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Durch berührungslose Inspektion im Hafenterminal soll die Containersicherheit erhöht werden, was die USA demnächst per Gesetz verlangen. In Bremerhaven wurden zu

diesem Zweck die Ergebnisse des ECSIT-Projekts präsentiert. Bezüglich der Abläufe sind aber noch manche Fragen offen. Thomas Wägener war vor Ort und stellt das System vor


Unternehmen aus Industrie, Forschung und Wissenschaft haben sich rund drei Jahre damit beschäftigt, Inspektionstechnologien zu ent­werfen, um die Sicherheit[ds_preview] im Container­verkehr zu erhöhen. Ferner war die Zielsetzung, diese in ein ganzheitliches Konzept einzubinden.

Auf dem Eurogate-Terminal in Bremerhaven wurden jetzt die Ergebnisse des sogenannten ECSIT-Projekts vorgestellt. Die Abkürzung ECSIT steht für die »Erhöhung der Containersicherheit durch berührungslose Inspektion im Hafenterminal«.

Hintergrund

Aufgrund globaler Bedrohung durch Terrorismus und organisierte Kriminalität sowie des starken Wachstums des weltweiten Warenverkehrs ist der Bedarf an Sicherheitslösungen in der Warenkette gestiegen. Terroranschläge mittels radioaktiver Stoffe in einem Seefrachtcontainer würden die Logistikkette empfindlich treffen und das Freiwerden entsprechender Stoffe hätte schwerwiegende Folgen für Menschen und Umwelt. Darum gilt es, solche Anschläge ebenso zu verhindern wie den Schmuggel von gefährlichen Waren, beispielsweise Waffen.

Die USA haben in diesem Jahr das H.R.1-Gesetz beschlossen, wonach jeder Container, der über den Seeweg in ihr Land gelangt, sei es als Zielhafen oder im Transit-

verkehr, vorher im Abgangshafen gescannt werden soll. Da der Beschluss keine Stichproben vorsieht, sondern der Inhalt wirklich jeder Box vorher geprüft werden soll, wird dieser Vorgang auch als »100-%-Scanning-Gesetz« bezeichnet.

Projektkoordinator Frank Arendt vom Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) betonte, das ECSIT-Konzept sei nicht aufgrund des US-Gesetzes entwickelt worden. Ziel sei vor allem, ein ganzheitliches Sicherheitskonzept zu entwerfen, bei dem alle Aspekte – wie Verantwortlichkeiten, Gesetzeslage, Abläufe, Kosten, Technologien etc. – berücksichtigt werden, um die Sicherheitsmaßnahmen zu implementieren und die Abläufe und die Sicherheit im Hafen zu gewährleisten.

Basisscan

Es gibt im Wesentlichen drei Möglichkeiten, einen Container auf ein Terminal zur weiteren Seeverschiffung zu bringen: Entweder per Feederschiff, auf dem Schienenweg oder mit dem Lkw. Um zu erkennen, ob ein Container für die USA bestimmt ist, muss seine Identifikationsnummer überprüft werden. In Bremerhaven laufen sämtliche Informationen eines Containers bei der Bremer Hafentelematik (BHT) zusammen, die von Dbh Logistics betrieben wird. Sollte der Bestimmungsort in den USA liegen, müsste der Container laut des H.R.1-Gesetzes gescannt werden (Basisscan).

Die Firma Smiths Detection hat die entsprechenden Scanner hergestellt. Wird der Container per Lkw aufs Terminal gebracht, fährt der Truck mit dem Behälter langsam (etwa 5 km/h) durch die Anlage und wird zweidimensional geröntgt. Während dieses Vorgangs darf ein festgelegter Sicherheitsbereich nicht betreten werden. Nach Betreiberangaben können etwa 100 Lkw in der Stunde an einer Anlage gescannt werden.

Auf einem Monitor wird zeitgleich der Inhalt der Box abgebildet. Für Container mit dem Ziel USA hat das Unternehmen SAP eine spezielle Software entwickelt, den sogenannten Logistics Collaboration Hub (LCH). Dieser koordiniert das Zusammenspiel zwischen den Untersuchungsanlagen und den US-Behörden. Der Scanner sendet die Containerdaten mitsamt den Scans zunächst zur Überprüfung an den LCH, der sie an die US-Behörden weitergibt. Ist der Container »sauber«, erfolgt die Freigabe. Der LCH empfängt diese und gibt die Information an die BHT weiter, die alle anderen relevanten Akteure wie Terminalbetreiber, Bahnverlader, Reeder, Spedition, Zoll sowie Hafenbehörde informiert.

Für die Anlieferung des Containers per Bahn wurde ebenfalls ein Scanner entwickelt, durch den die Züge fahren. Wird die Box mit einem Feederschiff angeliefert, müsste sie mithilfe eines Van Carriers (VC) zunächst zur Scanneranlage transportiert werden, um nach dem Scanvorgang wieder vom VC in Empfang genommen zu werden.

