Print Friendly, PDF & Email

Im September 2012 endete die Übergangsfrist für die Anschaffung des Defibrillators an Bord deutscher Kauffahrteischiffe. Was ist seine Aufgabe, was muss er können, wo sollte er angebracht werden?

Defibrillatoren sind kinderleicht zu bedie­nen und retten Leben – und das schon seit über 70 Jahren. Diese Medizinprodukte sind bereits[ds_preview] seit Jahr­zehnten Standard in jedem deutschen Rettungswagen [1], werden als fester Ausrüstungsbestandteil in Verkehrsflugzeugen vorgehalten [2] und sind in öffentlichen Bereichen (Bahnhöfen, Flug-

häfen) nicht mehr wegzudenken [3]. Für die Seeschifffahrt hat Deutschland als weltweit erster Flaggenstaat den Vorstoß gewagt, auch die Sicherheit der Seeleute an Bord deutscher Handelsschiffe durch eine verbindliche Ausstattung mit diesem Gerät zu erhöhen. Inzwischen statten viele deutsche Reedereien auch die Schiffe ihrer Flotte aus, die nicht die Bundesflagge führen.

Zudem empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihrem International Medical Guide for Ships (IMGS) die Vorhaltung eines automatisierten externen Defibrillators (AED) in der medizinischen Schiffsausrüstung [4]. Die aktuelle Fassung der deutschen Verordnung über die Krankenfürsorge auf Kauffahrteischiffen schreibt für Fahrzeuge unter deutscher Flagge in der Mittleren und Großen Fahrt (Verzeichnis A) zwingend die Vorhaltung eines »Halbautomatischen Defibrillators mit EKG-Anzeige und -Übertragungsmöglichkeit zum deutschen funkärztlichen Beratungsdienst« vor [5]. Diese Ausrüstungspflicht besteht seit Inkrafttreten der Verordnung im September 2007. Um den Reedereien dennoch ausreichend Zeit für die Auswahl und Anschaffung eines geeigneten Gerätes zu geben, wurden die zuständigen Hafengesundheitsbehörden (Hafenärztliche Dienste) legitimiert, während eines Übergangszeitraumes von fünf Jahren Ausnahmegenehmigungen für diejenigen Schif­fe auszustellen, die noch keinen AED an Bord haben. Diese Übergangsfrist endete am 4. September 2012. Seit diesem Zeitpunkt muss auf den ausrüs­tungspflichtigen Schiffen ein AED mitgeführt werden.

Nur der AED ist in der Lage, das Herzkammerflimmern als eine der häufigsten Ursachen des Herz-Kreislauf-Stillstands zu beenden. Mit jeder tatenlos verstrichenen Minute verliert der Patient ca. 10 % der Überlebenswahrscheinlichkeit [6]. Das erklärt auch, warum der leichte und schnelle Zugang zu dem Gerät an Bord eine so hohe Bedeutung hat.

Ein weiterer wesentlicher Aspekt, wenn nicht gar der Hauptgrund für die Anschaffung des AED ist, dass die Bordapotheken viele Medikamente beinhalten, die einen Einfluss auf die Herztätigkeit haben. Vor und während der Verwendung dieser Medikamente durch den medizinisch ausgebildeten Schiffsoffizier ist es wichtig, dem beratenden Funkarzt neben anderen Parametern im Bedarfsfall auch ein EKG des Patienten übermitteln zu können. Im Gegensatz zu den in öffentlichen Bereichen aufgehängten Defibrillatoren, die lediglich die lebensrettenden Elektroschocks abgeben können, muss das Gerät für die Seeschifffahrt also zusätzlich die Funktion eines einfachen EKG-Gerätes erfüllen, welches über mehrere Stunden, in Einzelfällen auch über mehrere Tage, betrieben werden kann. Die ausschließliche Berücksichtigung der gesetzlichen Mindestanforderungen reicht demnach für eine sinnvolle Kaufentscheidung nicht aus.

Vonseiten einiger Hersteller werden häufig wenig relevante Geräteeigenschaften als lebensrettende Alleinstellungsmerkmale zur Beeinflussung der Kaufentscheidung in den Vordergrund gestellt. Hier gilt es, den realistischen Überblick über das Wesentliche zu bewahren, sich nicht verunsichern zu lassen und die Gerätefunktionen anhand der wirklich wichtigen Eigenschaften zu vergleichen.

Grundsätzlich kann nur dazu geraten werden, sich im Falle einer anstehenden Kaufentscheidung einen unabhängigen Expertenrat einzuholen und sich dabei unter anderem über folgende zentrale Geräte­eigenschaften zu informieren:

1. Energieversorgung: Ist das Gerät lediglich mit einem Batteriesatz für den Dauerbetrieb von vier bis fünf Stunden ausgestattet, oder besteht die Möglichkeit, für einen längeren Betrieb auf ein Wechsel-Akku-System oder – besser noch – auf ein 220-V-Netzteil zurückzugreifen?

