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Experten diskutieren im Hamburger Hafen-Klub, ob die große Zahl von Passagieren

auf modernen Kreuzfahrtschiffen ein Sicherheitsrisiko ist.

Kann für große Kreuzfahrtschiffe mit mehr als 4.000 Menschen an Bord im Seenotfall die Sicherheit von Passagieren und Besatzung überhaupt[ds_preview] noch gewährleistet werden? Reichen die Rettungsmittel an Bord aus, um auch alle in kurzer Zeit in die Boote zu bringen? Werden Kreuzfahrt­schiffe in Zukunft noch größer und wo ist das Ende des vertretbaren Wachstums?

Das waren die zentralen Fragen einer Podiumsdiskussion im Hafen-Klub Hamburg aus Anlass des Unglücks der »Costa Concordia«. Das Kreuzfahrtschiff war am 13. Januar 2012 vor der Insel Giglio mit einem Felsen kollidiert, leckgeschlagen und liegt seither mit rund 65 Grad Schlagseite auf Grund. An der Diskussion unter Leitung des Klub-Präsidenten Eckhard Rohkamm beteiligten sich Prof. Dr. Eike Lehmann von der Technischen Universität Hamburg-Harburg, Dr. Volker Bergeest als Fachmann für Versicherungen, Peter Hoffmann als Kapitän und Nautischer Sachverständiger sowie Sebastian Ahrens von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten.

Skeptisch bezüglich der Schiffsgrößen äußerte sich Peter Hoffmann, der jahrelang im Auftrag des ADAC die Sicherheit von Fähren im Mittelmeer getestet hat. Nautisch und technisch seien die großen Kreuzfahrtschiffe zwar gut zu führen, aber im Fall einer Katastrophe gebe es zu wenige Besatzungsmitglieder mit einer wirklich seemänni­schen Ausbildung: »Eigentlich darf an Bord solcher Schiffe nichts passieren.« Seine ­Äußerung rief Widerspruch hervor. Reedereichef Sebastian Ahrens bezeichnete Kreuzfahrtschiffe als »sicher, sogar sehr sicher«. Die Besatzungen seien sowohl in der Brandbekämpfung als auch in der Bedienung der Rettungsboote ausgebildet und würden durch häufige Übungen im Training gehalten. Auch die Passagiere müssten an den vorgeschriebenen Rettungsübungen teilnehmen. Die Teilnahme werde anhand der Passagierlisten kontrolliert. Ahrens: »Wer an den Übungen nicht teilnimmt, wird verwarnt und bei weiterer Verweigerung auch von Bord gesetzt.«

Zur konstruktiven Sicherheit äußerte sich Prof. Lehmann mit der Feststellung, große Passagierschiffe gehörten zu den sichersten Verkehrsmitteln überhaupt. Vom Konstruktionsbeginn an würden sie nach bewährten Vorschriften gebaut und anschließend auch betrieben. Aber die Sicherheit eines Schiffes hänge davon ab, wie die Umsetzung der Vorschriften kontrolliert werde. Lehmann: »Es gibt keine absolute Sicherheit, sondern nur so viel, wie die Gesellschaft zulässt«. Die Festlegung einer maximalen Größe für Kreuzfahrtschiffe aus Sicherheitsgründen hält er für nicht notwendig.

Zum Fall der »Costa Concordia« stellte Lehmann fest, das Schiff sei trotz des rund 70 m langen Lecks in der Außenhaut noch anderthalb Stunden lang schwimmfähig geblieben. Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer darin, dass damit bei sofortigem Beginn der Evakuierung genug Zeit gewesen wäre, um alle Passagiere und Besatzungsmitglieder in die Rettungsboote zu bringen. So hätten Todesopfer vermieden werden können. Der entscheidende Fehler sei daher der späte Beginn der Evakuierung gewesen.

Versicherungsfachmann Bergeest äußerte die Vermutung, unter dem Eindruck dieser Havarie würden sich, ausgehend von den USA, die Vorschriften für den Betrieb der Kreuzfahrtschiffe ändern: »Sicherlich werden die Routen, die diese Schiffe zu fahren haben, auch stärker vorgegeben und ihre Einhaltung kontrolliert.« Zur Frage, ob das Schiff geborgen und repariert werden könne, sagte Bergeest, es werde sicherlich noch rund ein Jahr dauern, bis das Wrack vor der Insel verschwunden sein werde. Eine Reparatur, die es ermögliche, die »Costa Concordia« anschließend wieder als Kreuzfahrtschiff in Fahrt zu bringen, sei wegen des Aufwandes unwahrscheinlich.

Ob das Unglück vor der italienischen Küs­te nun zu einem Rückgang bei den Buchungen führt, wollte Sebastian Ahrens nicht bestätigen: »Für eine solche Einschätzung ist es noch zu früh. Wir haben in ers­ter Linie Stammgäste an Bord, die wissen, wie ernst wir Sicherheitsfragen nehmen. Aber unser Geschäft lebt auch von Neukunden …«


Eigel Wiese