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Das globale Bereederungsunternehmen verzeichnet in Deutschland steigende Anfragen von Investoren und Schiffseignern.
Die deutsche Handelsflotte gehört – immernoch – zu den größten der Welt. Trotzdem ist Deutschland kein Mekka für sogenannte Third Party Manager[ds_preview], die eine Bereederung im Auftrag der Schiffseigner durchführen. Die meisten deutschen Eigner bewirtschaften ihre eigenen bzw. die sei­nerzeit mit Emissionshäusern finanzierten Schiffe selbst. Dabei ist die Branchenstruktur bekanntermaßen sehr fragmentiert: Das Gros der Reeder betreut kaum eine Handvoll Schiffe und profitiert somit nur eingeschränkt von Skaleneffekten. Mit dem Zustrom neuer institutioneller Investoren in die Schifffahrt, die höhere Ansprüche an Kosteneffizienz und Reporting stellen, könnte sich das ändern.

Zu den großen Schiffsmanagern, die ihre Zelte in Deutschland aufgeschlagen haben, zählt auch die Anglo-Eastern Group mit Hauptsitz in Hongkong. Seit dem Jahr 2008 ist die Firma mit einem Bereederungsbüro in Bremen vertreten und sitzt dort fast Tür an Tür mit einem ihrer Kunden, der D. Oltmann Reederei, für die Anglo-Eastern mehrere Containerschiffe managt.

Das 14-köpfige Team um Geschäftsführer Peter van Goens betreut heute insgesamt elf Frachter, vom Feeder- bis zum Postpanamaxschiff. »Zwei weitere Schiffe haben wir bereits in Aussicht für 2014. Generell sind wir bereit für jede Art von Dry-Cargo-Schiff«, sagt der gelernte Ingenieur für Schiffsbetriebstechnik im Gespräch mit der Hansa. Vor einigen Jahren hat sich Anglo-Eastern das Ziel verordnet, die gemanagte Flotte jedes Jahr um 10 bis 15 % auszubauen.

Nach den ersten Jahren der Aufbauarbeit hat van Goens den Eindruck, dass sich das Wachstum in Deutschland beschleunigen könnte. Der Markt sei im Umbruch, immer mehr Schiffe wechseln den Eigentümer und häufig auch den Bereederer. »Wir bekommen jetzt regelmäßig Anfragen von Inves­toren und Asset Managern. Vielleicht nicht jede Woche, aber bestimmt einmal pro Monat«, berichtet van Goens, der hierzulande allmählich einen Sinneswandel in Bezug auf Third Party Manager zu erkennen glaubt.

Auch die Übernahme kompletter kleinerer Flotten sei denkbar, weil sich solche Betriebsgrößen angesichts des scharfen Kostendrucks und der immer komplexeren Regulierung durch Flaggen- und Hafenstaaten kaum mehr wirtschaftlich betreiben ließen. »Flottentransfers sind zunehmend im Gespräch, weil der Markt und die Regulierung komplizierter werden«, erläutert van Goens. »Jeden Tag ist man mit neuen Anforderungen konfrontiert. Aber wie soll man eine entsprechende Inspektion aufrechterhalten, wenn es nur um 10 bis 15 Schiffe geht? Wäre es dann nicht schlauer, die Aufgaben einem Third Party Manager zu übertragen?«

Das Netzwerk verringert den Aufwand pro Schiff

Über die Bereederungsgebühren, die das Unternehmen von seinen Kunden verlangt, möchte der Deutschland-Chef von Anglo-Eastern nicht im Detail sprechen. Laut der britischen Wirtschaftsprüfungsfirma Moore Stephens liegt die durchschnittliche Managementgebühr für ein mittelgroßes Containerschiff (3.600 TEU) bei knapp 242.000 $ pro Tag. Für Eigentümer von weltweit 450 Schiffen – darunter auch Hapag-Lloyd – ist das Preis-Leis­tungs­verhältnis bei dem Hongkonger Unternehmen immerhin so gut, dass sie sich für eine Bereederung durch Anglo-Eastern entschlossen haben. Die Synergien durch Serien- und Skaleneffekte im Konzernverbund erstreckten sich vom Einkauf, dem Crewing und der Instandsetzungsplanung bis zu einfachen administrativen Funktionen. »Das Management-Prinzip und die Prozeduren, zum Beispiel für Trockendockungen, Gutachten und Schadensberichte, sind dieselben in allen Büros weltweit. Der deutsche Inspektor arbeitet nach derselben Routine wie ein technischer Inspektor in Hongkong. Das macht den administrativen Aufwand sehr schlank«, unterstreicht van Goens.

Mit 21 Büros weltweit immer nah an den Kunden

Hinzu komme die gegenseitige Unterstützung im Netzwerk. Mit 21 Büros weltweit sei die Firma immer nah an den betreuten Schiffen, wodurch sich der Reiseaufwand für die Inspektoren verringere. »Man kann sich zwischen den internationalen Büros immer untereinander helfen.« Bestimmte Funktionen wie das Sicherheitsmanagement nach ISM und ISPS habe Anglo-Eastern in internen Dienstleistungsabteilungen konzentriert, um eine hohe Produktivität zu gewährleisten. Zudem unterhält das in den 1970er-Jahren gegründete Unternehmen ein eigenes Büro in Houston, um die Anläufe der Schiffe in den streng regulierten Häfen der USA besser betreuen und behördliche Themen prompt regeln zu können. »Für die Reeder ist es zum Beispiel wichtig zu wissen«, sagt van Goens, »was die neuesten Interpreta­tionen zu Schifffahrtsbestimmungen in den USA sind.« Sprich: Welche Zertifikate, Genehmigungen oder Ausrüstungsgegenstände mitgeführt werden müssen, damit die Schiffe die Häfen der größten Volkswirtschaft überhaupt anlaufen dürfen.

Ein besonders gewichtiges Pfund, das der Third Party Manager in die Waagschale werfen könne, sei das eigene Crew Management. Qualifiziertes und laufend fortzubildendes Personal in den unteren Dienstgraden könnten sich kleinere Reedereien allein schließlich nicht leisten. Anglo-Eastern halte einen Pool von insgesamt rund 20.000 Seeleuten vor, größtenteils mit indischem Pass, die in eigenen Trainingszentren in Indien, auf den Philippinen, in China und der Ukraine ausgebildet werden. Darin sieht van Goens einen entscheidenden Hebel für weitere Marktanteilsgewinne in der Bereederung und beruft sich dabei auf eine Studie des Germanischen Lloyd (»Best Practice Ship Management«), wonach 88 % aller befragten Reedereien und Schiffseigner die größte Herausforderung in der Zukunft im Crewing sehen. Auch bei den ersten Pro­jekten für das Bremer Anglo-Eastern-Büro seien die Anforderungen des Kunden im Bereich des Seepersonals mit ausschlag­gebend für die Auftragserteilung gewesen.

Dass dem Third Party Manager in der öffentlichen Wahrnehmung der persönliche Bezug zu den gemanagten Schiffen abgesprochen wird, hält van Goens für ein Vorurteil. Bei Anglo-Eastern sei ein Inspektor (unterstützt durch technischen Assistenten und Sekretär/in) für vier bis fünf Schiffe verantwortlich. »Der kennt seine Schiffe sehr genau und kann sie mit den bestehenden Management-Tools gut überwachen.« Dazu gehörten pro Jahr zwei Routineinspektionen an Bord. Andere mittelständische Reedereien in Deutschland hielten nach den hohen Bestellungen in den Boomjahren auch weniger Personal für mehr Schiffe vor.
Michael Hollmann