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Der globale Seeverkehr bewegt 90 % des internationalen Handels und ist damit Garant für Wirtschaftswachstum und Wohlstand in der gesamten Welt[ds_preview]. Erfolgreiche und versuchte Terroranschläge auf die Luftfahrt oder mit Hilfe von Flugzeugen sowie Terrorakte an Land sind das Risiko unserer Zeit. Das Bedrohungsszenario besteht auch für die Schifffahrt, wo ohnehin schon Piraten und sonstige Kriminelle mit großem »Erfolg« tätig sind. Für die Täter kommen dabei Schiffe gleichermaßen als Ziel wie als Tatmittel in Frage. Wenn es darum geht, mit möglichst wenig Aufwand den größtmöglichen Schaden mit symbolhafter Bedeutung anzurichten, so gerät die Schifffahrt insbesondere mit ihren Sektoren Passagierschifffahrt (Fähren und Kreuzfahrer) und Tankschifffahrt (Flüssiggas-, Öl- und Produktentanker) ins Visier. Es gibt in der Welt rund 500 große und kleinere Kreuzfahrtschiffe (darunter ca. 200 Schiffe mit mehr als 2000 Passagieren) und tausende von Fähren. Allein in der EU bilden 370 Fährschiffe in Ostsee, Nordsee und Mittelmeer die unverzichtbaren Verkehrslinien. Mit vielen Fährlinien und rund 600 Kreuzfahrtanläufen pro Jahr ist Deutschland in diesen Märkten fest verankert.

Terror als Bedrohung für die Schifffahrt spielt zahlenmäßig aktuell (noch) keine besondere Rolle, verdient aber größere Aufmerksamkeit, insbesondere nachdem somalische Piraten in den Jahren 2008/2009 insgesamt fünf Kreuzfahrer erfolglos angriffen und nur in einem Fall (französischer Kreuzfahrt-Segler »Le Ponant«) ein Schiff kapern konnten, auf dem sich zu diesem Zeitpunkt allerdings nur die Besatzung befand. Nachdenklich muss stimmen, dass der verlustreiche und äußerst brutale Terroranschlag in Mumbai auf Luxushotels und Vergnügungsstätten im Oktober 2008 eine maritime Komponente hatte. Die zehn Terroristen reisten von Karatschi mit dem Schiff eines pakistanischen Terroristen an, kaperten ein indisches Schiff als Mutterschiff und drangen mit mehreren Speedbooten in die Innenstadt von Mumbai ein, ohne von den indischen Polizei- und Marinekräften erkannt zu werden.

Terroristen haben prinzipiell Zugriff auf Schiffe, um Angriffe auszuführen, Geld zu beschaffen oder illegale Transporte zu leisten. Organisationen wie Al Qaida und andere autonome oder regional operierende Gruppen sind in der Lage, Terror auf See bzw. in Schifffahrt und Häfen auszuüben. Die allseits bekannten Schwierigkeiten, der Piraterie am Horn von Afrika Herr zu werden, können geradezu als Ermutigung angesehen werden, die »Weichstelle« Seeverkehr anzugreifen Terroristen können eigene oder gekaperte Schiffe und Fahrzeuge nutzen, deren Erkennung außerordentlich schwierig ist. Die alliierte Seeraumüberwachung Operation Enduring Freedom OEF am Horn von Afrika und im Mittelmeer, wo ständig rund hundert Schiffe mit illegalen, kriminellen oder terroristischen Tätigkeiten vermutet werden, dient der Erfassung derartiger Verkehre. Terror­organisationen haben Zugriff auf maritime Fachleute, Fähragenten und Mittelsmänner sowie Seeleute unter den rd. 1,5 Mio. internationalen Seeleuten, von denen die meisten aus Ländern der dritten Welt stammen. Es ist kein Geheimnis, dass gefälschte Zeugnisse / Zertifikate den Zugang zu maritimen Arbeitsplätzen eröffnen. Damit gilt: Terror und Kriminalität können weitreichende Folgen für die westlichen liberalen Gesellschaften in ihrer maritimen Abhängigkeit haben.

