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Die Containerschiffsreeder verspüren wieder mehr Gegenwind am Chartermarkt. Nur die größten Schiffe konnten zuletzt noch Steigerungen erzielen.

Auf die aktuelle Marktlage hatten Schiffseigner nicht gewettet, als sie im vergangenen Jahr Charterverträge mit Laufzeiten bis Frühjahr oder Frühsommer[ds_preview] dieses Jahres zeichneten. Eigentlich sollte der Markt um diese Zeit mächtig in Bewegung sein, die Linienreeder kräftig Schiffe einchartern, um die zu erwartenden Ladungszuwächse im Vorweihnachtsgeschäft abfahren zu können. Doch die diesjährige Hochsaison hat die Erwartungen verfehlt – jedenfalls in Bezug auf die Ratenentwicklung der kleineren und mittleren Containerschiffe.

Nach der jüngsten Alphaliner-Zählung waren am 18. Juni weltweit noch 158 Trampcontainerschiffe ohne Beschäftigung, überwiegend in den Größensegmenten von 500 bis 3.000 TEU. Rechnet man die Charterschiffe hinzu, die in den kommenden zwei Monaten von den Befrachtern zurückgeliefert werden und neu verchartert werden müssen, erweitert sich das Angebot an verfügbarer Tonnage (über 700 TEU) nach Maklerangaben auf rund 500 Einheiten. Das ist ein Anstieg um 20 % binnen weniger Wochen und verdeutlicht eindrucksvoll, wovor Schiffsmakler in Hamburg, London und Singapur immer vehementer warnen: die Befrachtungsaktivität scheint dieses Jahr früher als sonst ihren Zenit überschritten zu haben.

Verkehrsentwicklung dämpft Tonnagehunger

Die Wirkung auf die Charterraten hält sich bislang in Grenzen, und viele hoffen noch auf einen Mini-Boom im Spätsommer bzw. Herbst, bevor der Trend im vierten Quartal wohl eindeutig gen Süden gehen wird. Allerdings hat der Markt in den kleineren Segmenten bis 4.000 TEU zu bröckeln begonnen. Das in Hamburg veröffentlichte ConTex-Marktbarometer ist in den vergangenen vier Wochen leicht um sechs Punkte auf 409 Zähler (Stand: 26.06.2012) gefallen. In allen Größenklassen und für alle Periodenlaufzeiten sackten die Bewertungen ab, bis auf das 4.250-TEU-Segment, das sowohl auf 24-Monats- wie auch auf Zwölfmonatsbasis noch leichte Zugewinne erzielen konnte. So wie es ausschaut, sind die Raten dieser kleineren Panamax-Typen nun aber bei niedrigen bis mittleren 12.000 $ pro Tag an eine Grenze gestoßen. Der Londoner Makler Howe Robinson senkte seine Bewertung für 4.300-TEU-Frachter bereits radikal ab. Die Anfragen seitens der Befrachter seien spürbar zurückgegangen, während die Verfügbarkeit von Panamaxschiffen mittelfris­tig wieder zunehme, erklärte ein Hamburger Makler. »Dementsprechend stehen die Raten auch hier etwas unter Druck«, so der Experte. Was dafür spräche, dass die Linien weiterhin Schiffe dieser Größenklasse einchartern, sind die damit verbundenen Betriebsgrößeneffekte. Durch Auswechslung kleinerer Schiffe mit Behälterkapazitäten zwischen 2.000 und 3.000 und Kon­solidierung der Ladung auf 4.000- bis 5.000-TEU-Schiffen könnten die Carrier ihre Transportstückkosten weiter senken und die Margen ausbauen. Dieses »Cascading« hat freilich seine operativen Tücken, da Hafeninfrastruktur und Ladungsangebot den Schritt in die nächst größere Schiffsklasse zum Teil massiv erschweren.

Auch dass der Containerverkehr auf wichtigen Routen wie Asien–Europa aufgrund der wirtschaftlichen Abschwächung im Euro-Raum eher schrumpft als wächst, dürfte die Charterplanungen vieler Carrier durchkreuzt haben. Immerhin drängen auch viele Neubauten – häufig von den Linien selbst in Auftrag gegeben – von den Werften auf die Märkte. So ist die weltweite Containerschiffsflotte in den ersten sechs Monaten um über 4 % »netto«, also abzüglich Verschrottungen, auf 4.956 Einheiten mit einer Gesamtstellplatzkapazität von mehr als 16 Mio. TEU angewachsen, wie Alphaliner berichtet.

Die Fahrplanstrategien der Linienreeder lassen keine großen Expansionsvorhaben erkennen, für die sie in den kommenden Wochen verstärkt einchartern müssten. Bis auf einige neue Dienste oder Dienstreaktivierungen in den vergangenen Wochen gab es keine einschneidenden Veränderungen auf den Ost-West-Routen.


Michael Hollmann