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Die deutschen Häfen haben sich beim Umschlag von Komponenten für die Offshore-Windindustrie als zuverlässige Partner etabliert. Wie es nach der ersten Ausbaustufe weitergeht, ist allerdings ungewiss.
Gut ein Jahr ist es jetzt her, dass die HANSA in einer vierteiligen Serie vor­gestellt hat, wie sich die[ds_preview] deutschen Häfen auf den Ausbau der Offshore-Windenergie vorbereiten. Mittlerweile hat sich einiges getan: In der Nordsee werden aktuell sieben Meereswindparks gebaut, wodurch sich vor allem für die Häfen in Cuxhaven, Bremerhaven und Emden vielfältige Arbeitsfelder ergeben haben. Auch in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und an anderen Standorten hofft man darauf, ein wachsendes Stück vom Offshore-Kuchen abzubekommen. In der Ostsee steht unterdessen der Baubeginn von »EnBW Baltic 2« unmittelbar bevor: Über Rostock sollen voraussichtlich noch im August die ersten Befestigungspfähle (Piles) für die Jacket-Fundamente verschifft werden, später auch die ebenfalls zum Einsatz kommenden Monopile-Fundamente. Basishafen für das Projekt ist Sassnitz-Mukran, wo EnBW ab 2014 unter anderem die verschiedenen Komponenten der in Dänemark produzierten Windenergieanlagen zwischenlagern und umschlagen will. Der Fährhafen Sassnitz, der sein neues Offshore-Terminal inzwischen so gut wie fertiggestellt hat, verkündete außerdem gerade, dass der internationale Stromerzeuger Iberdrola den Hafen auf Rügen als Basis für den Bau seines Windparks »Wikinger« nutzen wird.

»Unsere Häfen sind bis zu einem gewissen Grad auf die Aufgaben eingestellt, die sich durch den Ausbau der Offshore-Windenergie ergeben«, meint Andreas Wellbrock, Präsidiumsmitglied des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) und Leiter des ZDS-Lenkungskreises Offshore-Windenergie. »Wir sind momentan allerdings an der Kapazitätsgrenze und behelfen uns stellenweise mit Übergangslösungen, was mit Blick auf die Kostendiskussion nicht gerade optimal ist.« Um bei den logistischen Prozessen geringstmögliche Kosten erreichen zu können, brauche es eine ideale Infrastruktur. Die werde im Übrigen auch dann benötigt, wenn es nach erfolgreichem Abschluss der ersten Ausbaustufe demnächst zu einem Bauboom auf See kommen werde. Aktuell lässt der freilich auf sich warten, da angesichts der entstandenen Unsicherheiten über die zukünftigen Einspeisevergütungen in der Offshore-Branche seit geraumer Zeit keine Aufträge mehr vergeben werden (s. HANSA 6/2013). Diese Unsicherheit mache sich auch in den Häfen bemerkbar, sagt Wellbrock, der zugleich Geschäftsführer der BLG Logistics Solutions GmbH ist. Sein Unternehmen habe beispielsweise jüngst entschieden, ursprünglich geplante Investitionen in weitere Schwerlastfahrzeuge für den Standort Bremerhaven vorerst zurückzustellen.

Verfügbarkeit ist wichtiger als Exklusivität

Noch haben seine Kollegen auf der Bremerhavener ABC-Halbinsel im Kaiserhafen allerdings gut zu tun, unter anderem mit der Logistik rund um den Umschlag für den Nordsee-Windpark »Global Tech 1«. Die vergangenen Monate hätten gezeigt, dass auf dem Weg zur Kostenreduktion die Erfahrung eine wichtige Rolle spiele, sagt Wellbrock – so habe man anfangs zum Beladen des Errichterschiffs »Innovation« vier Tage benötigt, jetzt gelinge das in 24 Stunden. Und eine weitere wichtige Erkenntnis habe er gewonnen: Die früher oft postulierte Exklusivität sei nicht erforderlich, entscheidend sei die Verfügbarkeit. »Wir hatten zuletzt Errichterschiffe für drei Projekte hier im Hafen und haben gezeigt, dass sich das logistisch koordinieren lässt – das ist ein Meilenstein.«

Eines dieser Schiffe, die »Victoria Mathias« von RWE Innogy, nutzt für den Umschlag der Fundamente für den Windpark »Nordsee Ost« inzwischen den etwas nordwestlich von der ABC-Halbinsel gelegenen Container Terminal (CT) 1 von Hafenbetreiber Eurogate. RWE hatte dort bereits frühzeitig eine 17 ha große Fläche angemietet, um Komponenten zu lagern und umzuschlagen: unter anderem die zur Verankerung der Jackets benötigten Piles. Die aus Norwegen gelieferten Fundamente selbst sollten ursprünglich an der dortigen Stromkaje direkt vom Ponton übernommen werden, was sich jedoch wegen der starken Strömung als nicht machbar erwies. Der Vorgang wurde deswegen zunächst in den geschützteren Kaiserhafen verlagert, was ein Passieren der Kaiserschleuse erforderlich machte – und nach der vorherigen Aufnahme der Piles auch ein zweites Aufjacken. Um die Beladezeiten für das Installationsschiff zu verkürzen, werden die jeweils rund 550 t schweren Jackets nun seit Juni ebenfalls auf dem Gelände des CT 1 zwischengelagert.

