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Mit dem »Offshore Solutions Supply Concept Decision Finder« lassen sich windparkspezifische Versorgungskonzepte für die deutschen Ausbauprojekte modellieren, um Marktpotenziale maritimer Transportmittel zu berechnen. Gerd Holbach und Christopher Stanik von der TU Berlin stellen das Tool vor
Die bisherigen Erfahrungen aus dem Bau von Offshore-Windparks (OWP) zeigen enor­me logistische und technische Schwierigkeiten auf, die einzelnen[ds_preview] Abschnitte in einem Windpark nach den geplanten zeitlichen Vorgaben zu errichten. Maritime Potenziale zur Bewältigung der logistischen und technischen Installationsprobleme sind bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Insbesondere die erhebliche Wetterabhängigkeit und die darauf basierenden Einsatzfenster maritimer Transportmittel sind als relevante Kriterien zu nennen, welche gravierende Auswirkungen auf die Gesamteffizienz eines OWP-Projektes ausüben können.

Nicht nur während der Installation spielen die wetterbedingten Einsatzfenster der maritimen Transportmittel eine herausragende Rolle. Die Aufgabe des Windpark­betreibers ist es, einen sicheren und reibungslosen OWP-Betrieb über die gesamte Lebenszeit der Anlage zu gewährleisten. Die Service- und Versorgungsstrategie und damit auch die Konstellation an maritimen Transportmitteln ist so zu bestimmen, dass basierend auf den wetterbedingten Einsatzfenstern der Transportmittel die höchsten Erträge unter Berücksichtigung der entstehenden Kosten über die gesamte Lebensdauer eines Windparks generiert werden.

Für die maritime Industrie erweist sich die Hochrechnung von zukünftigen Marktpotenzialen maritimer Transportmittel als schwierige und komplexe Herausforderung, weil je nach Windparkgröße, Windparkentfernung, anzutreffenden Wetterbedingun­gen und täglichem Personal- und Materialbedarf unterschiedliche Versorgungskonzep­­te als wirtschaftlich profitabel erscheinen und deshalb eine Hochrechnung nur windparkspezifisch erfolgen kann [1].

Um für dieses komplexe Problem einen Lösungsansatz zu bieten, hat das Fachgebiet Entwurf und Betrieb Maritimer Systeme der Technischen Universität Berlin den »Offshore Solutions Supply Concept Decision Finder« im Rahmen des Forschungsprojekts »Offshore-Solutions« entwickelt, welches in Zusammenarbeit mit dem International Performance Research Institute (IPRI) bearbeitet wird. Innerhalb von »Offshore-Solutions« werden Dienstleistungspotenziale für Werften und Reedereien als Lösungsanbieter während des Offshore-Windparkbetriebs ermittelt. Die Validierung und praktische Anwendbarkeit der Forschungsergebnisse und somit auch des entwickelten Modellierungstools wird durch einen projektbegleitenden Ausschuss aus derzeit 22 renommierten Unternehmen der Offshore-Windenergiebranche und der maritimen Industrie gewährleistet [2].

Modellierung von OWP-Versorgungskonzepten

Versorgungskonzepte im Windparkbetrieb fokussieren den Bedarf, eine möglichst hohe technische Verfügbarkeit der Offshore-Windenergieanlagen (OWEA) unter möglichst geringen Versorgungskosten bei einer sicheren Leistungserstellung zu realisieren. Dafür müssen je nach Turbinenanzahl unterschiedliche Mengen an Servicetechnikern und Material in den Windpark und zu den einzelnen Turbinen transportiert werden. Dieser Personen- und Mate­rialtransport kann durch unterschiedliche Konstellationen von Transportmitteln erfolgen. Auch basierend auf der windparkinternen Materialbevorratungs- und Personal­unterbringungsstrategie unterscheiden sich die angedachten Konzepte zur Versorgung: Grundsätzlich lässt sich bei den derzeitig angedachten Versorgungskonzepten eine Unterscheidung zwischen »onshore-based« (oder »shore-based«) und »offshore-based« (oder »sea-based«) vornehmen [3]. Während »Onshore-based«-Varianten keine Personalunterbringung im Windpark vorsehen, ermöglichen »Offshore-based«-Modelle eine windparkinterne Unterbringung von Personal auf einer Wohnplattform oder einem Wohnschiff. Wie in Abb. 2 dargestellt, lässt sich für den Windpark­betrieb der deutschen OWP-Ausbauprojekte (Diagrammpunkte), unter Berücksichtigung der anfallenden Transferzeiten zu den OWEA und einer Nettoarbeitszeit der Servicetechniker in Höhe von acht Stunden pro Tag [4], folgendes Zwischen­fazit aus den bisherigen Modellierungsergebnissen ziehen:

Je weiter ein Windpark vom jeweiligen Servicehafen entfernt und je höher zugleich dessen Turbinenanzahl ist, desto eher sind aus einer Wirtschaftlichkeitsperspektive tendenziell »Offshore-based«-Varianten zu bevorzugen.

