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Die Entwicklung von den Anfängen im Segelzeitalter über die Ära der Transatlantik-Liner bis hin zum heutigen Kreuzfahrtschiffbau schildert Hans Jürgen Witthöft


Ein Blick zurück in die jüngste Geschichte zeigt, dass Deutschland als Ganzes, das ja erst 1871 als Nation im heutigen Sinne z[ds_preview]usammen gefunden hat, zu den Spätentwicklern in der maritimen Welt zu zählen ist – Hanse hin, Hanse her. Schifffahrt und Schiffbau waren mehr oder weniger lokal ausgerichtet und genügten so den vormaligen Ansprüchen. Das änderte sich erstmals, als geschäftstüchtige Reeder in den anschwellenden Auswandererströmen aus der Alten in die Neue Welt ein lukratives Betätigungsfeld erkannten.

Hier ungefähr könnte der Anfang des Passagierschiffbaus in Deutschland liegen, umstritten vielleicht, aber diese Menschen-»Ladung« wird wohl nicht zuletzt den Anstoß zur Gründung der Hamburg-Amerika Linie (damals noch Hamburg-Amerika­nische Packetfahrt Actiengesellschaft / Hapag) und zur Bestellung von drei ersten Schiffen gegeben haben. Nicht von Passagierschiffen im heutigen Sinn, aber die »lebendige Ladung«, wenn man es so salopp ausdrücken darf, bildete schließlich die Grundlage des Geschäftes. Die drei Schiffe wurden 1848 auf Hamburger Werften gebaut – das Voll­schiff »Deutschland« als erstes Schiff bei Von Somm und die beiden folgenden Bar­ken »Nord-Amerika« bei Johns und »Rhein« wieder bei Von Somm.

Die »Deutschland« als der größte der drei Segler hatte eine Vermessung von 538 BRT (Bruttoregistertonne) und konnte bei einer Länge von 40,4 m und 9,5 m Breite 20 Passagiere in einer Ersten Klasse und 200 im Zwischendeck aufnehmen. Die Größe des Schiffes ließ allerdings keine im heutigen Sinne bequeme Beförderung zu, besonders nicht bei den bedauernswerten im Zwischendeck hausenden Menschen, die 80 Mark Banco pro Platz und Überfahrt aufzubringen hatten. Männer und Frauen, Kinder und Greise befanden sich auf engstem Raum. Die wenige Habe war in greifbarer Nähe irgendwie verstaut, als einzige Stütze die Hoffnung auf das gelobte Land, dem das Schiff entgegen segelte. Die Kajütspassagiere waren mit 300 Mark Banco Reisekosten dabei und hatten es schon etwas besser. Große Ansprüche hinsichtlich Küche und Bedienung konnten aber auch sie nicht stellen, denn die geringe Besatzungsstärke lässt jedenfalls darauf schließen, dass kaum Bedienungspersonal dabei war. Einschließlich Kapitän und Steuermann waren nur 17 Seeleute an Bord.

Anfänge im Kaiserreich

Die meisten Schiffe, die, ohne ein Datum festlegen zu wollen, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis noch weit in die nächsten Dekaden hinein als Passagier- und Frachtschiffe oder umgekehrt als Fracht- und Passagierschiffe bezeichnet wurden, waren einfach Zwitter, welche beiden Zwecken gleichermaßen dienten. Auch deutsche Reedereien setzten derartige Schiffe in zunehmender Zahl ein. Dampfer waren es inzwischen, denn die Zeit der Segelschiffe hatte sich rasch dem Ende zugeneigt. Gebaut wurden sie fast ausnahmslos in England, denn die deutschen Reedereien, die besonders nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871 schon ganz gut ins Geschäft gekommen waren, trauten den heimischen Schiffbauern nicht so recht. Jede Reederei hatte quasi eine »Hauswerft« auf der Insel, sodass die Namen der dort gebauten Schiffe die Baulisten der deutschen Reedereien in den frühen Jahren dominierten.

