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Rüdiger Pallentin, Geschäftsführer der Lloyd Werft Bremerhaven, gibt im Interview mit der HANSA einen Einblick in das hart umkämpfte Geschäft mit Schiffsumbauten und äußert sich zu den Chancen durch Green Refitting. Ein weiteres Standbein des Traditionsbetriebs soll der Offshore-Markt sein – auch durch Neubauten

Herr Pallentin, die Schifffahrt erlebt nicht gerade ihre beste Zeit. Wie spüren Sie als Umbau- und Reparaturwerft die Krise[ds_preview]?

Rüdiger Pallentin: Wir merken bei Dockungen von Containerschiffen, Bulkern, Gastankern oder Autotransportern schon, dass es vielen Reedereien nicht gut geht und Sparzwänge vorherrschen. Nachdem die Umsätze pro Schiff bereits 2011 zurückgegangen sind, hat sich dieser Trend 2012 fortgesetzt. Das gilt auch für Passagierschiffe, die keine Umbauten machen, sondern normale Dockarbeiten und Reparaturen.

Welchen Anteil haben Reparaturen und Umbauten aktuell am Werftgeschäft?

Pallentin: Wir haben im Jahr 50 bis 60 Schiffe in der Werft. Davon kommen 80 bis 90 % für Dock- und Reparaturarbeiten, der Rest für größere Umbaumaßnahmen. Letztere machen aber umsatzmäßig mit rund zwei Dritteln den Löwenanteil an unserem Geschäft aus. Leider lasten sie uns nicht das ganze Jahr aus, da relativ große Lücken dazwischen liegen.

Sind in naher Zukunft neue Umbauprojekte zu erwarten?

Pallentin: Es sieht ganz gut aus, dass wir im Spätsommer oder frühen Herbst noch einen Umbau hereinbekommen könnten. Unsere letzten großen Aufträge waren seit April die Endausrüstung der beiden Errichterschiffe von RWE Innogy und von Dezember bis Februar der Umbau des Kreuzfahrtschiffs »Minerva«.

Versprechen also weiter Spezialschiffe das meiste Umbaugeschäft?

Pallentin: Ja, dies dürfte so bleiben. Wir hoffen hier vor allem auf Passagier- und Offshore-Schiffe. Bei Passagierschiffen ist der Vorteil, dass die Ladung, das heißt die Gäste, in regelmäßigen Abständen ihren Geschmack verändert. So gibt es immer wieder neue Moden, aktuell beispielsweise die Nachfrage nach Balkonkabinen. Auch die Spa- und Fitnessbereiche werden stets größer und raffinierter. Ein weiterer Trend sind technische Nachrüstungen, etwa Videowände in Restaurants, Touchscreens in den Gästekabinen und aufwendige Lichtkonzepte. Weil die großen Kreuzfahrtreedereien ihre Neubautätigkeit heruntergefahren haben, investieren sie massiv in die Modernisierung ihrer Flotte. Davon profitieren auch 20 oder 30 Jahre alte Schiffe. Insgesamt gehen die Refitting-Programme in den Milliarden-Bereich. Angesichts unserer guten Referenzen wie »Mein Schiff­ 1« und »Mein Schiff 2« sind wir optimis­tisch, einen Teil von diesem Kuchen abzube­kommen.

Wo liegt bei Kreuzfahrtschiffen größentechnisch die Obergrenze für die Lloyd Werft?

Pallentin: Wir können alles bis 300 m Länge und 35 m Breite docken – das ist dann aber schon sehr knapp. Bei den meis­ten Schiffen, die beispielsweise die Meyer Werft künftig abliefern wird, stoßen wir mit unseren Docks an die Grenze. Leider mussten wir die Pläne für ein Großdock in der Krise einstampfen. Solche Investitionen lassen sich mit der derzeitigen Einnahmesituation nicht darstellen.

Sie sprachen zuvor auch Offshore-Schiffe an. Werden größere Aufträge wie zuletzt die Jack-ups von RWE Innogy nicht eher die Ausnahme bleiben? Schließlich war ein Großteil der Arbeiten ungeplant …

Pallentin: Natürlich hat der Eigner die Hydraulikprobleme am Jacking-System nicht vorhersehen können, weshalb unser Auftrag deutlich umfangreicher wurde als geplant. Eigentlich sollte auch nur die »Victoria Mathias« zur finalen Mobilisierung auf die Werft kommen – am Ende kamen beide Schiffe, und wir erhielten weitere Aufträge für die Decksausrüstung. Es ist im Übrigen zu erwarten, dass diese und andere Errichterschiffe nach Beendigung ihrer Arbeit im Windpark für den Einsatz in anderen Seegebieten wieder umgerüstet werden müssen. Die Fundamente an Deck werden dann abgebaut, damit je nach Windfeld spezielle Jacking-Konstruktionen oder Bohrhämmer installiert werden können.

