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Die jahrelange Frachtenbaisse im Schwergut- und Projektladungsmarkt hat Spuren 

hinterlassen. Weitere Fusionen und Übernahmen in dem Sektor sind wahrscheinlich. Aber spätestens 2015 soll es wieder aufwärts gehen.
Navigare necesse est – Seefahrt tut not. Das gilt natürlich ebenso oder vor allem für die Schwergutschifffahrt. Für den Aufbau von[ds_preview] Infrastruktur und Industrie sind die Entwicklungs- und Schwellenländer verstärkt auf Lieferungen großer Maschinen, Anlagen und Bauteile ange­wiesen. Mehrzweckschiffe mit Schwergutgeschirr sind dafür in den meisten Fällen das Mittel der Wahl. Obwohl in Teilen der Welt – wie in vielen afrikanischen Staaten – noch kräftig investiert und gebaut wird, steckt die Schwergutschifffahrt aber seit Jahren in der Krise. 

Viele große Projektinvestitionen waren in Folge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 auf Eis gelegt oder aufgestoppt worden, große Bauteile in Häfen rund um die Welt zum Teil jahrelang eingemottet. Ingenieursbüros und Projektspeditionen berichten zwar wieder von anziehenden Geschäften, doch befinden sich viele Projekte noch in einem frühen Stadium. In vielen Fällen dürfte es bis 2014 dauern, bis die Lieferungen und Verladungen richtig in Gang kommen. So haben die Reedereien vorerst weiter Probleme, ihre teuren Schiffe mit gut zahlender Ladung zu füllen.

Am Frachtenniveau können die Schiffsoperateure angesichts des allgemeinen Tonnageüberhangs und der scharfen Konkurrenz wenig ändern. Ihnen bleibt nur, ihre Kostenposition und ihren Zugang zu den Ladungsmärkten zu optimieren, um einigermaßen ungeschoren durch die Talsohle zu kommen. 

Kürzlich hat die Konsolidierung weiter an Fahrt gewonnen, als die dänischen Schwer- und Stückgutreeder Clipper Projects und Thorco Shipping ihren Zusammenschluss verkündeten. Zum 1. Juli werden Befrachtung, Operations und Verwaltung zusammengelegt. Die fusionierte Firma mit neuem Hauptquartier in Kopenhagen wird weiter unter dem Namen Thorco am Markt auftreten, aber mit einer deutlich vergrößerten Flotte von rund 90 Mehrzweckschiffen mit Tragekapazitäten zwischen 5.000 und 20.000 dwt und kombinierten Hebekapazitäten bis 400 t.

Einer Flottenstatistik der niederländi­schen Marktforschungsfirma Dynamar zufolge steigen die Dänen dadurch gemessen an der Anzahl der disponierten Schiffe zum zweitgrößten Tramp-Carrier im Projekt-/Heavy-Lift-Sektor nach der deutschen Gesellschaft BBC Chartering mit rund 150 Einheiten auf. Thorco, der Schifffahrtsarm des Technologie- und Mischkonzerns Thornico, dehnt sein Filialnetz gemeinsam mit Clipper Projects – Teil der 1972 gegründeten Clipper Group mit Aktivitäten auch im Bulk-, Tanker- und Fährgeschäft – auf elf Länder mit zusammen 130 Mitarbeitern aus.

Bereits im Vorjahr hatten sich der US-amerikanische Projekt-Carrier Intermarine und die dänische Gesellschaft Scan-Trans zusammengeschlossen. Auch im Super-Heavy-Lift- und Halbtaucher-Segment für riesige Offshore-Installationen kam der Konzentrationsprozess ins Rollen, als der niederländische Offshore- und Schifffahrts-

konzern Royal Boskalis Westminster nach einem rund zehnwöchigen Tauziehen vor einigen Monaten den Konkurrenten Dockwise für rund 733 Mio. € übernahm. Dockwise – Betreiber von 25 Semisubmersibles – hatte kurz zuvor selbst den kleineren Wettbewerber Fairstar übernommen.