Das änderte sich allmählich, als im Zuge der raschen Industrialisierung des jungen deutschen Kaiserreiches auch die Werften an den deutschen Küsten im Bau eiserner Schiffe ihre wachsende Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen konnten. Zwar war es schwer, die Herren in den Reedereikontoren davon zu überzeugen, aber es gelang.

Unterstützt wohl auch von einem wachsenden, der Zeit entsprechenden Nationalbewusstsein bzw. Nationalstolz, der sich nicht zuletzt aus dem Zuspruch nährte, den die deutschen industriellen Produkte allmählich in weiten Teilen der Welt erfuhren. »Made in Germany« wurde zu einem international beachteten Gütesiegel. Dem konnten sich letztlich auch die deutschen Reedereien bei der Bestellung ihrer neuen Schiffe nicht länger entziehen, und sie taten es auch nicht, wenn zunächst wohl sehr zögerlich und von Warnungen skeptischer »Experten« begleitet.

So kam dann langsam der Bau von großen Passagierschiffen auf deutschen Werften in Gang. Vorausgeschickt sei hier gleich, dass sich die folgenden Ausführungen im Wesentlichen auf die drei großen Reedereien in diesem Geschäft beschränken werden, Norddeutscher Lloyd, Hamburg-Amerika Linie und Hamburg Süd, sowie auf ihre großen Bauwerften, AG Weser und Blohm & Voss an der Nordsee sowie AG Vulcan in Stettin und F. Schichau in Danzig. Und, da sich deren Bauleistungen so außerordentlich entwickelten, sollen nur die Spitzenschiffe genannt werden, nämlich die, die auch außerhalb der eigentlichen maritimen Welt international Beachtung fanden.

Jedoch selbst da wird es wegen der Vielzahl der Schiffe keine Vollständigkeit geben können. Grundsätzlich soll schon an dieser Stelle festgehalten werden, dass der Passagierschiffbau auf den deutschen Werften untrennbar verbunden ist mit der Entwicklung der deutschen Reedereien, wobei sich beide Seiten ganz offensichtlich bei den Anforderungen und deren Erfüllung in idealer Weise ergänzten.

Ausgangspunkt war sicherlich der Nordatlantik-Verkehr, die damalige »Hochstraße des Weltseeverkehrs« – der lukrativen Verbindung zwischen der »Alten« und der »Neuen« Welt. Lukrativ war diese vor allem in Bezug auf das rasch wachsende Passagieraufkommen, und zwar nicht nur im Zwischendecksbereich. Alle großen europäischen Reedereien versuchten sich hier mit immer neuen Angeboten Marktanteile zu sichern oder weitere hinzuzugewinnen: Briten vor allem, Franzosen und Italiener sowie mit zunehmendem Erfolg auch deutsche. Hapag und der Norddeutsche Lloyd (NDL) mussten sich als wichtigste deutsche Linien nicht nur im internationalen Wettbewerb behaupten, sondern nebeneinander gleichermaßen im nationalen Konkurrenzkampf. Hier die Hansestadt an der Elbe, dort die an der Weser. Noch Jahrzehnte sollte es so gehen, doch gab dieser Wettbewerb zweifellos auch Impulse.

Mitte der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts hatte der NDL mit seiner Schnelldampferserie, d.h. Schiffe, die fast ausschließlich für die Beförderung von Passagieren und Post ausgelegt waren, auf dem Nordatlantik deutlich die Nase vorn. Gebaut waren sie zunächst wiederum ausschließlich in England. Die Hapag, schon unter dem Einfluss ihres legendären späteren Generaldirektors Albert Ballin, musste nachziehen und entschloss sich zum Bau von zwei Schnelldampfern, verbunden mit dem Wagnis, einen davon auf einer deutschen Werft, der Stettin Aktiengesellschaft Vulcan, in Auftrag zu geben. Das Risiko wurde seitens der Aktionäre als durchaus bedeutend eingeschätzt, denn keine deutsche Werft hatte bis dahin ein Schiff der verlangten Größe und Konstruktion gebaut – und nach wie vor bestand weitverbreitet die Ansicht, dass auch jetzt noch keine von ihnen dazu in der Lage sei. Durch Vermittlung Bismarcks hatte die Reederei jedoch ein Gutachten des Prinzen Wilhelm, des späteren Kaiser Wilhelm II., erhalten, in dem dieser auf die Leistungsfähigkeit der Vulcan-Werft hinwies. Dem konnte man sich natürlich nicht entziehen und der prinzliche Gutachter behielt Recht.