Im Jahre 2002 ging der bis dahin fürs Maritime zuständige Al Qaida Führer Abdulrahmin Mohammed Abda, genannt »Prince of the Sea« im Jemen den Verfolgern ins Netz. Videotapes und Training Manuals über maritime Operationen wurden 2004 in Afghanistan gefunden. Es gibt Hinweise auf Taucherausbildung und Trainingsaktivitäten von islamistischen Gruppen. Querverbindungen zu den Tamil Tigers (Sri Lanka), die auf dem Sektor von Speedbooten und Waffennachschub über See erfolgreich waren, sowie zum Regime in Nordkorea drängen sich auf.

Der Schulterschluss zwischen Piraten, Warlords, Waffen- und Drogenhändlern und Terroristen wird immer wahrscheinlicher, denn der Drogenhandel finanziert wie in Afghanistan häufig den Terrorismus. Terrororganisationen wie Al Shabaab finden im Territorium von Somalia und Jemen einen »safe haven«, wo Piratensyndikate und Hintermänner agieren. Da drängt sich der Gedanke an eine Zusammenarbeit zwischen geradezu auf, die sich auf gemeinsame Logistik für Treibstoffe, Waffen, Drogen und Geld, auf Schutzgeldzahlungen und Hintermänner erstrecken dürfte. Es ist nicht auszuschließen, dass die wankenden Staaten der Krisenregionen wie z. B. Pakistan, Sudan, Jemen und Kenia zu neuen Hochburgen des Terrorismus bzw. zu Kriegsschauplätzen werden. Der Konflikt internationalisiert sich.

Allerdings sind terroristische Akte auf See, wie das Versenken eines Schiffes, planerisch, logistisch und finanziell schwieriger auszuführen als vergleichbare Szenarien an Land. Jeder Seemann weiß, dass Feuer an Bord die größte unter den Gefahrenquellen ist. Da liegt es für den Angreifer nahe, Brände auszulösen. Große Schiffe sind ein komplexes durchaus überlebensfähiges Bauwerk, das durch wasserdichte Schotten, Feuerlöscheinrichtungen und Überwachungstechnik sowie geschultes Personal relativ gut geschützt ist. Diese Sicherungen können jedoch mit massiver Gewalt von außen, durch einen Überraschungscoup von innen oder durch Geiselnahme überwunden werden. Nur die wenigsten Terroristen dürften über die notwendigen Erfahrungen mit den Bedingungen auf See, Navigation sowie in der Handhabung eines Schiffes verfügen, um einen solchen Anschlag durchzuführen. Aber so, wie man Flugzeugführer schulen kann, lässt sich auch das nötige maritime Know-how erwerben.

Terrorismus, Gewalt und Kriminalität werden sich aller Voraussicht nach auf See und mehr noch in den Häfen stärker entfalten. Wie überall ist der »Angreifer« im Vorteil und häufig erfolgreich, weil er Zeitpunkt und Ziel auswählt und sich mühelos als harmloser Verkehrsteilnehmer, Fischer oder Wassersportler tarnen kann. Selbstmordattentäter, die sich innerhalb eines Systems bewegen, sind kaum zu verhindern. Es gibt keine Vorwarnzeit. Der Verteidiger muss permanent in Wachsamkeit und Abwehr präsent sein – eine enorme Herausforderung, wenn man an die Vielfalt der maritimen Verkehrsströme denkt, die Wirtschaft und Wohlstand versorgen. Im Hintergrund lauert zusätzlich die Gefahr des Zugriffs der Terroristen auf Massenvernichtungswaffen wie »schmutzige Bomben«. Die Abwehr muss permanent und weltweit möglich sein und die Option militärischer Reaktionen einschließen.

Mögliche Ziele sind Öl- und Gastanker, Gefahrgutladungen, Passagier- und Kreuzfahrtschiffe, Kriegsschiffe, Bohrinseln. Sie sind verletzlich durch Speedboot-Angriffe, eingeschleuste Kämpfer, Bomben in Fahrzeugen und Containern, Seeminen, Hijacking, Geiselnahme und Sabotagehandlungen. Auch Angriffe mit Mini-Ubooten, Tarnkappenbooten und Hubschraubern sind vorstellbar. Jede unmotivierte Annäherung eines Schiffes kann verdächtig sein. Der Einsatz von »Schiffen als Waffe« – auch als Umweltwaffe – ist zur Erpressung von Staaten denkbar. Passagierschiffe wären analog zu Flugzeugen besonders »lohnende«, weil sensible »weiche« Ziele. Computernetzwerke (»Cyberangriffe«), Pipelines und Kabel sind wegen ihrer Versorgungs- und Kommunikationsrolle ebenfalls »lohnende« Ziele für Terroristen, Saboteure und wegen ihres Materialwertes sogar für »normale« Diebe. Schließlich gehören auch Bauwerke wie Hafenanlagen, Brücken und Tunnel, Schleusen und Küstenschutzanlagen unter dem Oberbegriff »kritische Infrastrukturen« in die Liste möglicher Ziele.

