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Mit der Bereederung der RWE-Errichterschiffe »Victoria Mathias« und »Friedrich Ernestine« ist die Reederei NSB in das Offshore-Windgeschäft eingestiegen. Die HANSA hat den Geschäftsführer Lutz Weber und den technischen Bereichsleiter Tim Ponath nach den ersten Erfahrungen mit den beiden Jack-up-Schiffen befragt
Herr Ponath, Herr Weber, Sie haben für zunächst fünf Jahre die Bereederung der »Victoria Mathias« und der »Friedrich Ernestine[ds_preview]« übernommen. Was sind hierbei genau die Aufgaben von NSB?

Tim Ponath: Wir verantworten das technische Management und das Crewing, das heißt wir stellen die vollständige Besatzung für die Schiffe und kümmern uns um den gesamten Schiffsbetrieb, der sich aus dem Einsatzprofil des Charterers ergibt. Die Operateure des Jacking-Systems und die Kranfahrer werden von NSB gestellt, was für unsere Reederei eine Besonderheit ist. Wir haben ein eigenes Managementteam für die Offshore-Flotte etabliert, die sich um alle Belange im Zusammenhang mit diesen Schiffen kümmert. Das kommerzielle Management machen wir insofern, als dass NSB die Schiffsbetriebskosten bucht und monatlich an RWE berichtet.

Worin unterscheidet sich die Bereederung von Errichterschiffen von derjenigen klassischer Schiffstypen?

Ponath: Für die Bereederung gibt es keine großen Unterschiede, aber die Arbeitsweise bzw. die Belastung der Besatzung ist eine ganz andere. Bei Containerschiffen oder Tankern transportieren wir in der Regel

Güter von A nach B, da liegt der Aufgabenschwerpunkt der Besatzung im Fahren und in der Instandhaltung des Schiffes. Im Offshore-Segment hingegen sind wir viel stärker in die Projektarbeit involviert. Natürlich ist auch das Transportieren von Gütern wichtig, zum Beispiel wenn wir Fundamente aus dem Basishafen in die Baufelder bringen.

In täglichen sogenannten Tool-Box-Meetings geht es um die Abstimmung der Arbeitsabläufe vor Errichtungsoperationen, wie etwa Heavylifts, um die Auseinandersetzung mit Wettervorhersagen und damit die Einhaltung von Wind­limits für den Kran – das ist ein vollständig anderes Geschäft. Der Kapitän ist nicht nur für den sicheren Schiffsbetrieb verantwortlich, er muss auch tiefgehende Fachkenntnis in den Errichtungsprozessen und die damit verbundenen Belastungen auf die Schiffstrukturen haben. Ferner muss er Bodenanalysen interpretieren können, da das Schiff für die Fundamentinstalla­tionen mit dem Jacking-System aus dem Wasser gehoben wird und die Gesamtlast des Schiffes inklusive der Ladung in den Meeresboden eingeleitet wird. Das Wetterfenster muss sowohl für den Installationsprozess als auch das Herunter­jacken ausreichen. Ab einer signifikanten Wellenhöhe ist dies nicht mehr möglich und das Schiff muss aufgejackt draußen bleiben. Das ist natürlich ärgerlich, weil die Zeit im Hafen effizienter genutzt werden kann. Die Anforderungen an das nautische Personal sind deutlich vielschichtiger als auf anderen Schiffen.

Hat es in den wenigen Monaten des Schiffsbetriebs schon wetterbedingte Wartezeiten gegeben?

Ponath: Über das ganze Jahr gibt es immer wieder wetterbedingte Wartezeiten, gerade im Herbst und Winter, das ist einkalkuliert. Bis jetzt können wir uns aber nicht beschweren.

Wo sind die beiden Schiffe gerade im Einsatz und was tun sie dort?

Ponath: Die »Victoria Mathias« ist für das Windparkprojekt »Nordsee Ost« nordöstlich von Helgoland im Einsatz und installiert dort Jacket-Fundamente. Die »Friedrich ­Ernestine« ist im Windpark »Gwynt y Môr« in der Irischen See tätig, wo sie die Fundament-Errichtung begleitet. Dort sind mehrere Schiffe im Einsatz, daher werden wir je nach Planung aktuell eingebunden. Zurzeit installieren wir Transition Pieces und sind für die Grouting-Arbeiten, also die Betonverbindungen zwischen Monopile und Tran­sition Piece, zuständig.

