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Gestiegene Brennstoffpreise und Umweltauflagen sind für einige Reedereien Gründe, in nachhaltige Technologien zu investieren. Über innovative Klimaanlagen berichtet

1. Einführung

In Zeiten hoher Ölpreise sind die Schiffsgeschwindigkeiten reduziert und immer größere Anstrengungen zur besseren Ausnutzung der[ds_preview] Brennstoffe unternommen worden. Dabei werden alle technischen Bereiche der Schiffe betrachtet, da hier die Erzeugung von mechanischer und elektrischer Energie sowie die Nutzung der Abwärme in einer Hand liegen. Eine relativ neue Maßnahme ist die Klimatisierung mittels innovativer Absorptionskälteanlagen mit extrem geringem Primärenergiebedarf. Zur Kühlung und Entfeuchtung der Luft wird üblicherweise Kaltwasser eingesetzt, welches mit stromsparenden Absorptionskälteanlagen zurückge-

kühlt wird. Solche Anlagen wurden bisher auf vier Schiffen eingesetzt, darunter den Errichterschiffen von RWE Innogy (Abb. 1).

2. Auslegung und Vorschriften

Auf diesel-elektrischen Kreuzfahrtschiffen sind Klimaanlagen nach den Fahrmotoren die größten Stromverbraucher. Daher kann beim Einsatz von Absorptionskälteanlagen die Auslegung der E-Bilanz deutlich reduziert werden. Das Wohlbefinden der Besatzung und besonders der Komfort der Passagiere wird durch die Umgebungsbedingungen in Arbeitsräumen, Messen, Kabinen und anderen klimatisierten Bereichen stark beeinflusst. Deshalb haben die klima- und lüftungstechnischen Verhältnisse, besonders auf Passagierschiffen, eine große Bedeutung. Aber auch für den störungsfreien Betrieb sensibler elektrischer und elektronischer Einrichtungen dürfen die in Vorschriften vorgegebenen Grenzen der Temperatur und des Feuchtegehaltes nicht überschritten werden. Daher werden Bereiche mit viel elektronischer Ausrüstung und Computern wie die Brücke und der Maschinenkontrollraum klimatisiert. Schiffe unter deutscher Flagge werden häufig vom Germanischen Lloyd (GL) klassifiziert und unterliegen den Bestimmungen der Berufsgenossenschaft Transport und Verkehrswirtschaft (BG Verkehr, früher Seeberufsgenossenschaft SBG). Bei der Klimatisierung schreiben sie für die Besatzungsmitglieder 100 % Frischluft vor. Klima- und Lüftungssysteme sind innerhalb der Feuerzonen bzw. wasserdichten Abteilungen als autarke Systeme zu projektieren. Dabei sind Parameter wie Lufttemperatur, Feuchte, Luftmenge, Luftgeschwindigkeit, CO2- bzw. O2-Gehalt und Wärmeeinstrahlung zu berücksichtigen.

3. Klimatisierung auf Schiffen

Von Klimatisierung spricht man, wenn neben der Heizung und Kühlung auch eine Regelung der Feuchte möglich ist. Die Feuchteregelung erfolgt je nach Fahrtgebiet durch Zugabe oder Abfuhr von Wasser in die zu klimatisierenden Luftvolumenströme [1, 2]. Auf Frachtschiffen befindet sich die Klimaanlage im Deckshaus mit kurzen Wegen zum Wohnbereich. Der Maschinenkontrollraum hat häufig eine eigene unabhängige Klimaanlage. Auf Fähr- und Kreuzfahrtschiffen hängt die Anzahl der Klimaanlagen von der Unterteilung in Feuerzonen ab, da die Luftkanäle nicht von einer Feuerzone in die andere geführt werden. Die Kälteerzeugung für die Klimaanlage erfolgt in der Regel zentral und die Klimaanlagen in den einzelnen Feuerzonen werden durch Kaltwasser mit Temperaturen von 4–6 °C versorgt. Eine Klimaanlage besteht aus dem Klimagerät, den verbindenden Luftkanälen, den Austrittsgeräten in den Kabinen und der Kälteanlage.

