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Wenn der Ausbau der Offshore-Windenergie wie geplant gelingen soll, müssen sich

die Häfen rasch auf die neuen Aufgaben einrichten.

Die HANSA widmet den Offshore-Häfen in Deutschland eine vierteilige Serie. Während der erste Teil einen Überblick über den aktuellen[ds_preview] Sachstand gibt, werden in den kommenden drei Teilen die verschiedenen Standorte näher beleuchtet, die sich ein Stück vom »Offshore-Kuchen« abschneiden wollen. In der Mai-Ausgabe werden die Ostsee-Häfen im Mittelpunkt stehen, anschließend soll es in zwei Teilen um die Nordsee-Häfen gehen.

10.000 MW installierte Leistung bis 2020, 25.000 MW bis 2030: So lautet die ambitionierte Vorgabe der Bundesregierung. Immer mehr Kenner stellen mittlerweile zumindest das erste Etappenziel infrage, denn trotz erkennbarer Betriebsamkeit innerhalb der Branche will es nicht so recht vorangehen. Am Netz sind aktuell lediglich »EnBW Baltic 1« in der Ostsee sowie der Testpark »Alpha Ventus« und Teile von »Bard Offshore 1« in der Nordsee – letzterer wird ebenso wie der »Trianel Windpark Borkum« (ehemals »Borkum West 2«) derzeit errichtet. In diesem Jahr soll Baubeginn für »Nordsee Ost«, »Global Tech 1«, »Dan Tysk« und »EnBW Baltic 2« sein.

Zählt man diese acht Offshore-Windparks zusammen, steht bei Fertigstellung unter dem Strich eine Leistung von gut 2.000 MW. Um in den kommenden acht Jahren zusätzliche 8.000 MW zu installieren, müsste rasch ein ideales Umfeld geschaffen werden, wobei sich neben den bislang nicht hinreichend geklärten Fragen des Netzanschlusses und des Spezialschiffbaus ein Thema besonders dringlich gestaltet: der Ausbau der Hafeninfrastruktur.

Vielfältige Chancen und große Herausforderungen

Feststeht, dass die Offshore-Windenergie der Hafenwirtschaft vielfältige Chancen bietet, sie zugleich aber auch vor große Herausforderungen stellt. Benötigt werden vor allem schwerlastfähige Kaimauern, neuartige Logistikkonzepte sowie schwerlastfähige und großzügige Hafenflächen für die Lagerung und Montage von Großkomponenten wie Gründungsstrukturen, Rotorblätter und Windenergieanlagen. »Aus heutiger Sicht sind die Häfen auf diese Dimensionen nicht genügend vorbereitet«, sagt Andreas Wellbrock, Präsidiumsmitglied des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) und Leiter des ZDS-Lenkungskreises »Offshore-Wind­energie«. Zwar sei in der Vergangenheit bereits Schwergut, auch Superschwergut, verladen worden – aber nicht in so kurzen Abständen und nicht so regelmäßig, wie das künftig der Fall sein werde. Für die kommenden Aufgaben müssten nun standardisierte Prozesse entwickelt werden, um die Kosten zu senken und die Risiken bei der Verladung zu minimieren. »Dafür muss unsere Hafeninfrastruktur großflächig ertüchtigt, ergänzt und erweitert werden«, so Wellbrock.

Um sich und der Branche einen Überblick über vorhandene und geplante Kapazitäten zu verschaffen, hatte der ZDS im vorigen Jahr einen Offshore-Hafenatlas erarbeitet und auf der 7. Nationalen Maritimen Konferenz in Wilhelmshaven vorgestellt. In dem Dokument, das bei Bedarf aktualisiert werden soll, sind derzeit 23 ­Häfen von Emden bis Helgoland, von Cuxhaven bis Sassnitz aufgeführt (www.zds-seehaefen.de). Da für die Errichtung, die dauerhafte Versorgung und später die Wartung von Offshore-Windparks Häfen mit unterschiedlichen Funktionen benötigt werden, unterscheidet der Atlas zwischen den drei Rubriken Großkomponentenhäfen (darunter Installations- bzw. Basishäfen, Produktionshäfen, Import- und Exporthäfen, Schutzhäfen), Servicehäfen (darunter Reaktions- und Versorgungshäfen) sowie Forschungs- und Entwicklungsstandorten.

