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Hans Jürgen Witthöft beschreibt die Entwicklung vom Aufbau der Seestreitmacht in Preußen über die Aufrüstung im Kaiserreich und den beiden Weltkriegen bis hin zur Deutschen Marine und den heutigen Exporterfolgen der Schiffbauindustrie
Der Bau von Marineschiffen, zumindest in der Form, wie er heute verstanden wird, begann im Königreich Preußen, und zwar eher[ds_preview] notgedrungen, um wenigstens

annähernd aktuellen militärischen Erfor­dernissen zu entsprechen, anstatt einer schlüssigen Strategie folgend. Preußen war Landmacht, strikt auf die Linie Friedrich des Großen getrimmt, der mit allen verfügbaren Mitteln das Heer stärkte und den Bau einer maritimen Streitmacht unterließ, weil dafür schlicht das Geld fehl­te.

Aber natürlich wollte man trotzdem die eigene Küste nicht gänzlich schutzlos lassen. Unter diesem Aspekt entstand auf Initiative des Prinzen Adalbert von Preußen die Grundorganisation für eine künftige Marine, verbunden mit der Beschaffung erster geeigneter Fahrzeuge. Einige kleine Kanonenboote waren es, und auch Torpedo­dampfer (!), auf deutschen Werften gebaut. An Größeres traute man sich noch nicht so recht heran.

Natürlich gab es Zwischenlösungen, wie etwa die von der Handelsschifffahrt übernommene 1843/44 in Stettin gebaute Segelkorvette »Amazone«, aber für die folgende geraffte Kurzdarstellung des Marineschiffbaus auf deutschen Werften muss ja irgendwie ein Anfang gefunden werden, und dafür sollen zwei frühe, sehr interessante Bauten stehen.

Als erstes soll, sicher etwas willkürlich und ungewöhnlich, gleich an den Bau eines Unterseebootes erinnert werden – ein Gebiet, auf dem der deutsche Marineschiffbau später so außerordentlich erfolgreich war. Bei diesem ersten Fahrzeug, das noch nicht einmal U-Boot genannt wurde, handelt es sich um den vom ehemaligen bayerischen Artillerieunteroffizier Wilhelm Bauer entwickelten und bei der Eisengießerei Schweffel & Howaldt 1850 gebauten tauchfähigen »Brandtaucher«, der Anfang des Jahres 1851 erste Tauchfahrten unternahm. Das 8,1 m lange und 2 m breite Fahrzeug sollte, da Krieg um Schleswig-Holstein gegen Dänemark herrschte, hinter den feindlichen Li­nien Brücken zerstören. Dazu kam es jedoch nicht, denn der »Brandtaucher« sank nach zwei erfolgreich verlaufenen Tauchfahrten auf der dritten. Die Besatzung konnte gerettet, das Boot 1887 gehoben werden. Es wurde restauriert und an Land aufgestellt als ein Museumsstück. Heute ist es Teil der militärhistorischen Sammlung in Dresden.

Das zweite Schiff, an das bei dem Thema Marineschiffbau in Deutschland gedacht werden soll, ist der Schoner »Frauenlob«, ein sicher ungewöhnlicher Name für ein Kriegsschiff, der aber bis in die heutige Deutsche Marine hinein erhalten geblieben ist. Die erste »Frauenlob« wurde 1849–1853 auf der Lübke Werft in Wolgast gebaut. Zwar ist schon wenig vorher ein Kriegsschoner gleichen Typs mit dem Namen »Hela« von der Königlichen Werft in Danzig abgeliefert worden, aber »Frauenlob« war einfach der schönere Name. Er war dem Schiff auf ausdrücklichen Wunsch von König Friedrich Wilhelm IV. verliehen worden, der damit dem »Berlin-Potsdamer Frauen-Verein zur Erwerbung eines Kriegsschiffes« danken wollte. Die Geldsammel­aktion dieses Vereins hatte nämlich einen großen Teil der Baukosten für das Schiff erbracht.

Auch für die »Hela« war mit einer privaten Aktion Geld gesammelt worden. Anstoß für den Bau beider Schiffe war die nach der dänischen Blockade deutscher Küsten im Lande ausgebrochene Flottenbegeisterung, mit dem Ziel, Machtmittel zu schaffen, um derartige Aktionen künftig bekämpfen oder verhindern zu können.