Sonderfall verdächtiger Container

Entdecken die US-Behörden anhand der Bilder des Basisscans etwas Verdächtiges im Container, können sie die Freigabe verweigern. Dann besteht die Möglichkeit, die Box mithilfe von 3D-Bildern genauer unter die Lupe zu nehmen. Experten vom Fraunho-

fer Entwicklungszentrum für Röntgentechnik (EZRT) und vom Fraunhofer Institut für Kurzzeitdynamik (EMI) haben hierfür eine spezielle 3D-Technik entwickelt.

Ein Sonderfall ist auch die Entdeckung eines radioaktiven Containers. Zu den bei dem Basisscan ermittelten Daten gehört auch der Nuklidwert des Behälters. Liegt dieser über dem festgelegten Grenzwert, wird ein Alarm ausgelöst. Zusätzlich übermittelt die BHT die Daten in solch einem Fall an Polizei und Feuerwehr. Nachdem der Container in einen Sicherheitsbereich gebracht worden ist, sichern sie den Container ab, prüfen ihn umfangreich und leiten Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ein.

Unklarheiten bei Abläufen und Zuständigkeiten

Im Laufe der Projektentwicklung wurde deutlich, dass noch wesentliche Aspekte zu klären sind, bevor das H.R.1-Gesetz umgesetzt werden kann. Vor allem gilt es, Verantwortungsfragen und Abläufe zu klären. Wer führt das Scanning aus? Welche Daten müssen erhoben werden? Wer wertet die Daten aus? Wie lange dauert es, bis ein Container freigegeben wird – und wer erteilt überhaupt die Freigabe? Ulrich Gärtner vom Eurogate Containerterminal Bremerhaven machte deutlich, dass die Freigabe maximal eine Stunde dauern dürfe, um die Abläufe auf dem Terminal nicht zu verlangsamen. Auch sei zu klären, ob der Container nach Ablauf der 60 Minuten automatisch freigegeben ist, oder ob für jede Box die Freigabe extra erfolgen müsse. Diese Frage hätten die Amerikaner bisher nicht beantwortet. Nach Angaben von Andreas Maurer von der Universität Bremen hat es ohnehin ein Jahr gedauert, bis jemand in den USA Auskunft zu den Fragen geben konnte. Offensichtlich waren den Amerikanern die Ausmaße des 100-%-Scannings selbst nicht bewusst.

Allein für die Bremerhavener Containerterminals rechnen Experten in Spitzenzeiten mit bis zu 2.000 zu scannenden Boxen pro Tag. Für andere Häfen, die Waren in die USA exportieren, wären ähnliche Größenordnungen zu erwarten. Folglich gilt es eine sehr große Datenmenge zu prüfen und zu speichern. Doch wie lange sollen die Daten gespeichert werden? Um wirklich sicherzugehen, dass von einem Container keine Gefahr ausgeht, müssten sie so lange abrufbar sein, bis er in einem US-amerikanischen Hafen umgeschlagen wurde.

Ferner müsste festgelegt werden, was bei einem Notfall zu tun ist und wie ein solcher definiert ist. Auch hier müssten Zuständigkeiten benannt werden. Wer kommt für Schäden an den Geräten sowie durch die Geräte verursachte Schäden auf?

Umsetzung des Gesetzes offen

Wegen der Unklarheiten wurde das Inkrafttreten des Gesetzes bis mindestens Mitte 2014 verschoben. Franz-Josef Schneiders vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung rechnet wie Andreas Maurer damit, dass das Gesetz zumindest mittelfristig nicht angewendet werden wird. Euro­gate-Sprecher Gärtner würde dies begrüßen: »Wir als Terminalbetreiber wollen es nicht.« Zwar haben auch die Terminals Interesse daran, die Sicherheit im Hafen zu erhöhen, doch stehen sie einer gesetzlichen Verpflichtung wegen des zu leistenden organisatorischen und finanziellen Aufwands skeptisch gegenüber. VDR-Geschäftsführer Martin Kröger sprach sich für mehrere Sicherheitsmaßnahmen aus, die die gesamte Lieferkette abdecken. Zudem sei es wünschenswert, Container auf Basis von Erfahrungswerten als Risikofaktor einzustufen, bevor sie in den Hafen gelangten. Diesem Vorschlag steht Schneiders kritisch gegenüber: »Wenn ein Lkw-Fahrer auf einem Parkplatz seine vorgeschriebene Pause einlegt, sieht er nicht, was mit seinem Container passiert. Der Fahrer bzw. das Unternehmen, für das er tätig ist, gilt möglicherweise als ›sicher‹ und wird deshalb nicht überprüft. Ich halte das für problematisch.«

Dass das ECSIT-Projekt sinnvoll ist, unabhängig vom H.R.1-Gesetz, darüber waren sich die Experten einig. Klaus Thoma vom Fraunhofer EMI: »Wir haben mit diesem Projekt die Grundlagen bzw. Fakten geschaffen. Aufgrund der gewonnenen Erfahrungen werden wir in Zukunft in jedem Fall bessere Scansysteme haben.«


Thomas Wägener