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Die sichere Bewirtschaftung von Windenergieanlagen auf hoher See stand Anfang September im Mittelpunkt der ersten »Capp Husum«.

Zu der Fachtagung mit dem Untertitel »Climate – Air – Personal Protection« hatten die Unternehmen Noske-Kaeser aus Hamburg und West (Wind[ds_preview] Energie Service Technik) aus Husum in Kooperation mit HTM Offshore, Viking sowie der Netzwerkagentur Windcomm Schleswig-Holstein und dem Bildungszentrum für Erneuerbare Energien (BZEE) eingeladen. Rund 60 Besucher informierten sich in der Produktions­halle der West GmbH über aktuelle Sicherheitslösungen für Offshore-Windenergie-anlagen (OWEA) und diskutierten über mögliche und notwendige Weiterentwicklungen.

Zum Einstieg berichtete West-Geschäftsführer Christian Wefer von einer Besonderheit seiner Firma: dem zertifizierten Trainingsturm, der mittlerweile an neun Orten weltweit zu finden ist. Ursprünglich gestartet als Servicedienstleister für Onshore-Windenergieanlagen, habe sich das Sicherheitstraining zu einem weiteren Schwerpunkt seines Unternehmens entwickelt, erläuterte Wefer. »Auf laufenden Anlagen ist ein solches Training aber nicht sehr sinnvoll, weil es Ausfallzeiten und den Verschleiß bestimmter Komponenten nach sich zieht.« So sei in Zusammenarbeit mit dem BZEE vor einigen Jahren der erste Trainingsturm entwickelt worden. In und auf der knapp 30 m hohen Anlage, die auf dem Firmengelände in Husum steht, können Windservicetechniker seither unter realen Arbeitsbedingungen das Retten von freihängenden Personen, die Evakuierung, die Rettung von der Plattform und von der Leiter (wird beispielsweise bei Schwächeanfällen von Kollegen notwendig) sowie anderes mehr trainieren. Sowohl der Prototyp als auch die übrigen acht von West produzierten Trainingstürme sind unter anderem mit Brandschutz- und Löschanlagen, einem Lift und unterschiedlichen Leitersystemen ausgestattet. Im Zusammenhang mit Letzteren kritisierte Wefer deutlich, dass sich im Onshore- und auch im Offshore-Bereich derzeit die meisten Hersteller von Wind­energieanlagen für so genannte geschlossene Leitersysteme entscheiden würden: Diese seien so konstruiert, dass die Monteure zwischen Leiter und Turmwand auf- und absteigen. Das sei zwar einigermaßen komfortabel, da man nach getaner Arbeit mit dem Rücken zur Wand einfach hinunterrutschen könne, so Wefer – im Notfall werde allerdings die Rettung erheblich verzögert und erschwert, weil man dem Opfer zunächst die Gliedmaßen fixieren müsse. Andernfalls könne es passieren, dass sich beim Ablassen ein Arm oder ein Bein in den Stufen der Leiter verfange und es so zu weiteren Verletzungen komme.

Plädoyer für offene Leitersysteme

Diese vorbereitenden Maßnahmen würden beim offenen System, bei dem die Leiter direkt an der Wand angebracht sei und mit dem Rücken zur Turmmitte geklettert werde, entfallen, wodurch sich die Rettungszeit auf die Hälfte verkürze. »Ich habe die Hoffnung, dass wir durch die Ausbildung auf den Trainingstürmen darauf hinwirken können, dass den offenen Leitersystemen die Zukunft gehört«, betonte Wefer. Die Sicherheit müsse absoluten Vorrang haben.

Zugleich kündigte der West-Geschäftsführer an, künftig auch eine abgeänderte Variante von Trainingstürmen bauen zu wollen, die dann speziell an Offshore-Verhältnisse angepasst sei. Unter anderem sei geplant, den Offshore-Turm mit einem breiteren Fundament zu versehen, damit das Abwinschen (Abseilen) von schrägen Flächen geübt werden könne. Idealerweise solle diese Anlage im Wasser stehen, um noch mehr Realitätsnähe zu erzeugen. Wefer: »Mein Traum ist es, dass wir den ersten Offshore-Trainingsturm im Husumer Hafen aufstellen.«

In einem zweiten Vortrag berichtete Rainer Olbricht, Vertriebsleiter für den Bereich Offshore und Windkraft bei Noske-Kaeser, dass sich die Offshore-Windenergie in den vergangenen Monaten zu einem wichtigen Standbein innerhalb der Firma entwickelt habe. So sei Noske-Kaeser, bekannt für die Produktion und Installation von Klima- und Lüftungsanlagen sowie Brandschutztechnik für den maritimen Bereich, mittlerweile am Bau von fünf Umspannwerken auf hoher See beteiligt. Olbricht erläuterte, dass dort unter anderem durch Dieselgeneratoren und die Sonne viel Wärme entstehe und daher eine Kühlung der Geräte dringend notwendig sei. Wenn möglich, geschehe dies mit Seewasser – die Räume der Plattformen kühle man hingegen mithilfe von Umluftkühlgeräten. Eine ähnliche Wärme- und Lüftungsproblematik wie bei den Umspannwerken gebe es auch bei den Offshore-Windenergieanlagen selbst, weswegen man derzeit in direkter Zusammenarbeit mit den Herstellern Lösungen entwickle. Mit Blick auf mögliche Feuerquellen habe man verschiedene Risikobereiche ausgemacht: Bei den Umspannplattformen seien dies vornehmlich elektrische Hochspannungskomponenten, Diesel- und Notstromgeneratoren, Wohnbereiche, Lager- und Arbeitsräume; bei den OWEA kämen beispielsweise mechanische und elektrische Komponenten in der Gondel, Schaltanlagen, Bremsen und Generatoren als Auslöser eines Brandes in Frage. »Wir bieten Komplettsysteme zum Feuerschutz auf den Plattformen und auf den Windenergieanlagen an«, betonte Olbricht. Unter anderem gehörten dazu eine Kombination aus Flamm- und Wärme­detektoren, Rauchmelder sowie Sprühwasser- oder Schaum-Feuerlöschsysteme. Je nach Art der Anlage gebe es darüber hinaus noch weitere Möglichkeiten zur effektiven Feuerbekämpfung. Allen Systemen gemeinsam sei, dass umweltfreundliche Feuerlöschmittel wie natürliche Gase und Seewasser verwendet würden.

