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Infrastruktur, Energiewirtschaft und Bergbau stehen vor kräftiger Expansion. Chinesische Investoren werden immer dominanter.

Jahrzehntelang war Afrika immer tiefer in die Isolation abgedriftet. Dass sich die wirtschaftliche Kluft zu den westlichen Industriestaaten einmal verkleinern[ds_preview] könn­te, galt als nahezu ausgeschlossen. Zwar sind Hunger und politische Instabilität immer noch prägende Merkmale, gleichwohl zeigt die wirtschaftliche Entwicklung in vielen Staaten des schwarzen Kontinents inzwischen deutlich nach oben.

Motor der Entwicklung ist, wie in vielen Bereichen der Weltwirtschaft, China. Das Reich der Mitte investiert in Afrika, um an dringend benötigte Rohstoffe zu kommen, und zieht sich nebenbei neue Absatzmärkte heran. Denn ihre steigenden Einkommen geben Afrikaner zunehmend für Waren aus China aus.

Durch den Bau neuer Bergwerke, Industrieanlagen und Kraftwerke sowie die Ertüchtigung der Infrastruktur wird in den kommenden Jahren mit soliden Wachstumsraten in den Projektverkehren nach Afrika gerechnet. Allein im Infrastrukturbereich taxiert die südafrikanische Standard Bank den Investitionsbedarf über den gesamten Kontinent auf rund 100 Mrd. US$ pro Jahr.

China exportiert für 50 Mrd. $

Die benötigten Maschinen und Anlagen kamen früher überwiegend aus Europa, doch in vielen Bereichen haben chinesische Lieferanten inzwischen die Oberhand gewonnen. Rund zwei Drittel der Infrastrukturinvestitionen in Afrika wurden in den vergangenen Jahren laut Standard Bank aus China bereitgestellt. Die chinesischen Exporte nach Afrika lagen mit fast 50 Mrd. US$ zuletzt doppelt so hoch wie die aus den Vereinigten Staaten.

Auch westliche Spediteure, die in China präsent sind, können an den Geschäften partizipieren. »2005 haben wir unserem chinesischen Kunden gezeigt, wie man ein Schiff chartert. Daraus hat sich für ihn über die Jahre ein Geschäft im Umfang von 500.000 t pro Jahr entwickelt«, erklärte die Speditionsmanagerin Virginia Moore vergangenen Monat auf der Breakbulk-Africa-Konferenz in Bremen. Die US-Amerikanerin hat ihre Firma Younger Niche Logistics in Schanghai aufgebaut, mit der sie sich auf Projekt- und Schüttguttransporte konzen­triert. Zum Kundenkreis würden vor allem private chinesische Exportfirmen zählen, die für ihre Lieferungen auf internationales Know-how angewiesen seien. Ein Markt, der sich auf Anbieterseite laufend verändere. »Unser Erfolgsgeheimnis ist wohl, dass wir unser Geschäftsmodell in vierzehn Jahren zehnmal verändert haben«, meint Moore. Obwohl Chinas Exportkraft steigt und steigt, würden die Spielräume für westliche Dienstleister dabei eher kleiner. Die Projektlogistik für Afrika werde zunehmend durch rein chinesische Konglomerate dominiert, nach der Devise: Der Staat gibt das Geld, beauftragt chinesische Lieferanten und bucht für den Transport auch noch staatseigene Schiffe ein. »Chinesische Reedereien kommen in den Markt, um staatliche Projekte abzufahren. Dadurch haben wir inzwischen viel zu viele Schiffe in diesem Fahrtgebiet«, unterstreicht Moore.