Die Zahl der Errichterschiffe wird aber überschaubar bleiben.

Pallentin: In der Tat wird es nicht unendlich viele Offshore-Schiffe geben, vor allem Errichterschiffe nicht. Neben den beiden RWE-Jack-ups dürften im Bremerhavener Raum nur noch die beiden bei Crist gebauten Hochtief-Schiffe platziert werden. Aber auch bei Tendern, Service- und Hotelschiffen wird es immer einen gewissen Überholungsbedarf geben.

Was haben Sie unternommen, um den RWE-Auftrag technisch bewerkstelligen zu können?

Pallentin: Zum Einsetzen der 78 m langen Beine haben wir zwei Schwerlastkrane mit 1.000 t Tragkraft und mit 100 m Auslegerhöhe verwendet, wozu wir kurzfristig einen tiefgegründeten Betonboden verlegen mussten. Flexibilität zu zeigen und schnell Ideen zu finden, um die Wünsche des Kunden zu erfüllen, zeichnet uns aus. Gerade im Offshore-Bereich ist dies wichtig, da hier Dimensionen und Gewichte im Spiel sind, die im normalen Schiffbau nicht üblich sind.

Dass Bremerhaven einer der führenden Offshore-Basishäfen in der Nordsee sein wird, kommt Ihnen perspektivisch sicher entgegen. Wie hoch schätzen Sie den Standortvorteil ein?

Pallentin: Das Windkraft-Cluster entwickelt sich vielversprechend. So entsteht hier vor Ort ein neues Offshore-Terminal, und es haben sich schon zahlreiche Fertigungsbetriebe für Komponenten angesiedelt. Einen besonderen Wertzuwachs hat Bremerhaven durch die neue, direkt vor unserer Haustür liegende Kaiserschleuse erfahren, welche auch die größten Errichterschiffe passieren können. Das spielt uns in die Karten.

Was erhoffen Sie sich vom Windkraftmarkt auf hoher See abgesehen von Schiffsumbauten und Reparaturen?

Pallentin: Einiges. Deshalb haben wir kürzlich mit der Lloyd Offshore Bremer­haven GmbH eine eigenständige Vertriebsgesellschaft für diese Branche gegründet. Mit Partnern wie zum Beispiel Weserwind wollen wir auf unserem Werftgelände Konverterplattformen und Trafostationen fertigen, auch Gründungsstrukturen trauen wir uns zu. Ebenso würden wir gern Kabelleger und Errichterschiffe bauen, wenn sich die Gelegenheit bietet. Jack-ups hatten wir bereits zweimal angeboten und einen Auftrag nur ganz knapp verpasst. Allerdings zieht der gesamte Offshore-Markt erst jetzt richtig an, obwohl wir seit zehn Jahren darüber reden. Ich bin froh, dass wir mit der damaligen zu optimistischen Erwartung, schnell neue Umsätze machen zu können, nicht in großem Stil investiert haben, sonst hätten wir uns an den notwendigen Investitionen längst tot bezahlt. Im Offshore-Bereich braucht man einen sehr langen Atem oder muss im exakt richtigen Moment einsteigen. Ich hoffe, das ist jetzt der Fall.

Sie haben sich einen guten Ruf als Umbau- und Reparaturwerft erarbeitet. Dass Sie an Neubauten denken, überrascht ein wenig.

Pallentin: Dieser Eindruck hat sich in den vergangenen Jahren eingestellt, ist aber nicht richtig. Wir haben immer gesagt, wir wollen weiter Neubauten machen – neben Offshore-Schiffen auch Yachten und Kreuzfahrtschiffe. 1996 haben wir mit einem solchen, der »Costa Victoria«, angefangen, anschließend unter anderem vier Combi-Dock-Schwergutschiffe und eine vor zwei Jahren abgelieferte Yacht gebaut. Zu dem Kreuzfahrtschiff sind wir damals gekommen, weil die klassischen Neubauwerften voll waren und den kurzen Lieferzeitraum des Kunden nicht hätten erfüllen können. Heute sieht die Auslastung der Werften freilich anders aus. Wir halten die Augen aber offen.