Mit der Ablieferung der »Augusta Victoria« (später korrigiert in »Auguste Victoria«) 1888, des ersten auf einer deutschen Werft gebauten großen Übersee-Passagierdampfers, bekam die Reederei ein Schiff, wie sie es sich gewünscht hatte. Bei einer Größe von 7.661 BRT bot es mit einer Besatzung von 245 Mann Platz für 400 Fahrgäste in der Ersten und 120 in der Zweiten Klasse sowie 580 im Zwischendeck. Darüber hinaus war die »Augusta Victoria« der erste deutsche Doppelschrauben-Schnelldampfer. Mit seiner 13.500 PSi leistenden Antriebsanlage konnte eine Geschwindigkeit von 19 kn erreicht werden. Und um noch etwas bei diesem Schiff zu bleiben, vorab die Ergänzung, dass es 1891 mit einer Reise in das Mittelmeer und den Nahen Osten die erste Kreuzfahrt in der Geschichte der Schifffahrt überhaupt bot. Der »Augusta Victoria« folgte, ebenfalls vom A. G. Vulcan, im Jahr 1891 die 8.430 BRT große »Fürst Bismarck«.

Nicht zuletzt unter dem Eindruck dieser als bahnbrechend zu wertenden nationalen Auftragsvergabe seitens der Hapag, die im Lande große Beachtung gefunden hatte, riskierte es dann auch der Norddeutsche Lloyd, nach neun aus England gelieferten Schnelldampfer-Neubauten, die nächsten beiden und zugleich die letzten der Serie, ebenfalls bei der A.G. Vulcan in Stettin zur ordern. Die »Spree« und »Havel« wurden 1890/91 geliefert, waren mit 6.963 BRT vermessen und hatten eine Passagierkapazität von 274 in der Ersten und 148 in der Zweiten Klasse sowie 384 im Zwischendeck. Mit 12.700 PSi Antriebsleistung lag die Höchstgeschwindigkeit zwar mit 21,5 kn höher als die der Hapag-Konkurrenz, aber es waren immer noch Einschraubenschiffe, die damit der technischen Entwicklung hinterherhinkten. Und dennoch bot die Reederei mit ihren Schnelldampfern die dichteste Abfahrtsfolge aller Nordatlantik-Reedereien und entwickelte sich damit zu dem dort im Passagieraufkommen erfolgreichsten Anbieter.

Doch damit nicht genug. Nach einer ganzen Reihe großer, mehr dem Güterverkehr zugewandten Schiffen, fast alle auf deutschen Werften gebaut, etwa die Reichspostdampfer oder der 1896 von Blohm & Voss gelieferte »Barbarossa« (10.769 BRT / rund 2.500 Fahrgastplätze) hatte sich die Reederei, praktisch als Krönung ihrer Nordatlantik-Präsenz, zu dem Bau des später berühmt gewordenen »Vierschornsteiner-Quartetts« entschlossen – Schnelldampfern der Extraklasse. Je zwei Schiffe wurden beim Vulcan in Stettin und bei Schichau in Danzig in Auftrag gegeben. Mit ihnen sollten die schnellen Schiffe der britischen Reederei Cunard in den Schatten gestellt werden. Geschwindigkeit war eben auch damals schon ein wichtiges Prestige- und damit Verkaufsargument.

Es gelang auf Anhieb. Der von der Stettiner AG Vulcan 1897 gelieferte Neubau »Kaiser Wilhelm der Große« machte gleich in zweierlei Hinsicht Schlagzeilen: Mit seinen 14.349 BRT war dieser erste Vierschorn­steiner nicht nur das größte Schiff der Welt, sondern mit seiner Antriebsleistung von 31.000 PSi gelang ihm auch die Erringung des heiß ersehnten »Blauen Bandes«. Mit durchschnittlich 22,3 kn konnte die Überfahrt zwischen den Needles und Sandy Hook im November 1897 in nur fünf Tagen, 17 Stunden und 23 Minuten bewältigt werden.