Wie sind die bisherigen Erfahrungen mit den beiden Hubschiffen?

Ponath: Positiv. Es ist ein neues Segment, nicht nur für uns, aber am Ende sind das auch »nur« Schiffe. Allerdings gehören diese zwei Schiffe zu einer neuen Generation von Errichterschiffen mit einer Menge Technik, und wie bei jedem neuen Schiff gibt es Kinderkrankheiten. Dafür läuft es allerdings schon recht gut.

Können Sie diese Kinderkrankheiten einmal erläutern?

Ponath: Abgesehen von den bekannten Nacharbeiten in der Lloyd Werft Bremerhaven ist bisher nichts Spezielles aufgetreten, nur Kleinigkeiten, die aber nicht ungewöhn­lich sind.

Lutz Weber: So ein Schiff ist ein neues, komplexes System, das sich erst einmal einlaufen muss, und das passiert gerade. Es ist ein komplett neuer Prozess, der mit diesen Schiffen beginnt: Das sind neue Designs, bei denen man an den verschiedenen Stellschrauben justieren muss, damit das Ganze hundertprozentig läuft.

Sie haben gerade die anfänglichen Probleme mit dem hydraulischen Hubsystem angesprochen, die bei den Belastungstests auf der südkoreanischen Bauwerft zum Vorschein gekommen waren und nach der Auslieferung auf der Lloyd Werft behoben werden mussten. Ist davon noch irgend­etwas zu bemerken?

Ponath: Nein, diese Probleme wurden durch die Nacharbeiten gänzlich behoben.

Wie oft pendelt die »Victoria Mathias« zwischen dem Windpark und Bremerhaven, wo die Komponenten geladen werden?

Ponath: Das hängt immer davon ab, wie das Wetter ist und wie lange wir für die Errichtung brauchen. Je nach Wetterlage wird ungefähr eine Woche bis zehn Tage für die Errichtung benötigt. Anschließend fährt das Schiff zurück, lädt die nächsten Fundamente und fährt wieder raus. Dabei sind immer zwei Jacket-Fundamente an Bord und die nötigen Piles, um die Fundamente im Boden zu befestigen.

Wäre es nicht effizienter, die Jack-up-Schiffe im Baufeld zu belassen und mit Feederschiffen zu arbeiten, die die Anlieferung übernehmen?

Ponath: Zu diesem Thema gibt es diverse Philosophien und Strategien. Es gibt sicherlich auch Möglichkeiten, die Jack-ups draußen zu lassen und dort zu beladen. Allerdings sind diese Schiffe so konstruiert worden, den Transfer selbst zu übernehmen, wodurch sich gewisse Vorteile ergeben: Bei heutigem Gerät wären die Wetterfenster deutlich kleiner, wenn die Komponenten im Baufeld übernommen würden. Das ist einer der Hauptgründe, weswegen die Konzepte aktuell so ausgelegt werden.

Die Herausforderungen, die sich aus dem Feederkonzept ergeben, dürfen nicht unterschätzt werden. Wenn wir vom Feedern sprechen, bedeutet dies, dass einem gejackten Schiff ein anderes Objekt – ob ­Barge oder Feederschiff – sehr nahe kommt. Es geht um Abstände zwischen zwei und drei Metern, die durch das Positionierungs­system des Feederschiffes während des gesamten Heavylift-Prozesses sichergestellt werden müssen.

Wind und Welle haben einen wesentlichen Einfluss auf diese Operation und mögliche Einsparungen bei Transferzeiten müssen mit niedrigeren Wetterlimits und potenziellen Risiken aus den genannten Schiffsbewegungen zueinander abgewogen werden. Wenn im Sommer gutes Wetter ist, kann man sicher über solche Konzepte nachdenken und überlegen, wie viel man durch den Transit verliert und durch das Feedern gewinnen würde: Es ist nicht so, dass wir solche Konzepte auschließen, aber aktuell nutzen wir das Schiff genauso, wie es konzipiert worden ist.

Der Bremerhavener Kaiserhafen und die Schleuse, die dort durchfahren werden muss, sind nicht sehr groß – außerdem müssen Sie sich die Hafenanlage mit dem Hubschiff »Innovation« von HGO InfraSea Solutions teilen. Kommen sich die Jack-ups dort manchmal in die Quere?