Zur operativen Konkretisierung der unterschiedlichen Varianten sind unterschiedliche Ansätze denkbar, die im »Offshore Solutions Supply Concept Decision Finder« windpark-, wetterdaten- und transportmittelspezifisch modelliert werden. So wird in dem Modellierungstool für jeden Windpark berechnet, welche spezifischen Mengen­gerüste sich an Transportmitteln ergeben und wie hoch die gesamten OWP-Betriebskosten ausfallen würden, wenn eine »On­shore-based«-, Wohnplattform- oder Wohnschiff-Variante gewählt wird. Vor allem die Helikopternutzung spielt im Variantenvergleich eine herausragende Rolle. Ein Helikopter kann entweder nur für den Fall schlechter Wetterverhältnisse – wenn der Einsatz von Crew Transfer Vessels (CTVs) nicht möglich ist – oder täglich im stationären Windparkbetrieb sowie im Pendelverkehr zwischen Onshore-Stützpunkt und OWP bei »Offshore-based«-Varianten zum Einsatz kommen.

Um gesamtkostenminimale Versorgungs­konzepte windparkspezifisch ermitteln zu können, sind je OWP die fixen Betriebs­kosten und die Opportunitätskosten (Kos­ten der Nicht-Verfügbarkeit der OWEA) zu bestimmen. Für jedes Versorgungskonzept sind windparkspezifisch die kumulierten Transportkosten im täglichen Windparkbetrieb und im Rahmen der Jahreswartung modellhaft zu ermitteln und die Gesamtkos­ten der Versorgung konzeptübergreifend zu vergleichen.

Diese basieren auf gegebenen Transportmitteln der maritimen Industrie und zu transportierenden Personal- und Materialbedarfsmengen während des Windparkbetriebs, welche aus Erfahrungsberichten und Plandaten von Windparkbetreibern, Projektentwicklern und etablierten Offshore-Versorgungsdienstleistern analysiert wurden. Wie in Abb. 3 theoretisch dargestellt, würde aus einer rationellen Sichtweise für jeden OWP jenes Versorgungskonzept gewählt werden, bei dem die Summe aus den Kosten der Nicht-Verfügbarkeit der OWEA und den kumulierten Transportkosten der Transportmittel (inkl. fixer Betriebskosten) am geringsten ist. Jener gesamtkostenminimale Versorgungspunkt würde anschließend als Vergleichswert zwischen allen Versorgungskonzepten und als Richtwert für die technische Verfügbarkeit der OWEA pro Jahr genommen werden [1].

Die bisherigen Modellierungsergebnisse zeigen jedoch auf, dass die Kosten der Nichtverfügbarkeit bei allen OWPs abweichend von Abb. 3 dominant gegenüber den kumulierten Transportkosten verlaufen, da die Erträge aus den Einspeisevergütungen für den produzierten Strom derzeit wesentlich höher als die potenziell anfallenden OWP-Betriebskosten ausfallen.

Der gesamtkostenminimale Versorgungspunkt wäre aus diesem Grund immer jener, bei dem eine maximale technische Verfügbarkeit der OWEA gewährleistet werden sollte. Das heißt es würde bei allen Versorgungskonzepten aus einer Wirtschaftlichkeitsperspektive versucht werden, die Turbinen kontinuierlich mit Servicetechnikern und Ersatzteilen zu versorgen.

Maritime Mengengerüste und Marktpotenziale

Die Modellierungsergebnisse liefern Aussagen darüber, wie hoch in den kommenden Jahren die Anzahl maritimer Transportmittelbedarfe tendenziell ausfallen würde, wenn die geplanten OWP-Ausbauprojekte in Betrieb genommen werden. Jedoch ist solch eine Hochrechnung mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Insbesondere die Verzögerungen im Netzanschluss und in der Windparkinstallation sowie die bisher noch unzureichenden OWP-Betriebserfahrungen erschweren die Darstellung konkreter Mengengerüste. Deshalb kann eine Hochrechnung nur basierend auf fiktiven Minimal- und Maximalszenarien erfolgen. Für die beiden Szenarien wurden folgende Grenzwerte fixiert:

Bis 2020 würden im Minimalszenario 6 GW und im Maximalszenario konform zu den Zielen der Bundesregierung 10 GW installierte Leistung erreicht werden. Bis 2030 wurden im Minimumszenario 20 GW und im Maximumszenario 25 GW installierte Leistung angenommen. Die OWP-Auswahl für die beiden Szenarien basiert auf Fortschritts­berichten aus der Windpark­installation, OWP-Betreiberangaben und terminlichen Fristen zum spätesten Baubeginn nach BSH-Genehmigungstexten für die einzelnen Ausbauprojekte [5].