Könnten Sie einen Neubau kapazitätsmäßig überhaupt stemmen?

Pallentin: Ja, wir können unsere 350 festen Mitarbeiter inklusive Azubis in kürzester Zeit mit Leiharbeitern auf 2.000 Leute aufstocken. Dies betrifft Kerngewerke wie Rohrbau, Maschinenbau oder Edelstahl- und Aluminiumverarbeitung. Tätigkeiten im Bereich Einrichtung oder Tischlerei geben wir ohnehin über Werkverträge an Drittfirmen ab.

Neubauten hätten der Vorteil einer gleichmäßigeren und länger sichergestellten Auslastung.

Pallentin: Das stimmt. Mit Umbauten und Reparaturen hatten wir noch nie ein Auftragsbuch, das uns mehr als acht Wochen im Voraus Arbeit garantiert hat. Wir wissen nie genau, wie es weitergeht, aber irgendwas kommt immer. Zudem sind wir extremen Schwankungen in der Auslastung unterlegen. Oft haben wir Schiffe am Wochenende da, während unter der Woche weniger los sein kann. Auch kommt es vor, dass ein Schiff viel Arbeit angefragt hat, dann in die Werft kommt und 90 % der geplanten Maßnahmen streicht, während bei einem anderen, vermeintlich wenig aufwendigen Projekt plötzlich ganz viel Arbeit hinzukommt. Dann muss man sprichwörtlich barfuß funken schlagen. Flexibilität ist daher alles. Mit Arbeitszeit- und Freizeitkonten können wir die Spitzen in der Auslastung aber ziemlich gut ausgleichen.

Das reine Neubaugeschäft kann aber auch nervenaufreibend sein, wenn wie in der aktuellen Krise mal drei, vier Jahre überhaupt kein Auftrag hereinkommt.

Pallentin: Richtig, aber das ist halt traditionelles Werftgeschäft. Mal hat man ein üppiges Orderbuch von drei oder fünf Jahren, mal ist die Vorlaufzeit bis zur Beschäftigungslosigkeit auf lediglich sechs Monate zusammengeschrumpft. Daher lautet unsere Devise: eine Grundauslastung mit Umbauten und Reparaturen, Neubauten kommen on top.

Mit dieser Strategie sind sie ziemlich breit aufgestellt, ebenso was die bearbeitenden Schiffstypen angeht. Andere Werften sind da deutlich spezialisierter. Warum Sie nicht?

Pallentin: Man könnte sagen: Wir sind spezialisiert auf alles. Weil wir über ein sehr breites Know-how verfügen, hervorragend ausgebildete Mitarbeiter haben, eine eigene Konstruktionsabteilung und ein gutes technisches Büro trauen wir uns auch mal, Neuland zu betreten. Zudem können wir hier in Bremerhaven auf ein exzellentes Netzwerk zurückgreifen und ganz schnell Fachleute jeglicher Couleur aktivieren, falls wir Verstärkung brauchen.

Was ist das Besondere am Bremerhavener Schiffbaunetzwerk?

Pallentin: Ich bin ziemlich sicher, dass es keine Arbeit gibt, die man hier vor Ort nicht machen lassen kann, sei es Isolierung, Turbolader-Überholung, Rohrleitungsbau oder Elektrotechnik. Trotz des Niedergangs der Werftlandschaft in Bremerhaven – man erinnere sich, dass hier einmal mehr als 20.000 Menschen beschäftigt waren – sind diese Kompetenzen erhalten geblieben. Denn jedes Mal, wenn eine Werft dicht machte, haben sich fähige Leute mit spezialisierten Gewerken wie den oben genannten selbständig gemacht, in kleinem Rahmen zwar, aber erfolgreich bis heute. Unter den Reparaturstandorten halte ich das Netzwerk in Bremerhaven daher als führend in Deutschland, vielleicht sogar in ganz Europa.

Mit Ihren Nachbarn vor Ort konkurrieren Sie aber schon noch? Oder teilen Sie sich den Markt friedlich auf?

Pallentin: Nein, wir führen einen sportlichen Konkurrenzkampf, der uns alle zu besseren Leistungen antreibt. Das gilt auch für die Bredo Werft, die Motorenwerke Bremerhaven (MWB), Rickmers Lloyd und uns, denn wie Sie wissen, haben wir mit Dieter Petram alle einen gemeinsamen Investor. Falls dadurch der Eindruck entstanden ist, wir seien eine große Bremerhavener Werftengruppe, so ist dies falsch.

Helfen Sie sich bei Kapazitätsengpässen aus?

