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Mit American Feeder Lines wagt Ex-Hapag-Lloyd-Manager Rudy Mack das große Abenteuer. An der US-Ostküste will er einen Feederdienst aufbauen – ein Vorhaben, das bislang stets scheiterte

Herr Mack, ein amerikanisches Gesetz von 1920 – der Jones Act – schreibt vor, dass alle Schiffe, die zwischen zwei US[ds_preview]-Häfen verkehren, in den USA gebaut sein müssen, unter US-Flagge fahren, von amerikanischen Seeleuten gesteuert werden und Amerikanern gehören müssen. Das macht Ihr Unterfangen, einen Feederdienst an der US-Ostküste aufzubauen, nicht gerade leichter.

Rudy Mack: Sicher, das stimmt. Der Jones Act und die damit verbundenen Bedingungen haben es in der Vergangenheit nicht leichter gemacht. Es gibt in den USA heute keine regelmäßigen inneramerikanischen Feederdienste an den langen Küsten, außer zwischen dem Kernland und Hawaii, Alaska und Puerto Rico. Aber auch allgemein gibt es heute keine relevante Reederei in den USA, und bislang auch keine wirkliche Lobby für die Schifffahrt. Amerika hat seine Vormachtstellung im Schiffsverkehr längst abgegeben – kaum zu glauben, wenn man etwa bedenkt, dass Amerikaner den Container erfunden haben. Heute repräsentieren die USA nur noch 3 % der weltweiten Tonnage, und das zudem mit einer sehr alten Flotte.

Bisher sind die Versuche, einen Shortsea-Verkehr zu etablieren, stets gescheitert – zuletzt durch die isländische Reederei Eimskip. Selbst Ihr ehemaliger Arbeitgeber Hapag-Lloyd hat seinen Dienst »Yankee Clipper« zwischen Boston und Halifax Anfang der 90er-Jahre aufgegeben. Was macht Sie so optimistisch, dass Sie es mit American Feeder Lines (AFL) schaffen?

Mack: Die Rahmenbedingungen haben sich rapide zu unseren Gunsten entwickelt. Die Benzin- und Dieselpreise sind sehr stark gestiegen. Zudem ist das Verkehrssystem längst an seine Grenzen gestoßen und kann mit dem steigenden Frachtaufkommen nicht mehr Schritt halten. Der Transport via Straße kostet heute fast doppelt so viel wie vor fünf Jahren und wird weiter dramatisch steigen. Und schließlich haben wir die Rückendeckung der Regierung. Mit unserem Feederdienst kommen wir daher zur richtigen Zeit und werden die amerikanische Transportwelt grundlegend verändern.

Rational machen Ihre Argumente sicher Sinn. Aber glauben Sie wirklich, dass sich die Amerikaner von Ihrem Mythos, »on the road« zu sein, wozu ja vor allem die Trucker beigetragen haben, verabschieden?

Mack: Wir wollen ja nicht den Lastwagenverkehr abschaffen. Für kürzere Strecken von und zu den Häfen wird er immer von großer Bedeutung sein – das ist ja in Europa auch nicht anders. Aber es gibt eben kein effizienteres Beförderungsmittel als das Schiff – warum soll das erfolgreiche europäische Hub-and-Spoke-Modell also nicht auch in den USA funktionieren?

Die Antwort können Sie als Wahlamerikaner besser selbst geben.

Mack: Weil das Land zu Shortsea-Verkehren einfach keine Alternative hat. Während sich der Straßenverkehr innerhalb von 20 Jahren mehr als verdoppelt hat, ist das Autobahnnetz gerade einmal um knapp 5 % vergrößert worden. Doch Mittel für Infrastrukturinvestitionen sind außerordentlich knapp. Die Folge ist, vor allen Dingen in den Metropolregionen und auf den Hauptverbindungsstraßen, ein Verkehrsinfarkt.

Ihr Konzept wurde offiziell in das »Marine Highway Program« der Regierung aufgenommen. Hierfür spielten insbesondere Umweltschutzgründe eine Rolle. Wie viel CO2 wollen Sie denn einsparen?

Mack: Wir verursachen mit einem Schiff, dass knapp 1.000 Container transportiert, laut unseren Berechnungen 0,024 kg CO2 pro Tonnenmeile, während im Vergleich dazu Trucks für dasselbe Frachtvolumen 0,10 kg CO2 pro Tonnenmeile produzieren. Insgesamt wollen wir 200 Mio. Lkw-Meilen pro Jahr mit unseren Schiffen ersetzen und so 600.000 t CO2 einsparen.

