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Die P+S Werften mussten Insolvenz anmelden, obwohl sie über einen umfangreichen Auftragsbestand verfügen. Durch technische Probleme und immer wieder neue

Terminverzögerungen gerieten der Produktionsablauf und infolgedessen die finanzielle Basis beider Betriebe ins Wanken.

Die P+S Werften GmbH entstand im Juni 2010 aus den beiden damals 62 Jahre alten Betrieben in Wolgast und[ds_preview] Stralsund (siehe HANSA 7/2008, S. 16-25). Der Sitz der Geschäftsführung befindet sich in Stralsund, der Sitz der Gesellschaft in Wolgast. Gesellschafter sind die Hegemann-Gruppe mit rund 7 % und die HSW Treuhand- und Beteiligungsgesellschaft mit rund 93 %, hinter der hauptsächlich das Land Mecklenburg-Vorpom­mern steht.

Mit neuer Geschäftsführung und viel Goodwill der Eigentümer wurde eine Umstrukturierung in Richtung Spezialschiffbau versucht. In relativ kurzer Zeit wurden eine Reihe von Spezialschiffen unterschiedlichen Typs (zwei Auto-/Passagier-, zwei Frachtfähren, fünf arktische Versorgungs- sowie zwei Offshore-Installationsschiffe bzw. ein Offshore-Konstruktionsschiff) akquiriert. Die Vielfalt der Projekte, die Treffsicherheit in Kalkulation und Preisfindung sowie die garantierte Termintreue bei unzureichender Erfahrung erstaunte viele Konkurrenten.

Probleme mit Scandlines-Fähren

Erkennbar wurden erste Probleme im Dezember 2011, als die erste Scandlines-Fähre »Berlin«, die im Frühjahr 2012 in Dienst gestellt werden sollte, zu Wasser ging. Erste Gerüchte von einem zu hohen Schiffsgewicht machten die Runde. Die Ablieferung wurde auf Juli, später auf September und Dezember verschoben. Das Geld, welches mit der Ablieferung in die Kassen fließen sollte, fehlte jetzt. Finanzschwierigkeiten zeichneten sich ab. Land und Bund halfen aus und sicherten Überbrückungsgelder zu. Im Juni wurde bei Land, Bund und EU über eine Rettungsbeihilfe von insgesamt 152,4 Mio. € beraten und letztendlich beschlossen. Trotzdem gingen die Arbeiten an den beiden »Schlüsselschiffen« der Volkswerft, den Scandlines-Fähren »Berlin« und »Copenhagen«, weiterhin nur zögerlich voran und sorgten für neuerliche Terminverschiebungen. »Diese Verzögerungen waren Anfang August so groß geworden, dass PwC (PricewaterhouseCoopers, Anm. d. Red.) der Landesregierung mitteilte, dass die Liquidität für den geplanten Bauablauf der Schiffe noch knapp gesichert sei, es aber keine weitere Verzögerung geben dürfe«, bestätigte Erwin Sellering, Ministerprä­sident Mecklenburg-Vorpommerns, dem Parlament in der Landtagssitzung am 29. August 2012.

»Die Landesregierung sah deshalb in der Kabinettssitzung am 7. August noch keinen Anlass, von der beschlossenen Rettungshilfe abzurücken«, informierte Sellering weiter. »Der Dienstantritt des neuen Geschäftsführers (Rüdiger Fuchs, Anm. d. Red.) am selben Tag ist allerdings zum Anlass genommen worden, um eine Stellungnahme dazu zu erbitten, ob die Einhaltung des Zeitplans für die Fertigstellung der Scandlines-Fähren noch möglich sei. Der Geschäftsführer hat mit einem ersten Blick Zweifel geäußert und eine umgehende genauere Prüfung zugesagt. Durch die PwC ist er schriftlich um entsprechende detaillierte Aussagen gebeten worden«.

In einem Gespräch am Montag, dem 20. August, habe es dann die eindeutige Erklärung gegeben, dass die 152,4 Mio. € bei weitem nicht ausreichen würden. »Der Geschäftsführer bat darum, alle Möglichkeiten einer Erhöhung der Rettungsbeihilfe zu prüfen. Da – das ist zwischenzeitlich noch einmal durch Telefonate mit Brüssel erhärtet worden – eine solche Erhöhung europarechtlich ausgeschlossen ist, erklärte der Geschäftsführer, dann müsse er Insolvenz anmelden und am Mittwoch zum Amtsgericht gehen«, sagte Sellering.

Tatsächlich versuchte Fuchs noch ein Entgegenkommen bei den Hauptlieferanten und den wichtigsten Großkunden zu erreichen, was jedoch misslang. Daraufhin meldete er am Mittwoch, dem 29. August, beim Amtsgericht Stralsund die Insolvenz der Werftengruppe an. Hiermit war gewährleistet, dass wenigstens der Hauptteil der Löhne der Beschäftigten beider Betriebe als Insolvenzausfallgeld von der Agentur für Arbeit gezahlt werden konnte.