Soll-Ist-Vergleich dringend erforderlich

»Das auf uns zukommende Volumen kann von keinem Hafen allein bewältigt werden«, ist ZDS-Hauptgeschäftsführer Klaus Heitmann überzeugt. »Viele unserer Seehäfen können davon profitieren.« Die deutsche Hafenwirtschaft stehe bereit, mit ihrer maritimen Logistik einen wesentlichen Beitrag zur Nutzung der Offshore-Windenergie zu leisten: Das habe der Atlas gezeigt. Dringend erforderlich sei nun ein Soll-Ist-Vergleich der Hafenkapazitäten einerseits mit den Bedarfen der Errichter und der Betreiber andererseits – mit dem Ziel, eine Entwicklungsstrategie für die Seehäfen zu erarbeiten. Dies könne nur in einem schrittweisen Dialogprozess aller Beteilig­ten geschehen.

Wenn nicht bald gehandelt wird, könnte sich die Hafenfrage zum Flaschenhals entwickeln, befürchten Branchenvertreter nun. Noch lassen sich die aktuellen Projekte zwar mit den vorhandenen Kapazitäten umsetzen: So werden die Hauptkomponenten für »Bard Offshore 1« im niederländischen Eemshaven und in Cuxhaven verladen, für »Trianel Windpark Borkum«, »Nordsee Ost« und »Global Tech 1« sind in Bremerhaven vor dem geplanten Bau eines eigenen Offshore-Terminals Übergangslösungen geschaffen worden, für »EnBW Baltic 2« wird aktuell der Fährhafen Sassnitz-Mukran auf Rügen ausgebaut und für »Dan Tysk« soll Esbjerg in Dänemark als Basishafen dienen. Sobald die Branche aber richtig an Fahrt aufgenommen hat, werden voraussichtlich allein für die deutschen Windparks jedes Jahr 200 Fundamente, Turbinen und die dazugehörigen Komponenten verschifft werden. »Dafür brauchen wir fitte Häfen, ohne die geht es nicht«, sagt Ronny Meyer, Geschäftsführer der Windenergie-Agentur (WAB).

Internationale Konkurrenz steht schon bereit

Benötigt werden laut Meyer weniger Häfen im klassischen Sinn, sondern eher »qualifizierte Kaikanten« bzw. funktionierende »Warenausgangszonen«, denn nichts anderes sei ein Hafen letztlich für die Produzenten und Errichter. Die bisherigen Projekterfahrungen hätten gezeigt, dass sich die hiesigen Häfen weiterentwickeln müssten, um die Kosten- und Risikostruktur zu verbessern – andernfalls drohe die Gefahr, dass sich die Windparkerrichter zunehmend in anderen Ländern nach Hafenkapazitäten umsehen würden. »Der Wettbewerb bei den Häfen liegt nicht zwischen Emden, Bremerhaven und Cuxhaven, sondern zwischen Deutschland, Eemshaven, Esbjerg, der Ostküste Großbritanniens und China«, betont Meyer. Selbst der asiatische Boomstaat sei in diesem Zusammenhang als Konkurrenz zu nennen, denn es sei durchaus möglich, dass von dort künftig in größeren Mengen Komponenten wie Turbinen und Rotorblätter importiert würden.

Eine von der WAB erstellte Grafik (siehe oben) zeigt anschaulich, welch vielfältige Möglichkeiten sich den deutschen Nordsee-Häfen durch den Ausbau der Offshore-Windenergie bieten. Während die Errichterschiffe derzeit in einem Bereich von 200 sm rentabel operieren können, sind künftig sogar Einsatzbereiche von bis zu 300 sm denkbar. Im Klartext heißt das, dass von Deutschland aus auch Windparks in anderen europäischen Ländern gebaut werden könnten, sofern die Bedingungen dafür stimmen. Damit würde sich das Marktpotenzial für die deutschen Häfen vervielfachen, denn europaweit sollen bis 2020 Offshore-Windparks mit einer installierten Leistung von rund 40 GW in Betrieb sein. Der zweite Teil der WAB-Grafik belegt allerdings, dass dieser Gedanke auch in die andere Richtung funktioniert: So lassen sich beispielsweise von der englischen Region Hull-Grimsby-Immingham aus ebenfalls Windparks in anderen Ländern errichten, wie etwa in Deutschland.

