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Unternehmen reagieren noch immer mit großer Zurückhaltung auf die Umsetzung

der Verordnungen (EG) Nr. 300/2008 und (EU) Nr. 185/2010.

Im April 2010 sind die Verordnungen (EG) Nr. 300/2008 über gemeinsame Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt, und[ds_preview] (EU) Nr. 185/2010 zur Festlegung von detaillierten Maßnahmen für die Durchführung der gemeinsamen Grundstandards in der Luftsicherheit, in Kraft getreten. Wie auch schon beim Authorized Economic Operator (AEO) reagieren die Unternehmen zurückhaltend. Doch auch Unternehmen aus dem Umfeld Seefahrt sollten sich mit dem Thema beschäftigen.

Aktuelle Situation des LBA

Zum 15. Juli 2011 hat das Luftfahrtbundesamt (LBA) auf die erhöhten Anforderungen für mehr Sicherheit der Luftfracht in der internationalen Lieferkette reagiert und das Amt neu strukturiert. Die geplante Personal­stärke liegt in den sechs Referaten bei insgesamt 376 Mitarbeitern, von denen rund 100 bereits eingestellt sind.

Nach Auskunft des LBA gibt es aktuell ca. 65.000 bekannte Versender (bV), von denen rund 4.000 einen Antrag auf behördliche Zulassung gestellt haben. Erst knapp 400 dieser Firmen haben die erforderlichen Sicherheitsprogramme zur Validierung einge-

reicht. 25 behördliche Zulassungen wurden bisher erteilt (Stand: 20.11.2011) und laut Aussage des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) werden bis zum Stichtag am 25. März 2013 nur noch rund 10.000 Zulassungen erteilt werden können. Die Zahl der Unternehmen, die eine behördliche Zulassung tatsächlich benötigen werden, wird vermutlich aber deutlich über dieser Zahl liegen.

Reglementierter Beauftragter oder bekannter Versender?

Wichtig ist festzustellen, ob künftig der Status als bekannter Versender überhaupt beantragt werden kann. Besonders betroffen (und sich dieses Umstandes oft nicht bewusst) sind Firmen, die innerhalb eines Konzerns oder einer Gruppe als Logistikdienstleister fungieren – sie müssen künftig reglementierter Beauftragter (regB) werden, da sie normalerweise nicht auf eigene Rechnung versenden. Gleiches gilt für Firmen, die im Firmenverbund für eine Tochter-/ Schwesterfirma den Versand mit übernehmen – auch sie müssen für den Versand der fremden Ware regB werden, was gleichzeitig bedeutet, für die eigene Ware nicht bV werden zu können.

Konsequenzen

Verliert ein Unternehmen den Status als bekannter Versender, ist das Unternehmen verpflichtet, die Ware als »unsecured« an den Spediteur zu übergeben.

Vor Verladung in ein Flugzeug ist die Fracht zu sichern, was in der Regel durch Röntgen erfolgt, sofern dies möglich ist. Kann die Ware aufgrund ihrer Größe oder Beschaffenheit nicht geröntgt werden, muss eine manuelle Prüfung der Ware erfolgen. Für das Röntgen der Fracht fallen aktuell im Stückgutbereich Gebühren zwischen 0,10 € und 2,50 €/kg an. Im Paketbereich liegen die Pauschalen zwischen 5 € und 900 € pro Paket. Die Sicherheitsüberprüfung durch Röntgen oder eine manuelle Prüfung nimmt Zeit in Anspruch. Wie viel Zeit zukünftig mehr eingeplant werden muss, ist derzeit noch nicht abschätzbar. Das Aus- und Einpacken durch fremde Dritte kollidiert möglicherweise mit den Qualitätsansprüchen und -anforderungen der Kunden.

Wie geht man am besten vor?

Zunächst ist sachlich zu ermitteln, ob der Status als bV oder regB überhaupt weiterhin benötigt wird. Zu prüfen ist dabei die Anzahl der Luftfrachtpackstücke sowie deren Art und Gewicht, da diese Punkte wesentlich für die möglichen Kosten verantwortlich sind. Faustformel: Je geringer die Anzahl, je kleiner und leichter die Packstücke, desto eher kann auf den Status verzichtet werden. Danach sind die zeitlichen und qualitativen Aspekte zu prüfen.

