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Manche Dinge in der Schifffahrt können einen nachdenklich stimmen. Aber der

Optimismus unseres Kolumnisten Michael Rathmann in seinen Betrachtungen

zum Jahresende ist ungebrochen. Das Miesmachen überlässt er anderen

Das diesjährige HANSA-Forum, das gut moderiert und sehr informativ war, hat mich auf Gedanken gebracht, die ich zum Jahresende[ds_preview] in Worte kleiden möchte. So liegt das über Jahrzehnte bewährte KG-Modell in der Schiffsfinanzierung in einem Dornröschenschlaf. Der rettende Prinz ist noch nicht in Sicht. Schenkt man Profinörglern Glauben, ist das KG-Modell als Finanzie­rungsinstrument praktisch tot. Gottseidank habe ich eine Aversion gegen Profinörgler und Berufszauderer, weil die grundsätzlich alles mies machen – und das ist mit meinem Optimismus nicht kompatibel.

Die Kreativität und der Einfallsreichtum der KG-Branche werden sicherlich maßlos unterschätzt, das hat die Branche in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder bewiesen. Wir werden sicherlich neue Gestaltungsmöglichkeiten sehen, die sich gerade erst herauskristallisieren und die ganz neue Wege in der Finanzierung von Schiffen aufzeigen. Es wird noch einige Zeit dauern, bis solche Modelle dem Markt konkret präsentiert werden können, aber es wird schon intensiv darüber nachgedacht.

Das momentan größte Problem sind die schlechten Chartermärkte, die keinen Bewegungsspielraum lassen, um überhaupt etwas zu erreichen. Die Schifffahrtskrise beschäftigt die Branche seit 2008 und hat uns, mit Ausnahme eines kurzen Rekonvaleszenszeitraumes von Herbst 2010 bis Frühsommer 2011, nach wie vor im Griff. Durch den Zusammenbruch der Chartermärkte ging den Schiffsgesellschaften das Geld für den Kapitaldienst aus. In der Folge rollte auf die Anleger, die sich mit dem klassischen KG-Modell an Schiffen beteiligt haben, eine Sanierungswelle zu, die im Großen und Ganzen auch gut abgeritten wurde. Aber leider war bei einigen Konzepten das Surfbrett zu kurz gewählt worden und die Welle war zu lang. Fakt ist, dass nach dem Rückfall aus der Rekonvaleszens in das tiefe Tal der Tränen das Charterratenniveau nach wie vor ganz weit unten herumdümpelt und auf einige Fonds eine zweite Sanierungswelle zurollt.

Es wird schwer werden, Folgesanierungen bei bereits sanierten Schiffen argumentativ bei den Anlegern zu präsentieren, aber bislang zeigen sich die Anleger kooperativ. Aus diesem Grund wird es auch nicht zu den massenhaften Notverkäufen von Schiffen kommen, die gegenwärtig in den Horrorszenarien prognostiziert werden. Diesbezüglich war auch eine Fragestellung im zweiten Panel des diesjährigen HANSA-Forums am 17. November sehr wichtig und klärend.

Hatten im letzten Jahr verschiedene Banker immer wieder von der sogenannten »Drei-Jahres-Frist« berichtet, der zufolge im dritten Jahr einer Tilgungsstundung die Kredite fällig gestellt werden müssen, so ergab in diesem Jahr die konkrete Frage nach dieser Frist an die Banker, dass diese nirgendwo zementiert ist. Sie entspringt einer Interpretation der Basel-II-Regularien. Danach ist beim Überschreiten der Frist eine zusätzliche Hinterlegung des Engagements mit Eigenkapital bei der Bank notwendig.

Diese Frist, sofern man sie überhaupt diskutieren muss, wird aber durch die aktuellen Sanierungskonzepte ausgehebelt, weil mit den Sanierungskonzepten üblicherweise die ausgesetzten Tilgungen nachgeholt werden und man dadurch den Status ex ante wieder erreicht. Sollte dann in der weiteren Zukunft nochmals über Tilgungsstundungen gesprochen werden müssen, zeigen sich die Banken durchaus verhandlungsbereit und treffen ihre Entscheidungen von Fall zu Fall, sofern die dann vorgetragenen Konzepte tragfähig sind.

Da kommt wieder Hoffnung auf. Lösungsansätze in der Schifffahrtskrise zeichnen sich ab. Die Anleger sind nach wie vor bereit, zu Ihrer Kapitalanlage zu stehen und mit Geld zu helfen – sicherlich die vernünftigste Lösung. Die bestehenden Fremdkapitalfinanzierungen könnten durch Eigenkapital ersetzt werden, weil es durchaus institutionelle Anleger gibt, die Vertrauen in die Schifffahrt haben und sich finanziell engagieren. Die Banken zeigen sich mittlerweile auch kreativ in der Lösung von Problemen, wenn auch nur sehr langsam und verhalten. Sie wollen nicht zu Eigenkapitalgebern werden, weil sie für sich nicht in Anspruch nehmen, die besseren Reeder zu sein. Die Banken haben mehr Interesse daran, aus den Finanzierungen herauszukommen, das aber maßvoll und mit Bedacht, damit kein Schaden angerichtet wird.