3.1 Klimasysteme: Ein-Kanal-, Zwei-Kanal- und Fan-Coil-Anlage

Zur Klimatisierung von Schiffen werden neben dem Ein- und Zwei-Kanal-System auch Fan-Coil-Anlagen installiert [1, 2]. Bei der Ein-Kanal-Anlage (Abb. 2) wird vom zentralen Klimagerät ein Luftkanal zu den einzelnen Luftaustrittsöffnungen in den Räumen geführt. Die Luftbehandlung (Filterung, Luftkühlung/-erwärmung, Befeuchtung) erfolgt nur im Zentralgerät. In den Kabinen kann im Austrittsgerät eine elektrische Nachheizung erfolgen, um die Temperatur je nach Tageszeit und persönlicher Vorliebe wieder anzuheben.

Bei der Zwei-Kanal-Anlage führen je ein Luftkanal für Kalt- und Warmluft von den Klimazentralen zu den Kabinen. Die Grundkonditionierung erfolgt ebenfalls im Zentralgerät, die Kalt- und Warmluftströme werden jedoch getrennt. Der Warmluftstrom wird im Nacherhitzer aufgeheizt, der Kaltluftstrom wird dagegen unbehandelt zu den Austrittsgeräten der Kabinen geleitet. Hier werden der Warm- und Kaltluftstrom je nach individueller Einstellung über einen Raumtemperaturregler in der Kabine gemischt. Bei beiden Systemen wird die Abluft über Korridore und Treppenhäuser entfernt und bei Passagierschiffen zum Teil als Umluft der neu zugeführten Frischluft beigemischt. Die Abluft der Nasszellen, Sanitär- und Küchenbereiche wird gesondert nach außen abgeführt.

Bei der Fan-Coil-Anlage erfolgt eine dezentrale Luftaufbereitung. In dem verkleinerten zentralen Klimagerät wird nur noch die Filterung, Luftkühlung/-erwärmung und Befeuchtung der Luft durchgeführt. Über eine Ein-Kanal-Anlage wird die Luft zu den Kabinen geführt und strömt dort über ein Fan-Coil-Gerät in den Raum. Dieses besteht aus einem Ventilator mit Filter für die angesaugte Kabinenluft, einem Luftkühler mit Regelventil und einem elektrischen Nacherhitzer. Damit kann die Luft erwärmt oder gekühlt werden, wodurch ein Komfortgewinn erreicht wird. Andererseits ist der Montage- und der Serviceaufwand erheblich höher, da die Austrittsgeräte in jeder Kabine einen Kaltwasser- sowie Kondensatanschluss besitzen.

3.2 Klimageräte

Die Klimageräte, auch als Zentralgeräte bezeichnet (Abb. 2, 3), sind die Kernkomponenten jeder Klimaanlage und bestehen aus sieben bis zehn modular aufgebauten Einzelkomponenten. Hier erfolgt die Behandlung der Luft (Frischluft und Umluft) und die Einstellung der Zuluftparameter. Vom Klimagerät aus führen die Zuluftkanäle in die klimatisierten Bereiche.

Mischkammer: Die von außen kommende Frischluft und der aus dem Schiffsinneren abgesaugte Umluftanteil werden in der Mischkammer entsprechend dem vorgegebenen Verhältnis miteinander gemischt. Das Mischungsverhältnis wird durch Jalousieklappen der Eintrittsseite geregelt.

Filter: Schmutz- und Staubteilchen der Luft werden im Filter nach der Mischkammer entfernt, dafür werden Taschenfilter oder Filtermatten eingesetzt.

Luftheizung: Im Winterbetrieb mit niedrigen Umgebungstemperaturen erfolgt eine Heizung der Luft mit Warmwasser, Thermalöl oder Dampf, seltener mit elektrischen Heizstäben (Abb. 4).

Luftkühler: Im Sommerbetrieb wird die Eintrittsluft im Luftentfeuchter (oder Luftkühler) im Temperaturbereich von ca. 25–40 °C auf Temperaturen bis etwa 12–14 °C abgekühlt. Dabei findet aufgrund der Taupunktunterschreitung eine Entfeuchtung statt und die dabei entstehenden Wassertropfen fallen nach unten in die Abtropfwanne (Abb. 4).