Was sagen denn die Trucker zu Ihren Plänen? Die müssen doch sicher um ihre Jobs fürchten.

Mack: Ganz und gar nicht. Wir wollen die Trucker sprichwörtlich ins Boot holen und mit ihnen Befrachtungskonzepte erarbeiten, von denen alle Beteiligten etwas haben. Die Speditionen wissen, dass sie so nicht weiter machen können: Schon jetzt fehlen in den USA 50.000 Lastwagenfahrer. Das Durchschnittsalter der Trucker beträgt 55 Jahre. Es mangelt an Nachwuchs, weil immer weniger von ihnen tagelang unterwegs sein wollen, ohne ihre Familie zu sehen. Wenn wir den Fernverkehr an der Küste übernehmen, können sich die Lkw-Spe-

ditionen mehr auf die so genannte »letzte Meile« konzentrieren. Davon profitieren auch die Fahrer.

Was ist denn mit der Eisenbahn als Alternative zum Lkw-Verkehr und Konkurrenz zu Ihnen?

Mack: Der Ausbau der Schienenwege konzentriert sich auf die Ost-West-Routen, was Sinn macht. Entlang der Küsten kann die Eisenbahn den wachsenden Bedarf an Transportkapazität aber nicht decken. Nach der Ostküste wäre daher der nächste logische Schritt für AFL die Westküste. Mittelfristig ist auch ein Dienst zischen der US-Küste und Mexiko sowie der Karibik denkbar.

Welche Frachtkunden haben Sie im Blick?

Mack: Das größte Potenzial liegt im heimischen Markt, der dreimal so groß ist wie das Frachtvolumen aus dem Ausland. Das Güteraufkommen an der Ostküste entspricht ungefähr 78 Mio. Lkw-Ladungen im Jahr. Hier wollen wir Allianzen schaffen mit großen Handels- und Getränkekonzernen, mit Spediteuren und mit Truckern. Die internationale Transhipment-Ladung beziffern wir auf 20 Mio. TEU – Tendenz weiter steigend.

Die für 2014/15 geplante Fertigstellung der Panamakanal-Erweiterung wird in Ihrer Strategie sicher auch eine Rolle spielen.

Mack: Richtig. Wenn der Kanal verbreitert worden ist, werden Containerschiffe mit 12.000 TEU die Golf- und Ostküste anfahren. Die großen Linien werden dann automatisch mit ihrer Transhipment-Ladung zu uns kommen.

Haben Sie bereits konkrete Ladungsziele?

Mack: Wir wollen die geplanten Schiffe schnell füllen, einen balancierten Verkehr aufbauen und die Flotte rasch erweitern, um das große und wachsende Potenzial aufzufangen.

Start- und Endpunkte des geplanten Ostküstendienstes sollen Houston und Portland (Maine) sein. Wie viele Häfen wollen Sie insgesamt ansteuern?

Mack: Wir haben bisher 18 Häfen an der Ost- und Golfküste in unsere Routenplanung eingebaut. Es können mehr werden aufgrund des jeweiligen Ladungsangebots. Wir sind in engem Kontakt mit unseren zukünftigen Kunden und werden rechtzeitig unseren detaillierten Fahrplan vorstellen.

In der Hafenlogistik muss sich vorher noch einiges tun. So werden etwa extra Gates für die Shortsea-Ladung benötigt. Können die Häfen zeitlich und finanziell überhaupt Schritt halten?

Mack: Die Häfen, vor allen Dingen die kleineren und mittleren, sind extrem interessiert und haben uns von Anfang an stark unterstützt. Den jeweiligen Terminals ist klar, dass sie ihre Prozesse überarbeiten müssen, um die Shortsea-Ladung abzudecken. Alle Häfen sehen das zusätzliche Volumen und sind bereit, es effizient abzudecken. Wir sind ihre Zukunft.

Ursprünglich sollte der Bau des ersten der zehn 1.300-TEU-Schiffe schon Anfang des Jahres starten – mit dem Ziel, im April 2012 fertig sein. Bisher ist aber noch nichts geschehen. Haben Sie Schwierigkeiten, an Geld zu kommen?

Mack: Natürlich dauert es, bei Investoren – wie übrigens auch Kunden – Vertrauen aufzubauen, nachdem mehrere Feederdienste in den vergangenen Jahren nach kurzer Zeit wieder verschwunden sind. Interessierten Investoren, für die die Schifffahrt neu ist, müssen wir erst einmal klar machen, dass sie Geduld mitbringen sollten. Ein Investment in ein Schiff ist immer langfristig angelegt. Das Ziel ist nun, Mitte 2013 mit dem ersten eigenen Schiff zu starten – anschließend soll alle drei Monate ein weiteres zur Flotte stoßen.

