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Über das im Rahmen eines STG-Sprechtages behandelte Rüstungsvorhaben der Deutschen Marine, das auch als modularer maritimer Fähigkeitsträgerm bezeichnet wird, berichtet Karl-Heinz Hochhaus

Bei windigem Wetter und stürmischer See wurden am 17. Oktober 2013 im Nato-Saal des Marinestützpunktes in Wilhelms­haven beim[ds_preview] Marinesprechtag ver­schie­­­dene Vorträge mit Hintergrundinformationen zum geplanten neuen Rüstungsprojekt Mehrzweckkampfschiff 180 (MKS 180) der Deutschen Marine gehalten. Geleitet wurde die STG-Veranstaltung von DirBWB Rainer Schepers, der eDirBWB Peter Grundmann vertrat.

Aktuell befindet sich das auch als Fähigkeitsträger bezeichnete MKS 180 in der Planungs- und Konzeptionierungsphase. Es ist im 2012 von Vizeadmiral Manfred Nielson »in Dienst gestellten« neuen Planungsamt der Bundeswehr in Berlin-Köpenick angesiedelt. Das rund 270 militärische und 100 zivile Dienstposten umfassende Amt wird von Generalmajor Frank Leidenberger geführt. Es wird künftig alle Planungselemente der Bundeswehr, also auch der Marine, in einem Haus bündeln.

Taktisch-operative Herleitung: Ableitung der funktionalen Fähigkeitsforderung

Fregattenkapitän Dirk Gärtner vom Planungsamt der Bundeswehr stellte und beantwortete im ersten Vortrag die Grundfrage: Wieso braucht die Bundeswehr eine neue schwimmende Systemplattform? An die Marine werden bei sinkendem Personalbestand sowohl in der Anzahl als auch in der Vielfalt neue Anforderungen gestellt. Gärtner beschrieb die Anforderungen an das zukünftige modulare Mehrzweckkampfschiff, die ermöglichen, dass die Marine sich zu einer Flotte weiterentwickelt, welche auch in großer Entfernung von der Heimat im multinationalen Rahmen dauerhaft operieren kann (Abb. 1). Damit dies auch unter Bedrohung vor fremden Küsten erfolgen kann, sind die jeweils erforderlichen Kräfte und Mittel dafür flexibel und reaktionsschnell zur Verfügung zu stellen (Missionsmodularität).

Diese große Bandbreite der Aufgaben und die zu ihrer Erfüllung notwendigen Eigenschaften bedingen für das MKS 180 eine modular gestaltete Systemplattform, deren Fähigkeitsprofil flexibel an den Auftrag und Verlauf der Einsatzoperationen angepasst werden kann. Als wesentliche Aufgaben wurden angeführt:

• Seeraumüberwachung und Beherrschen von Räumen,

• Embargo und Blockade (seeseitiger Beitrag),

• Teilhabe an nationaler Risikovorsorge,

• Unterstützen von Operationen an Land,

• Beitragen zur Erfüllung des Auftrages der Marine in der Landes- und Bündnisverteidigung,

• Unterstützen im Rahmen von Operationen zur humanitären Hilfe.

Bis spätestens 2025 soll diese operativ nutzbare neue Schiffsklasse als Systemträger Überwasser mit Fähigkeiten zur Abwehr der Bedrohung durch U-Boote (ASW / Anti- Submarine-Warfare) und zum Eigenschutz gegen Bedrohungen aus der Luft durch Luftfahrzeuge (AAW / Anti-Aircraft-Warfare) und Flugkörper (ASMD / Anti-Ship-Missile-Defense) verfügbar sein.

Vom Bedarf zur Lösung: Die Analysephase im Projekt MKS 180

Der Vortrag von TRDir Rudolf Braun vom Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr stellte dar, wie das novellierte Customer Product Management (CPM nov.) als Verfahren zur Bedarfsermittlung und -deckung beim Pilotprojekt MKS 180 in der Praxis umgesetzt wird.

Anhand eines Ablaufplanes (Abb. 2) beschrieb Braun die einzelne Projektschritte, die von Integrierten Projektteams (IPT) abgearbeitet werden. In den IPTs sollen ab Analyse Teil 2 auch Mitglieder der nationalen und internationalen Wirtschaft bzw. der Industrie vertreten sein.