So wie Peking das Füllhorn ausschüttet, dürfte sich der Trend in den kommenden Jahren weiter verstärken. Allein in Nigeria, der Republik Kongo, Ghana und Sambia zählt Moore chinesische Investitionen von zusammen knapp 40 Mrd. € für Infrastruktur-, Energie und Bergbauprojekte. Laut Standard Bank wird der gesamte China-Afrika-Handel 2015 auf über 300 Mrd. US$ pro Jahr klettern. Die westlichen Staaten verfolgen mit extremer Sorge und Argwohn, wie Peking zielstrebig seine Claims auf dem rohstoffreichen Kontinent absteckt. Schwer vorstellbar für Moore, dass sie den Vormarsch aufhalten können. »China hat genug Geld, soviel steht fest. Und es betrachtet die Investitionen in Afrika als strategisch und langfristig.« Entschlossenheit und Ehrgeiz der Chinesen im Afrika-Geschäft verdeutlicht Moore mit einer ihrer typischen Redewendungen: Um eine Nadel zu erhalten, müsse man einen Eisenstab lange feilen.

Um die gesamte Transportkette für Projektladung in den Griff zu bekommen, sind die Asiaten aber auf Partner angewiesen. In den afrikanischen Häfen und im Nachlauf zum Empfänger spielen Agenturen und Logistikdienstleister aus den früheren europäischen Kolonialmächten nach wie vor eine gewichtige Rolle. Bestes Beispiel: die französische Bolloré-Gruppe, die in 43 Ländern mit eigenen Agenturen, Terminals und Depots vertreten ist. Ohne den Input solch etablierter Player, die sich im Dschungel der Zoll- und Einfuhrbestimmungen, mit den Sicherheitsrisiken und der Infrastruktur auskennen, sind Schwertransporte tief ins Binnenland kaum möglich. Und auch die Spezialisten ringen mit Laufzeiten, die im internationalen Vergleich abenteuerlich anmuten. Ein Transport vom Hafen in Mombasa in die gut 1.400 km entfernte ruandische Hauptstadt Kigali dauere mitunter 24 Tage, so Deanne de Vries, Vice President Africa bei Agility Logistics. Wartezeiten von fünf bis sieben Tagen an den Grenzübergängen seien keine Seltenheit. Agility suche das direkte Gespräch mit Behörden und Regierungsstellen, um die Verkehre zu beschleunigen. »Wir sagen, dass die Staaten ihre Einnahmen steigern können, wenn sie mit uns zusammenarbeiten und bestimmte Ladungen, etwa für die Öl- und Gasindustrie, bevorzugt abfertigen«, so die Expertin.

Verkehrsinfarkt droht

Das Problem ist, dass der Druck auf die Verkehrsinfrastruktur durch die steigenden Projektinvestitionen exponentiell steigen dürfte. Denn die neuen Bergwerke, Zement­fabriken und Kupferhütten, die im Hinterland entstehen, entfalten nach der Bauphase ihre eigenen Warenströme. »Zuerst geht mehr Projektgut und Baumaterial in die Länder hinein, anschließend kommt mehr Exportladung heraus«, unterstreicht Ian Treder, Inhaber von African Logistics. Dabei wird die Konkurrenz um die Nutzung von Häfen, Straßen und Schienen immer härter.

Vor den Häfen des westafrikanischen Staats Gabun lägen Schiffe heute erst einmal 20 bis 25 Tage auf Reede, bis sie Einfahrt erhielten, so die Geschäftsführerin des Stückgut-Carriers Bremen Overseas Chartering & Shipping (BOCS), Ilse Fliege. »Dann bekommen Sie ein Abfertigungsfenster von 96 Stunden zugewiesen. Wenn Sie damit nicht auskommen, muss Ihr Schiff zwischendurch raus und kann dann nach einer Woche wieder rein.« Durch Verkehrsspitzen aufgrund von Großereignissen verschlechtere sich die Situation mitunter drastisch. »Im Augenblick herrscht ein riesiges Durcheinander auch wegen des bevorstehenden Africa Cups«, konstatiert Fliege. Die Afrikameisterschaft wird im kommenden Jahr gemeinsam von Gabun und Äquatorialguinea ausgerichtet.