Sowohl Eurogate als auch BLG wollen ihre Hafenanlagen so lange der Offshore-Windbranche zur Verfügung stellen, wie Bedarf besteht und die geplante »große Lösung«, der Offshore-Terminal Bremerhaven (OTB), noch nicht fertig ist. Hier läuft aktuell das Planfeststellungsverfahren, das allerdings nach der jüngsten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur vorläufigen Aussetzung des Klageverfahrens zur Weservertiefung möglicherweise noch einmal angepasst werden muss. Nach dem Scheitern der ersten Ausschreibung im vergangen Jahr (s. HANSA 11/2012) könnte dies zu weiteren Verzögerungen im Zeitplan führen.

Bewegung an der Kaikante

Auch in Cuxhaven hat sich in den vergangenen Monaten einiges bewegt. Das an der Elbmündung gelegene neue Offshore-Terminal 2 mit aktuell einem Liegeplatz und einem Jack-up-Liegeplatz ist im Oktober vorigen Jahres offiziell eröffnet worden, zwei weitere Liegeplätze können nach Aussage von Hafeneigentümer Niedersachsen Ports bei Bedarf kurzfristig ertüchtigt werden. Windparkbetreiber WindMW hat hier bis vor Kurzem die in direkter Nachbarschaft bei Ambau gefertigten Monopiles und Transition Pieces für das Projekt »Meerwind Süd/Ost« umgeschlagen. Nebenan auf dem bereits 2009 in Betrieb genommen Offshore-Terminal 1 ist es unterdessen etwas ruhiger geworden. Zwar nutzt Ambau das Gelände nach wie vor zur Verschiffung der in Cuxhaven produzierten Türme, Monopiles und Komponenten: Der bisher ebenfalls auf dem anliegenden Gelände beheimatete zur Bard-Gruppe gehörende Fundamente­hersteller Cuxhaven Steel Construction musste hingegen mangels Folgeaufträgen die Produktion einstellen und hat vor einigen Monaten die letzten Tripile-Fundamente für das Projekt »Bard Offshore 1« auf den Weg gebracht.

Verschiedene Aufträge für die Offshore-Branche hat zuletzt Cuxport mit seinem Mehrzweckterminal abgewickelt: Unter anderem verantwortete das Unternehmen den Umschlag von 22 Turmsektionen für einen britischen Meereswindpark sowie die Logistik des insgesamt mehrere tausend Tonnen schweren Groutbetons für die Meerwind-Fundamente. Voraussichtlich noch in diesem Jahr werden weitere Spezialschiffe Cuxhaven ansteuern, da E.on Climate & Renewables den Standort als Basishafen für den Bau von »Amrumbank West« nutzen will. Wie es mit dem Offshore-Geschäft weitergeht, entscheidet sich wahrscheinlich nicht unwesentlich in Berlin. Die Branche geht insgesamt davon aus, dass es neue Aufträge nicht vor der geplanten Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes geben wird. Auf den Baukonzern Strabag können die Cuxhavener jedenfalls vorerst nicht setzen: Anfang des Jahres hatte das Unternehmen angekündigt, den geplanten Bau einer Produktionsstätte für Schwerkraftfundamente bis auf Weiteres auszusetzen.

Ungewisse Zukunftsaussichten

Auch in Emden blickt man nicht uneingeschränkt hoffnungsfroh in die Zukunft, obwohl die voriges Jahr angekündigte Machbarkeitsstudie für eine Schwerlasthafenanlage mit Schwerpunkt Offshore am sogenannten Rysumer Nacken inzwischen vorliegt und ein positives Zwischenergebnis erbracht hat. »Die wichtigsten Ergebnisse zu diesem Zeitpunkt sind, dass der Hafen technisch machbar und insbesondere auch Ems-verträglich ist«, sagt Niedersachsen-Ports-Geschäftsführer Hans-Joachim Uhlendorf. Die neue Landesregierung habe ein klares Bekenntnis zum Hafenausbau abgelegt, nun könne der Planungsprozess mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung fortgesetzt werden. Eingetrübt ist die Stimmung an der Ems trotzdem: Die Bard-Gruppe musste schon im Herbst 2012 die Rotorblattfertigung in der Stadt einstellen und steht jetzt kurz vor der Schließung ihrer Gondelproduktion, und auch bei der Insolvenz des mittlerweile von DSD Steel übernommenen Fundamenteherstellers Siag Nordseewerke sind hunderte Arbeitsplätze verlorengegangen.

Dass sich der Rückgang der Komponenten-Produktion direkt auf das Hafengeschäft auswirkt, liegt auf der Hand. Uhlendorf bemüht sich dennoch um Optimismus. Die Situation könne sich schnell wieder ändern, und dann werde die Offshore-Industrie auf zusätzliche Hafenkapazitäten angewiesen sein. Erforderlich sei hierfür, dass die Branche präzise Angaben zu ihren Anforderungen an die Hafenanlagen mache, betont er. »Um eine weitere Standardisierung der jeweiligen Anforderungen zu erreichen, müssen Anlagenhersteller, Logistiker und Hafenbetreiber einen fachübergreifenden intensiven Dialog führen.«
Anne-Katrin Wehrmann