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Das Südhafengelände Helgolands, wo sich demnächst die Offshore-Windbranche

ansiedeln wird, war bislang stark mit Kampfmitteln belastet. Im dritten Teil der

HANSA-Serie geht es um die Sanierungsarbeiten.
Große Erd- und Schutthaufen prägen die Szenerie auf dem Helgoländer Südhafengelände. Wo in wenigen Wochen die Offshore-Windparkbetreiber RWE Innogy[ds_preview], WindMW und Eon Climate & Renewables ihre Pachtflächen zum Bau von Lagerhallen übernehmen werden, sind momentan noch Bagger und anderes Großgerät im Einsatz, um den Boden zu sanieren und baureif zu machen. Einen guten Teil ihrer Arbeitszeit verbringt die von der Hafenprojektgesell­schaft Helgoland (HGH mbH) eingesetzte Arbeitsgemeinschaft aus dem Bauunter­nehmen HC Hagemann und der Eggers-Gruppe mit der systematischen Suche nach Kampfmitteln und deren Beseitigung.

Bis zum Beginn der Bodensanierung im vorigen Sommer war die Belastung mit alten Munitionsresten und nicht gezündeten Bomben dort hoch. Aufgrund der Lage mitten in der Deutschen Bucht hatte Helgoland durch die Jahrhunderte eine geostrategische Bedeutung und wurde, vor allem auch im Bereich des Südhafens, militärisch genutzt.

Zum Ende des Zweiten Weltkriegs warf die britische Luftwaffe 7.000 Bomben über der Insel ab, um sie dadurch unbewohnbar zu machen. Genau zwei Jahre später, im April 1947, folgte der ebenfalls von den Briten herbeigeführte »Big Bang« mit 6.700 t Sprengstoff: Diese bis heute größte nichtnukleare Sprengung der Geschichte zerstörte zwar die noch verbliebenen militärischen Anlagen, konnte der Inselstruktur im Ganzen aber nicht viel anhaben. Bis zum Anfang der 1950er-Jahre nutzten Luftstreitkräfte der Alliierten Helgoland schließlich noch als Angriffsziel für Übungsflüge.

Mehr Funde als ursprünglich angenommen

Dass man bei der Baureifmachung des Südhafengeländes auf alte Kampfmittel stoßen würde, war also abzusehen. Von der Menge zeigt sich HGH-Geschäftsführer Peter Singer allerdings überrascht. Bis zum Anfang dieses Jahres seien bereits zwölf noch funktionsfähige Bomben sowie mehr als tausend andere Kampfmittel wie Granaten, Tellerminen und Infanteriemunition entdeckt worden, berichtet der gebürtige Insulaner. Mit weiteren Funden sei zu rechnen. »Das hat uns schon etwas erstaunt, denn laut den Quellen war das Gelände bereits geräumt. Damals hat man das aber nach dem Stand der Technik eher oberflächlich gemacht, sodass offensichtlich vieles liegengeblieben ist, was mit der heutigen Technik besser aufgespürt werden kann«, stellt Singer fest.

Insgesamt müssen auf einer 34.000 m² großen Fläche rund 110.000 m³ Erde überprüft und von Kampfmitteln, aber auch von Schrott und größeren Schuttresten befreit werden. Normalerweise schaffe die Arbeitsgemeinschaft 800 m³ pro Tag, berichtet Manuel Bierfischer vom Institut für angewandte Hydrogeologie, das im Auftrag der Gemeinde Helgoland und der HGH die örtliche Bauüberwachung übernommen hat. Normalerweise – das heißt, wenn nichts Besonderes passiert, wenn also zum Beispiel nicht wegen einer anstehenden Bombenentschärfung die Baustelle evakuiert werden muss. Den bislang größten Fund hat es am 9. August 2012 gegeben: Damals kamen an einem Tag gleich zwei Sprengkörper aus dem Zweiten Weltkrieg zum Vorschein, eine 1.000 lbs (454 kg) und eine 500 lbs (227 kg) schwere Fliegerbombe. Bis zur erfolgreichen Entschärfung am frühen Abend wurde der komplette Südhafen land- und wasserseitig großflächig geräumt: Arbeiter, Anwohner und Touristen in einem Umkreis von maximal 500 m um den Fundort mussten den Bereich verlassen. An den meisten Tagen können die Bodensanierer ihren Job allerdings ohne größere Unterbrechungen erledigen.

