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Durch den Einsatz von Simulationen in der frühen Projektphase ist es möglich, für mehr Sicherheit zu sorgen, Abläufe zu verkürzen und somit Kosten zu reduzieren. erklärt die Vorteile einer vollständigen 3D-Kransimulation
Zur Umsetzung der Energiewende sind für die deutsche Ausschließliche Wirt­schaftszone (AWZ) in der Nordsee bisher 26 Windparks mit ca[ds_preview]. 1.800 Offshore-Windenergieanlagen (OWEA) genehmigt worden. Der Aufbau der OWEA erfordert alleine offshore über 20.000 Kranoperationen mit Gewichten über 50 t oder Bau­teillängen über 50 m. Um trotz gesunkener Energiepreise an den Ausbauzielen fest­halten zu können, müssen mehr Kranope­rationen bei schwererem Wetter und zu ge­ringeren Kosten durchgeführt werden können, ohne dass die Sicherheit der an den Operationen be­teiligten Menschen gefährdet wird.

Der Einsatz von schwimmenden Kranschiffen statt Jack-up-Schiffen kann hierbei eine Alternative zur Kostensenkung sein. Dies bedarf der Entwicklung von angepasstem Spezialgerät und einer detail­lierten Vorbereitung der Operationen von der ers­ten Planung über die Detailprüfung und das Training bis hin zur Durchführung. Simulationswerkzeuge können dabei helfen, die Sicherheit zu erhöhen, die Kosten für das eingesetzte Gerät zu verringern und die Ausführungszeiten offshore zu verkürzen.

Status quo

Bei der Installation der ersten OWEA auf der Nordsee im Testfeld »Alpha Ventus« ist unter anderem das größte Kranschiff der Welt, »Thialf«, eingesetzt worden. Für die sichere Durchführung dieser ersten Operation in einem Testfeld war dies vertretbar, für den Dauereinsatz sind die Tagesraten für ein solches Schiff im Offshore-Windmarkt allerdings nicht rentabel. Seitdem sind neue Spezialgeräte entwickelt worden, wie zum Beispiel das Jack-up-Schiff »Innovation« von HGO Infrasea Solutions. Zum Einsatz kam aber auch schwimmende Krantonnage. So wurde zum Beispiel die »Jumbo Javelin« der Reederei Jumbo, ein konventionelles Schwerlastschiff mit DP-System, beim Aufbau des Windparks »Anholt« erfolgreich eingesetzt.

Beim Einsatz von kleineren Kranschiffen wie der »Jumbo Javelin« besteht allerdings das Problem, dass im Offshore-Einsatz durch die Schiffsbewegungen größere Bewegungen der Kranlast als bei Jack-up-Schiffen oder den sehr großen Kranschiffen auftreten können. Dies muss bei der Einsatzplanung berücksichtigt werden. Der Einsatz neuer Techniken zur Bewegungsdämpfung, die heute auch bei Kran­operationen mit mehreren hundert Tonnen Last verwendet werden können, kann helfen, die Lastbewegungen zu reduzieren. Den Baufirmen der Windparks steht somit eine große Bandbreite an technischem Gerät und Lösungsansätzen für die Ausführung von Offshore-Kran­operationen zur Verfügung.

Einsatz der »Thialf« beim Aufbau von »Alpha Ventus«

Bei der Planung der Operationen stellt sich für die Akteure immer die Frage nach der Auswahl des Gerätes mit dem besten Kosten-Nutzen-Verhältnis. Typische Fragestellungen sind hierbei:

• Welches Gerät passt zur Kranoperation?

• Wie kann das Gerät verbessert werden?

• Wo sind die Einsatzgrenzen?

• Wie können Abläufe einfach, schnell und sicher gestaltet werden?

• Wie kann die Operation vorbereitet werden?

• Wie kann der Ablauf verbessert werden?

Zur Beantwortung dieser Fragen ist es notwendig, eine Simulation der Kranoperation durchzuführen.

Simulation von Kranoperationen

Die Simulation muss das eingesetzte Schiff, den eingesetzten Kran und die vorherrschenden Umweltbedingungen zusammen mit der Transportaufgabe abbilden können. Die Anforderungen an die Simulationswerkzeuge hängen dabei im Wesentlichen davon ab, in welcher Projektphase sie eingesetzt werden sollen. Der typische Projektablauf für den Einsatz von Offshore-Gerät kann in fünf Phasen eingeteilt werden. Diese Phasen sind in chronologischer Reihenfolge:

• Entwurf und Entwicklung von Plattfor­men und Spezialgeräten,

• Auswahl des Gerätes und Planung des Einsatzes,

• Detailuntersuchungen und Prüfung unter Einbindung der Klassifikationsgesellschaften und des Marine Warranty Surveyor,

• Vorbereitung der Operation und Training,

• Durchführung der Operation.