Sie wollen insgesamt 750 Mio. US$ einsammeln – davon ein Drittel Investmentgelder und zwei Drittel Bankkredite. Das ist ein ziemlich ambitionierter Plan.

Mack: Es wird auch sicherlich kein Kinderspiel. Aber die treibenden Kräfte hinter AFL, Tobias König und Percy Pyne, haben das Potenzial des Feedermarkts in den USA zehn Jahre lang gründlich analysiert und ein solides Geschäftsmodell aufgebaut. Zudem verfügen sie über exzellente Beziehungen in die Finanzwelt. Von daher bin ich sicher, dass wir das nötige Kapital bekommen.

An welche Geldgeber richten Sie sich im Besonderen?

Mack: Die von uns beauftragte Investmentbank Seabury hat ein enges Verhältnis zu der Finanzwelt. Sie spricht sowohl mit Private Equities als auch mit Pensionsfonds oder strategischen Anlegern. Die erste Aufgabe war, den interessierten Anlegern das neue Modell zu erklären. Das ist zwischenzeitlich passiert mit dem Ergebnis, dass sich die Diskussionen mit mehreren Interessenten vertieft haben, und zwar in den USA als auch im Ausland.

Scheidet deutsches Geld, etwa aus KG-Fonds, aufgrund der Jones-Act-Vorschriften komplett aus?

Mack: Es gibt natürlich bestimmte rechtliche Bedingungen für Geld, das aus dem Ausland kommen würde. Aber wir limitieren uns nicht nur auf amerikanisches Geld, sondern bieten unser Modell auch im Ausland an. Die Investition muss dann gemäß den Bedingungen strukturiert werden, was durchaus möglich ist.

Werden Sie die US-Regierung um Finanzhilfen bitten? Immerhin steht Washington ja hinter dem Projekt.

Mack: Wir führen regelmäßige Gespräche in Washington und haben auch einen lokalen Lobbyisten dort eingestellt. Wir hoffen, dass wir für unsere Schiffe einen Steuerkredit einrichten können, der jedem unserer Kunden, die auf unser »grünes« Schiff verladen, zustehen wird. Die Diskussion darüber ist bereits im Gange und hat gute Aussichten, erfolgreich zu sein. Die Regierung sieht sehr gut, dass ein umweltfreundlicher Transport sehr viel Geld einsparen kann, das sonst für das überlastete Straßennetz ausgegeben werden müsste.

Am 14. Juni sind Sie mit dem wöchentlichen »New England–Halifax Shuttle« zwischen Boston, Portland und Halifax offiziell als AFL an den Markt gegangen. Weil Halifax ein kanadischer Hafen ist, konnten Sie hierfür ein nicht-amerikanisches Schiff einchartern. Wie fügt sich diese Route strategisch in den ab 2013 geplanten, umfangreichen Feederdienst ein?

Mack: Es ist der erste Schritt unserer Firma, einen operativen Dienst anzubieten und den Kunden in New England über Halifax die Türen in die weite Welt zu öffnen. Wir bauen dadurch die Glaubwürdigkeit für einen regelmäßigen Feederdienst auf und zeigen unseren Kunden die Vorteile des Dienstes, operativ und finanziell. Das Interesse, sowohl von den Schifffahrtslinien als auch von den direkten Kunden, ist sehr groß. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Dienst sehr erfolgreich sein wird. Es macht den nächsten Schritt, den Shortsea-Dienst an der Ost- und Golfküste einzurichten, einfacher und glaubwürdiger.

Was sprach gerade für Halifax – außer der Reminiszenz an Ihre alten Hapag-Lloyd-Zeiten?

Mack: Der Hafen Halifax ist ein idealer Hub-Port, ein Tiefwasserhafen und für viele Linien der erste einkommende und der letzte ausgehende Hafen in Nordamerika. Mehr als 17 internationale Linien benutzen Halifax und sind darüber sowohl mit Europa als auch Asien und Südamerika verbunden.

Können Sie uns weitere Details über das eingesetzte Schiff nennen?

Mack: Die »AFL New England«, vormals »Hohesand«, hat eine Kapazität von 700 TEU, davon 100 Kühlcontainer. Sie gehört der Hamburger Reederei Rass und führt die britische Flagge. Sie wurde von uns für ein Jahr plus einer Option auf ein weiteres in Charter genommen.

