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»High Pressure Tuning« lautet das Thema, unter dem ABB jetzt die Hochdruckaufladung für Zweitaktmotoren vermarktet.
Schon im vergangenen Jahr hatte sich abgezeichnet, welche Entwicklungs­richtung die Aufladetechnik von ABB für künftige Zweitakt- und Viertaktmotoren nehmen[ds_preview] würde. Das Unternehmen will den Motorenbetreibern eine neue Option zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit ihrer Maschinen bieten, »ohne zusätzliche Ausrüstung und mit nur einer minimalen Investition«, wie es offiziell heißt. Ausgangs­punkt für das neue Angebot von ABB ist – wie in anderen Fällen – der Zwang zu kraftstoffsparenden Maßnahmen. Da bekanntlich Langsamfahren allein keinen überzeugenden Effekt bringt, müssen für den Teillastbereich geeignete Veränderungen an den Motoren herbeigeführt werden. Doch bei ABB geht es primär darum, neue Motoren von vornherein für den Teil- und Niedriglastbetrieb zu optimieren.

Auf die verschiedenen Paketlösungen zur Optimierung des Motorbetriebs bei niedrigen Schiffsgeschwindigkeiten soll hier nicht eingegangen werden. Sie sind in den letzten Jahren hinreichend beschrieben worden. Doch die neue Technik von ABB schließt mit dem High Pressure Tuning (HPT) nahtlos daran an. Für langsamlaufende Zweitaktmotoren ist in diesem Zusammenhang eine einstufige Aufladung mit Abgasturboladern der neuen Generation A 200-L vorgesehen, während mittelschnelllaufende Viertaktmotoren künftig zweistufig mit Zwischenkühlung aufgeladen werden sollen.

Infrage kommt die Technik des HPT von ABB für alle elektronisch geregelten Zweitaktmotoren, die über eine elektrohydraulische Steuerung des Auslassventils verfügen, wie dies beispielsweise bei den Motoren der ME-Baureihen von MAN Diesel & Turbo der Fall ist.

Bei ihrer Anwendung werden die Abgasturbolader auf 85 % MCR ausgelegt, um für diesen Betriebspunkt die bes­te Turbola­derabstimmung sicherzustellen. Läuft der Motor auf 100 % rauf, dann läuft der Turbolader entsprechend mit. Eine mechanische Überlastung des Motors wird einfach dadurch ausgeschlossen, dass das Auslassventil entsprechend länger offen gehalten wird. Die Tuning-Methode konnte ABB am Anfang des Jahres erfolgreich auf einem Vollmotor nachweisen. Eine Serienfreigabe seitens der Motorenhersteller erwartet das Unternehmen noch in diesem Frühjahr.

Mit dieser Technik wird nach Aussage von ABB ein so günstiger Kraftstoffverbrauch erreicht, wie er sonst nur mit einem Waste-Gate oder mit variabler Turbinen­geometrie zu erzielen wäre – und das ohne zusätzliche Ausrüstung und ohne bewegliche Teile im Abgasstrom. ABB bringt das auf die Formel: »Niedrigster Kraftstoff­verbrauch bei geringstmöglicher Komplexität.« Allerdings kann der volle Nutzen aus dem Potenzial, welches die HPT-Technik bietet, erst gezogen werden, wenn Abgasturbolader mit einem hohen Wirkungsgrad und einem hohen Druckverhältnis eingesetzt werden. Dafür kommen Turbolader der ABB-Baureihe A 100-L oder demnächst der neuen Generation A 200-L infrage. Die mit der Entwicklung der Abgasturbolader der neuen Generation A 200-L erzielten Fortschritte präsentierte ABB Ende Januar als »einen Quantensprung in der Turboladerentwicklung«. Ausgehend von den Ergebnissen, die mit den Kompressoren der Baureihe A 100-L erzielt wurden, konnte der Förderstrom nochmals deutlich erhöht werden.

Bei einem um 30 % größeren Ladeluftstrom und leicht erhöhtem maximalen Druckverhältnis auf 5,0 kann mit diesen Turboladern für die betreffenden Betriebsbedingungen innerhalb der Baureihe jeweils eine Baugröße kleiner gewählt werden. Die Anschlussmaße der neuen Tur-

bolader haben sich gegenüber denen der Baureihe A 100 nur geringfügig geändert. Die baulichen Veränderungen betreffen allein den Kompressor.

Abgesehen vom großen Förderstrom, der bei vergleichsweise kleinem Turbolader zu einem breiten Einsatzpotenzial führt, sieht ABB vor allem Vorteile bei den Investi­tionen und bei der Wartung und somit auch bei den Lebensdauerkosten. Einsparungen beim Service können sich bei vielen Modellen auf mehr als 25 % belaufen, heißt es.