Ein gezielter Anschlag in Meerengen, auf Flüssen und Kanälen oder in Häfen und ihren Zufahrten kann zur Sperrung oder zum Zusammenbruch einzelner Schifffahrtsmärkte führen. So würden Terrorakte in den Straßen von Hormuz oder Malacca jeweils 40 % aller Erdöltransporte massiv beeinträchtigen und eine Explosion der Ölpreise nach sich ziehen, während ein versenktes Schiff in der Elbe den deutschen Außenhandel für einige Zeit massiv einschränken könnte. Im Panama-Kanal gibt es deshalb militärische Übungen zur Terrorabwehr. Ein einziger erfolgreicher Angriff auf ein voll besetztes Passagierschiff würde den gesamten Markt der Kreuzfahrt weltweit paralysieren, der jährlich 14 Mio. Passagiere und 40 Mrd. $ Umsatz repräsentiert.

Rund 2 % aller belegten terroristischen Vorfälle in den letzten 30 Jahren sind angeblich dem maritimen Terrorismus zuzuordnen. Eindeutig belegt sind bisher folgende »maritime« Terroranschläge:

• Kreuzfahrer »Achille Lauro«, 1985, Hijacking durch Palästinenser, ein Passagier ermordet;

• »USS Cole«, Hafen Aden 2000, Sprengstoffangriff mit Speedboot, 19 tote US Soldaten;

• Tanker »Limburg«, Jemen 2002, Sprengstoffangriff mit Speedboot, Tote / Ölverschmutzung;

• Fähre »SuperFerry 14« 2004, Philippinen, Sprengstoffanschlag durch Abu Sayaf, 116 Passagiere getötet, Rettung über die Heckklappe, Totalverlust;

• Hafen Ashdod, Israel, zwei Selbstmordattentäter im Container eingeschleust, zehn tote Hafenarbeiter;

• Basra Oil Terminal, 2004, gescheiterter Sprengstoffanschlag mit Speedboot auf Tanker Takasuza, drei tote US Soldaten;

• Verhinderter Anschlag August 2005 auf israelisches Kreuzfahrtschiff in Antalya /Türkei;

• Sprengstoffanschlag (Abu Sayaf) am 28.08.2005 auf Fähre »Donna Ramona« in den Philippinen.

In Nordsee, Ostsee und Mittelmeer blieb es bisher bei einigen blinden Terroralarmen für Fähr- und Kreuzfahrtschiffe. Die Fähren in diesen Regionen befördern nicht nur Passagiere sondern auch Frachtgut in Containern. Denkbar wäre das Einschmuggeln von Sprengstoff oder von Massenvernichtungswaffen – analog etwa dem Zwischenfall mit dem Frachter »So San« vor Jemen 2002. Dort entdeckte ein spanisches Kriegsschiff 15 unter einer Zementladung verborgene Scudraketen.

Ein geographischer Schwerpunkt möglichen Terrors zur See ergibt sich für den nord-westlichen Indischen Ozean mit Jemen im Visier, wo die Anschläge auf »Cole« und »Limburg«, die Ausbildung des gescheiterten Flugzeugattentäters von Detroit (Dezember 2009) und im weiteren Umfeld der Überfall in Mumbai sowie allgemein das Piratenunwesen zu verorten sind.

Schließlich gibt es Fälle, bei denen eine klare Einordnung unter Terror möglich aber nicht bewiesen ist. Hierzu mögen die »Detonation« auf dem japanischen Tanker »M Star« im Juli 2010 (mit Al Quaida Selbstbezichtigung), der »Arctic Sea«-Zwischenfall von 2009 oder auch die Kaperung des Kreuzfahrers »Le Ponant« im April 2008 zählen, die zum Glück nur mit ihrer Stammbesatzung Opfer der Piraten wurde. Wären Passagiere zu Schaden gekommen, wäre wohl der Terrorbezug ins Spiel gekommen. Ein weiteres Beispiel ist der Gaza Zwischenfall vom Mai 2010, als israelisches Militär eine Flotte von »Hilfsschiffen«, auf denen sich angeblich rund 50 gewaltbereite organisierte bewaffnete Terroristen befanden, vor Gaza gewaltsam stoppte. Auch hier liegt eine rechtliche Gemengelage vor, die mit den Stichworten Terror, Freiheitsbewegung, Waffenembargo, organisierte Kriminalität, Kriegsrecht und Blockade nur in Ansätzen umschrieben ist. Zwischenfälle dieser Art werden zunehmen.