Insgesamt ging es aber nur langsam voran. Aus der Preußischen Marine war 1867 die Norddeutsche Bundesmarine geworden, der es sogar gelang, einen einigermaßen realistischen »Flottengründungsplan« zu formulieren. Zwar wurden erste größere Einheiten noch im Ausland angekauft, aber auch bereits Aufträge an deutsche Werften vergeben. Die Königliche, später Kaiserliche Werft Danzig baute gemeinsam mit der AG Vulcan in Stettin 1868 bis 1875 die 4.404-t-Panzerkorvette »Hansa«. Kurz da­rauf folgten die ca. 7.700 t großen Panzerschiffe »Preußen« (wieder vom Vulcan) und von der Kaiserlichen Werft in Wilhelms­haven »Friedrich der Große« und »Großer Kurfürst«. Empfänger war inzwischen die Kaiserliche Marine. Alle diese Neubauten hatten natürlich bereits Dampfantrieb, zusätzlich waren sie aber noch als Vollschiffe getakelt.

1871 bis 1918

Nach der Reichsgründung 1871 erhielt auch die nunmehrige Kaiserliche Marine insgesamt allmählich einen höheren Stellen­wert im politischen Geschehen, was sich nicht zuletzt im Bau großer Kampfschiffe niederschlug. Bauwerften waren erneut AG Vulcan in Stettin, die Kaiserlichen Werften in Danzig, Kiel und Wilhelmshaven sowie sowohl bei Neubauten als auch späteren Umbauten die Germaniawerft und die Norddeutsche Schiffbau AG in Kiel, F. Schichau in Danzig, die AG Weser in Bremen und dann auch Blohm & Voss in Hamburg.

Nach einiger Zeit gelangen sogar ge­wisse Exporterfolge. Sie blieben jedoch im Rahmen, denn der Ausbau der Kaiserlichen Marine belegte die Baukapazitäten im Lande in immer höherem Maße. Grundlage dafür waren die im Reichstag durchgebrachten »Flottengesetze«.

Eine Serie von zehn Küstenpanzerschiffen, zwischen 1888 und 1904 gebaut, entsprach eigentlich nur noch bedingt den damaligen Anforderungen; die Schiffe kamen im Ersten Weltkrieg dann auch nur für den Küstenschutz zum Einsatz. Aber es waren gute Seeschiffe und das erklärt wahrscheinlich, dass einige von ihnen nach dem Krieg zu Handelsschiffen umgebaut unter ziviler Flagge gute Dienste leisteten. Wesentlich anspruchsvoller waren dagegen die nacheinander entstehenden Linienschiffsklassen, oft inspiriert von den vorauseilenden Typen der britischen Flotte.

Das drückte sich nicht nur sichtbar in der Größe aus, sondern mehr noch im Kaliber der Hauptbewaffnung. Sie steigerte sich von zuerst wenigen 24-cm-Geschützen auf dann 28 cm, 30,5 cm bis hin zu 38 cm bei der zuletzt konzipierten »Bayern«-Klasse. Bei ihr waren die schweren Geschütze erstmalig in jeweils zwei Doppeltürmen vorn und achtern übereinander angeordnet.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Kaiserliche Marine darüber hinaus immer besonderen Wert auch auf eine starke Mittelartillerie (bis 15 cm) und noch mehr, in Konkurrenz zu vergleichbaren britischen Einheiten, auf die Standfestigkeit ihrer großen Schiffe gelegt hat. Das beweisen die Ergebnisse in der Skagerrakschlacht und das Jahrzehnte danach (1941) stattgefun­denen Gefecht des Schlachtschiffes »Bismarck« mit seinem britischen Pendant »Hood«. Es dauerte nur wenige Minuten und endete mit dem totalen Verlust des damaligen Stolzes der britischen Flotte, ein weiteres britisches Schlachtschiff lief schwer getroffen ab.