Keine SOLAS-Regeln für Windparks

Nicolai Wiese vom dänischen Evakuierungssysteme- und Schutzanzüge-Hersteller Viking erläuterte anschließend, warum in der Offshore-Windindustrie Schutzanzüge und Rettungswesten nach Regeln der SOLAS (Safety of Live at Sea) eingesetzt werden sollten. Vorgeschrieben sei das zwar nicht, sagte der Däne: »Aus unserer Sicht macht es aber trotzdem Sinn, es zu tun – im Notfall kommt man nämlich nicht von einer Offshore-Windenergieanlage weg, ohne Wasser zu berühren.« Unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit könne man nur bedauern, dass es bisher keine SOLAS-Vorschriften für Offshore-Windparks gebe. Überhaupt gebe es hier noch viele Bereiche, in denen gesetzliche Bestimmungen fehlten: »Es ist ein Problem, dass man nicht gemeinsame Regeln befolgen muss.«

Bestätigt wurde diese Aussage von Matthias Eckert. Der Pilot des Hubschrauberunternehmens HTM Offshore, das von Emden aus Personen- und Materialtransporte zum Windpark »Alpha Ventus« durchführt, berichtete von seinen Erfahrungen mit dieser Problematik. »Es ist in Deutschland leider so, dass es bisher keine von den Behörden vorgegebenen Standards gibt – jeder Betreiber legt selbst fest, was er braucht.« Das gelte sowohl für das so genannte Hoist-Training, bei dem die Servicetechniker die Windenvorgänge am Hubschrauber einübten, als auch für weite Teile der späteren Hoist-Operations auf hoher See. Vor einigen Jahren habe das Luftfahrtbundesamt (LBA) Vorschläge gemacht, wie mögliche Standards für den Anflug von Offshore-Windenergieanlagen aussehen könnten: Dabei sei es unter anderem um eine bestimmte Ausrichtung von Rotorblättern und Gondeln gegangen. »Die dort genannten Anforderungen waren für uns aber inakzeptabel«, erläuterte Eckert. Schließlich könne es immer einmal vorkommen, dass eine Anlage nicht richtig funktioniere und sich daher Rotorblätter und Gondel nicht gemäß den vorgeschlagenen Standards positionieren ließen.

Standards für Anflüge fehlen

HTM Offshore habe daher im Mai 2009 Testflüge durchgeführt, um unterschiedliche Situationen für den Fall einer festsitzenden Gondel nachzustellen. Anhand der Ergebnisse seien Prinzipien und Einschränkungen für sichere Flugmanöver definiert und dokumentiert worden. »Diese Dokumentation und unsere Vorschläge haben wir vor über zwei Jahren dem LBA geschickt – und da liegen sie bis heute.« Die Piloten seines Unternehmens würden seither nach den erarbeiteten Prinzipien fliegen, die sich in der Praxis bereits bewährt hätten.

Zum Abschluss des offiziellen Teils der Fachtagung zeichnete Nils Peters, Geschäftsführer des BZEE, die Geschichte des in Husum gegründeten Bildungszentrums nach, das in den vergangenen zehn Jahren mehr als 1.400 Servicetechniker für Windenergieanlagen ausgebildet hat und mittlerweile auch international operiert, bevor schließlich Hans von Wecheln als Berater der Wirtschaftsförderung Nordfriesland ankündigte, dass man den früheren Militärflugplatz Husum-Schwesing künftig als Hubschrauberbasis für die Offshore-Industrie nutzen wolle. Eine endgültige Entscheidung stehe zwar noch aus, ein entsprechender Antrag sei aber gestellt.

Die Veranstalter zeigten sich am Ende zufrieden mit dem Auftakt der »Capp Husum«. »Der hohe Zuspruch an Teilnehmern aus der Branche bestätigt das Interesse an dem jungen Markt ›Offshore‹«, bilanzierte Laura Keller, Marketingleiterin bei Noske-Kaeser. Ziel sei es gewesen, eine Basis für den gegenseitigen informativen Wissens­austausch zu schaffen und zukünftig das Thema gemeinsam zu gestalten. Dies sei gelungen: Spätestens in zwei Jahren solle die Veranstaltung daher in eine zweite Run


Anne-Katrin Wehrmann