Selbst im wirtschaftlich fortgeschrittenen Südafrika hat Projektladung keinesfalls immer Vorfahrt, obwohl die Energie- und Infrastrukturengpässe in dem Land eigentlich keine Projektverzögerungen zuließen. »Nicht bloß bei schlechtem Wetter, auch während der Schulferien und Feiertage dürfen keine schweren Güter auf die Straßen«, sagt Vonani Ntlhabyane, Shipping Manager des südafrikanischen Energiekonzerns Eskom. Ab 1. Dezember herrsche wieder mehrere Wochen Fahrverbot auf den für den Projektverkehr wichtigen Routen von den Häfen Durban und Richards Bay in die Provinz Gauteng, wo 80 % von Eskoms Kraftwerkskapazität gebündelt sei. »Wenn Sie in dieser Zeit Ladung im Zulauf haben, müssen Sie sie kostenpflichtig im Hafen einlagern«, warnt Ntlhabyane.

Libyen-Verkehr erholt sich langsam

Das ist noch nichts gegen die Handelsunterbrechungen, die Projektlieferanten, Spediteure und Reedereien am oberen Ende des Kontinents erlebt haben. Aufgrund der Volksaufstände und Bürgerkriege des arabischen Frühlings kam der Verkehr zum Teil völlig zum Erliegen. Viele Ladungskolli für Libyen blieben im Transit stecken, mussten in den Exporthäfen oder im Land selbst viele Monate zwischengelagert werden. »Da müssen noch riesige Mengen ausgeliefert werden. Wir reden über Rückstände von neun bis zwölf Monaten«, erklärt Eduard Dubbers-Albrecht, geschäftsführender Gesellschafter von Ipsen Logistics. Jedoch sei auch nach dem Sturz des Gaddafi-Regimes und der Einsetzung des nationalen Übergangsrats noch nicht abzusehen, wann der Ladungsrückstau abgebaut sein werde. Kurz nach Ende des Bürgerkriegs herrsche große Not, umfangreiche Waffenbestände seien noch unkontrolliert in Umlauf, die öffentliche Ordnung sei entsprechend fragil. »Zunächst einmal geht es darum, den primären Bedarf in dem Land zu decken«, so Dubbers-Albrecht.

Die Reederei Sloman Neptun, die ihren Libyen-Dienst nach Ausbruch der Kämpfe einstellen musste, hat nach eigenen Angaben vier Abfahrten seit September organisiert: zwei ab Nordwesteuropa, zwei ab Barcelona – letztere mit mehr als 320 Vollcontainern Mineralwasser im Auftrag von Unicef, so Geschäftsführer Ralf Kaptein »Es werden auch wieder Umspannwerke gebaut werden, die Projekte werden weitergehen, aber im Augenblick weiß noch keiner wann.«

Die Bürgerkriegswirren forderten ihren Tribut. So sah sich Sloman nach Einstellung des Libyen-Dienstes gezwungen, eines seiner Schiffe zu verkaufen und ein anderes Charterschiff an die Eigner zurückzuliefern. Die Hauptsache sei, dass die libysche Agentur- und Partnerfirma Neptun Shipping Lines samt aller Mitarbeiter und Angehörigen den Bürgerkrieg unversehrt überstanden habe. »Wir wollen so schnell wie möglich zurück zu einem regelmäßigen Liniendienst. Deshalb sind wir bereit, Dinge zu tun, zu denen andere nicht bereit sind«, erklärt Kaptein. So unternehme die Reederei alles, um Hafenanläufe zu organisieren, auch wenn die Ladungsmengen gering und die Rundlaufkosten der Schiffe schwer darstellbar seien.

Kaptein stellt sich noch auf einige schwierige Monate für Projekt-Carrier im Libyen-Verkehr ein. »Da wird sich nichts über Nacht ändern«, sagt er und mahnt zur Geduld: »Man muss den Leuten zuhören. Wenn sie Wasser benötigen, brauchen wir ihnen keine Generatoren anzubieten.«