Während der Durchführung liegt die absolute Priorität auf einer sicheren Ausführung der Operation: Das Schiff und die Last müssen zu jedem Zeitpunkt unter Kontrolle sein. Zwar stehen zu diesem Projektzeitpunkt alle Informationen über das Schiff, den Kran, die Ladung und auch die Umweltbedingungen zur Verfügung, allerdings ermöglichen die kurzen Antwortzeiten trotzdem nur einfache Fragestellungen zu beantworten. Ein Beispiel hierfür ist die Überprüfung von unterschiedlichen Ausfallszenarien bei der dynamischen Positionierung eines Kranschiffes. Hierbei kommen auch Wellenradare oder Beschleunigungssensoren zum Einsatz. Zukünftig wird es vielleicht möglich sein, das Bewegungsverhalten der Last auf Basis von Beob­ach­tungen online vorhersagen zu können. Hier­an wird an den Hochschulen bereits gearbeitet.

In der Vorbereitungsphase müssen potenzielle Fehlerquellen identifiziert und Abläufe trainiert werden, um Sicherheitsrisiken zu vermindern und Zeitabläufe zu straffen. Da bis auf die aktuellen Wetterdaten alle Informationen bereits vorliegen, kann und sollte eine vollständige 3D-Simulation mit Kollisionsbetrachtung durchgeführt werden. Zur Einarbeitung der Crew kann ein Kransimulator besucht werden, in dem die Abläufe an den Arbeitsplätzen und die Kommunikation zwischen den Beteilig­ten geübt werden. Ein Beispiel für einen solchen Simulator ist der HLS am Marikom in Elsfleth.

In der Prüfungsphase gilt es zu gewährleisten, dass die Operation sicher durchgeführt werden kann. Hierbei werden z.B. die maximal auftretenden Beschleunigungen unter Einbeziehung des Versicherungsvertreters (Marine Warranty Surveyor – MWS) analysiert. Zum Einsatz kommen häufig Berechnungswerkzeuge aus dem CFD- oder FEM-Bereich. Meistens erfolgt nur eine Betrachtung einzelner Phasen einer Kranoperation, wie der Durchgang der Last durch die Welleneinflusszone.

Im Gesamtablauf einer Operation können aber unter Umständen auch andere Phasen sicherheitsrelevant sein. Das Zurückbringen eines nicht belasteten Kran­hakens an Deck kann für die dort arbeitenden Seeleute wesentlich kritischer sein als Schwingungen der Last beim Schwenken der Last außenbords. Deshalb wäre eine vollständige Analyse der Operation im Zeitbereich wünschenswert. Ein weiteres Problem bei den heute eingesetzten Werkzeugen besteht darin, dass häufig nur eine linearisierte Betrachtung der Bewegungen im Seegang erfolgt. Für die Betrachtungen von schwerem Wetter kann dies unter Umständen nicht ausreichend sein.

In der Planungsphase wird die Entscheidung über das einzusetzende Gerät getroffen bzw. ein Kranschiffbetreiber muss entscheiden, ob eine Operation durchführbar ist oder nicht. Problematisch für den Einsatz von Simulationen sind die häufig vage Datenbasis, die erforderliche kurze Antwortzeit und dass in der Vorvertragsphase die Aufwendungen möglichst gering gehalten werden sollen. Deshalb erfolgt die Simulation in der Planung in der Regel mit 2D-Zeichnungen und Lastkurven für die Krane, ergänzt um dynamische Überhöhungsfaktoren (DAF). Falls vorhanden, wird zudem noch ein Ladungsrechner für die Schiffsstabilität eingesetzt.

In der Entwurfsphase müssen das Schiff und der Kran optimal aufeinander abgestimmt werden, um aufeinander angepasste Arbeitsmittel entwickeln zu können, die zu geringeren Projektgesamtkosten führen. Schiffsentwurfsprogramme sind bisher nur sehr unzureichend dazu in der Lage, die Schiff-Kran-Interaktion abzubilden. Die im frühen Entwurf erforderlichen kurzen Antwortzeiten verbieten den Einsatz von Werkzeugen wie sie im Training oder in der Prüfung eingesetzt werden können. Dies hat zur Folge, dass das Thema Schiff-Kran-Interaktion mit einfachen Hilfsmitteln im Entwurf nur unzureichend berücksichtigt werden kann.