Nach dem Vorlauf der Analyse und der Analyse Teil 1 befand sich das Vorhaben zum Zeitpunkt des STG-Sprechtages nach Billigung des CPM-Dokuments »Fähigkeitslücke und Funktionale Forderung (FFF)« durch den Generalinspekteur der Bundeswehr in der Analysephase Teil 2. Es wurden Designstudien ausgeschrieben, die an Firmen vergeben werden.

2014 erfolgt die Erstellung und Bewertung der Lösungsvorschläge und der Generalinspekteur der Bundeswehr entscheidet abschließend über die beste Lösung für den Bau des MKS 180. In diesem Vorhaben sollen auch alternative Rumpfformen vorgeschlagen und diskutiert werden. Als Ergebnisse der Analysephase Teil 1 wurden von den P+S-Werften und der Marinetechnischen Gesellschaft (MTG) erste System­entwürfe erstellt (Abb. 3).

Einfluss der Payload auf den Gesamtentwurf

Guido Gerdemann, Geschäftsführer der MTG Marinetechnik, sprach die große Herausforderung bei der Planung dieser Systemplattform (Abb. 4) an. Der Schritt vom Projekt zum Schiff entsteht im iterativen Prozess, bei dem unterschiedliche Schiffsentwürfe ein schlüssiges Gesamtkonzept ergeben sollen. Dabei sind die vielfältigen Forderungen, hier vorwiegend die im ersten Vortrag beschriebenen verschiedene militärischen Einsatzzwecke, im Rahmen des verfügbaren Budgets zu erfüllen.

Als Payload werden Systeme, Anlagen und Komponenten bezeichnet, welche das Marineschiff für den jeweils geplanten militärischen Einsatzzweck benötigt. Dazu gehören alle Sensoren und Waffensysteme sowie organische Einsatzmittel, z. B. Bordhubschrauber und verschiedene Einsatzboote inklusive der Anlagen und Systeme zur Unterbringung, Wartung und Versorgung, Start und Landung bzw. Aussetzen und Einholen (Abb. 5).

Am Beispiel des Bordhubschraubers der 13-Tonnen-Klasse wurde der Einfluss auf die Payload verdeutlicht, da weitere Einrichtungen wie Hangar (55 t), Tanks und Tankeinrichtungen (62 t), Waffen (10 t), zwölf Personen Personal und OPZ-Anteil benötigt werden. In Summe ergeben sich zusätzlich rund 140 t Gewicht und 1.765 m³

Raumbedarf, wodurch sich die Hauptabmessungen um rund 14 % erhöhen.

Modulare Payload: Entwicklung, zukünftige Anforderungen und Möglichkeiten aus Industriesicht

Die Modularisierung der Payload (W+E-Systeme) für Marine-Überwassereinheiten behandelte Hans-Dieter Ehrenberg von Atlas Elektronik. Flexibel austauschbare Module spielten bei den Marinen seit den 1970er-Jahren eine wachsende Rolle und wurden in Deutschland, Dänemark und den USA realisiert. Dazu gehören Konzepte wie MEKO, Stanflex und SSES/NIICP. Die Entwicklung der Modularität bei Marineschiffen begann mit der:

• MEKO der ersten bis dritten Generation von Blohm + Voss Hamburg (geliefert in neunLänder),

• Stanflex Dänemark (enthielt Module und Missionspakete; geliefert in drei Länder),

• US Navy (SSES- und NIICP-Regelwerke und -Standards).

Aktuell wird die Modularität heute umgesetzt bei der:

• vierten MEKO-Generation (»A-Klasse«), TKMS Hamburg,

• LCS (Littoral Combat Ship), USA,

• SIGMA-Klasse, Damen, Holland (Ship Integrated Geometrical Modularity Approach;inzwischen für drei Länder).

Selten hingegen wurden Missionsmo­du­laritäten verwirklicht – Beispiele sind die dänische Stanflex-Klasse, die drei Schiffs­typen ersetzte, und das Littoral Combat Ship der US Navy. Diese neuartigen US-Schiffstypen wurden in zwei Klassen für die küstennahe Gefechtsführung zum Einsatz der »asymmetrischen Kriegführung« im feindlichen Küstenvorfeld konzipiert.

