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Verladungen für Industrie- und Infrastrukturprojekte kommen langsam wieder in Gang. Zur Auslastung der gewachsenen Mehrzweckfrachterflotte reicht das Ladungsangebot zwar noch nicht. Auf der Breakbulk-Messe in Antwerpen gaben sich die Projektspediteure aufgrund steigender Anfragen aber dennoch optimistisch.

Die Richtung stimmt – jedenfalls bei Ladungsmengen und Buchungs­anfragen. Nach dem schweren Einbruch von 2009/10 nimmt die Aktivität in[ds_preview] den Schwergut- und Projektverkehren seit 2011 wieder merklich zu, wie Experten aus Schifffahrt und Logistik kürzlich auf der Fachmesse Breakbulk Europe in Antwerpen berichteten. Einer der wohl wichtigsten Treiber der Entwicklung: die immer noch recht hohen Weltmarktprei­se für Öl, Gas und andere Bodenschätze, für deren Erschließung massiv in neue Anlagen und Maschinen investiert werden muss.

Nach der Delle infolge der Lehman-Pleite im Jahr 2008, als zahlreiche Großprojekte um ihre Finanzierungen bangen und Planungen gestreckt oder zurückgestellt werden mussten, herrsche trotz aller Sorgen über Euro-Krise und Wachstumsabschwächung in China derzeit noch Optimismus, so Philippe Somers, Seni­or Vice President für Industrial Projects bei der Speditionsgruppe Geodis Wilson, einer Tochtergesellschaft der französischen Bahn SNCF. »Es geht viel Ladung in den Mittleren Osten, nach Australien, aber auch nach Lateinamerika. Zudem wird sehr viel Material von China nach Afrika verschifft«, erklärte Somers. Die Projektabteilungen der Firma, die mit über 600 Mitarbeitern rund um die Welt zuletzt einen Nettoumsatz von 350 Mio. € erwirtschaftet hatten, seien heute wieder fast so gut ausgelastet wie bis 2009, »und unser Auftragsbuch ist voll.«

Derzeit wickele Geodis Wilson mehrere Großprojekte in Abu Dhabi, Algerien, Argentinien und Australien ab. Zu den an­spruchsvolls­ten Transporten, die aktuell in Planung seien, zählten Schwergutverladungen von Kolli mit Stückgewichten bis 1.400 t für ein Erweiterungsprojekt des Kunststoffherstellers Borouge in Abu Dhabi. Somers traut seinem Konzern in den kommenden Jahren zweistellige Wachstumsraten zu. Zum einen weil die Nachfrage deutlich zunehme, zum anderen weil Geodis Wilson nach der Stärkung seiner Projektlogistik durch Konsolidierung von Landesgesellschaften und Übernahmen wie etwa der Hamburger Spedition Rohde & Liesenfeld alles darauf richtet, seinen Marktanteil auszubauen. »Wir sind immer noch einer der kleineren unter den Großen. Wenn man schon ganz oben steht, ist es schwierig, zweistellig zu wachsen, für uns sollte es aber noch möglich sein«, sagte Somers. Dabei verlasse sich die Firma auch auf Synergien zwischen den Landesgesellschaften. So soll­ten die Projekt­logistik-Teams künftig noch stärker vernetzt und der branchenbezogene Vertrieb ausgebaut werden.

Als Beispiel nannte Somers die Bergbaubranche, die rund um die Welt stark wachse, aber bislang nur in einigen Ländern bei Neubau- und Erweiterungs­projekten durch Geodis Wilson begleitet werde. »Wir sind heute in insgesamt 38 Ländern mit Projektlogistiklösungen am Markt vertreten, aber nur in sieben oder acht Ländern davon sind wir speziell für Bergbaukunden aktiv«, so der Manager. Durch Transfer von Know-how und länderübergreifende Zusammenarbeit könne dieser Anteil noch deutlich gesteigert werden. Darüber hinaus profitiere man von einer Bündelung der Logistik unterschied­licher Auftraggeber bei ein und denselben Projekten. Nicht nur die von den Projekt­entwicklern verantworteten Transporte »ab Werk« oder »frei an Bord« in den Herstellerländern würden übernommen. Immer häufiger komme man auch mit Lieferanten ins Geschäft, die auf eigene Rechnung (Delivery Duty Unpaid / DDP) bis zur Baustelle liefern. »Die Lieferanten bleiben zwar verantwortlich, aber der Kunde sagt ihnen: Wir arbeiten schon mit dem und dem Dienst­leister zusammen, bitte benutzen Sie denselben«, verdeutlichte Somers.