Die Sensation war da, von der Presse diesseits und jenseits des Atlantiks gebührend gefeiert. Dieses neue Superschiff, beredtes Zeugnis auch der auf Weltniveau herangewachsenen deutschen Werftindustrie, bot mit einer Besatzung von 488 Personen Platz für jeweils weit über 200 Passagiere in der Ersten und Zweiten Klasse sowie 1.074 im Zwischendeck. Letztere waren immer noch das sogenannte »Schwarzbrot« der Passagierschiffsreedereien und blieben es auch für lange Zeit. Mit dem von der Danziger Schichau Werft 1898 gelieferten zweiten Neubau, der »Kaiser Friedrich« (12.481 BRT), ging es allerdings voll daneben. Die Reederei nahm ihn we­gen zu geringer Geschwindigkeit nicht ab.

Dem Ersatzbau »Kronprinz Wilhelm« (1901 / 14.908 BRT) und den folgenden beiden Schwesterschiffen »Kaiser Wilhelm II« (1902 / 19.361 BRT), »Kronprinzessin Cecilie« (1906 / 19.360 BRT), alles Bauten vom Vulcan in Stettin, gelangen nochmals spektakuläre Rekordfahrten. Mit diesem »Vierschornsteiner-Quartett« hatte der Lloyd bis 1913 seine Vormachtstellung auf dem Nordatlantik gesichert – zumindest was die Zahl der beförderten Passagiere betraf. Allerdings erwiesen sich die Schiffe als wahre »Kohlenfresser«, was das wirtschaftliche Ergebnis doch nicht unerheblich beeinträchtigte.

Der große Erfolg der Bremer Konkurrenz mit ihrem Schnelldampfer »Kaiser Wilhelm der Große« hatte aber dann doch Albert Ballin beunruhigt, zumal wegen der großen Propaganda-Erfolge. Er selbst hatte bis dato für seine Reederei wegen der besseren Wirtschaftlichkeit auf große, aber langsamere Schiffe mit entsprechend geringerem Kohlenverbrauch gesetzt.

Als Beispiel dafür können die drei von Blohm & Voss gebauten Dampfer »Bulgaria«, »Batavia« und »Belgravia« gelten. Sie waren mit rund 10.000 BRT vermessen und boten neben großen Laderäumen jeweils 300 Fahrgästen sowie 2.400 Zwischendeckern Platz, erreichten aber nur eine Geschwindigkeit von 12 kn. Nun aber sollte mit einem Paukenschlag aufgeholt werden und für den dafür vorgesehenen Schnelldampferneubau wählte auch Ballin die bewährte Vulcan-Werft in Stettin.

Diese lieferte den Hamburgern mit dem Vierschornsteiner »Deutschland« das gewünschte Schiff – einen »Renner« mit 16.502 BRT und einer Maschinenleistung von 37.800 PSi. Er erreichte auf Anhieb das Ziel, als er nämlich mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 23,4 kn der Bremer Konkurrenz das »Blaue Band« abluchste. Die »Deutschland« mit einer Passagier­kapazität von gut 2.000 Plätzen in vier Klassen blieb das einzige Schiff dieser Art der Hapag, zumal wegen des hohen Brenn­stoffverbrauchs und der daraus folgenden zweifelhaften Wirtschaftlichkeit. Weil die »Deutschland« bei höheren Fahrtstufen stark vibrierte, erhielt sie den Spitznamen »Ballins Cocktailshaker«, blieb aber trotzdem unter den Namen »Victoria Luise« und »Hansa« noch bis 1925 im Dienst.

