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Für die Ausbildung von Kranfahrern auf Offshore- und Schwergutschiffen wurde in Elsfleth ein Simulator in Betrieb genommen.

Das Maritime Kompetenzzentrum (Marikom) in Elsfleth verfügt über einen Simulator für die Aus- und Weiterbildung von Kranführern. Es besteht die[ds_preview] Möglichkeit, nicht nur Grundkenntnisse in der Bedienung von Schiffskranen zu erwerben, sondern auch komplizierte Schwergut­operationen und die Verladung sowie den Aufbau von Windenergieanlagen im Offshore-Bereich zu trainieren. Der Bedarf an erfahrenem Personal wächst mit der Anzahl der Offshore-Installationen sowie der dazu benötigten Spezialschiffe.

Den unterschiedlichen und besonderen Anforderungen, die sich in der Offshore-Industrie ergeben, kommt man mit der Konstruktion und dem Bau von Schiffen nach, die auf diese spezialisiert sind: Plattform Supply Vessels (PSV), Multi Purpose Service Vessels (MPSV), Floating Production, Storage and Offloading Vessels ­(FPSO), Drilling Anchor Holding Tugs, Jack-Up Vessels, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Jedes dieser Schiffe verfügt über einen oder mehrere Krane, die eines der Hauptwerkzeuge für den jeweiligen Einsatzbereich darstellen.

In der berufsgenossenschaftlichen Präventionsarbeit vollzieht sich seit einiger Zeit ein Wandel. Die Unfall-Verhütungsvorschriften UVV werden im Zuge dieser Veränderungen im Arbeits- und Gesundheitsschutz zu rein schutzzielorientierten Vorschriften bei gleichzeitigem Abbau der Bau- und Ausrüstungsvorschriften umformuliert. Im Zuge dieser Neugestaltung des Regelwerks sind Reedereien gezwungen, beim Betrieb von Schiffen eigene Präventionsmaßnahmen zu entwickeln. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, Mitarbeiter, die Tätigkeiten mit hohem Gefährdungspotential ausführen – wozu das Arbeiten mit Hebezeugen zweifelsohne gehört –, besonders zu schulen. Hier bietet der Kransimulator gute Voraussetzungen. Denn die Anwendung der Simulation ist in der Aus- und Weiterbildung ein bewährtes und anerkanntes Instrument. In allen Bereichen der Fahr- und Flugzeugführung kommt sie zum Einsatz.

Unterschiedlichste Szenarien können entwickelt werden, in denen Parameter aus der Umwelt und aus dem eigenen System heraus individuell und gezielt verändert werden. Eines der überzeugendsten Argumente für ein Simulationstraining wird jedoch das Ausbleiben von Schäden an Schiff und Ladungseinheit sein. Ladungseinheiten im Schwergut- sowie Offshore-Bereich sind bis zu mehreren hundert Tonnen schwer und stellen einen hohen finanziellen Wert dar – ähnlich verhält es sich mit dem Schiff und dem Equipment selbst. Hinzu kommt ein viel geringerer zeitlicher Aufwand. Insbesondere das Training für Notsituationen kann in der Praxis nicht ausreichend geleistet werden.

Der Heavy Lift and Offshore Crane Simulator HLS7 ist ein Produkt von Rheinmetall Defence Electronics und in seiner Form der erste seiner Art, die der Hersteller entwickelt hat. Alle Arbeitsplätze, von denen aus maßgeblich ein Be- oder Entlade­vorgang vorgenommen wird, stehen zur Verfügung:

• Der Arbeitsplatz des Ladungsoffiziers, der sich mit Hilfe von Mouse und Keypad virtuell über das ganze Schiff bewegen kann. Die Person des Ladungsoffiziers ist – als sogenannter Avatar – dem realen Aussehen eines Ladungsoffiziers nachempfunden und kann von allen anderen Arbeitsplätzen an Bord als solcher auf dem Schiff erkannt werden. In seiner Aufgabe kann er von seiner Position aus – z. B. im Laderaum, an der Pier oder vom Gangboard – dem Kranfahrer Anweisungen und Informationen mit der Hilfe von Handzeichen (Touchscreen) oder verbal über UKW-Sprechfunk geben.

• Die Brücke, von der eine Sicht über das Ladungsgeschehen möglich ist. Dieser Arbeitsplatz ist identisch mit dem des Ladungsoffiziers, und kann in variierenden Übungen als solcher genutzt werden.

• Die Station für die Bedienung des Anti-Heeling- und Ballasttank-Systems, bestehend aus Ladungsrechner und Bedien­oberfläche des Ballastsystems, kann manuell oder automatisch betrieben werden. Das Ballast-System ist auf jedes simulierte Schiffsmodell anwendbar, Druck und Durchflussmengen werden, bezogen auf die Position von Ventilen und Pumpen des jeweiligen Schiffsmodells, berechnet.

• Zwei Arbeitsplätze für die Kranführer selbst. Das Herzstück des Simulators, die Nachbildung einer Krankabine, von der aus der Kran mittels Joystick und Touchscreen gesteuert wird, entspricht dem Aufbau einer realen Krankanzel. Für eine realitätskonforme visuelle Darstellung sorgen 180° x 180° Sichtsysteme in 8 m hohen Halbkugeln. Durch eine Korrektur der Abbildverzerrung und »Edge Blending« sorgt das Projektionssystem für einen übergangslosen Blick von der Kranspitze bis auf den Boden des Laderaums.

