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Schadstoff-Konzentrationen in der Ostsee deutlich über den Vorgaben

Durch ihre besondere Lage und den wachsenden Schiffsverkehr ist die Ostsee durch Abwässer noch immer hoch belastet. In der Nordsee[ds_preview] lagen die Schadstoffkonzentrationen 2010 zwar mehrheitlich auf dem Niveau des Vorjahres und sind heute erheblich niedriger als noch vor 20 Jahren, doch werden immer wieder auch »neue« Schadstoffe wie phosphorhaltige Flammschutzmittel, Korrosionsschutzmittel und pharmazeutische Wirkstoffe nachgewiesen. In der Ostsee liegt dagegen die Konzentration vieler Schadstoffe immer noch deutlich über den vorgegebenen Orientierungswerten. Das stellte die seit 2008 im Amt befindliche Präsidentin des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), Monika Breuch-Moritz, in Hamburg an Bord des am 10. Januar zu seiner ersten Reise im neuen Jahr verabschiedeten Forschungsschiffes »Wega« fest.

Das gelte insbesondere für PCB (Polychlorierte Biphenyle) und PAK (Polycyclische Aromatische Kohlenwasserstoffe) . Die 2009 erstmals untersuchten »neuen« Schadstoffe wiesen zwar deutlich höhere Konzentrationen als die »klassischen« Schadstoffe auf, erreichten allerdings nicht die Spitzenkonzentrationen wie in der Deutschen Bucht. Die weiterhin hohe Konzentration an Cäsium-137 in der Ostsee als Folge des Tschernobyl-Unfalles werde voraussichtlich erst zwischen 2020 und 2030 das ursprüngliche Niveau erreichen.

Elf Monitoring- und Forschungsfahrten durchgeführt

Von den insgesamt elf Monitoring-und Forschungsfahrten, die das BSH im vergangenen Jahr zur Meeresüberwachung unternommen hat, führten fünf in die Ostsee und wurden im BSH-Auftrag durch das Institut für Ostseeforschung in Warnemünde durchgeführt. Gemessen wurden u. a. Wassertemperaturen, Salzgehalte oder Schadstoffe. Dabei wurde u. a. festgestellt, dass die Wassertemperatur der Nordsee wegen des Klimawandels im vergangenen Jahr um mehr als ein Grad über dem Wert früherer Jahrzehnte lag. Selbst im Januar sank die Temperatur nur knapp unter das langjährige Mittel. Die aktuelle Warmphase von Nord- und Ostsee daure damit seit 23 Jahren an. Normal seien früher Zyklen von acht bis zwölf Jahren gewesen. Während 2010 deutlich weniger Sturmfluten an den deutschen Küsten von Nord- und Ostsee zu verzeichnen waren, gab es im Eiswinter 2009/10 auch in der westlichen Ostsee Eis, was zuletzt vor 13 Jahren festgestellt worden war. Das fünf bis zehn Zentimeter dicke Eis war über einen Zeitraum von ca. zehn Tagen von Anfang bis Mitte Februar zu beobachten. Allerdings hatte der Eiswinter längst nicht die Wirkung der Winter 1995/96 oder 1986/87. Im Eiswinter 2010/2011 trat in den geschützten Bereichen der Ostsee (Boddengewässern / Schlei) schon in den ersten Dezembertagen – drei bis vier Wochen früher als üblich – auf. Dennoch wird von einem lediglich mäßigen Eiswinter ausgegangen, bei dem die Nordsee ab Mitte Januar ganz eisfrei werden dürfte.

Eisnachrichtendienst wird verbessert

In diesem Jahr soll die Schifffahrt einfacher an Eisnachrichten gelangen, kündig­te Breuch-Moritz an. So sollen Eiskarten u. a. elektronisch für den direkten Gebrauch auf der Brücke zur Verfügung stehen, wobei diese Entwicklung mit ausländischen Partnern betrieben und von der EU gefördert wird. Darüber hinaus werde sich das BSH an einem deutsch-russischen Projekt zu Routenoptimierung auf dem nördlichen Seeweg in der Arktis beteiligen und in Zusammenarbeit mit dem Alfred-Wegener-Institut 2011 die nunmehr dritte Antarktis-Seekarte herausgeben.

Fortgesetzt habe sich die positive Tendenz der Vorjahre bei der Einhaltung von Umweltschutzanforderungen durch die Schiffahrt in Ost- und Nordsee: Die 2009 gemeldeten 140 Gewässerverunreinigungen (Zahlen für 2010 liegen noch nicht vor) bedeuteten einen Rückgang gegenüber 1999 um 67 % und gegenüber 2008 einen weiteren Rückgang um 14 %. Mit dem Einsatz von aktuellen Modellsystemen, wie z. B. einem Ausbreitungsmodell, kann beispielsweise der Weg von Umweltverschmutzungen im Meer vorherberechnet und so geholfen werden, diese erfolgreich zu bekämpfen. Auch könne mit solchen Modellen durch Abgleich des simulierten Driftweges mit AIS-Dateien der Kreis verdächtiger Schiffe deutlich eingeengt werden. Bei der Identifizierung hilft eine vom BSH entwickelte Methode, die – wie ein individueller Fingerabdruck – eine eindeutige Zuordnung festgestellter Ölverschmutzungen zum Öl an Bord von Schiffen ermöglicht