Aber auch Hamburg Süd setzte auf ihrer Südatlantik-Route Zeichen, und zwar zunächst mit dem von Blohm & Voss gebauten Dampfer »Cap Finisterre« – ein weiteres Spitzenprodukt des deutschen Schiffbaus und das damals führende Schiff auf dem Südatlantik. Es war mit seinen 14.503 BRT und 170,7 m Länge das größte und mit 10.600 PSi Antriebsleistung für rund 17 kn auch das schnellste im Südatlantik-Verkehr. Die 1.350 Fahrgäste, die sich im November 1911 in Cuxhaven zur Jungfernreise einschifften, konnten nach nur dreizehneinhalb Tagen in Buenos Aires an Land gehen.

Darüber hinaus hatten sich Schiffbauer und Reederei etwas einfallen lassen: So konnten im zwei Decks hohen Speisesaal der Ersten Klasse alle Passagiere gleichzeitig in einer Sitzung Platz nehmen. Der Wintergarten war von einer riesigen Glaskuppel überwölbt. Neben anderen Einrichtungen für die Fahrgäste gab es sogar einen Fahrstuhl. Ein absolutes Novum, auch bezogen auf die weltweite Passagierschifffahrt, war das auf dem Bootsdeck angeordnete Freibad, das sich eines regen Zuspruchs erfreute.

Als weiteren Zuwachs in dieser Klasse folgte vom Hamburger Vulcan im März 1914 die »Cap Trafalgar« (18.805 BRT). Sie war nicht nur der erste Dreischornsteiner der Reederei, sondern auch der erste deutsche Schnelldampfer, dessen neuartige, aus zwei Dreifachexpansionsmaschinen und einer Abdampfturbine bestehende Antriebsanlage auf drei Schrauben wirkte. Der dritte be­stellte Schnelldampfer, die »Cap Polonio« (20.576 BRT), blieb wegen Ausbruch des Ersten Weltkrieges zunächst unfertig auf seiner Bauwerft Blohm & Voss liegen und wurde erst 1922 nach abenteuerlichen Umwegen dort für seine Reederei fertiggestellt.

Das waren, wenn auch gerafft im Überblick, hervorragende von den deutschen Werften nach nur etwa zwei Jahrzehnten Entwicklung erbrachte Leistungen. Höhepunkt vor Ausbruch des Weltbrandes waren zweifellos »Ballins Riesendampfer«, mit denen er den Führungsanspruch seines Hauses auf dem Nordatlantik unterstreichen wollte. Es wurde die auf drei Schiffe angelegte »Imperator«-Klasse; diese war nicht so schnell, dafür aber so komfortabel, dass der eine Tag mehr an Seereise für die Passagiere ein Genuss werden sollte – zumindest für die kräftig zahlenden.

Der erste Bauauftrag ging zum Ärger von Hermann Blohm, der sich sehr ins Zeug gelegt hatte, an den inzwischen auch an der Elbe angesiedelten Hamburger Vulcan, der potentesten Konkurrenz von Blohm & Voss am Platze. Der »Imperator« wurde bei seinem Stapellauf im Mai 1912 von Kaiser Wilhelm II. höchstselbst getauft, der sich für das Schiff zudem die männliche Form wünschte. Die Ablieferung des in seinen Dimensionen nach damaligen Maßstäben Giganten erfolgte im Mai 1913. Dieses mit 52.117 BRT damals größte Schiff der Welt bot 3.500 Passagieren in vier Klassen Platz, darunter 1.700 Personen im Zwischendeck. Für die beiden immer noch etwas größeren Folgebauten erhielt dann doch Blohm & Voss den Auftrag. Die »Vaterland« kam noch im Mai 2014 in Fahrt, die »Bismarck« blieb dagegen wegen des inzwischen ausgebrochenen Krieges unfertig auf der Werft liegen, wurde erst im Jahr 1922 fertiggestellt und als Reparationsleistung an die Briten abgeliefert.

Zwischen den Kriegen

Zwar war mit dem Bau der »Imperator«-Klasse 1913/14 ein gewisser Höhepunkt im Passagierschiffbau der deutschen Werften erreicht, was aber keineswegs bedeutete, dass danach nichts mehr kam. Im Gegenteil, sie meldeten sich mit ihren Auftraggebern, für die zunächst der Frachtschiffbau nach dem verlorenen Krieg Vorrang hatte, nach relativ kurzer Zeit auf die Weltbühne des Passagierschiffbaus zurück.

