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Mit massiven Preiserhöhungen haben die größten Containerlinien ihre Kunden im

Kühlladungssektor Ende 2012 aufgescheucht. Obwohl die Raten zu Jahresanfang stark anzogen, verläuft die Containerisierung weiter ungebremst.
Im Großen und Ganzen schien die Beziehung zwischen den Containerlinien und Agrarexporteuren bislang recht geschmeidig zu sein. Immer mehr Verlader[ds_preview] von Früchten, Fleisch und anderen verderb­lichen Waren entschieden sich in den vergangenen Jahren für Kühlcontainer, wenn sie zwischen Transportmodi auswählen mussten. Da blieb immer weniger Ladung für die spezialisierten Kühlschiffe übrig, die bei der Beförderung der empfindlichen Waren jahrzehntelang die Nase vorn hatten.

Manch ein Kunde mag seine Präferenzen zumindest in einem ersten Impuls auf den Prüfstand gestellt haben, als Maersk – mit Abstand größter Carrier im Reefer-Segment – vergangenen September eine Anhebung der Basisraten pro 40-Fuß-Reefer-Container um 1.500 $ per 1. Januar 2013 verkündete, und zwar flächendeckend auf allen Routen. Die Erhöhung entspricht laut Maersk-Vorstandschef Søren Skou etwa einem Drittel der Durchschnittsrate, die vergangenes Jahr im Reefer-Geschäft verzeichnet worden war.

Was viele Experten in dem Geschäft zunächst nur in der Phantasie für möglich hielten, gewann in den Folgemonaten an Dynamik. Ein Linienreeder nach dem anderen schloss sich der Initiative an. Viele legten die Latte etwas tiefer und beschränkten sich mit ihren Preisanhebungen auf bestimmte Rennstrecken im Reefer-Geschäft. Einige Linien wie MSC und CMA CGM gingen sogar ein Stück weiter und forderten für die kleineren 20-Fuß-Reefer-Behälter noch höhere Aufschläge als der Marktführer ­Maersk.

Ratenverbesserung nicht einheitlich

Nach Angaben von Schiffsmaklern verlief die Umsetzung der Frachtpreiserhöhungen bislang mit gemischtem Erfolg. Die vollen 1.500 $ bekamen die Linien offenbar nur auf den wenigsten Routen durch. Immerhin zeige der Trend bei den Frachten aber generell deutlich nach oben.

Für Reefer-Verladungen ab Südafrika war von tatsächlichen Verteuerungen um 600 bis 800 $ pro Vierzigfuß-Container (FEU) die Rede. Die Fruchtexporteure am Kap zählen zu den schärfsten Kritikern der Ratenanhebungen und hatten die Initiative der Containerlinien wiederholt scharf kritisiert.Auf Widerstand stoßen die Carrier wohl auch in Argentinien, wo in Kürze die Kernobst-Exportsaison (Äpfel, Birnen) beginnt. Gerüchten zufolge waren Reeder und Exporteure Mitte Januar noch hart am Verhandeln, große Frachtabschlüsse waren bislang nicht gemeldet worden. Auch aus taktischen Gründen hätten die Argentinier aber schon sehr zeitig zahlreiche konventionelle Reeferschiffe für die Saison eingechartert, wohl um ein Zeichen zu setzen, dass es auch ohne Container geht.

Relativ gelassen zeigt sich auch ein Marktteilnehmer aus den USA, der große Exporteure von Frischeprodukten vertritt. »Die Reefer-Ratenerhöhung wird nicht zu halten sein«, sagt der Experte. »Angesichts der schwächelnden Weltkonjunktur und der hohen Verfügbarkeit von Reefer-Containern im Inland sind Preissteigerungen derzeit kein großes Thema.«

Es gibt aber auch Gegenbeispiele: Nach Informationen eines Agenten in Hamburg sollen die Frachtpreise auf der wichtigen Bananen-Handelsroute von Ecuador ins Mittelmeer weitgehend wie geplant angezogen haben. Allerdings sei es noch zu früh für ein endgültiges Urteil, weil die Hauptsaison in den Reefer-Verkehren erst gegen Ende des ersten Quartals in Gang komme.