F&E-Vorhaben »HoOK«

Es muss somit festgestellt werden, dass es für die kritischen Phasen des frühen Entwurfs und der ersten Planung einen Mangel an geeigneten Simulationswerkzeugen gibt. Dieser Mangel steht einer Optimierung der Offshore-Kranoperationen im Wege, da die Durchführung von Entwurf und Planung auf der Basis von Erfahrungswissen begrenzte Optimierungsmöglichkeiten zur Folge hat.

Dies ist umso kritischer zu sehen, da in den frühen Projektphasen die wesentlichen Entscheidungen getroffen werden, die im späteren Projektverlauf Investions- und Betriebskosten verursachen. So ist die Tagesrate der »Thialf« in etwa zehn mal so hoch wie die der »Jumbo Javelin«. Wenn deshalb in der ersten Phase einfache, besser abgestimmte Lösungen gefunden werden können, kann im weiteren Projektverlauf viel Geld gespart werden. Für die Sicherheits-analyse wäre es ferner wünschenswert, eine vollständige Simulation im Zeitbereich durchführen zu können.

Um diese Simulationslücke zu schließen, ist das Forschungs- und Entwicklungsvorhaben »HoOK – Hochseeoperationen mit Kranen« gestartet worden. Das Verbundvorhaben wird durchgeführt von Mareval, Heavylift@Sea und dem Institut für Entwerfen von Schiffen und Schiffssicherheit der Technischen Universität Hamburg-Harburg. Das Vorhaben wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Techno­logie aus dem Programm »Maritime Techno­logien der nächsten Generation« gefördert und läuft über drei Jahre. Die Ziele des Vorhabens sind die Verbesserung von Simulationswerkzeugen für Offshore-Kran­operationen und die Integration der Werkzeuge in eine moderne Schiffsentwurfs- und Planungsumgebung, um den Entwurf innovativer und wettbewerbsfähi­ger Kranschiffe sowie eine schnellere, präzisere und zuverlässigere Planung von Kran­operationen zu ermöglichen. Das Vorhaben wird fachlich begleitet von TTS NMF als Kranhersteller, von SAL Heavylift als Betreiber von Offshore-Kranschiffen und vom DNV als Klassifikationsgesellschaft und MWS.

Aufbau des Forschungsvorhabens

HoOK ist in sieben Arbeitspakete aufgeteilt, die sich auf die Projektpartner und die Projektlaufzeit verteilen. Mareval ist für die Modellierung des Krans in der Entwurfs­umgebung und die Berechnung der Kräfte an der Kranlast aus den Umwelteinflüssen verantwortlich. HeavyLift@Sea wird Module für die Simulation von Kranladungszuständen und die Planung von Operatio­nen im Zeitbereich entwickeln. Die TUHH ist für die Entwicklung der numerischen Methoden für die nichtlineare Seegangs­simulation von Kranschiffen und die DP-Simulation von Kranoperationen zuständig. Die Evaluation der Simulation als siebtes Arbeitspaket soll anhand von Messungen von durchgeführten Kranoperatio­nen erfolgen.

Schlussbemerkung

Die Umsetzung der Energiewende erfordert u.a. eine Kostenreduzierung von Offshore-Operationen, damit wettbewerbsfähige Windparks auf See gebaut und betrieben werden können. Hierfür muss an der Weiterentwicklung der Schiffe und der Ausrüs­tung gearbeitet werden. Es muss eine präzisere Planung auf der Basis von Simulationen erfolgen, um die Einsatzzeiten offshore genauer vorhersagen und verkürzen zu können. Ferner sollten die Simulationen bereits in der frühen Entwurfs- und Planungsphase durchgeführt werden, da dort die kosten­bestimmenden Entscheidungen getroffen werden.

Problematisch hierbei ist, dass bisher keine leistungsfähigen Simulationswerkzeuge für diese Aufgabe zur Verfügung stehen, die mit kurzen Antwortzeiten hinreichend genau die Schiff-Kranlast-Interaktion vorhersagen können. Um diesem Problem zu begegnen, wurde das F&E-Projekt »HoOK – Hochseeoperationen mit Kranen« gestartet. Mit den daraus entwickelten Simulationswerkzeugen können Reeder, Installationsfirmen und Windparkentwickler besser als bisher bei der Konzeptentwicklung und Bewertung beraten werden. Ingenieurbüros und Werften können besser als bisher die Interaktion zwischen Kran und Schiff im Entwurf berücksichtigen, was die Entwicklung von wettbewerbsfähigeren Produkten unterstützen wird.


Dr.-Ing. Hendrik Vorhölter