Luftbefeuchter: Die im Winterbetrieb die Luftheizung verlassende Luft besitzt eine relative Feuchte von ca. 20–30 %. Die notwendige Anreicherung der relativen Feuchte erfolgt mit Wasserdampf oder Sprühbefeuchtung auf 50–60 %. Zur Befeuchtung sollte aus hygienischen Gründen Wasserdampf vorgezogen werden. Tropfenabscheider: Aus dem Luftkühler durch die hohen Luftgeschwindigkeiten mitgerissene oder von der Luftbefeuchtung herrührende Wassertropfen werden hier abgeschieden.

Lüfter: Der vom Elektromotor angetriebene Lüfter fördert die klimatisierte Luft in die Verteilerkammer. Um den Luftvolumenstrom entsprechend den Anforderungen und Umgebungsbedingungen einzustellen, sollte der Antriebsmotor des Lüf­ters frequenzgeregelt oder mindestens pol­umschaltbar ausgeführt sein.

Verteilerkammer: In der Verteilerkammer wird der Luftstrom den unterschiedlichen Zuluftkanälen zugeführt (Abb. 5). Die Regelung kann über fest einstellbare Klappen erfolgen.

Zusätzliche Einbauten: Bei starker Geruchsbeladung des Zuluftstromes können zusätzliche Aktivkohlefilter installiert werden. Zur energetischen Optimierung werden rotierende Wärmetauscher (Abb. 3) eingesetzt, die je nach Umgebungsbedingungen Wärme, Kälte und Feuchtigkeit zurückgewinnen.

4. Klimakälteanlagen

Die Kälteerzeugung für Klimaanlagen erfolgt in der Regel zentral mit elektrisch angetriebenen Kompressionskälteverdichtern. Auf Frachtschiffen werden Kolbenverdichter, auf Passagierschiffen Schrauben- oder bei sehr großem Kältebedarf Turboverdichter eingesetzt. Neu in der Anwendung auf Schiffen sind Absorptionskälteanlagen, die statt elektrischer Energie Wärme zur Kälte­erzeugung nutzen. Da im Seebetrieb auf Schiffen große Abwärmemengen zur Verfügung stehen, kann mit dem Einsatz von Absorptionskälteanlagen der Verbrauch an Primärenergie reduziert werden, wodurch der CO2-Ausstoß sinkt. Die Wärmeversorgung erfolgt mit Kühlwasser aus dem Hochtemperatursystem (HT) und/oder Dampf aus dem Abgaskessel.

4.1 Absorptionskälteanlagen

Da derartige Anlagen bisher nur in Landanlagen Verwendung fanden, wurden die Einsatzmöglichkeiten dieser Technologie auf Schiffen für die Bundesmarine in einer Studie theoretisch untersucht [3]. Dabei sollten primär die mögliche Abwärmenutzung und die Energieeinsparung betrachtet werden. Von der Wehrtechnischen Dienststelle (WTD 71) wurden anschließend praktische Untersuchungen in Kiel durchgeführt und erfolgreich abgeschlossen [4].

Das Grundprinzip einer Absorptionskälteanlage ist in [5] beschrieben und beruht darauf, dass ein Stoffpaar (hier Lithiumbromid und Wasser) eingesetzt wird, bei dem sich das Wasser durch Zufuhr von Wärme im Generator (Austreiber) bei höherem Druck austreiben lässt. Unter Abgabe von Wärme wird es bei niedrigem Druck wieder absorbiert (Absorber, Abb. 6). Die ausgetriebene Komponente, hier das Kältemittel Wasser, wird wie bei höherem Druck kondensiert (Kondensator) und bei niedrigem Druck verdampft (Verdampfer). Die da­zu notwendige Verdampfungswärme wird dem Kaltwassersystem entzogen, wodurch die beabsichtigte Abkühlung entsteht.