Kampf um Ladung

Zum Teil sollen große Verlader damit gedroht haben, Ladung aus dem Container zurück auf konventionelle Kühlschiffe zu verlagern, um Frachtpreissteigerungen zu entkommen. Aktuelle Beispiele waren bisher nicht zu finden – wohl aber für verstärk­te Anwendungen von Containern durch Kunden, die bislang vor allem konventionell verschifft haben.

Laut dem Marktforscher Alphaliner hat die kolumbianische Fruchthandelsgruppe Comercializadora International Unibán die Lieferungen von Kolumbien und Costa Rica zum texanischen Hafen Freeport Ende vergangenen Jahres umgestellt. Der hauseigene Liniendienst werde künftig mit den eingecharterten Containerschiffen »Corona J.« (1.209 TEU, 358 Reefer-Anschlüsse) und »Auriga J.« (1.157 TEU, 250 Reefer-Anschlüsse) statt mit den konventionellen Reefer-Schiffen »Scandinavian Reefer« und »Peruvian Reefer«.

Der US-Multi Chiquita soll einerseits Ladungsumfänge im Verkehr von Zentralamerika nach Nordeuropa von Containerlinien zurück auf den konventionellen Dienst der Konzernreederei Great White Fleet verlagert haben. Die Schiffe des Unternehmens fahren seit kurzem wieder wöchentlich Bremerhaven an. Dafür wurden aber im Verkehr zwischen der Westküste Nordamerikas und der Westküste Südamerikas zusätzliche Mengen an die Containerlinie Hamburg Süd vergeben. Die Chiquita-Reederei mietet hierzu Slots auf einem neu eingerichteten Hamburg-Süd-Dienst ein, der die Häfen Guyaquil (Ecuador), Puerto Quetzal (Guatemala) und Port Hueneme (USA, Kalifornien) bedient. Der vorherige Chiquita-eigene Dienst, der schon ein Jahr zuvor von Reefer- auf Containerschiffe umgestellt worden war, aber nur zehntägige Abfahrten bot, wurde eingestellt. Durch die enge Bindung an eine große Container-Linienreederei signalisieren Chiquita/Great White Fleet jedenfalls, dass eine Rückkehr zu konventionellen Verkehren nicht zur Diskussion steht.

Unabhängig von der umstrittenen Ratenerhöhung der Containerlinien hatten einige Fruchtkunden indes bereits vorher Ver­lagerungen von Container- auf Breakbulk-Dienste vorgenommen. Beispiel: der ecuadorianische Bananenhändler Banex. Nach Angaben des Fachverbands der gro­ßen Reefer-Reeder, 360 Quality, stieg das Unternehmen im vergangenen Jahr auf der Route Ecuador–St. Petersburg von einem Maersk-Vollcontainerdienst auf einen konventionellen Dienst der Reefer-Reederei Star Reefers um. Grund dafür seien nicht die Kosten gewesen, sondern Service-Qualität und Zuverlässigkeit. Mit nur 17 Tagen Transitzeit biete Star Reefers den Bananenlieferanten und Lebensmitteleinzelhändlern einen Zeitvorteil von bis zu acht Tagen gegenüber dem Maersk-Dienst, teilte 360 Quality in einem Rundschreiben mit. Entsprechend länger sei die Haltbarkeit der Ware im Verkaufsregal.

»Wir sind nicht unbedingt günstiger als die Containerlinien, dafür aber schneller und zuverlässiger«, beschreibt Wolfgang Zielke, Geschäftsführer der Hamburger Befrachtungsfirma Frigoship, die Vorzüge der spezialisierten Reefer-Carrier auf den Rennstrecken von Zentralamerika ins Schwarze Meer und in die Ostsee.