Nachdem im Januar dieses Jahres bereits erste Aufträge für Turbolader der neuen Generation A 200 vorlagen, konnte inzwischen die Produktion aufgenommen werden. Im Mai sollen die ersten serienmäßigen Turbolader der neuen Baureihe auf den Prüfstand gehen. Bei ABB geht man davon aus, dass Handelsschiffe derzeit überwiegend mit Leistungen zwischen 20 und 50 % der Nennleistung gefahren werden und verweist daher auf die Vorteile des High Pressure Tunings mittels Hochdruckaufladung und variabler Ventilsteuerung statt Waste-Gate oder variabler Turbinengeometrie.

Veränderungen bei den Viertaktmotoren

Die Einführung des Miller-Verfahrens bei den Viertaktmotoren bedingt zwei wesentliche Veränderungen am Motor. Die Ventilsteuerzeiten müssen während des Betriebes verändert werden können, um einen zuverlässigen Motorbetrieb unter allen Lastbedingungen sicherzustellen, und es werden deutlich höhere Ladeluftdrücke als ohne Miller-Verfahren benötigt. Bei ABB läuft die Entwicklung für beide Maßnahmen: zweistufige Aufladung und variable Ventilsteuerung.

Für die zweistufige Aufladung der Viertaktmotoren hat ABB völlig neue Turbolader entwickeln müssen, um optimale Einheiten anbieten zu können. Sind die Turbolader der neuen Baureihe A 100 für Druckverhältnisse bis 5,8 geeignet, so wird hier für die Niederdruckstufe nur ein Druckverhältnis von maximal 4,0 benötigt. Die Kompressoren der Hochdruckstufe mussten dagegen auf ein Gesamtdruckverhältnis von 8,0 ausgelegt werden.

Das System der zweistufigen Aufladung, Markenname »Power2«, soll auf zehn verschiedenen Motoren erprobt werden. Einige dieser Tests sind schon erfolgreich abgeschlossen worden, andere laufen noch bzw. befinden sich in der Vorbereitung.

Zwei Systeme der ersten Generation sind bereits freigegeben worden und die Auslieferung serienmäßiger Ausführungen für mehr als 90 Motoren hat begonnen. Die zweite Generation dieser Aufladetechnik befindet sich schon in der Entwicklung. Damit soll ein Druckverhältnis bis zu 12 verwirklicht werden.

ABB nennt für die potenzielle Kraftstoff­einsparung mit dieser Technik 6 % beim Jahresverbrauch. Insofern ist es nicht überraschend, wenn die zurzeit in der Entwicklung befindlichen mittelschnelllaufenden Dieselmotoren überwiegend mit zweistufiger Aufladung auf den Markt kommen werden. Im unmittelbaren Zusammenhang mit der zweistufigen Aufladung der Viertaktmotoren ist die variable Ventilsteuerung zu sehen. ABB hat dazu 2009 einen Kooperationsvertrag mit der Schaeffler-Gruppe in Herzogenaurach geschlossen, um gemeinsam für Motoren mit Leistungen oberhalb 400 kW eine variable Ventilsteuerung zu entwickeln. Die aus dieser Zusammenarbeit entstandene Lösung hat das Unternehmen 2010 unter der Bezeichnung VCM (Valve Control Management) vorgestellt. Die ursprünglichen Rechte an dieser Technik liegen bei Fiat. Das VCM ist eine elektrohydraulische Einheit, die aus einer Pumpe, einem Hydrozylinder mit einer Hochdruck- und einer Mitteldruckkammer, verbunden über ein Magnetventil, einer hydraulisch betätigten Bremse sowie einem Druckspeicher besteht. Diese Einheit wird zwischen Nockenwelle und Ventilschaft bzw. Kipp- oder Schlepphebel angeordnet. Im Teillastbereich kann damit über das Motormanagement in einem weiten Bereich ein optimaler Betrieb sichergestellt werden, in dem der Miller-Effekt zunächst verringert und im Leerlauf ganz aufgehoben wird.

Damit lassen sich Diesel- und Gasmotoren mit veränderlichen Ventilsteuerzeiten nach Miller optimal betreiben. Abgesehen von zu erzielenden Effekten der Schadstoffminimierung können die Motoren bestmöglich an den gewünschten Leistungsbedarf angepasst werden. Gegenwärtig sind VCM-Einheiten bei Schaeffler Technologies auf einem mechanischen Prüfstand sowie auf einem befeuerten Einzylinder-Prüfstand eines potenziellen Kunden in Betrieb und haben inzwischen mehr als 2.000 Stunden Laufzeit erreicht. Darüber hinaus ist die Konstruktion einer voll integrierten Einheit für eine erste Kundenanwendung abgeschlossen. Die bisherigen thermodynami­schen Ergebnisse übersteigen nach Aussage von ABB die Erwartungen.