Print Friendly, PDF & Email

Es gibt Fortschritte bei der Offshore-Windkraftlogistik, aber zu wenig Spezialschiffe am Markt. Hersteller und Projektentwickler sind weiter von Finanzierungssorgen geplagt.

Trotz des 5 Mrd. € schweren Kreditprogramms der Bundesregierung für die Offshore-Windenergieerzeugung sind Top-Manager der Branche und ihrer Logistik[ds_preview]­dienstleister skeptisch, ob sich die Ausbau­ziele pünktlich realisieren lassen. Das wurde auf der Fachkonferenz »Windstärke 11« der Windenergie-Agentur Bremerhaven Anfang Juni in Bremerhaven deutlich. Eine Blitzumfrage unter den rund 800 Teilnehmern ergab, dass mehr als die Hälfte den geplanten Aufbau von 10 Gigawatt (GW) Windenergieleistung in der deutschen Nord- und Ostsee bis 2020 für unrealistisch halten. »Es liegt noch ein weiter Weg vor uns, bis die Hürden überwunden sind«, warnte Holger Grubel, Projektmanager bei Vattenfall Europe Windkraft.

Einige Projekte liefen das Risiko, »als Desaster zu enden«, befürchtet der Experte. »Das könnte dann das Wachstum der ganzen Industrie bremsen.« Innerhalb der Lieferketten komme es immer wieder zu Verzögerungen, weil einheitliche Standards für den Transfer und das Stauen von Anlagenteilen fehlten, beklagte Moritz Horn, Direktor der Offshore-Baufirma Aarsleff Bilfinger Berger. So würden die vom Kunden bestellten nautisch-technischen Sachverständigen für Beladungen (Marine Warranty Surveyor, MWS) keine gemeinsame Linie verfolgen. »Wir haben erlebt, dass zwei MWS aus demselben Haus Monate gebraucht haben, um sich zu einigen, wie Vorschriften auszulegen sind«, sagte Horn. Zum Teil müssten aufwändige Ladungsverzurrungen für nautische Bedingungen vorgenommen werden, für die wiederum die Transportpontons gar nicht zugelassen seien. »Wir bauen hier etwas für viel Geld, was wir gar nicht nutzen können«, so der Manager.

Prof. Martin Skiba, Leiter des Offshore-Wind-Geschäfts bei RWE Innogy, betonte, dass man in den kommenden fünf Jahren eine Pionierphase durchlaufen werde. »Jedes Offshore-Projekt wird ein Unikat sein – erst nach diesen fünf Jahren werden wir beginnen können zu standardisieren.«

Industrialisierung vonnöten

Um die industriellen und logistischen Prozessketten zu optimieren, müssten viele kleinere Windparkprojekte in der Nordsee zu einem Megakraftwerk zusammengefasst werden, schlug der stellvertretende Vorsitzende des Energieunternehmens Windreich AG, Walter Döring, vor. Mit 800 Windener­gieanlagen könnte so ein Projekt mehrere Atomkraftwerke ersetzen. Das wäre »der berühmte Brocken in der Nordsee«, der zu einem Durchbruch bei der Industrialisierung der Branche führen würde, so Döring.

Neben der Errichtung der Netzstruktur gehören Finanzierungsengpässe zu den großen Herausforderungen, wie die während der Konferenz durchgeführte Umfrage ergab. Experten bezweifeln, dass die jüngsten Finanzierungserleichterungen und Subventionen der Bundesregierung ausreichen, um den Aufbau der Windparks entsprechend anzukurbeln. So wird kritisiert, dass der Schiff- und Hafenausbau nicht in das KfW-Programm integriert wurden, obwohl sie doch für die Installation der Windanlagen und die Logistik unerlässlich seien. Zudem ist die Branche noch nicht ganz zufrieden mit der Überarbeitung der Einspeisevergütung für Strom aus regenerativen Quellen. Mit der geplanten Novellierung des Gesetzes zur Förderung der regenerativen Energien (EEG) wird der Auszahlungszeitraum der EEG-Vergütung für Offshore-Projekte optional verkürzt. Die vorgeschlagenen 19 Ct/kWh für einen Zeitraum von acht Jahren (statt 15 Ct/kWh über 12 Jahre) reichen nach Meinung der Stiftung Offshore Windenergie aber nicht für einen beschleunigten Ausbau aus. Die Industrie fordert stattdessen einen Stauchungszeitraum von neun Jahren mit einer Vergütung von 19,5 Ct/kWh (siehe Text, S. 57, unten). Die Belastung der Stromkunden würde dadurch über den Gesamtförderzeitraum auch nicht erhöht, so die Stiftung.

Dynamik nimmt 2014/15 zu

Marktforscher gehen nun davon aus, dass Installationen und Verladungen für die Offshore-Windenergieindustrie in der deutschen Nordsee erst um 2014/15 richtig in Gang kommen – statt wie zunächst angenommen 2012/13. Erst dann sei mit einem jährlichen Installationsvolumen von durchschnittlich 260 Windenergieanlagen pro Jahr zu rechnen, sagte Christian Meyer von der Beratungsfirma Windresearch. Trotz der Verzögerungen müsse nach derzeitigem Stand mit einem Engpass an Spezialschiffen für die Offshore-Installationen gerechnet werden. Für Arbeiten in Wassertiefen von 30–35 m und Anlagen von mehr als 3,6 MW Leistung, die auf einen Großteil der deutschen Nordseeprojekte zuträfen, gebe es aktuell nur sechs Installationsschiffe am Markt. »Nächstes Jahr werden insgesamt mehr als 15 Schiffe gebraucht«, warnte Meyer. Für Entlastung könnten Schiffe sorgen, die eigentlich für Öl- und Gasprojekte ausgelegt seien. »Allerdings sind die auch die höheren Preise aus dem Öl- und Gassektor gewöhnt, und wenn Öl und Gas rufen, sind sie weg«, gab Meyer zu bedenken.

Obwohl die Bautätigkeit bislang noch sehr begrenzt ist, sehen Fachleute aus Logistik und Nautik eine steile Lernkurve in Sachen Produktivität. Jürgen Mackeprang, Sachverständiger bei Kapitän Möller & Partner in Bremerhaven, berichtete von einer Halbierung des Zeitbedarfs für den Gondeltausch im Offshore-Windpark Alpha Ventus auf fünf Stunden und 40 Minuten. Schwergutverladungen seien in weiten Teilen bereits Routine geworden.

»340-t-Kolli waren vor ein paar Jahren noch ein Spektakel, bei dem Funk und Fernsehen kamen. Heute ist das Standard«, so Mackeprang. Um die Heavy Lifts und Installationen auf See zu beschleunigen, müssten die Hersteller der Anlagen aber noch mehr Details zu den Wind Behaviour Characteristics (Strömungsverhalten) vorlegen. »Bei welcher Windstärke fangen die Teile an, sich zu bewegen. Wenn wir sie auf 90 m Höhe am Kran haben, wollen wir wissen, wie sie sich verhalten.« Zur Sicherung der Rotoren etwa hätten sich zusätzliche Winden an Bord für Halteseile ausgezahlt.

Mitarbeit: Anne-Katrin Wehrmann

Michael Hollmann