Neue Exportrouten

Möglichkeiten für Speditionsgeschäfte sieht der Manager bei Windenergieanlagen-Transporten. Die europäischen Lieferanten, die den Markt bis vor einigen Jahren noch dominierten, hätten überwiegend direkte Vereinbarungen mit den Reedereien. Doch durch den Vormarsch von Herstellern aus Schwellenländern und den Aufbau neuer Lieferketten entstünden Nischen.

»Der Markt wandelt sich«, sagte Somers. »Chinesische Hersteller bauen zum Beispiel Werke in Mexiko auf, um in die USA liefern zu können. Dann gibt es die Inder. Der Markt wird dadurch fragmentierter, und nicht überall sind von vornherein ausreichend Schiffe verfügbar.« Entsprechend würden Spediteure benötigt, um Transportlösungen zu erarbeiten. »Ich bin mir sicher, dass wir einen guten Teil des Geschäfts abbekommen können«, so So­mers.

Auch Christopher Kent, Leiter Projektspedition beim Schweizer Logistikkonzern Panalpina, erwartet einen Anstieg der Projektinvestitionen. Aufgrund langer Vorlaufzeiten könnte es aber noch zwei Jahre dauern, bis Lieferungen und Ladungsaufkommen weltweit deutlich ansteigen. »Es kommen viele Projekte in Gang, die sich dieses Jahr aber noch in der Design­phase befinden. 2014 werden wir dann wohl den Beginn eines Booms sehen.«

Kent prophezeit auch eine fortschreitende Verlagerung der Warenströme Richtung Asien, die im vergangenen Jahrzehnt bereits spürbar eingesetzt habe. Vorbei seien die Zeiten, da der Großteil der Industrie- und Energieprojekte aus Europa, Nordamerika und Japan beliefert wurden. »Unsere wichtigsten Projektkunden aus dem EPC-Sektor (Engineering Procurement Construction, Anm. d. Red.) haben nicht bloß Planungs- und Konstruktionsbüros in China aufgebaut, sondern auch ihre Beschaffung dorthin verlagert.« Folglich sei im nächsten Aufschwung mit einem rasanten Wachstum der chinesischen Exportlieferungen für petrochemische Komplexe und andere Projekte zu rechnen, so Kent.

Zu den wichtigsten Destinationen hat sich in den vergangenen Jahren Australien entwickelt, wo mit Hochdruck an neuen Erdgas- und Bergbauprojekten gearbeitet wird. Da es in dem Land einen Mangel an technischen Fachkräften gibt und viele Vorhaben in entlegenen Gebieten – teils mit Naturschutzstatus – durchgeführt werden, müssen viele Anlagen möglichst komplett montiert oder in großen Einzelmodulen angeliefert und verschifft werden.

Dadurch steigen die Anforderungen an die Hebekapazitäten des Schiffsgeschirrs. Auch bei der Planung und dem Transport-En­gineering ist immer mehr Expertise gefragt – schon bei den Speditionen, die für die Disposition und Transportauftragsvergaben zuständig sind. »Ein einfaches Angebot zu erstellen, erfordert heute gewaltigen Sachverstand und Ressourcen, wie es vor zehn Jahren sicher nicht der Fall war. Das können Berechnungen zum Seegangsverhalten sein oder andere Engineering-Themen«, sagte Jürgen Osmers, Chef der auf den Nahen und Mittleren Osten spezialisierten Projektspedition KOG Transport. Da der Spediteur letztlich die passenden Schiffe und entsprechendes Equipment besorgen müsse, sei es das A und O, einen guten Überblick über technische Entwicklungen zu behalten. Dabei würden Kunden die Latte für Speditions- und Transportdienstleister immer höher hängen, was das Qualitätsmanagement und die Prozesse angehe. »Wenn Sie für einen EPC-Anbieter zum Beispiel im Öl- und Gasbereich arbeiten wollen, müssen Sie sich überhaupt erst einmal dafür qualifiziert haben, sein Geschäft abwickeln zu dürfen«, so Osmers.