Störungsanfällig zeigen sich die Container-Liniendienste auch aufgrund der zum Teil mehrfachen Umladung in Hub-Häfen entlang der Routen. Zum Teil müssen Container von Ecuador nach Russland zweimal im Transit umgeladen werden, einmal in Zentralamerika und ein zweites Mal in Nord­europa. Wird nur eine Anschlussverbindung verpasst, kann sich die Lieferung um fünf bis sieben Tage verzögern. Händler und Lieferanten legen aber Wert auf einen geregelten, kontinuierlichen Nachschub.

Vorteile bei Zuverlässigkeit und Transitzeiten dürften den modernen Reefer-Schiffen, die heute nur noch ein Drittel der weltweiten Kühlladung befördern, auch in Zu-

kunft ihren festen Platz auf zahlreichen kleineren Handelsrouten sichern. Die Ertragslage in dem Sektor hat sich zudem deutlich verbessert, nachdem Reeder im vergangenen Jahr rund 70 Kühlfrachter abwracken ließen und das Kapazitätsangebot dadurch spürbar verringert haben. Seit dem Spätsommer hat der Frachtenmarkt für die konventionellen Reefer wieder an Schwung gewonnen. Die Frachtpreise für Bananenverladungen von Ecuador zu den Mittelmeerhäfen kletterten Maklern zufolge in der zweiten Jahreshälfte von rund 5 $ pro Karton (20 kg) auf zeitweise 7,50 $.

Auch Zeitchartern großer Schiffe mit 500.000 Kubikfuß Kapazität zur Anlieferung an der Ostküste Südamerikas würden heute zu rund doppelt so hohen Sätzen (50 US-Cent pro Kubikfuß, Basis 30 Tage) abgeschlossen wie vor einem Jahr, ist im Markt zu hören.

Im Containersektor mehren sich derweil kritische Stimmen, die meinen, dass weitere Fortschritte bei der Containerisierung von verderblicher Ware viel härter erkämpft werden müssen als in der Vergangenheit.

Die belgische Fachspedition Foodcareplus, die sich voll auf Reefer-Containertransporte spezialisiert, hält deutliche Produktivitätsverbesserungen für erforderlich, damit die verladenden Kunden bei der Stange bleiben.

Generell würden die teuren Reefer-Container viel zu schlecht ausgelastet. Die Zahl der disponierten Rundläufe – und damit die Auslastung – des Equipments ließe sich aber erheblich verbessern, wenn die Linienreedereien dazu übergingen, Container gemeinsam zu nutzen, also zu poolen, erklärt Steve Alaerts, Verkaufsleiter bei Foodcareplus in Antwerpen. Die Idee: Wer keine adäquate Rückladung für einen Reefer-Behälter hat, gibt die Box einfach an einen Mitbewerber ab, der über Ladung verfügt und damit nahtlose Auslastung ermöglichen kann. Über ein solches »Grey Box«-Konzept wurde in der Branche schon früher einmal diskutiert, die Idee hat aber nie richtig gezündet. Die jetzt anstehende Kostenexplosion im Container-Reeferverkehr bie-

te Anlass, neu über solche Synergien nachzudenken, so Alaerts.

Solide Wachstumsraten

Die Einsparpotenziale werden nicht kleiner – ganz im Gegenteil, denn die Verkehrsmengen und Logistikbedarfe im Kühl- und Tiefkühlsegment werden nach einhelliger Meinung der Marktforscher in den kommenden Jahren stetig weiter zunehmen. Impulse dafür liefern das Wachstum der Weltbevölkerung und die größer werdende Mittelschicht in den Schwellenländern mit ihren steigenden Konsumbedürfnissen. Die britische Beratungsfirma Drewry schätzt, dass im Jahr 2011 weltweit verderbliche Waren im Umfang von rund 90 Mio. t verschifft wurden (konventionell und im Container). Für den Zeitraum 2012 bis 2016 erwartet sie Zuwachsraten von 4 % pro Jahr.

Michael Hollmann