Es ging bei der Entwicklung der Marineschiffe jedoch nicht nur um die Bewaffnung und Standfestigkeit, auch die Antriebsformen rückten immer mehr in den Vordergrund. Beispiel dafür waren, um auf eine etwas andere Schiffklasse zu kommen, die Kleinen Kreuzer »Lübeck«, »Stettin« und »Dresden« als erste Kreuzer der Kaiser­lichen Marine mit Turbinenantrieb. Die beiden ersten waren Vulcan-Bauten (1903– 1907), während die »Dresden« 1908 von Blohm & Voss abgeliefert wurde. Sie hatte von den Dreien mit 15.000 PS die leistungsstärkste Anlage. Damit konnte während

der Werftprobefahrten eine Geschwindigkeit von 24 kn erreicht werden, später in der Meile waren es sogar 25,4 kn.

Der Kleine Kreuzer »Dresden« soll auch deswegen an dieser Stelle genannt werden, weil er während des Ersten Weltkrieges bis zu seiner Versenkung in neutralen chilenischen Gewässern durch britische Kreuzer am 14. März 1915 zu einer Berühmtheit wurde. Er hatte im Südatlantik zunächst erfolgreich Kreuzerkrieg geführt, als Teil des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders am siegreichen Gefecht vor Coronel teilgenommen und konnte im Verlauf der wenig später erfolgten Falklandschlacht dank seiner hohen Geschwindigkeit als einziges Schiff des Kreuzergeschwaders den überlegenen Gegnern entkommen.

Von den großen Schiffen, bzw. Großkampfschiffen, muss noch eine Klasse gesondert erwähnt werden, nämlich die der Schlachtkreuzer. Der erste, die »Blücher«, noch als Großer Kreuzer bezeichnet, wurde auf der Kaiserlichen Werft Kiel gebaut, aber bereits der nächste Neubau, die »Von der Tann«, kennzeichnete den Beginn einer geradezu außergewöhnlichen Serie, die neben der deutschen Marine auch der Bauwerft Blohm & Voss auf diesem Gebiet Weltruhm bescherte.

Die vier in Dienst gekomme­nen Einheiten hatten eine Verdrängung von über 20.000 t, eine starke Hauptbewaffnung und erreichten eine Geschwindigkeit von 25 bis 28 kn. Eines dieser herausragenden Schiffe schrieb sogar Weltgeschichte. Es war die »Goeben«. Nachdem diesem Schlachtkreuzer gemeinsam mit dem Kleinen Kreuzer »Breslau« nach Kriegsausbruch 1914 der Durchbruch aus dem Mittelmeer in die Türkei gelungen war, trat diese auf der Seite der Mittelmächte in den Krieg ein.

Während des Krieges wurde der Bau von U-Booten Hauptauf­gabe der Werften. Es entstand eine große Zahl von Booten un­terschiedlicher Typen und Größen je nach zugedachter Aufgabe. Eine Besonderheit bildeten die sogenannten Handels-U-Boote für den Güteraustausch mit den Vereinigten Staaten. Zum Einsatz kam jedoch nur die »Deutschland«, der 1916 zwei Reisen in die damals noch neutralen USA gelangen. Es war übrigens das erste U-Boot, das den Atlantik durchquerte.

1919 bis 1945

Nach dem Krieg war erst einmal Schluss mit dem Marineschiffbau in Deutschland. Zum einen hatte der Handelsschiffbau bei der Hellingbelegung absolute Priorität, zum anderen war er, bis auf wenige Ersatzbauten für die verbliebene überalterte Flotte der Reichsmarine, weitgehend verboten. In diesem Rahmen erwähnenswert ist der erste Nachkriegskreuzerbau 1921–25, die »Emden«. Sie war das erste größere Kriegsschiff der Welt, dessen Verbände teilweise geschweißt wurden. Mit dem 1933 in Dienst gestellten Panzerschiff »Deutschland« gelang wenige Jahre später sogar ein international stark beachteter Neubau. Es war ein völlig neuer Schiffstyp, von den Engländern respektvoll als »Pocket Battle­ship« bezeichnet, der schneller war als stärker bewaffnete Gegner und eine stärkere Bewaffnung hatte als gleich schnelle. Hinzu kam der dank Dieselantrieb große Fahrbereich von gut 10.000 sm. Die »Deutschland« (ab 1939 »Lützow«) war bei den Deutschen Werken in Kiel gebaut worden, die beiden Folgebauten kamen von der Kriegsmarinewerft Wilhelmshaven.