Seeräuber und Terroristen sind trotz unterschiedlicher Motivation keine grundverschiedenen Kategorien. So können etwa Piraterie und illegaler Waffenhandel durchaus von Terrororganisationen zur Geldbeschaffung und für illegale Transporte genutzt werden. Der Unterschied zwischen äußerer und innerer Sicherheit, zwischen Terror und Kriminalität, verschwimmt. Erschwerend kommt hinzu, dass auf See häu g kein klares Bild über den Aggressor existiert, der unter dem Deckmantel einer fremden Flagge, einer Freiheitsbewegung, eines privaten Unternehmens oder gar einer nationalen Marine auftritt. Der Übergang von Polizeiarbeit und Nachrichtendiensten, vorbeugendem Schutz und Militäreinsatz ist deshalb ießend. Für die Sicherheit auf See ergibt sich so die Erkenntnis auf, dass Safety + Security ein Gesamtrisiko darstellen.

Der ISPS Code für Ship & Port Security

Als Folge der Ereignisse von 9/11 wurde 2002 das Schiffssicherheitsübereinkommen (SOLAS) um den sogenannten International Ship and Port Facility Code (ISPS Code) ergänzt. Ziel ist es, die Terrorbedrohung von Schiffen und Häfen durch standardisierte und nachprüfbare Maßnahmen weltweit zu verbessern. Die Staaten waren zur Umsetzung des ISPS-Codes bis zum 1. Juli 2004 verp ichtet. Der ISPS Code gilt auch für Fähr- und Kreuzfahrer. Die neuen Zäune um die Terminals, die Zugangs- und Gepäckkontrollen sowie diverse verdeckte Kontrollen an Land und an Bord sind sichtbare Zeichen. Allerdings gibt es praktische Unterschiede. In der Kreuzfahrt ist die Identitätskontrolle der Passagiere, die Gepäckkontrolle und der Bordbetrieb technisch und von den Arbeitsabläufen her relativ leicht durchführbar. Speziell für die Überprüfung der Passagiere steht genügend Zeit zur Verfügung. Bei Fähren hat man es dagegen mit einer großen Anzahl von Menschen, Pkw, Lkw, Bussen und Containern zu tun, die häufig spontan die Reise antreten. Das Fährschiff muss dem Fahrplan folgend sehr schnell ent- und beladen werden. Häufig sind nur Stichproben in der Personen-, Gepäck- und Fahrzeugkontrolle möglich. Als Nebenaspekt der Terrorkontrolle rückt auch die allgemeine Kriminalität an Bord von Passagierschiffen ins Blickfeld, die vom einfachen Diebstahl bis hin zu verschwundenen Personen reicht.

Für die Durchleuchtung von Fahrzeugen und Containern ist eine zeitaufwändige Technik erforderlich, über deren Einführung und deren sachgerechten Einsatz ab 2012 in 600 wichtigen Häfen der Welt noch diskutiert wird. So hat die US-Zollverwaltung kürzlich in einem Bericht des US Congresses die Pläne der US-Regierung für eine 100-%-Durchleuchtung aller Container als praktisch undurchführbar erklärt und stattdessen einen mehrschichtigen Ansatz von Meldepflichten (24-Stunden-Regel und Automated Targeting System ATS) sowie eine partnerschaftliche Vernetzung der gesamten Ladungskette (Container Security Initiative CSI und Customs Trade Partnership Against Terrorism C-TPAT) gefordert. Dieser mehrschichtige Ansatz für eine Risikoanalyse könnte auch für Passagier- und Fährschiffe der richtige Ansatz sein. Die Überwachung von Passagieren und Ladung ist also bereits hoch entwickelt und wird weiter optimiert. Deren Einführung verlief trotz der üblichen Bedenken im Ergebnis relativ unaufgeregt und auch die Kosten konnten angemessen verteilt werden.