Pallentin: Wir tauschen Docks untereinander aus wie auch technische Dienstleistungen. So lassen wir zum Beispiel regelmäßig Motoren bei MWB überholen, dafür machen wir wiederum Rohrleitungsarbeiten in deren Auftrag. Früher war das schon anders. Ich will aber noch einmal betonen: Die Zusammenarbeit beginnt immer erst nach Auftragserhalt. Und am Ende des Jahres ist jeder für seine Zahlen verantwortlich.

Lassen Sie uns abschließend über das Thema Umweltregularien sprechen. Was erwarten Sie von Emissionskontrollzonen und der Ballastwasser-Konvention für den Refitting-Markt?

Pallentin: Ganz klar wird es verstärkt zu Umrüstungen kommen, von denen die Umbau- und Reparaturwerften profitieren. Wir dürfen aber nicht den Fehler machen, gegenüber den Reedern wegen vermeintlicher Großaufträge zu frohlocken, denn deren finanzielle Sorgen sind berechtigt. Ein Scrubber kostet inklusive Einbau schnell mehrere Millionen, und auch eine Ballastwasser-Reinigungsanlage kann in den siebenstelligen Bereich gehen. Aber weder das eine noch das andere macht ein Schiff effizienter oder schneller. Im bes­ten Fall erwirtschaftet es eine bessere Charterrate.

Die Regulierungsfristen rücken immer näher, aber die Reeder tun fast nichts. Ist das nicht frustrierend für Sie?

Pallentin: Ein stückweit ist es verständlich, dass keiner der Erste sein will, schließlich gelten Erstanlagen eher als störanfällig. Dabei halte ich gerade Ballastwasser-Reinigungsanlagen schon für absolut marktreif. Jedenfalls wird sich ein ziemliches Bottleneck auftun, sollte die Ballastwasser-Konvention nach mehrheitlicher Ratifizierung wie geplant ab 2016 für die weltweite Handelsflotte gelten. So viele Werftkapazitäten gibt es gar nicht, um Abertausende Schiffe in kürzester Zeit nachzurüsten. Auch bei den ECA-Zonen wird es im Hinblick auf Lösungen wie Scrubber oder LNG-Antriebe zeitlich sehr eng.

Welches Umweltthema will die Lloyd Werft vor allem beackern?

Pallentin: Abgasreinigung überlassen wir den Spezialisten wie MWB. Wir haben uns dafür auf Ballastwasser-Reinigungsanlagen gestürzt, weil wir hier durch Vorerfahrungen ein fundiertes Know-how haben. Vor einigen Jahren hat eine Drittfirma bei uns auf der Werft Wasserreinigungsanlagen an Land getestet, wobei unsere Konstruktionsabteilung das Projekt intensiv begleitet und viel gelernt hat. Nun wollen wir Reeder unabhängig beraten, die richtige Ballastwasser-Reinigungsanlage auszuwählen. Denn jeder Hochglanzprospekt sagt, meine Anlage ist die beste. Wir kennen den Herstellermarkt allerdings sehr gut und suchen aus beispielsweise zehn passenden Anlagen drei aus, die wir dem Reeder empfehlen. Wir können diese liefern und schlüsselfertig einbauen, oder der Reeder kauft die Anlage selbst und wir installieren sie auf Wunsch anschließend. Erste praktische Erfahrungen haben wir bereits gemacht. Im Übrigen kann man bei Ballastwasser-Reinigungsanlagen relativ viel auf See machen, während der Einbau von Scrubbern schon längere Liegezeiten erfordert.

Welche weiteren »grünen« Aspekte sehen Sie derzeit bei Refittings?

Pallentin: Wir sind gerade dabei, uns an einer Firma zu beteiligen, die sich mit innovativen Unterwasserschutzanstrichen beschäftigt, welche sich durch Effizienzgewinne schnell amortisieren. Mehr kann ich dazu aber noch nicht sagen. Dann haben wir jüngst zweimal Passagierschiffe – die »Albatros« und die »Alexander von Humboldt« – mit einem neu designten Wulstbug ausgerüstet, der ein paar Prozent Treibstoff einsparen soll. In die »Minerva« wurde jüngst eine neue Antriebsanlage eingebaut, zudem bekam das Schiff eine leichte veränderte Unterwasserform. Keine Anfragen dagegen haben wir beispielsweise zum Thema Skysails bekommen. Auch durften wir das »E-Ship 1« docken, aber Flettner-Rotoren sind noch nie zur Nachrüstung angefragt worden.