Weitere Reduzierung der Schiffsabgase vorgesehen

Zur Reduzierung der Schiffsabgase soll der global geltende Wert von 4,5 % Schwefel für Schiffskraftstoffe ab dem1. Januar 2012 auf 3,6 % und an dem 1. Januar 2020 auf 0,5 % abgesenkt werden. In besonders sensiblen Seegebieten wie der Ost- und Nordsee, die bereits 1998 als Emissionsüber­wachungsgebiete (ECAS) ausgewiesen wurden, gelten strengere Grenzwerte. Seit dem 1. Juli 2010 gilt hier ein Grenzwert von 1,0 % Schwefel für Schiffskraftstoffe, der ab 1. Januar 2015 auf 0,1 % abgesenkt werden soll. Grundsätzlich hält Breuch-Motritz eine Ausweitung der Sondergebiete in Europa auch über die Nord- und Ostsee hinaus für sinnvoll. An den dazu auf EU-Ebene nötigen politischen Initiativen werde derzeit gearbeitet. Aufgrund der damit für die Schifffahrt verbundenen unverhältnismäßigen Kostenerhöhung wird von Reederseite, Wirtschaftsverbänden und Institutionen, wie etwa der IHK Nord, eine Verteuerung des Seetransportes befürchtet, die zur Verlagerung der Ladungsströme an Land mit einer damit verbundenen überproportionalen Umweltbelastung führen dürfte. In diesem Zusammenhang verwies die BSH-Präsidentin darauf, dass diese Mehrkosten im Interesse des Klima- und Umweltschutzes hinzunehmen seien und sie davon ausgehe, dass man sich auf EU-Ebene des Problems annehmen werde und bis zur Einführung der reduzierten Grenzwerte auch für den Landtransport andere Abgasemissionswerte eingeführt würden, die einer Rückverlagerung des Seeverkehrsaufkommens auf die Straße entgegenwirken.

Um die Ausweisung der Ostsee als sogenanntes »Abwassersondergebiet« weiter voranzubringen, hat das BSH im Rahmen einer IMO-Arbeitsgruppe 2010 den Bestand der Hafenauffangeinrichtungen abgefragt. Dabei hat sich gezeigt, dass solche Einrichtungen nicht in ausreichender Zahl vorhanden sind und Bauweise sowie technische Lösungen noch nicht in allen beteiligten Staaten bekannt sind. Zum Infomationsaustausch von Interessierten und Experten soll jetzt eine Internet-Plattform aufgebaut werden. Noch in diesem Jahr will das BSH in Zusammenarbeit mit dem Institut für Umweltphysik (IUP), Bremen, und dem Center of Earth Observation and Navigation (CEON), Bremen untersuchen, wie sich die Veränderunge internationaler Vorschriften für die Schifffahrt auf die Umwelt auswirken.

Erste Tranche für Schiffsneubau wird beantragt

In die Modernisierung seiner fünf Forschungs-, Wracksuch- und Vermessungsschiffe »Wega«, »Deneb«, »Capella«, »Komet« und »Atair« hat das BSH im vergan­genen Jahr rund 1 Mio. € aus dem Konjunkturpaket II investiert. Schwerpunkte waren dabei die Navigations-, Vermessungs- und Maschinentechnik. Wegen der Haushaltslage war der Antrag zum Ersatz der 1987 erbauten »Atair« zurückgestellt worden. Ein neuer Antrag für die erste Tranche zur Finanzierung des Neubaus, der wegen der mit zunehmendem Alter der eigenen Schiffe ansteigenden Instandhaltungskosten und der auch zeitlich begrenzten Verfügbarkeit geeigneter Chartertonnage benötigt werde, könnte nunmehr erst frühestens im Bundeshaushalt 2012 zur Bereitstellung der entsprechenden Mittel führen. Der Auftragswert wird angesichts inzwischen gestiegener Neubaupreise auf rd.70 Mio. € geschätzt.

Bisher 26 Offshore-Windparks genehmigt

Von den 26 bisher vom BSH genehmigten Windparks mit 1.851 Windkraftanlagen entfallen 23 auf die Nordsee und drei auf die Ostsee. Nachdem das BSH Ende Dezember 2009 grünes Licht für die Erdgas-Pipeline Nord Stream gegeben hatte, ist auf Antrag der Nord Stream AG der Verlauf der Pipeline in der deuschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) in der Ostsee auf einer Strecke von 12 km in tieferes Wasser verlegt worden. Für den ersten Strang der Pipeline in deutschen Gewässern sind die Bauarbeiten am 18. Oktober 2010 abgeschlossen worden. Im Sommer dieses Jahres soll der zweite Strang in deutschen Gewässern errichtet werden. Lediglich im Greifswalder Bodden wurde aus Umweltschutzgründen beide Pipelinestränge zeitgleich in einem Graben verlegt. Für 2011 stehen drei bis fünf Entscheidungen über weitere Offshore-Windparks durch das BSH an, das im Rahmen der grenzüberschreitenden Raumplanung für die Ostsee auch die Führungsrolle in dem von der EU mit 3,7 Mio. € unterstützten »BaltSeaPlan«-Projekt (Interreg IV) übernommen hat und mit seinem Fachwissen auch diejenigen Staaten unterstützt, die bislang über keinerlei Raumordnungspläne verfügen.