Das deutsche Marineprojekt MKS 180 soll nun ebenfalls Missionsmodule erhalten. Folgende Ausstattungen und Einrichtungen eignen sich für die sogenannte »Missionsmodularisierung«:

• organische Einsatzmittel mit Aussetzsystemen, z. B. AUV (s. Abb. 6),

• Tauchereinrichtungen (Hellegatt, Druckkammer),

• ausgewählte missionsrelevante Sensor- und Effektorsysteme,

• Führungs-, Aufklärungs- und Einsatzplanungs- sowie Auswertungseinrichtungen,

• Lager- und Wartungseinrichtungen für missionsspezifisches Gerät,

• erweiterte Lazarettkapazitäten zur Fremd­versorgung,

• Zusatzunterkünfte für Missionspersonal, Trainees oder andere Personen,

• Ausstattung für Ausbildung, Forschungszwecke und Katastrophenhilfe.

Gesamtsystemsimulation im Marineschiffbau am Beispiel Antrieb

Wolfgang Sichermann von Thyssen­Krupp Marine Systems (TKMS) begann mit der Beschreibung der verschiedenen Antriebskonfigurationen der Fregatten und vertiefte inhaltlich das CODLAG-System. CODLAG steht für Combined Diesel Electric and Gas, und diese Anlage dient zum Antrieb der neuen im Bau befindlichen Fregatte F125 (Abb. 7).

Das System besteht aus vier Dieselgeneratoren, zwei elektrischen Fahrmotoren, einer Gasturbine, Getriebe und zwei Verstellpropellern. Die Abb. 8 zeigt die stationäre Kennlinie, die sich aus den verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten ergibt. Anschließend ging Sichermann kurz auf die Modelle der einzelnen Komponenten ein und stellte an mehreren Beispielen die dynamische Simulation des Gesamtsystems vor. Dabei wurden das Zusammenwirken der technischen Systeme und Antriebskomponenten mit dem hydrodynamischen System simuliert, das dynamische Verhalten untersucht und die Ergebnisse wie die Beschleunigung und Crashstopps über der Zeit grafisch dargestellt.

Die numerische Strömungssimulation (CFD) wird erfolgreich im Schiffbau und Marineschiffbau eingesetzt, um die Gesamtanlagen in einem frühen Stadium zu optimieren. Damit wird es möglich, die tech­nischen Risiken zu reduzieren, das Antriebssystem zu optimieren und die Zahl der Modellversuche im Tank zu minimieren. Als Beispiele wurden ein Drehkreismanöver, Ergebnisse zum Wellenbild, die Belastungen und die Analyse der insta­tionären Geschwindigkeitsverteilung und Druckschwankungen vom Propeller aus insta­tionären CFD-Berechnungen für die F 125 grafisch dargestellt (Abb. 9).

Entwurfsbestimmender ParameterStandkraft

Volker Hesse von TKMS (Abb. 10) definierte die Standkraft als einen wesentlichen Parameter des Schiffsentwurfs im Marineschiffbau, da diese Eigenschaft für die Intensivnutzung im weltweiten Einsatz eine höhere Priorität hat und einen extrem starken Einfluss auf den Entwurf ausübt. Folgende wichtigen, gestuften Standkraftforderungen gelten für Marineschiffe:

• Das Schiff muss nach Treffer schwimmfähig bleiben.

• Das Schiff muss nach Treffer sicher den Hafen erreichen.

• Das Schiff bleibt nach Treffer fähig zur Selbstverteidigung.

• Das Schiff bleibt voll kampffähig.

Hesse zeigte den möglichen Schadensverlauf in vier Phasen vom Treffer bis zur Wiederherstellung.

Zur Erhöhung der Standkraft und Verringerung der Verwundbarkeit sind Maßnahmen zu treffen; neben einer verbesserten Schockfestigkeit gehören dazu eine entsprechende Aufteilung wie z. B. klare vertikale Trennung, eine Zonenautarkie und eine erhöhte Redundanz.

Die Industrie ist aufgefordert, die Standkraft der MKS 180 mit innovativen Lösungen zu optimieren, um eine qualitativ hochwertige Plattform mit den geforderten Fähigkeiten zu planen, entwerfen und anzubieten. TKMS hat das Projekt MEKO FLEX als Weg zum Ziel entwickelt und damit eine Diskussionsgrundlage geschaffen.

Autor:

Dr. Karl-Heinz Hochhaus

TU Hamburg-Harburg

hochhaus@tuhh.de

 

Karl-Heinz Hochhaus