Print Friendly, PDF & Email

Im vierten Teil der Überblicksdarstellung von Rechtsanwalt Christian Wirtz zum Referentenentwurf des Justizministeriums geht es um die unterschiedlichen Arten von Notlagen, in die Schiffe geraten können

1. Einleitung

2. Personen der Schifffahrt

3. Stückgutfrachtverträge

3.1 Rechte und Pflichten der Vertragsparteien

3.2 Haftung des Befrachters

3.3[ds_preview] Haftung des Verfrachters

3.4 Beförderungsdokumente

4. Reisefrachtverträge

5. Personenbeförderungsverträge

6. Schiffsüberlassungsverträge Bareboat Charter Zeitcharter

7. Schiffsnotlagen

Das reformierte Seehandelsrecht enthält auch Vorschriften über Schiffsnotlagen, und zwar den Zusammenstoß, die Bergung und die große Haverei.

7.1 Zusammenstoß

Im Falle eines Zusammenstoßes hält der Referententwurf an dem seit über 100 Jahren geltenden, internationalen Abkommen vom 23.9.1910 zur einheitlichen Feststellung einzelner Regeln über den Zusammenstoß von Schiffen fest.1 In § 571 S 1 RE wird klargestellt, dass es sich bei den an einem Zusammenstoß beteiligten Schiffen um Seeschiffe handeln muss, denen durch § 574 RE Binnenschiffe gleichgestellt werden. Erwähnung verdient auch § 571 S. 2 RE. Nach dieser Vorschrift haftet der Reeder des Schiffes, das den Zusammenstoß verursacht hat, auch in den Fällen, in denen eine der in § 480 RE genannten Personen für den Zusammenstoß verantwortlich ist. Diese Vorschrift soll dem Zweck dienen, Abweichungen von dem oben zitierte Abkommen auszuschließen.

7.2 Bergung

Auch im Bereich der Bergung wird in den § 575–588 RE geltendes Recht in den Referentenentwurf eingearbeitet, genauer das internationale Übereinkommen vom 28.4.1989 über die Bergung.2 Abweichungen vom bisher geltenden Recht formuliert der RE lediglich – soweit ersichtlich – in zwei Punkten. In § 588 IV S. 2 heißt es wie folgt:

(4) Liefert der Schiffer oder Kapitän entgegen Absatz 3 geborgene Ladung aus, so haftet er für den Schaden, der durch sein Verschulden dem Berger entsteht. Dies gilt auch dann, wenn der Schiffer auf Anweisung des Schiffseigners oder der Kapitän auf Anweisung des Reeders gehandelt hat.

Die zweite Abweichung findet sich in § 620 RE. Dort heißt es:

§ 620

Zustellungen an den Kapitän oder Schiffer

Eine Klage eines Schiffsgläubigers auf Duldung der Zwangs­­­vollstreckung in ein Schiff sowie ein Urteil oder ein Beschluss in einem Verfahren über einen Arrest in ein Schiff können dem Kapitän dieses Schiffes oder, soweit ein Binnenschiff betroffen ist, dem Schiffer zugestellt werden. Gleiches gilt für eine Klage eines Pfandgläubigers auf Duldung der Verwertung einer an Bord eines Schiffes befindlichen Sache, an der nach § 586 Absatz 2 oder § 595 Absatz 1 ein Pfandrecht besteht.

Anders als bisher können also dem Kapitän eines Seeschiffes oder dem Schiffer eines Binnenschiffes bestimmte Klagen oder gerichtliche Entscheidungen zugestellt werden.

7.3 Große Haverei

Die große Haverei regelt der RE in seinen §§ 589–597. Anders als in den oben dargestellten Regeln zum Zusammenstoß bzw. der Bergung plant hier der Gesetzgeber umfassende Reformen, die insbesondere in den §§ 589 II, 590 I S.3, 590 II, 591 I, 591 IV, 593 I, II, 595 IV und 596 I RE zum Ausdruck kommen.

So wird in § 589 II RE eine Definition

des Begriffs »Beteiligter« formuliert. Dort heißt es wie folgt:

§ 589

Errettung aus gemeinsamer Gefahr

(1) Werden das Schiff, der Treibstoff, die Ladung oder mehrere dieser Sachen zur Errettung aus einer gemeinsamen Gefahr auf Anordnung des Kapitäns vorsätzlich beschädigt oder aufgeopfert oder werden zu diesem Zweck auf Anordnung des Kapitäns Aufwendungen gemacht (Große Haverei), so werden die hierdurch entstandenen Schäden und Aufwendungen von den Beteiligten gemeinschaftlich getragen.

(2) Beteiligter ist derjenige, der im Zeitpunkt des Havereifalls Eigentümer des Schiffes oder Eigentümer des Treibstoffs ist oder der die Gefahr trägt, dass die Ladung oder die Frachtforderung untergeht.

Nach § 590 II RE hat derjenige, der die Gefahr schuldhaft herbeigeführt hat, den Beitragspflichtigen den Vermögensschaden zu ersetzen, der ihnen durch die große

Haverei entstanden ist. Die entsprechende Formulierung des § 590 lautet:

§ 590

Verschulden eines Beteiligten oder eines Dritten

(1) Die Anwendung der Vorschriften über die Große Haverei wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Gefahr durch Verschulden eines Beteiligten oder eines Dritten herbeigeführt ist. Der Beteiligte, dem ein solches Verschulden zur Last fällt, kann jedoch wegen eines ihm entstandenen Schadens keine Vergütung verlangen. Ist der Beteiligte Reeder, so hat er ein Verschulden der in § 480 genannten Person in gleicher Weise zu vertreten wie eigenes Verschulden.