Grundsätzlich werde versucht, den kompletten Boden ferromagnetisch zu sondieren, erläutert Bierfischer. »In diesem Fall haben wir allerdings vor Beginn der Räummaßnahme festgestellt, dass es einfach zu viele Anomalien gibt – hier liegt praktisch überall Schrott herum.« Die oberen Bodenschichten würden daher bei der Entnahme optisch vorgeprüft und dann mittels mechanischer Separation durch ein Sieb von Reststoffen befreit. Ferromagnetisch sondieren könne man den Untergrund in diesem Bereich zumeist erst in Tiefen zwischen 2,5 und 4,0 m. »In den tiefer liegenden Schichten rechnen wir noch mit größeren Kampfmitteln wie Bomben. Die kleinere Munition liegt eher oberflächlich in den künstlichen Bodenauffüllungen und kommt darum schon vorher zum Vorschein«, so Bierfischer.

Kein Einsatz wie jeder andere

Für die Mitarbeiter der Eggers Kampfmittelbergung ist dies kein Einsatz wie jeder andere. »Es ist schon so, dass wir hier im Vergleich zu anderen Aufträgen sehr viel finden«, sagt Bauleiterin Sarah Schottenheim. Hinzu komme, dass das Einsatzgebiet vergleichsweise klein sei und daher für die Abräumung nicht viel Platz zur Verfügung stehe. »Wir graben zum Beispiel auch alte Betonfundamente aus, die dann zunächst auf der Baustelle liegen bleiben müssen – das alles zu managen ist durchaus eine Herausforderung.«

Angesichts der großen Entfernung zum Festland habe man unter anderem einen Werkstatt- und einen Ersatzteilcontainer mitgenommen, um bei Bedarf gleich alles dazuhaben und nicht erst auf die nächste Lieferung warten zu müssen.

Ein weiterer Container des Unternehmens steht etwas abseits am westlichen Rand des Südhafengeländes. Er ist durch einen Zaun gesichert und zum Schutz der Arbeiter auf der Baustelle von einem Erdwall umgeben: Hier werden die geborgenen Kampfmittel zwischengelagert, bis sie an den Kampfmittelräumdienst (KRD) des Landes Schleswig-Holstein übergeben werden. Etwa einmal pro Woche werden die Funde zu einer Sammelstelle im Norden der Insel gebracht, von wo es später zum landeseigenen Munitionszerlegebetrieb in Groß Nordsee weitergeht. Einen ersten Transport zum Festland hat es Ende 2012 gegeben. Mindestens ein weiterer wird bis zum Abschluss der Bauarbeiten noch folgen.

KRD ist mit zwei Mitarbeitern vertreten

Bis in die 1980er-Jahre hinein hatte der mittlerweile beim Landeskriminalamt angesiedelte KRD noch eine dauerhaft mit Personal besetzte Außenstelle auf Helgoland. Einen Materialstützpunkt mit Werkstattgebäude und Aufenthaltsraum gibt es heute noch in der Nähe des Nordstrandes. Während der aktuellen Bodensanierung sind ständig zwei Mitarbeiter zur Fachbauleitung und Qualitätskontrolle an Ort und Stelle. Einer von ihnen ist Alexander Matera: »Wir stehen den Unternehmen hier mit Rat und Tat zur Seite, wenn es sicherheitstechnische Fragen gibt«, erklärt er. In Zusammenarbeit mit dem Ordnungsamt und der Polizei koordiniere der KRD außerdem die notwendigen Maßnahmen nach Bombenfunden. Auch nach so langer Zeit seien diese Sprengkörper keineswegs ungefährlich, betont Matera. »Von innen sehen die praktisch aus wie neu, teilweise lässt sich sogar das Zündgewinde noch drehen.«

Die Entschärfung darf nur der Leiter des KRD oder sein Stellvertreter übernehmen – einer von beiden muss darum jedes Mal möglichst schnell eingeflogen werden, wenn die Arbeiter auf eine weitere Bombe gestoßen sind. Wie oft das noch notwendig wird, werden die kommenden Wochen zeigen. Im Verlauf des Frühjahrs sollen die Sanierungsarbeiten abgeschlossen werden.

Der nächste Teil der Helgoland-Serie stellt die drei Offshore-Windprojekte »Nordsee Ost«, »Meerwind Süd/Ost« und »Amrumbank West« vor, denen die Insel als Service- und Betriebsstation dienen wird.


Anne-Katrin Wehrmann