Den Ergebnissen sind der Aufwand und die Kosten zur Erlangung und Erhaltung des bV- oder regB-Status gegenüberzustellen. Kommt das Unternehmen zu der Entscheidung, den Status als bV aufrechtzuerhalten oder neu zu beantragen, hat sich nachfolgender Ablauf in Form eines Zehn-Punkte-Plans als sinnvoll erwiesen:

1. Benennung des Beauftragten für die Sicherheit und gegebenenfalls seiner Stellvertreter bzw. vertrauten Verantwortlichen inklusive Zuverlässigkeitsüberprüfung nach § 7 LuftSiG

2. Bestandsaufnahme zur Detailklärung vor Ort

3. Formlose Anmeldung beim LBA als bekannter Versender inklusive Verpflichtungserklärung

4. Schulung der Beauftragten, 35 Stunden, alle fünf Jahre zu erneuern!

5. Ausarbeitung des Sicherheitsprogramms »bekannter Versender«

6. Umsetzung dieser Maßnahmen im Betrieb

7. Einreichung des Sicherheitsprogramms zur Prüfung und Abnahme beim LBA in Papierform und auf CD

8. vierstündige Schulung des Personals aller Kategorien

9. Pre-Audit zur Überprüfung der Maßnahmen und zum Erkennen möglicher Schwachstellen

10. Audit und Zulassung durch das LBA, Gültigkeit: fünf Jahre, Aufnahme in die EU-Datenbank

Was bedeutet dies konkret für die Seefahrt?

Die Faktoren Zeit, Qualität und Kosten spielen natürlich in vielen Branchen eine große Rolle. Besonders in der Seefahrt kommt es immer wieder zu Situationen, die ein rasches Handeln unabdingbar machen. Defekte nautische Instrumente oder Ersatzteile für die Maschinen müssen schnell in alle Winkel der Welt geliefert werden. Kommen diese nicht an, bleiben die Schiffe auf Reede liegen und immense Kosten entstehen. Transportmittel der Wahl? Natürlich das Flugzeug.

Die meisten Lieferverträge sehen für Verzögerungen Konventionalstrafen vor, und eine Verzögerung aufgrund von Sicherheitskontrollen am Flughafen ist durch den Status bV ein durch den Lieferanten beeinflussbarer Faktor und somit kein Ausschlussgrund für die Zahlung von Strafen.

Viele der Ersatzteile eignen sich nicht für Röntgenkontrollen (z. B. mehr als 30 mm Metallstärke oder eine zu große Dichte des Materials) und können nur unter großem Aufwand manuell kontrolliert werden (wie Präzisionsteile für nautische Instrumente). Zusätzlich birgt die manuelle Kontrolle immer das Risiko von Beschädigungen und somit die Gefahr eines möglichen Qualitätsverlusts.

Fazit

Gerade bei sehr zeitkritischen Sendungen und der Gefahr von Strafzahlungen sollten Unternehmen etwaige Konsequenzen ohne den Status als bekannter Versender genauestens prüfen. Das Gleiche gilt übrigens auch für den Status AEO. Langsam, aber sicher kommen sich die Staaten hinsichtlich der gegenseitigen Anerkennungen näher. Vereinfachungen bei der Einfuhr von Waren in die jeweiligen Länder werden zukünftig stark vom Nachweis des Status AEO abhängen.

Nicht jedes Unternehmen muss zwingend bV oder regB werden bzw. bleiben. Für viele Unternehmen ist es vermutlich vernünftiger, den Status zurückzugeben und die Waren zukünftig als »unsecured« zu versenden.

Ist die Entscheidung zur Antragstellung aber gefallen, sollte schnell gehandelt werden. Die Umsetzung nimmt meist sechs bis zwölf Monate in Anspruch – allerhöchste Zeit, sich damit zu beschäftigen.

Marcus Hellmann, Stefan Reinhardt