Ihre eigenen Schiffe sollen bei Aker in Philadelphia und der Fincantieri-Tochter Bay Shipbuilding in Wisconsin gebaut werden. Nun ist gerade Aker Philadelphia aufgrund der schlechten Auftragslage finanziell ziemlich unter Druck. Das letzte Containerschiff wurde 2006 ausgeliefert, es folgten einige Produktentanker. Machen Sie sich keine Sorgen, ob das Know-how der Werftmitarbeiter für ein modernes, energieeffizientes Schiff ausreicht?

Mack: In der Zwischenzeit ist eine dritte Werft hinzugekommen, Avondale in New Orleans. Aker in Philadelphia wird finanziell vom Staat Pennsylvania unter die Arme genommen und dadurch für die Zukunft gestützt. Es gab ebenfalls einen Wechsel im Management dieser Werft und wir glauben, dass der neue Chef, Kristian Rokke, sehr viel Zukunft in unserem Modell sieht. Die Werft in Wisconsin hat Erfahrung im kommerziellen Schiffsbau und eine gute, effiziente Anlage. Uns ist klar, dass alle der genannten Werften keine umfangreiche Erfahrung im Bau von Containerschiffen haben. Wir haben ihnen Hilfe zugesagt von erfahrenen Expertenteams, die ihnen beim Bau unserer Schiffe zur Seite stehen werden.

Wie viel länger dauert der Bau dieser Schiffe als z.B. auf einer koreanischen Werft – und wie viel teurer ist er am Ende?

Mack: In Korea kann ein Schiff dieser Art in 230.000 Mannstunden gebaut werden, in den USA sind es bis zu 750.000. Insgesamt beträgt die Bauzeit anderthalb bis zwei Jahre. Wir sind sicher, dass die wachsende Erfahrung beim Bau unserer Schiffe dazu beitragen wird, jedes Schiff schneller fertigzustellen. Die amerikanische Schiffbauindustrie wird innerhalb einer annehmbaren Periode zum Rest der Welt aufgeholt haben.

Ein Kommentar zum Baupreis, bitte …

Mack: Unser erstes 1.300-TEU-Schiff wird zwischen 70 und 75 Mio. US$ kosten. Es sind nicht die Lohnkosten, die den Preis höher als z.B. in Korea machen, sondern die längere Bauzeit. Aber wie ich schon sagte, wird jedes weitere Schiff mit der wachsenden Erfahrung schneller und damit billiger produziert werden.

Sollen die Schiffe baugleich sein oder sind je nach Werft Spezifikationen denkbar?

Mack: Bei Bay Shipbuilding ist die Größe von 1.300 TEU durch die Schleusen in Richtung Atlantik begrenzt. Allerdings denken wir daran, sowohl bei Aker als auch bei Avondale größere Schiffe von 1.950 TEU bauen zu lassen, da das Ladungspotenzial diese durchaus füllen kann.

Welchen Motorenpartner haben Sie für den Doppelantrieb mit LNG und Biodiesel ausgewählt?

Mack: Wir sind mit einigen Firmen, vor allen Dingen amerikanischen, in Diskussionen und werden den richtigen Partner finden.

Wie viel »Made in Germany« steckt neben Rudy Mack und König & Cie. noch in den Schiffen – vor allem im Hinblick auf das Design?

Mack: Wir haben uns natürlich erfahrene Partner, sowohl in Deutschland als auch in anderen Teilen der Welt, ausgesucht, um unser Modell so effizient und erfolgreich wie möglich aufzubauen. SDC Ship Design & Consult und die sehr erfahrene BMC Begemann Maritime Consulting in Hamburg sind ein Teil unseres Teams.

Zum Abschluss eine persönliche Frage: Was hat Sie nach mehr als 40 Berufsjahren in knapp ein Dutzend Ländern noch einmal gereizt, mit AFL quasi von vorn anzufangen?

Mack: Hier hat etwas begonnen, was in den USA noch fehlt und einfach notwendig ist, um den Transportverkehr noch effizienter zu machen. Ohne Wasser geht es nicht mehr, sonst würde das Transportsystem langsam, aber unaufhaltsam »ersticken«. Wir werden mit unserem Projekt neue Türen aufstoßen, die Schifffahrt in den USA erheblich verändern, die Umweltfreundlichkeit verbessern, die Schiffbauindustrie wieder aufbauen und eine große Zahl neuer Arbeitsplätze schaffen. Es ist ein tolles Projekt mit einem Superteam und interessanten Aufgaben. All das hat mich wieder eingefangen – denn so etwas Neues zu entwickeln, gibt es heute kaum noch. Es ist die pure Freude!

Interview: Nikos Späth


Nikos Späth