Sicherheitsdienste und Selbstverteidigung

Ein gänzlich anderer und rechtlich problematischer Ansatz zur Sicherheit gegen Piraten und Terror ist der Einsatz privater Sicherheitsdienste (»sea marshalls«), die Begleitschutz, bewaffnetes Personal und Routenberatung und Krisenmanagement anbieten, wofür sich in England, Israel, Südost-Asien und in Russland Märkte bilden. Die Kreuzfahrtindustrie und die Betreiber von Offshore-Anlagen sind an derartigen Diensten besonders interessiert und nutzen sie schon heute.

Umstritten bleiben Rechtsfragen, wie man es mit der Selbstverteidigung von Handelsschiffen, mit eingeschifften regulären Soldaten oder mit privaten Sicherheitsdiensten (Söldnern und Dienstleistern) halten will. Ganz überwiegend lehnt die Handelsschifffahrt eine Bewaffnung der Seeleute vehement ab und zeigt auch wenig Bereitschaft zu eingeschifften Soldaten/Sicherheitsdiensten. Man befürchtet nicht nur Kostenfolgen sondern verweist auf die Eskalationsgefahr des Waffeneinsatzes (»more guns, more shooting«). Das Arbeitsrecht und die Gewerkschaften sprechen ebenfalls überwiegend gegen Waffengebrauch durch Seeleuten. Allerdings will die Internationale Transportarbeiter Gewerkschaft ITF bewaffnete Sicherheitsdienste akzeptieren mit der Begründung, die Gefährdung der Seeleute durch Piraten usw. habe angesichts der Untätigkeit vieler Billigflaggen-Staaten einen unerträglichen Umfang angenommen. Zum Schutz ihrer Fischereifahrzeuge, die sich nach wie vor an der unregulierten Raubfischerei in somalischen Gewässern beteiligen, haben Frankreich reguläre Soldaten und Spanien ziviles bewaffnetes Sicherheitspersonal entsandt.

Dabei stellen sich schwierige Rechtsfragen. Zum einen steht das Gewaltmonopol des Staates auf dem Spiel, wenn man private bewaffnete Dienste zulässt. Außerdem müsste geregelt sein, ob der zivile Kapitän des Schiffes oder der Anführer der Sicherheitskräfte die Befehlsgewalt hat und mit welchen Haftungsfolgen. Die Zulässigkeit bewaffneter privater Sicherheitsdienste könnte allenfalls (bei Überwindung rechtsstaatlicher Bedenken) durch nationale Gesetzgebung erreicht werden und würde sich dann nur für Staatsangehörige und auf Schiffe dieses Staates in See auswirken. Die Zulässigkeit regulären militärischen Sicherheitspersonals lässt sich dagegen leichter darstellen, wenn dies von der Wehrverfassung des Staates oder dem Mandat für den Einsatz mit umfasst ist, was wiederum eine nationale Entscheidung ist. In fremden Häfen bleibt es bei dem Gewaltmonopol des betreffenden Hafenstaates.

In jedem Fall bleiben proaktive defensive Maßnahmen möglich, die sich ggf. auf das Recht der Selbstverteidigung bzw. der Notwehr stützen können. Sie reichen von Alarmplänen, erhöhter Wachsamkeit, Ausweichrouten, hoher Geschwindigkeit, frühzeitiger Alarmmeldung, Verwehrung des Zugangs zum Schiff (Schall-, Mikrowellen- und Feuerlöschkanonen, Signalmunition, Stacheldraht, elektrische Zäune, Gleitfett, Kampfhunde an Oberdeck, verschweißten Türen (»Zitadelle«) bis hin zur Versicherung gegen Piraterie und Terror, ebenso Anmeldung und Nutzung der bewachten Transitkorridore. Diese relativ einfachen Maßnahmen sollten ohne Rücksicht auf die Kosten eine Selbstverständlichkeit sein ebenso wie Schulung und ständige Übung der Besatzungen. Es fehlt nicht an Ermunterungen der Politik an die Reeder, ihre Schiffe bestmöglich zu schützen, während die Reeder eher die Staaten in der Pflicht sehen, Sicherheit auf See zu garantieren. Als Fazit dieser Situation bleibt nur ein Zusammenwirken von Staaten und Schiffseignern. Daneben eröffnen sich neue Märkte für Produkte und Dienstleistungen im Bereich der maritime security.