Basierend auf diesen Prämissen ergibt sich für Helikopter, CTVs, Windpark Supply Vessels (WPSV), Wohnschiffe und Reparaturschiffe folgendes Mengengerüst für den Betrieb der deutschen OWP-Ausbauprojekte, wie in Abb. 4 dargestellt: Dabei weisen die einzelnen Transportmittel in der Modellierung unterschied­liche Seegangseigenschaften, technische Ausrüstungen sowie Personen- und Materialtransportkapazitäten auf. Je nach Transportmittelgröße, Unterbringungskapazität, Decksfläche, Nutzlast, Transfertechnologie oder Seegangsverhalten liegen in »Offshore-Solutions« derzeit aktuelle Tages­char­terraten und Transportpreise für die Berechnung potenzieller monetärer Marktvolumina für die Transportmittel zugrunde.

Auch die Tagescharterraten und Transportpreise unterliegen preislichen Schwankungen, sodass bei diesen Zahlen ebenso Minimal- und Maximalwerte in die Hochrechnung einfließen. Basierend auf diesen Szenarien ergibt sich für das Jahr 2020 ein monetäres Marktvolumen für den ma­ri­timen Transportsektor im Offshore-Windpark­betrieb in Höhe von rund 0,2–1,1 Mrd. €. Bis 2030 ist sogar ein monetäres Marktvolumen in Höhe von rund 0,6–2,4 Mrd. € unter Berücksichtigung aktueller Tages­charterraten und Transportpreise darstellbar.

Mithilfe der Kalkulation der Mengen­gerüste und monetären Marktvolumina ist eine Bewertung der zukünftigen Marktpotenziale im maritimen Transportsektor für den Offshore-Windparkbetrieb ermöglicht worden. Die deutsche maritime Industrie verfügt über umfangreiche Erfahrungen mit der Arbeit auf See und könnte die benötigten Transportmittel für eine Offshore-Windparkversorgung bereitstellen. Mit wel­chen Lösungsansätzen die Anforderungen im OWP-Betrieb konkret erfüllt werden können und wie eine erfolgreiche Positionierung maritimer Offshore-Versorgungsdienstleister als Lösungsanbieter erfolgen kann, wird in weiteren Ergebnissen des Forschungsprojekts »Offshore-Solutions« aufgezeigt [6].

Danksagung

Unser herzlicher Dank gilt insbesondere der GRS German Renewables Shipbrokers GmbH, der Linnhoff Offshore AG, der Briese Schiffahrts GmbH & Co. KG, der E.R. Schifffahrt GmbH & Cie. KG, der Abeking & Rasmussen Schiffs- und Yachtwerft AG sowie der Wiking Helikopter Service GmbH. Mithilfe der übermittelten aktuellen Tagescharterraten der einzelnen Schiffstypen und Transportpreise für die relevanten Helikoptergrößen konnte eine Hochrechnung der potenziellen monetären Marktvolumina basierend auf den Modellierungsergebnissen in »Offshore-Solutions« vorgenommen werden.

Das IGF-Vorhaben 394 ZN der Forschungsvereinigung Center of Maritime Technolo­-

gies e.V. (CMT) wird über die AiF e.V. im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages gefördert.

Literatur

[1] Holbach, G. und Stanik, C.: Betrieb von Off­shore-Windparks – Maritime Dienstleistungspotenziale, in: Internationales Verkehrswesen, 6/2012, S. 31–33.

[2] Holbach, G. und Seiter, M.: Offshore-Solu­tions: Dienstleistungspotenziale von Werften und Reedereien während des Betriebs von Offshore-Windparks, in: Schiff und Hafen, 12/2011, S. 50–51.

[3] Pistol, B.: Konkretisierung des Hafenkonzeptes Offshore-Häfen Nordsee SH, Endbericht, Uniconsult Universal Transport Consulting GmbH, Hamburg, Juni 2011, S. 20–24.

[4] KPMG: Offshore-Wind – Potenziale für die deutsche Schiffbauindustrie, Berlin, 2011, S. 46.

[5] BSH: Genehmigung von Offshore-Windener­gieparks, Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, www.bsh.de.

[6] Holbach, G. und Stanik, C.: Auf dem Weg zum Lösungsanbieter für den Betrieb von Offshore-Windparks, in: Ingenieurspiegel, 2/2012, S. 87–88.


Gerd Holbach, Christopher Stanik