Offshore-Installation und Transportlogistik aus einer Hand

Trotz ihrer unterschiedlichen Größe – Boskalis setzt in etwa sechsmal so viel um wie Dockwise – ergänzen sich die Unternehmen nahezu perfekt. Boskalis konzentriert sich bislang schwerpunktmäßig auf Wasserbau, Offshore-Installationen und Bergungs-/Schleppschifffahrt. In Kombination mit den Ultra-Schwergutschiffen von Dockwise kann der Konzern künftig einen Großteil der Lieferkette für Offshore-Produktionsanlagen bis hin zur Inbetriebnahme auf See anbieten. Angesichts der steigenden Komplexität und ausufernden Kosten für den Offshore-Ausbau wünschen sich die Energiekonzerne stärkere Partner und Dienstleister. Diesen Kurs wollte das Dockwise-Management auf eigene Faust einschlagen. So hatte das Unternehmen in den vergangenen Jahren zusätzlich zum Seetransport neue Abteilungen für Installationen und Logistik aufgebaut, um integrierte Lösungen anbieten zu können. Das erklärt, weshalb der Vorstand von Dockwise die Logik eines Zusammenschlusses mit Boskalis gar nicht erst in Frage gestellt hat, sondern nur eine angemessene Erhöhung der Offerte forderte.

Auch im Segment der kleineren Offshoremodule für die Öl- und Gasproduktion oder die Offshore-Windenergie arbeiten die Schwergutreeder zunehmend an Komplettlösungen. Mit universell konzipierten und mit Dynamic Positioning ausgestatteten Heavy-Lift-Schiffen wollen sie die ganze Kette von der Transportlogistik auf See bis zur Installation abdecken – wofür bislang in der Regel mehrere unterschiedliche Fahrzeuge wie Pontons, Schlepper, Jack-up-Plattformen und Kranschiffe benötigt wurden. Pioniere dieses Trends sind die niederländische Reederei Jumbo Shipping, die bereits vor zehn Jahren eine eigene Gesellschaft für Offshore-Logistik gründete, und die deutsche Tochtergesellschaft von K Line, SAL, mit ihren zwei Typ-183-Carriern (DP I und II, kombinierte Hebekapazität 2.000 t). SAL zog Ende 2012 mit der Gründung einer technischen Abteilung für Offshore-Installationen nach. Das stark von Offshore-Komponenten geprägte Super-Heavy-Lift-Geschäft zieht immer mehr neue Player an. Erst im Frühjahr gründeten die niederländischen Reedereien BigLift und Rolldock das Joint Venture BigRoll für den Bau und Betrieb von zwei neuen Deck-Carriern mit DP2-Ausrüs­tung, die ab Ende 2014 ausgeliefert werden sollen. Die für 22.500 dwt ausgelegten Einheiten sollen mit ihrem großen freien Deck Ladungskolli befördern, die sich nicht mehr wirtschaftlich anheben lassen sondern die gerollt oder verschoben werden müssen. BigLift, Tochter der Stückgut- und Shortsea-Reederei Spliethoff, ist ein klassischer Schwergut-Trampcarrier mit 14 eigenen Schiffen. Rolldock betreibt zwei Halbtaucher-/Heavy-Lift-/RoRo-Schiffe und erwartet noch zwei Neubauten.

Häufig bilden Offshore-Installationen und konventionelle Schwerguttransporte eine interessante Symbiose. Für den Aufbau der Offshore-Ölförderung vor der brasilianischen Küste werden in den Häfen des Landes riesige Module, Bojen oder Plattformen zusammengebaut, für deren Aus­rüs­tung wiederum massenhaft große Bauteile mit Mehrzweckschiffen herantrans-

portiert werden.

Carrier gehen auf neue Routen

Generell ist der Projektschifffahrtsmarkt aktuell stark in Bewegung: Während sich die einen zusammenschließen oder zumindest in der Befrachtung kooperieren, um Marktanteile und Auslastungsgrad der Schiffe zu steigern, stoßen andere Carrier auf eigene Faust in neue Marktsegmente und Regionen vor. Die einen nutzen geschickt das gute Angebot an Charterschiffen aus, nehmen Frachter zu recht günstigen Raten auf Periode, um in neuen Gefilden nach Ladung zu jagen. Andere kriegen weiterhin Neubautonnage geliefert und sind dadurch quasi gezwungen, neue Routen zu erschließen.