Für die Reeder kann das bedeuten, dass ihre Mehrzweckschiffe zusätzlichen Qualitätskontrollen und Inspektionen unterzogen werden. Christopher Kent von Panal­pina denkt dabei vor allem an Kunden bzw. Charterer aus der Öl- und Gasindustrie. »BP will die Schiffe heute schon inspizieren, bevor sie gebucht werden, um festzustellen: Hatten sie Probleme? Waren sie einmal arrestiert?«, berichtete der Experte. »Da gibt es ganz klar den Trend, die Schifffahrt genauer unter die Lupe zu nehmen. Was BP und Shell heute schon tun, werden andere morgen ebenfalls machen.«

»Compliance« nachweisen

Nicht nur beim Betrieb an Bord, sondern auch für alle anderen Geschäftsprozesse müssen Reedereien oberste Qualität und die strenge Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften nachweisen. Wie einige Großverlader auf der Breakbulk-Konferenz betonten, rückt das Thema »Compliance« – also die Einhaltung von Antikorruptionsvorschriften und lokalen Gesetzen – für sie immer stärker in den Mittelpunkt. Mehrere Bestechungsskandale im Transportsektor haben die Projektverlader in den vergangenen Jahren aufgeschreckt. So wurden etwa die Schweizer Spedition Panalpina und mehrere ihrer Kunden aus dem Öl- und Gassektor 2010 in den USA wegen Versto­ßes gegen den Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) zu einer Gesamtstrafe in Höhe von 236 Mio. $ verurteilt. Der Spediteur hatte u.a in Nigeria, Russland und Brasilien Schmiergelder gezahlt, um die Einfuhr von Geräten und Material zu beschleunigen. Die Richter gaben den Verladern Mitschuld, weil der Dienstleister mit ihrer Billigung gehandelt habe. Auch Reedereien, die bei der Abwicklung von Aufträgen vielfach mit lokalen Behörden und Agenturen in Kontakt kommen, müssten entsprechende Compliance-Programme gegen Bestechung und Korruption umsetzen.

Unternehmen, die keinen entsprechen­den Nachweis erbringen könnten, fänden »sich ganz unten auf der Liste« wieder, warnte Anthony Ball, Shipping Manager des Spezialgas- und Gasanlagenlieferanten Air Products: »Wir versuchen mit allen Logis­tik­dienstleistern direkte Verträge zu schließen, auch mit den Reedereien, dadurch bekommen wir mehr Klarheit.«

Dieter Degryse, Transportmanager für die Region Europa, Afrika und Mittelost beim Baumaschinenhersteller Caterpillar, erklärte, dass sein Konzern Gesetzesverstöße in den Verschiffungs-, Zoll- und Distributionsprozessen als erhebliches Risiko für das Auslandsgeschäft einstufe. »Die Behörden sind ganz schnell dabei, Sie an den Pranger zu stellen, wenn ein Vorfall aufgedeckt wird.« Folglich sei Compliance in der Schifffahrt sehr wichtig für den Erfolg von Markteintrittsstrategien.

Die Hamburger Schwergutreederei Hansa Heavy Lift hat nach eigenen Angaben Compliance-Anforderungen durch ihren offiziellen Verhaltenskodex (»HHL Code of Conduct«) abgedeckt. Die Einhaltung und Überwachung der Prozesse werde im Zusammenspiel ihrer Rechts- und Qualitätsabteilungen sichergestellt, erläuterte Chief Commercial Officer Joerg Roehl: »In allen großen Ausschreibungen sind solche Anforderungen inzwischen Standard. Für uns ist das ein absolutes Muss.«

Empfehlungen zur Umsetzung von Compliance-Programmen in der Schifffahrt hat die Wirtschaftprüfungsfirma KPMG erarbeitet. Folgende Grundsätze sollten dabei berücksichtigt werden, erklärte der Consultant in einem Rundschreiben an seine Reederkunden: Die Verantwortung für Compliance sollte auf Vorstands- bzw. Geschäftsführungs­ebene liegen; für die Umsetzung und Überwachung der Prozesse müsse ein Beauftragter ernannt werden; es sollte ein für alle Beteiligten verbindlicher Verhaltenskodex entwickelt werden mit entsprechender Dokumentation und disziplinarischen Maßnahmen; ferner sollten die Reedereien das Thema nicht als notwendiges Übel betrachten, sondern als eine effektive Maßnahme zur Verbesserung der Unternehmenskultur und -kontrolle.