Zunächst war es der Norddeutsche Lloyd, der nach von den Briten betriebenen politisch sehr suspekten Umwegen und heiklem Geschacher den bei F. Schichau in

Danzig bereits vor dem Krieg in Auftrag gegebenen Schnelldampfer »Columbus« (33.526 BRT) unfertig erhielt, ihn im eigenen Betrieb in Bremerhaven endausrüstete und ihn im April 1924 endlich auf seine Jungfernreise schicken konnte.

Dies war ein schiffbaulicher Erfolg schon allein deswegen, weil durch die Koopera­tion von zwei Werften ein ursprünglich einmal technisch anspruchsvolles Schiff über zehn Jahre nach der Auftragsvergabe und der zwischenzeitlich erfolgten technischen Entwicklung dennoch erfolgreich in Fahrt gebracht werden konnte, wenn es auch hier und dort ein wenig zwickte. Die »Columbus« ist einer der großen Namen in der Geschichte des Nordatlantik-Verkehrs geblieben.

Auch die Hapag, immerhin ja einer der großen Wettbewerber im Nordatlantik-Verkehr, blieb im Zusammenspiel mit der »Hauswerft« Blohm & Voss nicht untätig. Auch sie wollte, wie der Lloyd, auf dem Nordatlantik in Anknüpfung an alte Größe selbstverständlich in der Passagierfahrt wieder eine Rolle spielen. Sie folgte dabei den Gedanken Ballins: weniger Geschwindigkeit, aber Komfort. Geleitet von diesem Konzept baute Blohm & Voss zwischen 1922 und 1927 vier Schiffe der »Albert Ballin«-Klasse (bzw. ab 1935 »Hansa«-Klasse) – eine wohlgelungene Konstruktion sowohl technisch als auch das Innendesign betreffend.

Diese 185 m langen 20.000-BRT-Neubauten bewährten sich hervorragend. Sie hatten Platz an Bord für rund 1.500 Fahrgäste in drei Klassen und erreichten eine Geschwindigkeit von 16 kn. 1930 erhielten sie auf der Bauwerft neue Antriebsanlagen, mit denen die Geschwindigkeit auf 20 kn gesteigert wurde; 1933/34 gingen sie erneut nacheinander an die Werft, um mit einer technisch und logistisch aufwendigen Aktion mit einem neuen Vorschiff auf 206 m verlängert – vorgeschuht – zu werden. Dank dieser genial konstruierten Vorschiffe wurden sie bei gleicher Maschinenleistung noch einmal 2 kn schneller. Damit sollten sie nicht zu weit hinter den Schnelldampfern des Norddeutschen Lloyd zurückfallen.

Die Bremer, schon immer irgendwie emotional mehr mit der Passagierschifffahrt verbunden, hatten nämlich einen ganz großen Schritt gewagt und bei der AG Weser und Blohm & Voss je einen 50.000-BRT-Neubau geordert. Es handelte sich um Großschiffe, die allen anderen auf dem Nordatlantik mindestens ebenbürtig oder, in Anbetracht der installierten Maschinenleistung (je vier Getriebeturbinen, die auf vier Schrauben arbeiteten) von maximal 130.000 PS, sogar überlegen waren. Die klare Zielsetzung dabei hieß »Blaues Band«.

Die von der AG Weser gebaute »Bremen«, die als erster dieser spektakulären Neubauten Mitte 1929 in Fahrt kam, glänzte bereits auf ihrer Jungfernreise mit 27,8 kn Durchschnittsgeschwindigkeit auf der Hin- und sogar 27,9 kn auf der Rückreise. Das von

der Elbe kommende, wegen eines schwe­r­en Brandes ein Jahr verspätet abgelieferte Schwesterschiff »Europa« war noch etwas schneller und konnte so die begehrte Trophäe kurzzeitig für sich gewinnen. Sie fiel 1933 wieder zurück an die »Bremen«, die mit 28,5 kn einen neuen Rekord aufstellte. Alles dies wurde von einem breiten Publikum beiderseits des Atlantiks gespannt verfolgt und trug so zum Ruhme sowohl der Reederei als auch der Bauwerften bei. Die beiden eleganten Schiffe boten bei 285 m Länge jeweils über 2.000 Passagieren in vier Klassen Platz. Je 1.000 Personen zählten zur Besatzung.