Neu: Dreidimensionales Tideelbe-Modell und ferngesteuertes Unterwasserfahrzeug

Von besonderer Bedeutung für die Wirtschaftlichkeit der Schifffahrt sind u. a. noch präzisere Wasserstandsvorhersagen für den Bereich der Tideelbe und die 3D-Darstellung von Vermessungsdaten des Meeresbodens. Mit dem derzeit unter Federführung des BSH in der Erprobung befindlichen dreidimensionalen Modell der Elbmündung – an dem noch bis März laufenden sogenannten OPTEL (Operationelles Tideelbe-Modell)-Projekt sind auch der Deutsche Wetterdienst, die Hamburg Port Au­thority und die Bundesanstalt für Wasserbau beteiligt – sind zeitlich und räumlich hochaufgelöste Wasserstands- und Strömungsvorhersagen möglich, mit deren Hilfe größere Schiffe besser manöveriert und beispielsweise Containerschiffe effizienter abgeladen werden können. »Damit schaffen wir dieVoraussetzungen für eine sichere und effiziente Schiffahrt, die in der heutigen Zeit jeden Zentimeter Wassertiefe benötigt«, so Breuch-Moritz. Mit der 2010 eingeführten Darstellung der BSH-Vermessungsdaten in einem 3D-Modell können z. B. Rinnen im Meeresboden oder mögliche Flach- oder Gefahrenstellen für die Schifffahrt aufgezeigt werden, die dadurch sicherer wird.

Um überhaupt detailreiche Unterwasseraufnahmen zu erhalten, hat das BSH im vergangenen Jahr erstmals ein ferngesteuertes Unterwasserfahrzeug für die Untersuchung von Wracks aus den USA beschafft und eingesetzt. Ein zweites noch leistungsstärkeres ROV (Remotely Operated Vehicle) soll in den nächsten drei Wochen geliefert werden. Diese Geräte kommen dann zum Einsatz, wenn die Bedingungen für einen Taucher ungünstig oder zu risikoreich sind. Das vom Mutterschiff ferngesteuerte ROV ist mit einem hochauflösendem Sonar und Unterwasserkameras ausgerüstet. Es soll künftig auch zur Untersuchung von Bauwerken auf See wie Pipelines und Windkraftanlagen eingesetzt werden. »Zeitersparnis, Qualitätsverbesserung und Sicherheitsgewinn für die Schifffahrt«, nennt Breuch-Moritz die Vorteile des ROV, mit dessen Hilfe jetzt mögliche Gefährdungen der Schifffahrt durch Wracks oder Ölaustritte aus gesunkenen Schiffen genauer erfasst werden können.

2011 Klimawandel – Statuskonferenz und Ozeanographie-Symposium

In diesem Jahr stehen im Bereich der Seevermessung neben der weiteren Vermessung der Hauptschifffahrtswege in der Deutschen Bucht die flachen Boddengewässer zwischen Ribnitz und Barhöft auf dem Programm. Dort haben hohe Sedimenteinträge den Meersboden nachhaltig verändert. Dank der neuen BSH-Technik können auch navigatorisch anspruchsvolle Gewässer wie die Kadetrinne zwischen Deutschland und Dänemark hochauflösend und in bester Qualität vermessen werden. Künftig werden dreidimensionale Bilder des Seegrundes zur Verfügung stehen.

Zudem werden weitere Zulassungsverfahren für Ballastwasserbehandlungsanlagen durchgeführt – vier können voraussichtlich noch in diesem Jahr abgeschlossen werden, fünf weitere befinden sich in verschiedenen Stadien des Zulassungsverfahrens.

Im Rahmen des 2009 vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung unter Beteiligung des BSH gestarteten Klimafolgenforschungsprogramms für die Nord- und Ostsee sollen am 25. und 26. Oktober dieses Jahres auf einer Statuskonferenz in Berlin erste Ergebnisse für Rhein, Elbe, Donau und die Küste vorgestellt werden. Parallel richtet das BSH vom 25. bis 27. Oktober im Congress Center Hamburg ein Ozeanographie-Symposium aus, auf dem internationale Experten künftige Aufgaben und Anforderungen der »operationellen Ozeanographie« diskutieren werden. Dabei wird es u. a. um die Frage gehen, ob die Meeresüberwachung international besser koordiniert werden muss.