Die Hamburger Rickmers-Linie hat kürzlich ein zehntes Schiff für ihren ostge­henden Round-the-World-Service (Pearl String) eingechartert, um Fahrplantreue und Service zu stabilisieren. Außerdem wurden weitere Schiffe zur Stärkung des Mittelost–Indien-Dienstes und zur Einführung eines neuen westgehenden Round-the-World-Dienstes mit Schwerpunkt auf den Asien–Südamerika-Verkehr eingechartert. Anfang Juli soll die dritte Abfahrt in Fernost zur Ostküste Südamerikas stattfinden. »Ende des Jahres wollen wir den Dienst auf monatliche Abfahrten gebracht haben«, sagt Gerhard Janssen, Vertriebschef der Rickmers-Linie. Ende 2012 übernahm die Gruppe zudem zwei Bauprojekte für Mehrzweckschiffe mit rund 20.000 dwt Tragekapazität und Krangeschirr für Schwerlasten bis 900 t auf einer chinesischen Werft. Die Ablieferung der Schiffe, deren Charakteris­tika auf einen möglichen Einsatz im Mittelost-Dienst hinweisen, soll 2015 erfolgen.

Auch die zur Schoeller Group gehörende Austral Asia Line (AAL) arbeitet fleißig an der Erweiterung ihres Liniennetzes sowie ihrer Tramp-Befrachtungsaktivitäten Richtung Nordamerika und Europa. Mit eigenen großen Schiffsneubauten (31.000 dwt) zieht das Unternehmen jetzt einen neuen Liniendienst zwischen Fernost sowie Südostasien und der Westküste Nordamerikas auf. »Das Fahrtgebiet ist ideal für diese Schiffe«, sagte Kyriakos Panayides, Leiter der Linienaktivitäten der Schoeller Holdings, in Antwerpen. Bei den anhaltenden Investitionen in Flüssiggas- und Ölsandprojekten in Kanada rechnet die Firma mit hohen regelmäßigen Buchungen für Projektladung. »Auch in Europa haben wir angefangen zu investieren«, unterstreicht Panayides. Im vergangenen Herbst wurde ein eigenes AAL-Büro mit zwei Mitarbeitern in Hamburg gegründet, um mehr Geschäft in der Region generieren zu können. Neben den auf festen Linien eingesetzten Schiffen betreibt AAL sieben Einheiten in der weltweiten Trampfahrt (Reise- und Zeitchartern), die immer häufiger in den Mittelmeerraum und nach Europa kommen. Zudem organisiert die Reederei jetzt verstärkt Abfahrten ab Nordeuropa mit eingecharterten Mehrzweckschiffen. Panayides macht keinen Hehl daraus, dass AAL gern schon einen eigenen Liniendienst auf der Europa–Asien-Route eröffnet hätte, »aber der Markt ist dafür im Augenblick zu schwierig.« Das Vorhaben sei deshalb auf die lange Bank geschoben worden. Langfristig sieht er einen hohen Bedarf an Projekttransporten von Asien nach Südeuropa und Nordafrika. »Wir erwarten dort eine sehr hohe Aktivität, wenn die nordafrikanischen Staaten mit ihren Projekten zum Infrastrukturaufbau nachziehen.« Hinzu kämen die Offshore-Öl- und Gasprojekte in Israel und Zypern, für die umfangreiche Anlagenlieferungen erforderlich seien.

Neue Player drängen in den Markt

Andere Befrachtungsfirmen nähern sich dem Geschäft rein von der Ladungsseite und bauen mit einzelnen Großkontrakten als Basisladung regelmäßige Projekt- und Schwergutverkehre auf. Der niederländische Carrier Argo Coral Maritime (ACM) und sein deutscher Generalagent Arkon Shipping & Projects nutzten vergangenes Jahr einen umfangreichen, mehrjährigen Beförderungsvertrag für Baumaterialien zur Schaffung eines regelmäßigen Dienstes von Nordeuropa nach Angola. Bis Mitte Mai seien bereits 51 Abfahrten mit fast 800.000 m3 Ladung durchgeführt worden, erklärte Arkon-Manager Thomas Cord. Es handelt sich dabei um Lieferungen für ein gigantisches öffentliches Wohnungsbauprogramm in dem westafrikanischen Staat. Auch in Fernost wird mehr und mehr Ware für das Projekt beschafft, weshalb ACM nun auch monatlich Abfahrten von China nach Angola organisiert. Zum Einsatz kommen in der Regel Mehrzweckschiffe mit Schwergutgeschirr, die auch Projektladung für Dritte mitnehmen.