Wie geht es weiter?

In einer Mitteilung an die Presse erklärte Geschäftsführer Fuchs: »Wir haben in den vergangenen neun Tagen alle Lösungsmöglichkeiten ausgelotet. Dabei haben wir offen und ehrlich über unsere Probleme informiert und versucht, die Insolvenz noch abzuwenden. Jetzt ist klar, dass eine von allen Anspruchsgruppen außergerichtlich getragene Lösung nicht zu erreichen ist.«

Es würde das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung angestrebt, um das vorhandene Know-how im Unternehmen zu halten und um möglichst viele Schiffe aus dem Auftragsbestand weiterzubauen. Der im Zukunftskonzept vorgesehene Verkauf der Peene-Werft sollte in einem strukturellen Investorenprozess erfolgen.

Das Amtsgericht Stralsund folgte dem Antrag von Fuchs nicht und bestellte am 30. August den Hamburger Rechtsanwalt Berthold Brinkmann als vorläufigen Insolvenzverwalter. Dass er angeschlagene Werften retten kann, hat er schon mehrfach bewiesen. So gelang ihm im Juni 2012 bei der insolventen Hamburger Sietas-Gruppe, von der er bereits Rüdiger Fuchs kennt, die Umstrukturierung und der Verkauf an drei neue Investoren. Auch für die Wadan-Werften in Wismar und Warnemünde fand er 2009 einen neuen Investor, der jetzt beide Betriebe als Nordic Yards weiterführt. Hier werden heute Umspannplattformen für Offshore-Windparks montiert. Im August erhielt Nordic Yards sogar den Auftrag über die Montage und Reparatur von Offshore-Windkraftanlagen. Anfang September wurden dann Einzelheiten zu den technischen Problemen bei den beiden Scandlines-Fährschiffen bekannt. Die »Berlin« sollte demnach 200 t schwerer als geplant sein. Hierdurch sollte sich der Tiefgang um 22 cm erhöht haben. »Wir haben ein Übergewicht, das den vertraglichen Rahmen überschreitet«, bestätigte der Insolvenzverwalter Brinkmann. Bis zum 13. September erhöhten sich die Zahlen bei der »Berlin« auf 580 t und 50 cm Tiefgangsvergrößerung. Damit nähert sich das Schiffsgewicht der kritischen Marke von über 6 m Tiefgang, mit dem die Fähre bei ungünstigen Winden nicht mehr in den Hafen von Gedser einlaufen kann. Der nächste Paukenschlag folgte nur einen Tag später: Die dänische Fährreederei DFDS stornierte den Auftrag zum Bau von zwei RoRo-Frachtfähren. »Die Schiffe würden mit massiver Verspätung erst im Mai und September 2013 fertig werden«, kommentierte DFDS-Sprecher Gert Jakobsen. Das sei äußerst problematisch für DFDS, die einen Transportkontrakt mit der dänischen und deutschen Marine geschlossen habe, wofür beide Neubauten bestellt wurden. Zudem befürchte man nun, dass auch diese Frachtschiffe schwerer als geplant werden könnten.

Nach dieser schlechten Nachricht gab Fuchs schließlich bekannt, dass er von seiner Position zurücktreten wird: »Nachdem klar ist, dass sich eine Zukunft für die P+S Werften nicht ohne Insolvenz gestalten lässt, möchte ich das weitere Verfahren nicht begleiten«. Möglicherweise verhandelt DFDS jetzt über deutliche Preisnachlässe. Die Reederei gibt an, dass sie bereits mehr als die Hälfte des Auftragswertes von umgerechnet 134 Mio. € gezahlt habe. Diese Zahlungen seien aber über Bankgarantien gesichert, so dass man sich das Geld zurückholen könne. »Dann haben wir über eine neue Grundlage mit vermindertem Risiko mit der Werft zu sprechen«, hieß es weiter. Ob das juristisch so haltbar und korrekt ist, war bis zum Redaktionsschluss (17. September) nicht zu erfahren. Ferner wurde am 12. September bekannt, dass die Rostocker Staatsanwaltschaft gegen die P+S Werften wegen Insolvenzverschleppung ermittelt. Zudem beabsichtigt Mecklenburg-Vorpommerns Landtag auf Antrag der Opposition, einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der zahlreichen Ungereimtheiten im Zusammenhang mit der Insolvenz der P+S Werften einzusetzen. Es ist der Werft und ihren Mitarbeitern zu wünschen, dass ein Verkauf an einen fachkundigen Investor die Managementfehler der Vergangenheit beheben kann.
Klaus Nienaber