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Haftpflichtversicherer fordern im neuen Jahr Prämienerhöhungen von bis zu 15 % für alle Flotten.
Das Jahr 2013 wird für die Schifffahrt erneut ein schweres Jahr. Mit merklichen Erlösverbesserungen ist aufgrund des Tonnageüberangebots und der[ds_preview] gedämpften Wachstumsaussichten für die Weltwirtschaft kaum zu rechnen. Darin sind sich die meis­ten Marktteilnehmer einig. Bei den Schiffsbetriebskosten werden hingegen spürbare Steigerungen erwartet, so auch im Bereich der Schiffshaftpflichtversicherung (P&I).

Inzwischen haben so gut wie alle großen Gegenseitigkeitsvereine, die sich in der International Group in London zusammengeschlossen haben und kollektiv über 90 % der weltweiten Tonnage versichern, Prämien­erhöhungen für das am 20. Februar beginnende neue Versicherungsjahr festgelegt. Das Datum markiert historisch den Wiederbeginn der Schifffahrt und das Ende der Eissaison in der Ostsee – und auch den Stichtag für die Vertragserneuerung (Renewals) in der P&I-Versicherung. Danach wird sich die Deckung der Haftungsrisiken etwa für Personen-, Ladungs- oder Umweltschäden um 5 bis 15 % verteuern (siehe Tabelle 1).

Den größten Schluck aus der Pulle ge­nehmigt sich der North P&I Club mit plus 15 %, der nach dem starken Flottenwachstum der vergangenen Jahre und aufgrund technischer Verluste unter Druck steht, seine Kapitalbasis zu stärken. Für das Versicherungsjahr 2012/13 rechnet der in Newcastle ansässige Gegenseitigkeitsverein mit einem Fehlbetrag, der durch Rücklagen ausgeglichen werden muss. Das Schadensaufkommen – innerhalb des Club-Selbstbehalts wie auch im Pool – habe dieses Jahr zugenommen. »Für uns ist es wichtig sicherzustellen, dass das Prämienaufkommen Schritt hält mit der derzeitigen sowie der zu erwarten­den Schadensentwicklung«, erklärte North-Geschäftsführer Paul Jennings in einem Rundschreiben.

Zweistellige Anhebungen muten auch der American P&I Club, Britannia sowie der London Club ihren Mitgliedsfirmen zu, wobei die aktuelle Schadensentwicklung bei den Anbietern recht unterschiedlich eingeschätzt wird. Alle begründen ihre Forderun­gen aber mit mittelfristig zu erwartenden Kostensteigerungen.

Zugeständnisse an die Mitglieder

Den Underwritern ist offenbar klar, dass die Reeder und ihre Makler angesichts der prekären Lage bei vielen Schiffsgesellschaften hartnäckigen Widerstand gegen die Bei-tragsanhebungen leisten werden. Daher haben einige Clubs ihre Prämienankündigungen mit einmaligen Rabatten und der Streckung von Zahlungszielen versehen, um keine Revolte zu riskieren. So will North P&I den Mitgliedern zwölf Monate länger für die Zahlung der letzten Prämienrate einräumen, während der UK Club im Gegenzug die Abschlussrate für das Versicherungsjahr 2011 um 10 % reduziert. Britannia räumt den Reedern einen einmaligen Rabatt auf die Vorauszahlungsrate ein und stutzt somit die effektive Erhöhung nach Berechnungen des Versicherungsmaklers RFIB auf 10,5 % zurück. Der norwegische Anbieter Skuld nennt gar keine Generalerhöhung, dafür aber eine Reihe von Kostentreibern, die bei der obligatorischen individuellen Anpassung zu berücksichtigen seien. Der Anpassungsbedarf bei den Prämien liege demnach wohl in einer Spanne von plus 7 % bis 11 % bei Skuld, schätzt RFIB. Bescheidener gibt sich da der Marktführer aus Norwegen, Gard, der mit Rücksicht auf die angespannte Einnahmesituation der Mitgliedsfirmen seine Erhöhung auf 5 % be-