Etwas ruhiger ging es auf dem Südatlantik zu. Dort erhielt Hamburg-Süd mit ihren fünf »Monte«-Schiffen große Zustimmung. Alle fünf Schiffe entstanden bei Blohm & Voss, waren mit rund 13.000 BRT vermessen und konnten jeweils bis zu 2.500 Reisende, zunächst vielfach Auswanderer, unterbringen – und zwar, das ist das Besondere, alle in einer Dritten Klasse. Als erstes kam 1924 die »Monte Sarmiento« in Fahrt. Sie war nicht nur das erste deutsche mit über 10.000 BRT vermessene Motorschiff, sondern das größte Motorschiff der Welthandelsflotte überhaupt. Letztes Schiff dieser außergewöhnlichen Serie war im Jahr 1931 die »Monte Rosa«.

Noch außergewöhnlicher, ja geradezu ein Star, war die »Cap Arcona«, ebenfalls bei Blohm & Voss für Hamburg-Süd entstanden. In dieses Schiff hatten Reederei und Werft alles hineingebaut, was dem neuesten technischen Stand entsprach, sowie was gut, teuer und schön war. Beispiellose Eleganz war, zumindest in den oberen Klassen, angesagt. Platz bot das 27.500 BRT große Schiff für 575 Passagiere in der Ersten Klasse, 275 in der Zweiten Klasse und 465 in der Dritten Klasse. Die Besatzung bestand aus 630 Personen. Als Antrieb dienten acht bei Blohm & Voss gefertigte Getriebeturbinen, welche 24.000 PS leisteten und über zwei Schrauben eine Geschwindigkeit von 21 kn ermöglichten. Auf ihrer Jungfernreise Ende 1926 stellte die »Cap Arcona« einen neuen Rekord auf dieser Route auf, als sie nach lediglich zwölf Tagen Überfahrt in Rio de Janeiro festmachte. Zu den Besonderheiten an Bord dieses hochgerühmten Schiffes gehörte u. a. der auf dem Bootsdeck zwischen dem (blinden) dritten Schornstein und dem Großmast angeordnete Tennisplatz in Originalgröße.

Natürlich gibt es noch zahlreiche weitere wichtige von deutschen Werften gebaute Passagierschiffe, einige auch für ausländische Rechnung. Aber, wie schon eingangs erklärt, sollte sich im Vorstehenden auf die wichtigsten Spitzenschiffe konzentriert werden, um so die Leistungsfähigkeit deutscher Werften auch in diesem Segment zu unterstreichen. Nur summarisch zum Abschluss dieses Kapitels exemplarisch einige wenige weitere große Neubauten: Dabei sind zuerst die drei Ostasien-Schnelldampfer zu nennen, die gemeinsam von Hapag und NDL bei Blohm & Voss und der Deschimag AG Weser in Auftrag gegeben worden sind. Diese 18.000-BRT-Bauten waren insofern besonders interessant, weil sie die ersten fast ganz geschweißten Handelsschiffe waren, was eine enorme Gewichtsersparnis erbrachte. Darüber hinaus waren sie als erste mit einem völlig neuen Antriebssystem ausgestattet worden – einer turbo-elektrischen Höchstdruckanlage. Sie bewährte sich jedoch nicht unbedingt.

In den Jahren 1936 und 1937 folgen von Blohm & Voss die beiden mit 16.600 BRT vermessenen schönen Schwestern »Windhuk« und »Pretoria« für den Afrika-Dienst der Deutschen Ost-Afrika Linie bzw. Woer­mann-Linie. Sie dürften ohne Zweifel mit ihren an der ganzen af­rikanischen Küste bekannten farbigen Schornsteinen sowie den in elegantem Grau gehaltenen Rümpfen die schönsten und von der Formgebung her ausgewogensten Schiffe im damaligen Afri­ka-Verkehr gewesen sein.