Sicherheitsarchitektur in Deutschland

Schließlich bleibt die Frage, welche hoheitlichen Dienste die Terrorabwehrmaßnahmen vor den deutschen Küsten in die Hand nehmen sollen. Seit 2003 gibt es das Havariekommando in Cuxhaven als Bund-Länder-Stelle für die Abarbeitung bereits eingetretener komplexer Schadenslagen mit einem im Aufbau befindlichen Maritimen Lagezentrum MLZ, in dem alle Bundes- und Länderdienste vertreten sind. Komplexe Schadenslagen sind z. B. Schiffsunfälle mit Personen- und Umweltschäden sowie für Naturkastrophen. Präventive Abwehrfunktionen vor Eintritt des Schadensfalles und klare Weisungsbefugnisse im Terrorfall hat diese Stelle nicht.

Die maritimen Kontrollaufgaben auf See und in den Häfen liegen je nach Tatort und Einzelfall verteilt bei der Bundespolizei des BMI, dem Zoll des BMF, der Fischereiaufsicht des BML, der Schifffahrts- und Verkehrskontrolle des BMVBS sowie bei den Wasserschutzpolizeien und Fischereidienste der fünf Küstenländer, zusammen 15 Dienste, die untereinander mit einem Netzwerk von Zusammenarbeitsregelungen verbunden sind, die kaum noch zu überblicken sind. Die Unsicherheit bei der Terrorabwehr auf See ergibt sich aus den Zuständigkeiten: Die Bundespolizei des BMI verfügt mit der GSG-9 über eine kleine Eingreiftruppe aber nicht über bewaffnete interventionsfähige Schiffe und Hubschrauber für derartige Situationen. Die Marine kann im Einzelfall Amtshilfe leisten, darf aber militärische Machtmittel nicht einsetzen, denn dafür ist entweder der Verteidigungsfall auszurufen oder ein internationales Mandat mit begleitendem Bundestagsbeschluss wie im Falle der Pirateriebekämpfung Atalanta herbeizuführen. Im Falle eines spontanen Terroraktes bleibt der Bundeswehr nur das Recht zur Selbstverteidigung gegen einen bewaffneten unmittelbaren Angriff von See aus. Aber hier stellt sich die Frage, ob im konkreten Fall ein bewaffneter Angriff oder (nur) eine kriminelle Handlung vorliegt, und welche Dienststelle / Ministerium dies zu entscheiden hat und die Verantwortung dafür trägt. Ein Seesicherheitsgesetz, das diese Fälle verfahrensmäßig regelt, gibt es bisher nicht. Somit bleibt unklar, ob und wer im Notfall verantwortlich tätig wird. In diesem Zusammenhang sei auf die komplizierten Probleme eines Seesicherheitsgesetzes sowie der Schaffung einer Deutschen Küstenwache und der Ausweitung der Aufgaben der Deutschen Marine verwiesen, über die die HANSA ständig berichtet hat.

Solange die bestehenden Zuständigkeiten der Fachbehörden im MLZ unverändert bleiben, kommt es bislang nicht zu einer echten Zusammenfassung der Dienste, sondern (nur) zu einer räumlichen Zusammenlegung als »Bürogemeinschaft«. Immerhin gibt es bislang zwei Zentralisie-

rungsansätze, die zaghaft in die richtige Richtung weisen: Das Maritime Lagezentrum, in dem alle maritimen Dienste sich im täglichen Dienst begegnen, ist der Nukleus für eine bessere Koordinierung. Zweitens befindet sich der »national point of contact«, an den gem. ISPS-Code alle (auch überseeische) Terrorüberfälle auf Schiffe zu melden sind, beim Havariekommando, (obwohl diese Unfallbekämpfungsstelle keine polizeilichen Aufgaben hat und derartige Meldungen sowieso an die Bundespolizei und ggf. die Bundeswehr weiterleiten muss).

Neben der organisatorischen Zersplitterung liegt eine zweite Schwäche des Systems darin, dass die vielen zivilen Dienste hinsichtlich Personals, seefähiger Schiffe, Hubschraubern, Waffen und Fernmeldemitteln unzureichend ausgestattet sind, andererseits aber die Befugnis zur Intervention haben. In diesem Zusammenhang ist es unverständlich, dass die Schiffe der Bundespolizei bisher über keine ernst zu nehmenden Waffen verfügen. Demgegenüber verfügt die Marine über die erforderlichen Mittel, hat aber keine Befugnis. Das Grundgesetz und die »föderale Unordnung« im Bund-Länder-Verhältnis verhindern die Erfüllung wichtiger Aufgaben durch die Streitkräfte, während die Polizei nur unzureichend ausgerüstet ist – ein beängstigender Zustand. Weiterhin wünschenswert wäre ein zentrales Ausbildungs- und Trainingzentrum für maritime Notfallsituationen wie Terror, Unfälle und Naturkatastrophen.