Neben dem Ausbau der Kleinbootverbände und der Flotte entsprechender Begleit- und sonstiger Hilfsfahrzeuge wurde ab 1934 auch wieder mit dem U-Bootbau begonnen. Zudem wurde eine Reihe von größeren Einheiten in Auftrag gegeben: Leichte und Schwere Kreuzer sowie Schlachtschiffe. Sogar den Bau eines Flugzeugträgers hatte man sich vorgenommen. Er wurde allerdings nie fertig, ebenso wie etliche der anderen Bauten. Der 1939 ausbrechende erneute Krieg, der sich bald zum Zweiten Weltkrieg ausweitete, verhinderte dies. Ein Schiff soll aber stellvertretend genannt werden: das Schlachtschiff »Bismarck«, das am 12. Februar 1939 bei Blohm & Voss vom Stapel lief und am 24. August 1940 von der Kriegsmarine übernommen wurde. Dieses 50.900 t große Schiff erwies sich in jeder Beziehung als hervorragend gelungene Konstruktion und war, auch international allgemein anerkannt, das wohl Optimale, was im Schlachtschiffbau erreicht werden konnte.

Wie bereits im Ersten Weltkrieg wurden auch im neuerlichen Krieg weite Teile der vorhandenen Kapazitäten für den U-Bootbau eingesetzt. In besonders großer Zahl entstanden Boote des Standardtyps VII C. Aber auch andere Klassen bewährten sich. Daneben gab es etliche neue Entwürfe, die jedoch als solche in den Konstruk­tionsbüros verblieben. Neue Wege sollten mit dem Kreislauf- und dem Walter-Antrieb beschritten werden. Rasch zur Serienreife gelangten die sogenannten Elektro-U-Boote der Typen XXI für den Hochsee- und XXIII für den Küsteneinsatz. Ihre Fertigung erfolgte unter Einbeziehung vieler Werften und Stahlbaubetriebe in aus­geklügelter Sektionsbauweise. Zwischen 1939 und 1945 übernahm die Kriegsmarine insgesamt 1.171 Boote, nicht mitgezählt die gegen Kriegsende in Serien gebauten Klein- und Kleinst-U-Boote. Zahlreiche Boote aller Größen lagen noch unfertig in ihren Werften. Bei aller Anerkennung der im U-Bootbau erbrachten Leistungen darf nicht vergessen werden, dass die Werften umfangreiche weitere Aufgaben zu erfüllen hatten, teilweise unter Einbeziehung von Werften im besetzten Ausland und in Schweden. Das waren neben den vielfältigen Reparaturarbeiten der Bau weiterer Kriegsschiffs­typen, wie u. a. Torpedoboote, Minensuch- und Räumboote, Schnellboote und, was häufig vergessen wird, von Kriegsfischkuttern und Fährprähmen mit Stückzahlen, die weit in die Hunderte gingen. Sehr spät musste auch der Handelsschiffbau wieder aufgenommen werden, um Teilersatz für in Verlust geratene Tonnage zu schaffen.

1945 bis heute

Die allgemeine Situation nach 1945 darf als bekannt voraus­gesetzt werden. Weite Teile Deutschlands lagen in Trümmern, das Land war in Besatzungszonen aufgeteilt, eigenes staatliches Leben gab es nicht mehr, Industrieanlagen, soweit sie nicht ohnehin schon zerstört waren, wurden demontiert, und Schiffbau war verboten – zunächst ganz, dann aber gab es nach und nach Lockerungen für den zivilen Bereich. Nicht zuletzt geschah das unter dem Eindruck des Koreakrieges, für den jede Menge Tonnage gebraucht wurde. Der Marineschiffbau blieb tabu, bis auf die Lieferung einiger

weniger Schnell- und Sicherungsboote für die britische und die amerika­nischen Besatzungsmacht.

