kapazitätsangebot konsequent begrenzt, um höchstmögliche Auslastung und Frachtraten zu gewährleisten. Unter diesen Bedingungen müssten Reefer-Container zunehmend mit herkömmlicher Dry-Ladung um Stellplätze »konkurrieren«, warnte Mathijs Slangen, Analyst bei der Beratungsfirma Seabury Cargo Advisory. Den Experten zufolge ist der Containerverkehr mit verderblichen Produkten in den Jahren 2000 bis 2008 um durchschnittlich 9,8 % pro Jahr und damit überproportional gewachsen. Auch im Krisenjahr 2009 habe sich das Segment mit einem Rückgang von nur 3 % deutlich besser geschlagen als der Gesamtmarkt.

Dass die Linienreeder und Container-Leasingfirmen trotz der Sonderkonjunktur bei Reefer-Ladung offenbar nicht adäquat in Kühlcontainer investiert haben, lag zum Teil auch an Produktionsbeschränkungen. In Folge des Nachfrageeinbruchs bei Dry-Containern im Jahr 2008 hatten die Containerhersteller in Asien ihre Fabriken weitgehend stillgelegt. Offenbar lohnte es sich für sie nicht, die Produktion nur für einige Reefer-Spezialserien wieder hochzufahren.

Darüber hinaus wird die Verfügbarkeit von Reefer-Containern durch erhöhte Rundlaufzeiten vermindert. So wird geschätzt, dass durch die verlängerten Transitzeiten in Folge des Slow Steamings in den Linienverkehren 5 bis 7 % mehr Container gebunden werden. Außerdem verlagern sich die Reefer-Verkehre zunehmend nach Asien, wo die Konsumansprüche mit dem Wachstum der Mittelschicht rasant steigen. Eric Eng, Vice President Global Reefer Trade bei APL, sagte, dass sich der Trend vor allem in den Südamerika-Verkehren auswirke. Immer mehr Ware aus Ländern wie Chile oder Brasilien gehe nach Asien statt zu den Häfen der US-Ostküste, was mit deutlich längeren Laufzeiten verbunden ist. Die Container-Rundläufe nähmen dann mit 40 bis 50 Tagen mehr als doppelt so viel Zeit in Anspruch wie im Verkehr zur US-Ostküste, sagte Eng. Entsprechend länger dauert es, bis die Boxen zur Wiederbeladung bereitstehen.

Verlader monieren Schäden

Kapazitätsengpässe und kurzfristige Fahrplanänderungen der Container-Linienreedereien führten dieses Jahr bereits zu erheblichen Schäden im Transport von verderblicher Ware. Darüber beschwerten sich Seeverlader aus Südafrika und den USA auf der Cool Logistics-Konferenz. In einem prominenten Fall hätte ein US-Agrarexporteur Verluste von zusammen 13 Mio. US$ erlitten, weil ihm seine Linienreederei nicht die vertraglich zugesicherten Reefer-Container gestellt hätte. Das berichtete Peter Friedmann, Geschäftsführer des nordamerikanischen Verladerverbands Agriculture Transportation Coalition (ATC). Recherchen des Kunden hätten ergeben, dass die Leercontainer stattdessen Weintrauben-Exporteuren zur Verfügung gestellt wurden, die für ihre Saisonware höhere Frachten bezahlten. In einem anderen Fall habe ein US-Exporteur von Schweinefleisch pro Exportcontainer 100.000 US$ Warenwert abschreiben müssen, weil das gekühlte Fleisch wegen Ladeverspätungen eingefroren werden musste. Tiefkühlware habe einen viel geringeren Verkaufswert als Frischfleisch. Die Agriculture Transportation Coalition versuche durch Arbeitsgruppen mit den Linienreedern die Kooperation und den Informationsaustausch zwischen Carriern und Kunden zu verbessern. »Einige Reeder sind stark daran interessiert, mit ihren Kunden zusammenzuarbeiten. Einige andere zeigen hingegen gar kein Interesse«, konstatierte Friedmann. Der Fruchthandelskonzern Dole verzeichnete eigenen Angaben zufolge in diesem Jahr beträchtliche Verspätungsschäden bei Zitrusfruchtlieferungen aus Südafrika für Südeuropa. Ein Vertreter des Unternehmens sagte, dass zahlreiche Container nach der Umladung auf den Kanarischen Inseln wochenlang im Hafen von Las Palmas liegen geblieben seien. Der Feederschiffsbetreiber, der die Ladung im Mittelmeerraum verteilen sollte, habe in kurzer Folge mehrere Frachter mangels Auslastung aus dem Verkehr gezogen. Für das Teilsegment der Kühlcontainer seien auf den verbliebenen Schiffen aber plötzlich nicht mehr ausreichend Steckdosen vorhanden gewesen. Die Hochsee-Reederei, die den Gesamttransport für Dole koordinierte, habe die Störungen nicht abschätzen können. »Niemand konnte voraussagen, was sich da anbahnt«, kritisierte der Firmenvertreter. So seien in Südafrika noch laufend weitere Container mit dem Transhipment-Dienst verladen worden, als schon längst klar gewesen sei, dass sie im Transit stecken bleiben würden.

Die komplexen logistischen Anforderungen bei verderblicher Ware bereiten auch den Lebensmittelhändlern Schwierigkeiten. Die Versuche der Supermarktketten, die Beschaffungslogistik bei Produkten wie Südfrüchten von der Plantage bis zum Regal selbst zu organisieren, seien »nicht alle glücklich geendet«, merkte Philip Symons, Einkaufsmanager der britischen Einzelhandelskette Marks & Spencer, an. »Da sind noch größere Lernprozesse erforderlich«, meinte der Brite. Die vielfältigen Aufgaben, die zuvor von den zwischengeschalteten Exporteuren, Importeuren und Großhändlern sowie ihren Logistikdienstleistern erledigt wurden, müssten von den Einzelhändlern dann selbständig abgedeckt werden. Dazu bräuchten sie auch vermehrt eigene Umschlag- und Lagerkapazitäten an den Schnittstellen der Logistikkette. »Wohin mit Überschussvorräten? Und wie verfahren Sie mit den Ausschussmengen?«, sind für Symons nur einige der ungelösten Fragen. »Die Direktbeschaffung ist nicht so leicht, wie es sich oft anhört. Je frischer die Ware, desto schwieriger«, warnte er.