2. EKG-Funktion: Kann man alternativ zu den großflächigen Defibrillations-Klebeelektroden auch ein zusätzliches EKG-Kabel an das Gerät anschließen, um so im Falle einer reinen EKG-Aufzeichnung die für den Patienten angenehmeren und zudem deutlich preisgünstigeren EKG-Elektroden zu verwenden?

3. Überwachung eines Patienten: Lässt sich das Gerät in einen Überwachungsmodus schalten, um im Falle einer reinen EKG-Überwachung bei einem stabilen Patienten über eine längere Zeit die regelmäßigen lauten Sprachanweisungen zur Wiederbelebung zu unterdrücken? In diesem Fall sollte es spontan auftretende bedrohliche EKG-Veränderungen erkennen und den Anwender darüber mit einer deutlichen Warnmeldung automatisch informieren.

4. Datenübertragung: In der Regel genügt es, für eine Beurteilung des EKG eine kurze Aufzeichnung als Datei zu versenden. Diese Option bieten die meisten AED. Es reicht aber nicht aus, dass der AED grundsätzlich zur Datenübertragung in der Lage ist, das Verfahren der Datenentnahme am Gerät und die Datenübertragung in das bordeigene EDV-System müssen an Bord etabliert sein und möglichst einfach funktionieren. Die oft beworbene permanente Online-Übertragung des laufenden EKG ist in der Regel medizinisch nicht sinnvoll, zumal dann auf der Empfängerseite ebenfalls eine kontinuierliche Übewachung stattfinden müsste.

5. Aufbewahrungsort: Das Bordhospital ist nicht zwingend der beste Platz, insbesondere dann nicht, wenn der AED in einem verschlossenen Schrank liegt. Entscheidend ist der schnelle Zugriff für möglichst viele Besatzungsmitglieder an einem zentralen und möglichst auffälligen Ort (Tab. 1). Mit standardisierten Symbolen ist dabei auf den Aufenthaltsort des AED hinzuweisen. Fragen des Diebstahlschutzes aber auch der Alarmierung zusätzlicher Helfer lassen sich im Bedarfsfall durch preisgüns­tige und leicht anzubringende alarmgesicherte Wandkästen klären.

6. Einweisung, Schulung, Training: Die Bedienung eines AED ist kinderleicht. Bereits mit dem Einschalten gibt das Gerät optische und deutlich gesprochene Hinweise zur Bedienung, zum Aufkleben der Defibrillationselektroden und idealerweise auch eine gesprochene Anleitung zur Durchführung der Wiederbelebung. Das Gerät entscheidet an Hand des festgestellten Herzrhythmus selbständig darüber, ob eine Schockabgabe erfolgen darf oder nicht, sodass der Helfer lediglich auf Anweisung des Gerätes die dann freigegebene Schocktaste drücken muss. Die oft befürchtete unnötige Schockabgabe durch Fehlbedienung ist nicht möglich. Eine Ausnahme macht hier ein auf dem Markt befindliches Gerät eines amerikanischen Herstellers, bei dem (je nach Programmierung) die manuelle Auslösung eines Schocks in jeder Situation, also auch beim Gesunden, möglich ist. Diese Option sollte ausschließlich dem fachkundigen Arzt vorbehalten bleiben und an Bord unbedingt deaktiviert werden.

Es ist entscheidend, dass möglichst viele Besatzungsmitglieder regelmäßig in die verschiedenen Gerätefunktionen eingewiesen und auf den Ablauf einer Herz-Lungen-Wiederbelebung unter Verwendung des AED geschult werden. Ebenso muss den Helfern verdeutlicht werden, dass ihr Pa­tient nach einer erfolgreichen Wiederbelebung einer intensiven Versorgung mit Funkarztunterstützung bedarf. Nur durch sorgfältige Ausbildung und gezielte Aufklärung kann die notwendige Handlungs­sicherheit innerhalb der Crew aufgebaut werden.

Quellen

[1] DIN EN 178: Rettungsdienstfahrzeuge und deren Ausrüstung; Deutsches Institut für Normung e.V.

[2] Notfallmedizin im Flugzeug: Erste Hilfe über den Wolken; Bührle E, Gabler A.; Dtsch Arzt­ebl 2005; 102(6): A-338 / B-280 / C-263

[3] The Los Angeles public access defibrillator (PAD) program: Ten years after; Eckstein M.; Resuscitation 2 Apr 2012

[4] International Medical Guide for Ships, 3rd. Edition; World Health Organization

[5] Verordnung über die Krankenfürsorge auf Kauffahrteischiffen vom 25. April 1972 (BGBl. I S. 734), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 5. September 2007 (BGBl. I S. 2221) geändert worden ist

[6] Valenzuela TD, Roe DJ, Cretin S, Spaite DW, Larsen MP. Estimating effectiveness of cardiac arrest interventions: a logistic regression survival model. Circulation 1997; 96:3308–13

[7] Todesursachenstatistik 2010; Gesundheitsberichterstattung des Bundes; www.gbe-bund.de

Christoph Sevenich