Auf Expansionskurs befindet sich auch Hansa Heavy Lift (HHL). Die zur US-Beteiligungsfirma Oaktree Capital Management gehörende und aus der insolventen Beluga Shipping hervorgegangene Reederei buche inzwischen regulär mehr Geschäft ein, als sie mit ihrer 100 % eigenen Flotte bewegen könne. »Im Moment ist jedes unserer 20 Schiffe ausgelastet und wir haben drei zusätzliche Charterschiffe für uns laufen«, sagt Chief Commercial Officer Joerg Roehl. Außerdem stehe die Firma kurz vor der Übernahme zweier weiterer Schiffe der sogenannten F-Klasse (12.744 dwt, 360 t kombinierte Hebekpazität) von anderen deutschen Eigentümern. »Wir sind uns grundsätzlich einig«, so ­Roehl, der noch im Juli mit Vollzug der Transaktion rechnet. 

Das Marktumfeld versucht der Experte nicht schönzureden. Generell seien die bei den heutigen Schwer- und Stückgutfrachtraten erzielbaren Tagessätze (Time Charter Equivalents) für die Mehrzweckschiffe viel zu niedrig. Für sich selbst sieht HHL nach dem schwierigen Markteinstieg in Folge der Beluga-Insolvenz aber einen positiven Trend bei der Umsetzung des Business-Plans. »Wir sind gerade einmal zwei Jahre alt und hatten deshalb eine ganz andere Aufbauarbeit zu leisten«, unterstreicht Roehl. »Seit diesem Jahr haben wir uns konsolidiert und sind in eine neue Phase eingetreten.« Neben den geplanten Zukäufen der Second-Hand-Schiffe stehe mittel- bis längerfristig auch ein eigenes Neubauprogramm auf dem Plan. Der Schiffsentwurf sei schon weit ausgearbeitet, auf eine Werft habe man sich aber noch nicht festgelegt. Dass Hansa Heavy Lift mit seiner Flotte, die langfristig von 20 auf rund 35 Schiffe erweitert werden soll, trotzdem zu klein sein könnte für das von immer größeren Reedereiverbünden (Intermarine/Scan-Trans, Thorco/Clipper) beherrschte Projekt-Trampgeschäft, sieht Roehl nicht. Im Segment der Super-Heavy-Lifts von 800 t und mehr, auf das sich die Reederei spe­zialisiere, sei der Wettbewerb viel eingeschränkter als bei den kleineren und mittleren Schwergutkolli bis 400 t.

Dry-Bulk-Baisse drückt auf Tagesraten

Generell können Charter-/Parcel-Operateure für Schwergut, die Ladungen im Spotmarkt kombinieren und mit Chartertonnage abfahren, auf Basis des Ratengefüges zwar moderate Margen realisieren, wie zu hören ist. Allerdings reichen die Frachteneinkünfte – auf Tagessätze heruntergebrochen – kaum aus, um die für den Reeder anfallenden Schiffskosten (Betrieb/Finanzierung) komplett zu decken, jedenfalls nicht bei modernen, höher verschuldeten Frachtern. Anfang des Jahres sackten die im Zeitchartermarkt gehandelten Tagesraten für Mehrzweckschiffe sogar noch weiter ab, aktuell liegen sie laut Clarksons stabil auf niedrigem Niveau: bei 8.600 $ pro Tag für 17.000-Tonner mit eigenem Geschirr und bei 6.100 $ pro Tag für 9.000-Tonner. Die miese Einkommenssituation ist freilich nicht allein dem Mangel an hochwertiger Projekt- und Schwergutladung geschuldet. Zur besseren Auslastung und zur Vermeidung von Ballastreisen (Leerfahrten) sind Mehrzweckschiffe von je her zusätzlich auf einfache Bulk- und Breakbulk-Güter angewiesen – von Getreide bis zu Metallen. Auch der Dry-Bulk-Markt befindet sich in einer schweren Krise mit unauskömmlichen Raten. Erst wenn dieser Sektor mit dem Baltic Dry Index als Marktbarometer wieder Oberwasser bekommt, steuern die Mehrzweck- und Schwergutfrachter wieder besseren Zeiten entgegen, meinen Experten. 


Michael Hollmann