Angesichts der Tatsache, dass mit der Offshore-Windenergie tausende Arbeitsplätze verbunden sind, drängt ZDS-Präsidiumsmitglied Wellbrock auf mehr Tempo. Dabei sieht er den Bund in der Pflicht, unterstützende Finanzierungsinstrumente zu schaffen. Die sich bietenden Chancen dürften nicht durch fehlende Hafenkapazitäten vertan werden, meint der Logistikfachmann, der zugleich Geschäftsführer der BLG Logistics Solution GmbH ist.

Fortschrittsbericht »Offshore-Windenergie« soll bald vorliegen

Neue Impulse und Handlungsempfehlungen soll der Fortschrittsbericht »Offshore-Windenergie – Bedarf, Chancen und Potenziale für Häfen und Schiffe« liefern, der derzeit gemeinsam von den drei Bundesministerien für Wirtschaft, Umwelt und Verkehr erarbeitet wird. Ursprünglich hatte der Bericht, der eine Maßnahme im Rahmen des Nationalen Masterplans Maritime Technologien (NMMT) ist, schon Ende 2011 vorliegen sollen. »Wir sind noch nicht so weit, wie wir gerne wären«, räumt Enak Ferlemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesverkehrsminister, ein. Es sei eine Fülle von Fragen aufgetaucht, die auf den ersten Blick noch nicht ersichtlich gewesen seien. Antworten sollen nun bis zum Sommer vorliegen – unter anderem zum Ausbau der Hafeninfrastruktur, dem Bau von Spezialschiffen und zum Netzanschluss.

Basierend auf dem Offshore-Hafenatlas und zahlreichen weiteren Materialien leistet die Stiftung Offshore-Windenergie derzeit mit ihrem vom Umweltministerium geförderten Projekt »OffMaster« Zuarbeit für den Fortschrittsbericht. Das Projekt besteht aus vier Arbeitspaketen:

• dem prognostizierten Ausbaupfad für die Offshore-Windenergie bis 2020 bzw. 2030 (mit einer Analyse der wahrscheinlichen Technologieentwicklung nach Art, Gewichten, Größenverhältnissen und Stückzahlen der Großkomponenten);

• zweitens einer Ermittlung der neuen Anforderungen an Häfen (inklusive eines Abgleichs der Hafenkapazitäten mit dem Bedarf der Offshore-Branche);

• drittens einer Ermittlung der neuen Anforderungen an den Schiffbau (unter Berücksichtigung der aktuellen Finanzierungsbedingungen);

• und viertens der Entwicklung von Handlungsempfehlungen für die Hafen- und Werftwirtschaft.

Nach einem ersten Treffen mit Vertretern der Offshore-Windindustrie, der Hafen- und Logistikbranche sowie der Werften im Januar plant die Offshore-Stiftung für den 1. Juni zwei weitere Branchenworkshops zur Diskussion und Abstimmung der Zwischenergebnisse. Diese sollen anschließend in Form eines Abschlussberichts allen Beteiligten zugänglich gemacht werden.

»Hafeninfrastruktur ist Ländersache«

Dass der schnelle Ausbau der Offshore-Windenergie ein Schlüsselfaktor für die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende ist, steht für Hans-Joachim Otto, Maritimer Koordinator der Bundesregierung und Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundeswirtschaftsminister, außer Frage. In diesem Prozess spiele die maritime Wirtschaft eine herausragende und sehr umfassende Rolle: So seien die ehrgeizigen Ausbauziele nur dann zu erreichen, wenn »ein bedarfsgerechtes Angebot an Hafendienstleistungen« sichergestellt werde. »Hier sind erhebliche Investitionen in die Infrastruktur unumgänglich«, betont Otto.