• Für die Steuerung und Überwachung der Übungen stehen zwei Instructor-Arbeitsplätze zur Verfügung. Der Instructor hat die Möglichkeit, zu jeder Zeit aktiv in das Geschehen einzugreifen sowie Umweltbedingungen und Parameter des Schiffes und der Ladungseinheiten zu verändern. Ist das Ballastsystem nicht besetzt, wird es vom Instructor bedient. In gleicher Weise kann jede andere Aufgabe vom Instructor übernommen werden.

Die Visualisierung auf allen Bildschirmen an den Arbeitsplätzen erfolgt in dreidimensionaler Darstellung. Alle Stationen sind mit UKW-Sprechfunk ausgestattet und garantieren so eine Kommunikation zwischen den besetzten Arbeitsplätzen.

Die Simulation stellt zurzeit zwei Arten von Kranen zur Verfügung: NMF 700 t und Liebherr 1.500 t. Das Simulationsmodell des Multi Purpose Vessel »Weser« ist die Nachbildung eines Schwergutschiffes der ehemaligen Beluga-Reederei. Mit diesem Modell können die Be- und Entladevorgänge mit dem NMF 700 t an der Pier trainiert werden. Das Schiff verfügt über drei Krane. Je nach Konfiguration und Anforderung bei der Beladung werden die Krane im Single oder Tandem Mode bedient. Bei besonders sperrigen und schweren Ladungsteilen werden zwei Krane aus den Kabinen im Tandembetrieb gefahren. Das Einlegen von Zwischendecken und Pontons in den Laderaum erlaubt ein Beladung mit verschiedenen oder mehreren gleichen Ladungsteilen, bis Stabilitätgrenzen und / oder der maximale Tiefgang erreicht sind.

Der 1.500-t-Kran von Liebherr steht auf dem simulierten Errichterschiff »Elsfleth«, ein Modell des im Bau befindlichen Jack-up Vessels »Innovation« von Hochtief (siehe Seite 42). Hiermit kann der komplette Aufbau einer Wind­energieanlage im Meer simuliert werden. Zukünftige Erweiterungen ermöglichen auch das Manövrieren mit Dynamic Positioning System sowie die Bedienung des Jack-up-Systems zu trainieren. Entsprechend dem Einsatz der Schiffe stehen die unterschiedlichsten Ladungseinheiten zur Verfügung: einzelne Teile (Kolli, Kisten, Rohre etc.), Projektladungen (Tanks, Krane, Fähren, Fahrwassertonnen u. ä.) und Bauteile von Windkraftanlagen (Rotorblätter, Gondeln, Türme, Fundamente etc.). Zusätzlich ermöglicht eine Editor Software die Erstellung weiterer Ladungsteile.

Je nach Ausbildungsgrad der Trainees werden die Übungen den Anforderungen angepasst und weiterentwickelt. So erschweren das plötzliche Aufkommen von Wind oder Wellengang durch vorbeifahrende Schiffe die Stabilisierung von Schiff und Kranhaken mit Ladungseinheit. Ein besonderer Wert wird auf die Zusammenarbeit der einzelnen Operateure gelegt, die eine Kommunikation mit klaren Anweisungen lernen müssen. Die Generierung von Fehlern – technischen wie menschlichen Ursprungs – durch den Instructor aus dem eigenen System Schiff und Kran heraus sensibilisiert den Trainee für die verschiedenen Ursachen auftretender »Symptome« als Folge dieser und gibt Handlungsempfehlungen vor.

Martin Schimmelpfennig und Andreas Ebben sind die Instruktoren des Simulators. Schimmelpfennig fuhr selbst mehrere Jahre als Kapitän auf Schwergut- und Containerschiffen weltweit zur See, war Hamburger Hafenlotse und baute das Havariekommando in Cuxhaven mit auf. Seit 2006 ist er als Dozent tätig. Ebben war als Elektroinstallateurmeister in leitender Stellung tätig, bevor er 2006 Fachpraxislehrer wurde. Er hat selbst eine Ausbildung zum Kranführer und Kranführerlehrer absolviert.

Das Marikom bietet eine umfassende praktische Ausbildung von seefahrendem Personal sowie für Personal für die Installation, Reparatur und Wartung von Offshore-Anlagen an. Neben der überbetrieblichen Ausbildung von Schiffsmechanikern an der berufsbildenden Schule werden alle notwendigen Aus- und Weiterbildungslehrgänge für Brand und Rettung nach STCW95 angeboten. Das Gebäude des Maritimen Trainingszentrums Wesermarsch (MTZW) auf dem Campus des Marikom beherbergt neben dem Kransimulator eine Übungsschwimmhalle mit Wind-, Wellen- und Geräuschgenerator. Eine an einem Kran aufgehängte nachgebildete Helikopterkanzel kommt für das Helicopter Underwater Escape Training (HUET) zum Einsatz. Weitere Lehrgänge zu Sea Survival und B.O.S.I.E.-Training (Basic Offshore Safety Induction and Emergency Response) können absolviert werden.


Karina Wieseler