Allerdings muss man sich darüber im Klaren sein, dass es zu Zwangsmaßnahmen seitens der Banken kommen wird: dies aber überwiegend bei Beteiligungsgesellschaften, die besser nie vertrieben worden wären. Davon gibt es einige im Markt, und man muss sich berechtigt die Frage stellen, weshalb die Banken solche Schiffe überhaupt finanziert haben, denn da ist sicherlich ein Teil der Mitschuld zu suchen. Diese Fragestellung möchte ich hier gar nicht weiter vertiefen, sondern nur für die Zukunft zum Nachdenken anregen.

Eine Verbesserung der Marktsituation in der Schifffahrt ist der entscheidende Punkt, der uns alle, die wir damit zu tun haben, bewegt. Wann sich Verbesserungen ergeben werden, kann man indes nur mit der Kristallkugel vorhersagen – und ich musste bei meiner feststellen, dass sie derzeit eher Milchglas ähnelt, leider!

Die gesamte Schifffahrt leidet unter einem Verdrängungswettbewerb, der sich durch alle Bereiche zieht und ruinös ist. In der Containerschifffahrt ist das Wort Verdrängungswettbewerb noch geschmeichelt, ich würde es mittlerweile als Krieg bezeichnen. Der Krieg, nennen wir ihn Zermürbungskrieg, findet derzeit auf den Routen von Fernost nach Europa statt und für alle daran Beteiligten ist keine unmittelbare Besserung in Sicht. Momentan betragen die Frachtraten nur noch 540 $ pro TEU und liegen damit unter dem Bunker Adjustment Factor (BAF). Der BAF ist derjenige Aufschlag, der für die Treibstoffkosten erhoben wird, um den Container von Asien nach Europa zu transportieren. Dieser liegt pro Container für die Fahrtstrecke bei 755 $, also 215 $ über dem Seefrachtanteil. Das ist schon ein ungesundes Verhältnis.

Der Versuch der ganz großen Operateure, die Konkurrenz aus dem Markt zu drängen, ist bisher fehl geschlagen. Der destruktive Preiskampf fordert von allen Beteiligten große Verluste, und es ist in der ohnehin schon trägen Wintersaison nicht damit zu rechnen, dass eine Besserung eintritt. Dies wird durch die minimale Rücknahme von Kapazitäten auf den Fernostlinien deutlich. Nur drei Liniendienste wurden bislang eingestellt, ein vierter wird im Dezember folgen. Das entspricht aber nur 8,6 % der Gesamtkapazität auf der Strecke. Überhaupt ist diese Größe zu vernachlässigen, lag doch die Gesamtauslastung knapp unter 90 % über das ganze Jahr.

In den kommenden 14 Monaten stehen 63 Neubauten mit mehr als 10.000 TEU zur Ablieferung an, quasi ein Schiff pro Woche. Gewiss werden die Besteller dieser Schiffe daran interessiert sein, sie in die Asien-Europa-Verkehre einzubinden, um von den erwarteten Kostendegressionseffekten zu profitieren. Insofern zeichnet sich ab, dass der Zermürbungskrieg weiter gehen wird. Ausgerechnet der Branchenprimus erhält im kommenden Jahr keine weiteren Megacarrier und kann ganz entspannt zusehen, wie die Konkurrenz auf die Ankündigung reagiert, dass man den Preiskampf aussitzen will. Wie in diesem Industriebereich miteinander umgegangen wird, ist schon sehr befremdlich. Vielleicht sollte auch in Dänemark mal darüber nachgedacht werden, wie viele Arbeitsplätze dieses Verhalten kosten könnte und welcher wirtschaftliche Schaden bei den Kapitalanlegern entsteht. Interessant ist auch, dass unsere europäischen Kartellbürokraten keinen Finger krümmen, um dieser Marktmonopolisierung entgegenzuwirken.

Als Optimist, der in den vergangenen 40 Jahren eine Reihe von Krisen beobachten konnte, vertraue ich darauf, dass der Markt auch bei dieser Schifffahrtskrise wieder zur Normalität zurückfinden wird. Mit dieser Hoffnung verbinde ich die Wünsche für eine besinnliche Weihnachtszeit und ein für uns alle positiveres Jahr 2012.

Michael Rathmann