Ponath: Das möchte man meinen, aber wir haben uns mit dem Hafenbetreiber so abgestimmt, dass wir diese Situation vermeiden können. Bezogen auf den Gesamtprozess eines Umlaufs ist der Ladeprozess kurz, bisher gab es dort keine signifikanten Konflikte. Zudem ist unser Ladeprozess gesplittet: Die Piles laden wir weiter nördlich am Containerterminal, nur die Jackets im Kaiser­hafen. Natürlich gibt es potenzielle Überschneidungen, aber noch gab es keine Schwierigkeiten mit dem Platz dort.

RWE Innogy hatte angekündigt, wegen der Verzögerungen bei der Netzanbindung von »Nordsee Ost« die Bauarbeiten möglicherweise zeitlich strecken zu wollen. Macht sich das im Betrieb der »Victoria Mathias« bemerkbar?

Ponath: Wir wissen natürlich um die Netzanschlussproblematik. Wir installieren jetzt die Fundamente, so wie der Charterer das von uns verlangt – wie die internen Planungen innerhalb des Projekts bezogen auf diese Thematik sind, dazu kann ich an dieser Stelle nichts sagen. Das derzeitge Ziel ist es, über den Winter die Fundamente zu setzen, und im Frühjahr müssen wir sehen, wie es mit den weiteren Bauabschnitten vor­angeht.

Welchen Einfluss hat das kürzlich verabschiedete Gesetz zur Regelung der Haftungsfrage bei Verzögerungen der Netzanbindung auf die Beschäftigung der Schiffe? Und wie ist generell die Haftung bei Ausfallzeiten, ob nun durch Netzanschlussprobleme oder durch das Wetter bedingt, vertraglich geregelt?

Weber: Für uns direkt ist das nicht relevant, denn wir sind Dienstleister am Schiff und sorgen dafür, dass die Crew vor Ort ist und die Schiffe einsatzbereit sind. Das ist ein Thema innerhalb des Projekts, wie damit umgegangen wird, wenn die Schiffe eine längere Liegezeit haben, falls es eine Problematik mit der Netzanbindung gibt und man vielleicht mit dem nächsten Projekt nicht anfangen kann. Grundsätzlich ist es so, dass es in unser aller Interesse sehr ärgerlich wäre, wenn größere Verzögerun­gen entstehen – erstens für unsere Energieversorgung und zweitens für die Menschen und Unternehmen, die angefangen haben, in diesem Bereich zu arbeiten und Know-how aufzubauen.

Sie bekommen also Ihr Geld, egal ob das Schiff arbeiten kann oder im Hafen liegt?

Ponath: Das ist ein ganz normales Charterverhältnis zwischen der Schiffsgesellschaft und dem Projekt. Das Projekt hat sich entschieden, verschiedene Schiffe für diese Funktionen einzuchartern, sei es für den deutschen oder für den englischen Windpark. Unsere Aufgabe ist es, die Verfügbarkeit der Schiffe sicherzustellen. Ob es nun im vorgesehenen Zeitplan Ladung gibt, also aktuell Fundamente und später Windkraftanlagen, darauf haben wir keinen Einfluss. Wir sind immer da, wenn wir etwas laden, transportieren und errichten sollen. Das ist unser Verantwortungsbereich, und die ganze Problematik mit dem Netzanschluss betrifft den Charterer.

Momentan sind die Schiffe also im Einsatz. Wie groß ist die Crew?

Ponath: Von unserer Seite werden 25 Besatzungsmitglieder gestellt. Darüber hinaus haben wir noch Platz für 35 weitere Personen, die der Charterer stellt. Die setzen sich zusammen aus dem Construction-Team und den Mitarbeitern der begleitenden Servicefirmen: für das ROV (Remotely Operated Vehicle), für den Hammer, mit dem die Piles gerammt werden, und für das Grouting. Bei Bedarf wird das Projektteam mit weiteren Spezialisten verstärkt.

Wie oft wird das Personal ausgewechselt?

Ponath: Wir wechseln im Drei-WochenRhythmus. Mit unserem Kunden haben wir abgestimmt, dass es einen festen Wechseltag gibt, und zwar immer mittwochs. Die Besatzungsmitglieder sind abwechselnd drei Wochen ›on‹ und drei Wochen ›off‹.