Die Deutsche Marine kann im Einzelfall Amtshilfe leisten, darf dabei aber ihre militärischen Machtmittel nicht einsetzen, denn dafür ist entweder der Verteidigungsfall auszurufen oder ein internationales Mandat mit begleitendem Bundestagsbeschluss herbeizuführen. Eine militärische Abwehr aus dem Stand heraus ist rechtlich nicht zulässig und es bleibt unklar, ob und wer im Notfall tätig wird und dafür die Verantwortung übernimmt.

Terror, Piraterie, Drogen- und Waffenhandel gelten traditionell als kriminelle Akte im Unterschied zu Kriegen und bewaffneten Konflikten. Als Hemmschuh erweist sich häu g, dass die Marinen – wie in Deutschland so auch in den USA – gem. den Verfassungen und Rechtsordnungen keine Polizeiaufgaben auf See wahrnehmen dürfen. In den USA ist diese Lücke zunächst für Drogenbekämpfung, zunehmend auch für Terrorabwehr dadurch geschlossen worden, dass sogenannte »law enforcement detatchments LEDETS« von acht bis zehn Mann von Coast–Guard-Personal an Bord von Kriegsschiffen mitfahren. Kommt es zur Verfolgung und Untersuchung von verdächtigen Schiffen, so setzt das Kriegsschiff die Flagge der USCG und das LEDET-Personal wird tätig. Aber diese Lösung ist wohl zu simpel für Deutschland. In Dänemark liegt die Küstenwache bei der Marine – die einfachste und billigste aller Lösungen, ebenfalls politisch in Deutschland nicht vorstellbar. Alle Vorschläge zur Schaffung einer modernen leistungsfähigen Deutschen Küstenwache sind bisher im Sande verlaufen, obwohl Arbeitsgruppen in Berlin über eine Reform der seeseitigen Sicherheitsarchitektur nachdenken, die die Situation an Land, in der Luft und auf See zusammenführen muss. Die unübersichtliche Rechtslage in Deutschland bleibt Teil des Reformstaus in Bund und Ländern.

Mit Blick auf den großen Sektor der Kreuzfahrten sowie der vielen Fährlinien in Ostsee und Nordsee geht es darum, das bisher schon bestehende Sicherheitsmanagement mit Augenmaß weiter zu entwickeln. Intelligente Technik und geschultes Personal könnten bei der Personen-, Gepäck- und Fahrzeugkontrolle eventuell vorhandene Schwachstellen noch mehr als bisher überwachen. Die Interventionsfähigkeit staatlicher Organe muss im deutschen Hoheitsgebiet und darüber hinaus mit leistungsfähiger Organisation, adäquater Ausrüstung und in internationaler Zusammenarbeit verbessert werden. Daneben eröffnen sich für die »Sicherheitswirtschaft« kommerzielle und industrielle Chancen, die von technischen Ausrüstungen über schiffbauliche Maßnahmen bis hin zu nicht-tödlichen Waffen reichen und vielfältige neue Dienstleistungen verlangen.

Das Thema hat noch eine größere Dimension, indem der Sicherheitsbegriff wegen vielfältiger diffuser und realer Bedrohungen eine nie gekannte Ausweitung erfährt. Terror und Piraterie stehen zwar im Vordergrund. Daneben geht es um illegale Transporte von Menschen, Drogen, Kriegswaffen, Massenvernichtungswaffen und ihrer Bauteile sowie illegale Abfälle. Umweltunfälle und Naturkatastrophen, illegale Ausbeutung von Meeresressourcen und regionale Krisen kommen hinzu. Kurz gesagt bringen die Nebeneffekte der zunehmenden Ungleichgewichte in der Welt und der Globalisierung neue zivile und militärische Risiken. Bei alledem bleibt es bei der simplen Erkenntnis, dass es keine absolute Sicherheit gibt. Aber man kann das Risiko eindämmen.

Uwe Jenisch