schränkt hat. Anders als die meisten Clubs peilt Gard kein ausgeglichenes technisches Ergebnis an, sondern zeigt sich bereit, das P&I-Geschäft vorübergehend mit Kapitalerträgen und Überschüssen aus anderen Versicherungssparten wie Seekasko zu subventionieren. Das Ziel sei eine kombinierte Schadenkostenquote (Verhältnis von Schäden und Verwaltungskosten zu Prämienaufkommen) von 105 %, »womit wir das P&I-Buch unter Kostenniveau fahren«, erklärte Gard-Vorstandschef Claes Isacson.  

Kapitalpolster müssen gestärkt werden

Langfristig kann sich aber wohl kein Anbieter technische Verluste erlauben, nur um die Mitglieder zu stützen. Bereits im vergangenen Jahr addierten sich die Versicherungsverluste der 13 Clubs in der International Group laut dem britischen Makler Gallagher auf 132 Mio. $. Angesichts der niedrigen Zinsen und Kapitalmarktschwankungen sprudeln die Investmentgewinne aber nicht mehr so stark, dass man einfach ein Auge zudrücken könnte. Den operativen Fehlbeträgen sollen im Vorjahr lediglich Kapitalerträge von insgesamt 113 Mio. $ gegenübergestanden haben. Rücklagen anzuzapfen kann auch keine Dauerlösung sein. Zwar haben die Vereine allesamt ihre freien Reserven in den vergangenen Jahren kräftig ausgebaut, doch mit Blick auf die geplanten strengeren Eigenmittelvorschriften für Versicherungen (Solvency II) sind die erweiterten Kapitalpolster auch dringend erforderlich.

Um mittelfristig in die schwarzen Zahlen zurückzugelangen, bleibe ihnen keine andere Wahl, als Risiken abzulehnen bzw. strengere Konditionen und höhere Prämien durchzuboxen, warnt der Versicherungsmakler Aon. Insofern sei es nicht überraschend, dass die Prämienanhebungen für 2013 tendenziell höher als 2012 ausfallen, als die meisten Anbieter auf einen Aufschlag von 5 % bestanden.Zusätzlich dürften auf die Versicherten erhebliche Steigerungen bei den Rückversicherungszuschlägen zukommen. Die Rückversicherungskosten in der P&I-Sparte wer-

den traditionell direkt an die Reedereien durchgereicht. Zwei schwere Totalverluste mit gewaltigen Schadenersatzforderungen von Dritten und hohen Wrackbergungs­kosten sind von den Rückversicherern der P&I Clubs bislang nur teilweise auf die Rück­versicherungsprämien verrechnet worden. Der Untergang und die Bergung des Kreuzfahrtschiffes »Costa Concordia« dürften die P&I-Rückversicherer mehr als 500 Mio. $ kosten. Beim griechischen Containerschiff »Rena«, das im Herbst 2011 vor Neuseeland auf Grund lief und nun peu à peu abgetragen wird, rechnen Experten mit Kosten von immerhin 300 Mio. $. Als Ausgleich für die »Rena« konnten die Rückversicherer den P&I Clubs bei der Prolongation zu Jahresanfang in letzter Sekunde noch einen Aufschlag von 40 Mio. $ in Rechnung stellen. Die Clubs hatten jedoch nicht mehr ausreichend Zeit, den Betrag an ihre Mitglieder weiterzuberechnen.

Für die »Costa Concordia« könnte Anfang 2013 sogar eine Erhöhung der gesamten P&I-Rückversicherungskosten um 20 bis 30 % fällig werden, wird spekuliert. Der Makler RFIB hält es für mög­lich, dass die Bruttoversicherungsprämie für P&I-Deckung dadurch um weitere 5 % steigt.


Michael Hollmann