Ein ganz wichtiger Punkt ist für uns in diesem Zusammenhang ein gesicherter Crew-Wechsel. Es ist für die Besatzung und die Planung des Privatlebens wichtig zu wissen, wann man wieder zu Hause ist, darum wechseln wir auch dann mittwochs auf See, wenn das Schiff beispielsweise Donnerstag in den Hafen kommt. Nur wenn die Hubschrauber wetterbedingt nicht fliegen können wird der Crew-Wechsel verschoben, bis das Wetter Hubschrauberoperationen wieder zulässt.

Unterscheidet sich das Wachsystem von denen auf Frachtschiffen?

Ponath: Das kommt darauf an, über welche Personenkreise wir sprechen. Für das nautische und technische Personal sind die Wachen genauso wie auf Containerschiffen konfiguriert. Für die spezifischen Systeme, wie den Schwerlastkran und das Jacking-System, stellen wir jeweils mit zwei Kranfahrern und zwei Jacking-Operateuren einen 24-Stunden-Betrieb sicher.

Haben Sie für die Ausbildung Ihren Schiffsführungssimulator mit weiteren Trainingsszenarien speziell für Errichterschiffe bestückt?

Ponath: Wir haben mit unserem Kunden darüber gesprochen, den Simulator möglicherweise aufzurüsten. Bisher haben wir bei der DP-Ausbildung das Personal extern geschult, entweder in England oder in den Niederlanden. Es gibt mit dem Kunden und den Lieferanten Gespräche über ein Upgrade des Simulators, die aber noch nicht abgeschlossen sind. Am Ende ist es eine Frage des Angebots und der Nachfrage in unserem Hause und im Markt.

Also finden aktuell in Ihrem Simulator oder generell in der NSB Academy keinerlei offshore-spezifische Aus- und Fortbildungen statt?

Ponath: Nein, nicht wenn es um das reine Offshore-Training geht.

Ein großes Thema in der Branche ist die Sicherheit. Ist es an Bord schon einmal zu kritischen Situationen gekommen, ob nun wetterbedingt oder aus anderen Gründen?

Ponath: Das Thema Sicherheit wird bei uns ganz großgeschrieben, und auch der Kunde RWE ist mit seinem Kerngeschäft in Segmenten tätig, in denen Sicherheit sehr wichtig ist. Wir haben eine sehr detaillierte Planung und niedrige Limits, was zum Beispiel das Wetter angeht, darum konnten wir solche Situationen bisher vermeiden.

Sind Sie sich da mit RWE einig, was diese Limits angeht?

Weber: Es ist sogar eine Forderung von RWE, damit sehr verantwortungsvoll umzugehen. Das war auch eines der Kriterien in der Ausschreibung, auf die RWE besonders geachtet hat und worauf wir uns sehr fokussiert haben – dass wir genau in dem Bereich Qualitätsmanagement und Sicherheit die hohen Offshore-Anforderungen, die weit über den Anforderungen für Containerschiffe und Tanker liegen, erfüllen. Wir haben hier viel investiert und unserem Kunden gegenüber ein Vertrauen aufgebaut: Wenn wir entscheiden, dass es nicht geht, dann wird das akzeptiert.

NSB war ursprünglich eine klassische Container-Reederei, später kamen Tanker hinzu, jetzt der Offshore-Bereich. Ist das ein Geschäftsfeld, in dem Sie weiter wachsen wollen?

Weber: Auf jeden Fall! Wir hoffen, dass wir in Zukunft weitere Schiffe im Offshore-Segment bereedern können, was natürlich stark von den Rahmenbedingungen abhängt. Ich glaube, dass durch die Energiewende noch sehr viele Investitionen gerade auch im Schifffahrtsbereich erfolgen. Ich würde mir sehr wünschen, dass vom Bund die Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass diese Investitionen aus Deutschland heraus kommen und sich hier dann ein Offshore-Cluster bildet, das diese Dienstleis­tung auch wirklich professionell erfüllen kann. Da geht es nicht nur um das Errichten, sondern auch um die Versorgung, um das Kabellegen und so weiter. Der Bund muss sich entscheiden, wie er sich aufstellen will, damit die für alle wichtige Energiever­sorgung mit eigenen Mitteln und mit in Deutschland ansässigem Know-how geleis­tet werden kann.

Sind konkrete Projekte schon absehbar?

Weber: Nein, die gibt es noch nicht. Es wird sehr auf die Signale vom Bund gewartet, die es dann möglich machen, solche Projekte am Markt zu finanzieren und für Investoren eine Perspektive und Sicherheit zu schaffen.


Anne-Katrin Wehrmann, Karina Wieseler