Doch wo soll das Geld dafür herkommen? Sein Kollege Ferlemann hatte bereits vergangenes Jahr klargestellt, dass die Hafeninfrastruktur Ländersache sei und der Bund hier keine finanzielle Hilfe leisten könne. Diese Aussage sei nach wie vor gültig, sagt Ferlemann nun mit Blick auf die lauter werdenden Forderungen nach Unterstützung aus Berlin. Anders sehe das zum Beispiel beim Thema Spezialschiffe aus: Dieser Bereich gestalte sich als Nadelöhr, und darum müsse man hier in der Tat über Maßnahmen wie ein Bürgschaftsprogramm oder Ähnliches nachdenken. »Eins kann aber nicht sein«, macht der Staatssekretär deutlich: »Dass wir Schiffe unterstützen, die in Korea gebaut werden.«

Der Hafenverband ZDS geht davon aus, dass mittelfristig drei Basishäfen an der Nordsee und einer an der Ostsee benötigt werden, um die Ausbauziele der Offshore-Windenergie in Deutschland zu erreichen. Das voraussichtliche Investitionsvolumen: jeweils etwa 250 Mio. €. Gute Chancen rechnen sich unter anderem Emden, Bremer­haven und Cuxhaven aus, wo sich derzeit die Hauptproduktionsstätten befinden und wo auch schon wertvolle Vorarbeit in Sachen Hafenausbau geleistet worden ist. Hinzu kommen immense Kosten für ein funktionierendes Netz von Servicehäfen.

Branche fordert weiteres KfW-Programm

Angesichts dieser Dimensionen fordert die Windenergie-Agentur analog zu dem 5-Mrd.-€-Kreditprogramm für Offshore-Windparks ein weiteres KfW-Sonderprogramm mit dem Titel »Offshore-Infrastruktur«, unter das die Finanzierung von Schiffen und Netzausbau, aber auch von Häfen fallen sollte. »Die kleinen Bundesländer sind einfach überfordert, mehrere hundert Millionen Euro in ihre Häfen zu inves­tieren«, argumentiert WAB-Geschäftsführer Meyer.

Und auch der ZDS sieht in der Energiewende eine nationale Aufgabe, weswegen der Bund die Länder beim Ausbau der Hafeninfrastruktur nicht allein lassen dürfe. Eine ausschließlich private Finanzierung der notwendigen Investitionen für die Bereitstellung schwerlastfähiger Hafenflächen sei ebenfalls nicht denkbar, betont ZDS-Hauptgeschäftsführer Heitmann: »Daher sind staatliche Förderprogramme und Auslastungsgarantien erforderlich.«

Dass private Investitionen in einem derartigen Ausmaß nicht ohne Weiteres zu stemmen sind, zeigt sich aktuell in Bremerhaven. Die ursprünglich für 2014 geplante Eröffnung des dortigen Offshore-Terminals, der rein privat finanziert werden soll, wird sich voraussichtlich verzögern: Potenzielle Investoren haben um eine zweimonatige Verlängerung der ersten Angebotsphase bis Anfang Juni gebeten – man kämpfe noch mit der Finanzierung, hieß es.

Um den Druck zu erhöhen, hat der ZDS die Regierungschefs der fünf norddeutschen Länder in einem Schreiben gebeten, sich für entsprechende Finanzierungsinstrumente des Bundes zum Ausbau der Hafeninfrastruktur einzusetzen. Diesem Wunsch sind die drei Ministerpräsidenten und zwei Bürgermeister mittlerweile nachgekommen. Bei einem Treffen in Kiel Mitte März haben sie eine gemeinsame Erklärung »zur Umsetzung der Energiewende und zur Stärkung der Zukunftsbranche Windenergie« verabschiedet, in der auch ein »Masterplan Offshore-Windenergie« gefordert wird. Dieser solle eine enge Abstimmung zwischen Bund und den norddeutschen Ländern gewährleis­ten, heißt es dort – und er solle unter anderem die »Schaffung geeigneter Instrumente für die Finanzierung von Häfen und Schiffen« berücksichtigen.

In den kommenden Monaten wird sich nun zeigen müssen, ob die Bundesregierung dem Druck doch noch nachgibt oder ob sich die Häfen ohne Hilfe aus Berlin für die kommenden Aufgaben fit machen müssen.


Anne-Katrin Wehrmann