Weltbekannt, nicht zuletzt wegen ihres tragischen Endes mit über 5.000 Toten, war die von Blohm & Voss für die NS-Organisation »Kraft durch Freude« (KdF) gebaute »Wilhelm Gustloff« (25.484 BRT). Sie kam 1938 in Fahrt und hatte vom Konzept her viele Ähnlichkeiten mit den »Monte«-Schiffen der Hamburg-Süd.

Den Abschluss für diesen Zeitraum soll die von der Hamburg-Amerika Linie bei Blohm & Voss in Auftrag gegebene »Vaterland« bilden. Mit diesem 41.000-BRT-Neubau wollte die Reederei wieder Anschluss an die Entwicklung im Nordatlantik-Verkehr erlangen. Bei dem Wollen ist es geblieben, denn bei Kriegsausbruch 1939 wurden alle Arbeiten an dem Schiff eingestellt. Es erhielt 1943 mehrfach Bombentreffer und wurde 1948 an Ort und Stelle verschrottet. Das kann als die zweite große Zäsur im Passagierschiffbau auf deutschen Werften bezeichnet werden.

Seit 1945

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges lag Deutschland in Schutt und Trümmern: die Wohnquartiere, die Verkehrsinfrastruktur, die Industrieanlagen, die Häfen und natürlich auch die Werften. Soweit sie nicht zerstört oder demontiert worden waren, mussten die Werften erst mühsam, den Forderungen der Siegermächte folgend, wieder aufgebaut werden. Der Bau von Frachtschiffen hatte sowohl in West als auch in Ost nicht zuletzt unter dem Eindruck des eskalierenden Koreakrieges absoluten Vorrang.

An Passagierschiffsneubauten für heimische oder ausländische Interessenten war vorerst überhaupt nicht zu denken. Und zwar lange Zeit nicht. So blieb der Neubau von Passagierschiffen eigentlich nur noch fragmentarisch in den Auftragsbüchern der Werften enthalten. In der DDR waren es im Rahmen der Fünfjahrespläne Serien von mittelgroßen Passagierschiffen für die Sowjetunion und auch in der Bundesrepublik Deutschland kam in dieser Hinsicht nicht mehr viel in Gang.

Eine Ausnahme gibt es jedoch, die sich im Laufe der vergangenen drei oder vier Jahrzehnte zu einer Top-Adresse entwickelt hat: Es ist die Meyer Werft in Papenburg, die mittlerweile, das nur nebenbei, das älteste familiengeführte Schiffbauunternehmern in ganz Deutschland ist – seit 1795. Etwa Anfang der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hatte die Werft allmählich Zugang zum Passagier- und Kreuzfahrtschiffsneubau gefunden. Vorläufer waren kleinere Bauten für Indonesien – und richtig los ging es im April 1984, als der Auftrag zum Bau eines 42.000 BRT großen Passagierschiffes verkündet werden konnte. Es wurde die »Homeric« mit 1.332 Fahrgastplätzen.

Dieser Neubau gelang den Papenburger Schiffbauern so überzeugend, dass sich ihnen damit der Zugang zu einem Markt

öffnete, der gerade anfing, interessant zu werden. Diesem ersten Passagierschiffbau folgten in schneller Folge neue und immer größere, die mit ihren stets zahlreicher werdenden Extras an Bord für die Schiffbauer mit ständig wachsenden Anforderungen verbunden waren. Als jüngste Erfolge sind hier die Schwesterschiffe »Quantum of the Seas« und »Anthem of the Seas« zu nennen. Mit ihren 167.000 BRZ (Bruttoraumzahl) zählen sie zu den größten jemals in Deutschland gebauten Passagierschiffen. Die Ablieferungen sind für 2014/15 vorgesehen. Mit 146.000 BRZ ist die »Norwegian Get­away« nur wenig kleiner. Sie ist als erster Neubau des Jahres kürzlich in Fahrt gekommen.

Autor: Hans Jürgen Witthöft, Fachjournalist

ProMar Pressebüro, Hamburg, hjw.promar@t-online.de


Hans Jürgen Witthöft