Die Leistungszahl bei den Bedingungen für Klimaanlagen beträgt bei Kompres­sionskältemaschinen etwa 4, das heißt, es wird 1 kW elektrische Leistung benötigt, um 4 kW Kälteleistung für die Klimaanlage zu erzeugen. Zur elektrischen Energie­erzeugung werden im Dieselgenerator mit etwa 40 % Gesamtwirkungsgrad zur Er­zeugung von 1 kWh elektrischer Arbeit 2,5 kWh Brennstoffenergie benötigt. Daher liegt die auf die Primärenergie (Brennstoff) bezogene Leistungszahl der Kompressionsmaschine auf Schiffen in Wirklichkeit statt bei 4 nur bei 1,6. Die Leistungszahl bei der Klimatisierung mit der Absorptionskältemaschine ist je nach Beheizung (Dampf 1, Heizwasser 0,75) zwar viel niedriger, jedoch energetisch sehr vorteilhaft. Statt Primär­energie Brennstoff (Schweröl oder MDO) wird Abwärme (Kühlwasser, Dampf aus dem Abgaskessel) eingesetzt, wodurch Betriebskosten reduziert werden.

4.2 Prototyp auf Rotorschiff »E-Ship 1«

Die erste Anlage wurde auf dem innovativen, energetisch optimierten »E-Ship 1« (Abb. 7) installiert [7]. Weitere Absorptionsanlagen zur Klimatisierung kamen auf den in Südkorea gebauten Spezialschiffen »Victoria Mathias« und »Friedrich Ernestine« (Abb. 1) zum Bau von Windenergie-Anlagen zum Einsatz [6, 7]. Eine Betrachtung des Abwärmepotenzials für ein typisches diesel-elektrisches Kreuzfahrtschiff mit 60.000 kW Nennleistung und 3.000 Pax wurde in [8] durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass im Seebetrieb mit 8.000 kW ausreichend Abwärme für die Klimatisierung zur Verfügung steht. Im Hafenbetrieb sind es deutlich weniger, da hier die elektrischen Fahrmotoren nicht in Betrieb sind. Daher wurde vorgeschlagen, jeweils 60 % der benötigten Kälteleistung mit üblichen Kompressions- und den innovativen Absorp­tionsanlagen zu erzeugen.

4.3 Absorptionskälteanlage der »Aida Mar«

In [8] wurde über eine Versuchsanlage berichtet, die auf der im Mai 2012 abgelieferten »Aida Mar« installiert wurde. Diese als Kaltwassersatz fungierende Absorp­tionskälteanlage ist für den Nennpunkt auf 1.300 kW Kälteleistung bei 26 °C Kühlwassertemperatur ausgelegt. Die Nennwärmeleistung von 2.000 kW wird in Form von Warmwasser aus dem Kühlwassersystem mit 88 °C Eintrittstemperatur bereitgestellt und tritt mit 78 °C wieder aus. Zur Kühlung wird aufgrund der Edelstahlausführung die direkte Seewasserkühlung genutzt. Bei höheren Kühlwassertemperaturen (max. 32 °C) sinkt die Kälteleistung entsprechend. Die Absorptionskälteanlage wurde in die vorhandenen Systeme integriert (Abb. 7) und ist mit einer Frischwasser-Erzeugungsan­lage verknüpft.

5. Zusammenfassung

Die CO2-Problematik ist inzwischen ins allgemeine Bewusstsein vorgedrungen.Auch Schiffe werden künftig voraussichtlich CO2-Abgaben zahlen müssen [9]. Die Primärenergiequelle Rohöl und damit auch die Schiffsbrennstoffe werden immer kostbarer und teurer.

Daher ist es an der Zeit, über Technologien der Antriebs- und Hilfsanlagen der Handelsschiffe der übernächs­ten Generation nachzudenken. Neben vielen Einzelmaßnahmen zum nachhaltigen Schiffs­betrieb werden heute auch Absorptions-

kälteanlagen zur Klimatisierung auf Schiffen erprobt. Hier ist es das Pionierschiff »E-Ship 1«, das erstmals die Abwärme zur Kälterzeugung nutzt. Neben den neuen Windanlagen-Errichterschiffen für RWE Innogy wird diese Technologie auch auf dem im Mai 2012 abgelieferten Kreuzfahrtschiff »Aida Mar« erprobt.


Dr. Karl-Heinz Hochhaus