(2) Ist die Gefahr durch ein Verschulden des Beteiligten oder einer Person herbeigeführt worden, für die der Beteiligte haftet, so ist dieser den Beitragspflichtigen zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den sie dadurch erleiden, dass sie die Schäden und Aufwendungen, die zur Errettung aus der Gefahr entstanden sind, gemeinschaftlich tragen müssen.

Ferner stellt der RE in § 591 klar, dass sich die Vergütung für die aufgeopferte Sache nach dem Verkehrswert, den diese am Ende der Reise gehabt hätte, bemisst. Eine Regel zur Bemessung des Verkehrswertes enthält § 591 IV RE. War die aufgeopferte oder beschädigte Sache unmittelbar vor Beginn der Reise Gegenstand eines Kaufvertrags, so wird vermutet, dass der in der Rechnung des Verkäufers ausgewiesene Kaufpreis der Verkehrswert dieser Sache ist, § 591 IV. Dementsprechend heißt es:

§ 591

Bemessung der Vergütung

(1) Die Vergütung für die Aufopferung des Schiffes, dessen Zubehör, des Treibstoffs und der Ladung bemisst sich nach dem Verkehrswert, den die Sachen am Ort und zur Zeit der Beendigung der Reise gehabt hätten.

(2) Die Vergütung für die Beschädigung der in Absatz 1 genannten Sachen bemisst sich nach dem Unterschied zwischen dem Verkehrswert der beschädigten Sachen am Ort und zur Zeit der Beendigung der Reise und dem Verkehrswert, den die Sachen in unbeschädigtem Zustand an diesem Ort und zu dieser Zeit gehabt hätten. Sind Sachen nach dem Havereifall repariert worden, so wird vermutet, dass die für eine Reparatur der Sachen aufgewendeten Kos­ten dem Wertverlust entsprechen.

(3) Die Vergütung für den Untergang einer Frachtforderung bemisst sich nach dem Betrag, der dem Verfrachter infolge der Großen Haverei nicht geschuldet ist.

(4) War die aufgeopferte oder beschädigte Sache unmittelbar vor Beginn der Reise Gegenstand eines Kaufvertrags, so wird vermutet, dass der in der Rechnung des Verkäufers ausgewiesene Kaufpreis der Verkehrswert dieser Sache ist.

Eine Regelung über die Verteilung der geleisteten Beiträge auf die Vergütungs­berechtigten ist in § 593 RE enthalten und lautet wie folgt:

§ 593

Verteilung

(1) Die Höhe der Vergütung, die ein Beteiligter wegen der Aufopferung oder Beschädigung eines ihm nach § 589 Absatz 2 zu­zurechnenden Gegenstands beanspruchen kann, sowie die Höhe des Beitrags, den ein Beteiligter zu zahlen hat, bestimmen sich nach dem Verhältnis der gesamten, allen Beteiligten zustehenden Vergütung zu der Summe der von allen Beteiligten zu leistenden Beiträge. Liegt ein nach § 591 ermittelter anteiliger Wertverlust über dem nach Satz 1 errechneten Anteil, so hat der von dem Wertverlust betroffene Beteiligte in Höhe der Differenz Anspruch auf eine Vergütung. Liegt ein nach § 591 ermittelter anteiliger Wertverlust unter dem nach Satz 1 errechneten Anteil, muss der von dem Wertverlust betroffene Beteiligte in Höhe der Differenz einen Beitrag zahlen.

(2) Jeder Beitragspflichtige haftet jedoch nur bis zur Höhe des Wertes des geretteten Gegenstands, der ihm nach § 589 Absatz 2 zuzurechnen ist.

Ebenfalls neu ist die in § 595 IV ent­haltene Regelung über die Ausübung des Pfandrechtes, das nicht durch den Verfrachter, sondern den Reeder ausgeübt wird. Die entsprechende Formulierung in § 595 IV RE lautet wie folgt:

§ 595

Pfandrecht. Nichtauslieferung

(1) Die Vergütungsberechtigten haben für ihre Beitragsforderungen ein Pfandrecht an dem Treibstoff und der Ladung, soweit die Sachen auf Veranlassung der Eigentümer dieser Sachen oder mit Einwilligung der Eigentümer an Bord des Schiffes gelangt sind.

(2) Das Pfandrecht hat Vorrang vor allen anderen an diesen Sachen begründeten Pfandrechten, auch wenn diese früher entstanden sind. Bestehen an einer Sache mehrere Pfandrechte nach Absatz 1 oder besteht an einer Sache auch ein Pfandrecht nach § 586 Absatz 2, so geht das Pfandrecht für die später entstandene Forderung dem für die früher entstandene Forderung vor. Pfandrechte für gleichzeitig entstandene Forderungen sind gleichberechtigt. § 604 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Pfandrechte nach Absatz 1 erlöschen ein Jahr nach Entstehung der Forderung. § 601 Absatz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(4) Das Pfandrecht wird für die Vergütungsberechtigten durch den Reeder ausgeübt. Auf die Geltendmachung des Pfandrechts an der Ladung sind § 368 und § 495 Absatz 4 entsprechend anzuwenden.

(5) Der Kapitän darf die Sachen, an denen Pfandrechte nach Absatz 1 bestehen, vor der Berichtigung oder Sicherstellung der Beiträge nicht ausliefern.

In den Begründungen für diese Ausgestaltung finden sich einmal Erwägungen zur Handhabbarkeit, zum anderen aber auch die Überlegung, dass der Gläubiger nicht nur auf die Regelungen der Zwangs-vollstreckung verwiesen wird, sondern auch Befriedigung nach den für das Pfandrecht geltenden Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuches erlangen kann. Ferner enthält § 596 I RE eine Regelung dahingehend, dass jeder Beteiligte berechtigt sein soll, die Aufmachung der Dispache zu veranlassen.