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Die IMO will die Einführung niedrigerer Stickoxid-Grenzwerte um fünf Jahre verschieben. Dagegen protestiert die deutsche Schiffbauindustrie. Investitionen, Arbeitsplätze und die Innovationskraft stünden auf dem Spiel. Zudem gefährde die Internationale Maritime Organisation ihre umweltpolitische Glaubwürdigkeit
Vor dem Hintergrund der bisher für das Jahr 2016 geplanten Verschärfung der internationalen Emissionsgrenzwerte für Seeschiffe hat sich das Maritime[ds_preview] Environment Protection Committee (MEPC) der IMO Ende Mai mit dem Entwicklungsstand entsprechender Technologien zur Verminderung von Stickoxidemissionen (NOx) befasst. Dabei lag dem MEPC der aktuelle Bericht einer IMO-Arbeitsgruppe vor, in dem eine hinreichende Anzahl be­reits anwendungs­reifer Möglichkeiten dokumentiert und dementsprechend konsequent empfohlen wird, den beschlossenen Zeitplan für die weitere Reduzierung der NOx-Grenzwerte, den sogenannten Tier-III-Standard, beizubehalten, wie die beiden maritimen Verbände VSM und VDMA in einer gemeinsamen Stellungnahme be­richten. Trotz dieses eindeutigen technischen Gutachtens wurde vom MEPC der überraschende Beschluss gefasst, eine erneute Änderung der MARPOL-Konvention mit dem Ziel in Angriff zu nehmen, die Tier-III-Einführung von 2016 auf 2021 zu verschieben. Gegen Vorbehalte der USA, Deutschlands und einiger weiterer EU-Länder wurde die von Russland initiierte Entscheidung durch eine knappe Mehrheit der Flaggenstaaten getroffen.

Verbände fordern Rücknahme der Entscheidung

Die angestrebte Verzögerung der umwelt- und gesundheitspolitisch notwendigen Weiterentwicklung zur emissionsarmen Seeschifffahrt wird von der Schiffbauindus­trie als »völlig unnötig« kritisiert. Sie sei technisch unbegründet, gefährde bereits getätigte Investionen und würde zu erheblichen vermeidbaren Schadstoffbelastungen führen. Denn Stickoxide verbinden sich mit Wasser zu Säuren und sind ursächlich u. a. für Atemwegserkrankungen und Umweltbelas­tungen durch sauren Regen. Laut EU-Kommission stammen ca. 30 % der weltweiten Stickoxidemissionen aus der Schifffahrt.

Zudem wird aus Sicht der beiden Verbände durch das wiederholte Infragestellen einmal getroffener IMO-Entscheidungen die Investitionssicherheit für die herstellenden wie auch die nutzenden maritimen Unternehmen massiv beschädigt. »Politik und Gesellschaft erwarten von der Industrie zu Recht sicheren und sauberen Betrieb. Für Schiffbau und Schifffahrt als globalisierte Branchen sind dafür einerseits verlässliche und andererseits internationale Regeln absolut entscheidend«, sagt VSM-Hauptgeschäftsführer Reinhard Lüken. »Der jetzige Beschluss des MEPC setzt beides leichtfertig aufs Spiel. Ohne Investitionssicherheit kann die Industrie ihren Beitrag nicht leis­ten.«

Wettbewerbsvorsprung steht auf dem Spiel

Deutsche Motorenbauer, Hersteller von Abgasreinigungsanlagen und Werften gelten als führend in der Realisierung umweltfreundlicher und sparsamer Schiffe. Viele Unternehmen haben mit intensiver Forschung und Produktentwicklung auf den Stichtag 2016 hingearbeitet und durch hohe Investitionen sichergestellt, dass termingerecht anspruchsvolle Emissionsgrenzen erfüllt werden können. »Die Hersteller von Schiffsmotoren und deren Zulieferer haben in den vergangenen Jahren mit hohem Einsatz Technologien zur Einhaltung der NOx-Grenzwerte entwickelt, um fristgerecht emissionsarme Produkte auf den Markt zu bringen«, betont Thors­ten Herdan, Geschäftsführer VDMA Motoren und Systeme. Die jetzt angestrebte Verschiebung sei zum Nachteil der Umwelt und der besonders enga­gierten Unternehmen, da ihr Wett­bewerbsvorsprung auf dem Spiel stehe.

VDMA und VSM fordern daher über ihre europäischen Branchenverbände CESA und Euromot, diese »Fehlentwicklung« auf der nächsten Sitzung des MEPC im Frühjahr 2014 zu korrigieren und das geltende Anwendungsdatum 2016 zu bestätigen. Die EU-Mitgliedstaaten müssten versuchen, zusammen mit weiteren umweltbewussten Flaggenstaaten die ökologische Glaubwürdigkeit der IMO wiederherzustellen. Der IMO-Vertreter des europäischen Schiffbauverbandes CESA, Ralf Sören Marquardt, sagte dazu: »Die europäische Schiffbauindustrie hat nachgewiesen, dass anspruchsvollere NOx-Grenzwerte technisch machbar sind. Wir sind daher optimistisch, dass dieser sehr überraschende Beschluss der IMO auf der nächsten Sitzung korrigiert wird.«

USA und Deutschland wollen Zeitplan beibehalten

Die USA hatte sich auf der MEPC-Sitzung explizit vorbehalten, die Einführung der strengeren Grenzwerte wie geplant ab 2016 vorzunehmen. Es droht also ein weiterer Flickenteppich an Emissionsregeln. VDMA und VSM begrüßten gemeinsam die Posi­tion der Bundesregierung, die sich auf der Sitzung eindeutig für die sowohl umwelt- als auch industriepolitisch notwendige Beibehaltung des beschlossenen IMO-Zeitplans eingesetzt hat. »Von der EU erwarten wir ein geschlossenes und kraftvolles Einschreiten, um den jetzigen Irrläufer des MEPC schnellstmöglich zu korrigieren«, teilten die beiden Verbände mit. Eine ähnliche Diskussion hatte es bereits um die Einführung strengerer Grenzwerte für Schwefeloxid­emissionen gegeben, auch hier hatte die EU den ursprünglichen Zeitplan beibehalten.

VSM/VDMA/nis