Das änderte sich erst, als der Kalte Krieg immer kälter wurde und die Bundesrepublik Deutschland in die NATO aufgenommen und die DDR Mitglied des Warschauer Pakts wurde. Von da an durften auch offiziell wieder Kriegsschiffe gebaut werden. In der frisch gegründeten DDR geschah das relativ früh, als die erst 1948 praktisch auf der sprichwörtlichen grünen Wiese von der sowjetischen Besatzungsmacht zur Erfüllung von Reparationsleistungen gegründete Peene Werft in Wolgast offiziell als Rüstungsbetrieb eingestuft wurde. Die offizielle Lesart lautete erklärend natürlich ganz anders. Danach wurde jeder Arbeitsplatz an diesem weit vom Westen ent­fernten, in der Folgezeit immer mehr abgeschotteten Ort »zu einem Kampfplatz für den Frieden« und die dort entstehenden Kriegsschiffe waren, wie Dieter Strobel in seinem Buch über die Werft schreibt, eben keine solche, sondern »Wächter für den Frieden«. Ganz offi­ziell sprach man in der DDR denn auch nicht von Kriegsschiffbau, sondern von »spezieller Produktion«. Jede Zeit hat eben ihre besonderen Erklärungsversuche.

Mit der Zeit ging es dann auf der Peene Werft recht flott voran. Nach diversen Umbauten bzw. Modernisierungen folgten Serien kleinerer Überwasserfahrzeuge, nicht nur für den Bedarf der eigenen Volksmarine, sondern auch für den Export. Letztes Projekt war das eines Raketenschnellbootes für die eigene und polnische Marine. Es wurde im Zuge der politischen Wende nur noch teilverwirklicht. Auch im Laufe der anschließend begonnenen Privatisierung ist die Peene Werft zunächst im Besitz der Bremer Hegemann-Gruppe und jüngst der ebenfalls bremischen Lürssen-Gruppe außer mit zivilen Neubauten weiterhin sehr engagiert im Marineschiffbau beschäftigt.

Etwas langsamer ging es im Westen vonstatten. Zwar gab es bereits einige Bauten für alliierte Rechnung, wie zuvor erwähnt, aber dann war es das zunächst einmal. Als ab 1955 der Aufbau der Bundesmarine begann, zeigten sich zunächst nur wenige Werften geneigt, wieder in den Marineschiffbau einzusteigen, zumal sie mit zivilen Aufträgen voll ausgelastet waren. Selbst Rudolf Blohm, Chef der einzig verbliebenen großen Marineschiffbauwerft, zeigte deutliche Abneigung, sich wieder auf diesem Gebiet zu betätigen, zumal sein Unternehmen und seine Person in den Vorjahren sehr schweren Angriffen ausgesetzt waren.

So könnte dann, etwas sentimental betrachtet, der Bau des Segelschulschiffes »Gorch Fock« 1958 vielleicht als eine Art Versöhnung betrachtet werden. Dieser erste Neubau für die Marine entstand in extrem kurzer Bauzeit: Kiellegung am 24. Februar, Stapellauf am 23. August und Ablieferung am 12. Dezember. Das war nicht zuletzt dadurch möglich geworden, weil die Konstruk­­­­tionsunterlagen des 1933 gebauten Namensvorgängers ohne große Änderungen genutzt werden konnten. Darüber hinaus standen noch die Rundhölzer und große Teile der Takelage zur Verfügung, die ursprünglich für das 1939 unfertig gebliebene, fast baugleiche Kriegsmarine-Segelschulschiff »Herbert Norkus« bestimmt waren. Sie waren während des Krieges ausgelagert und somit »gerettet« worden.

Nichtsdestotrotz war es schwierig, Werften für die Erfüllung der ersten Neubauprogramme zu finden. Alle waren sehr gut mit Handelsschiffsaufträgen beschäftigt und hatten seit 1945 keine Kriegsschiffe mehr gebaut. Schließlich gingen nach langen Verhandlungen Bauaufträge für vier Zerstörer und sechs Fregatten an die Stülcken Werft in Hamburg, das Schulschiff »Deutschland« wurde bei Nobiskrug in Rendsburg gebaut, den U-Bootbau übernahmen HDW in Kiel und später die Nordseewerke in Emden, Schnellboote und Minensucher entstanden bei Lürssen in Vegesack, Abeking & Rasmussen in Lemwerder und auf der Kröger Werft in Rensburg, ein großzügiges Tenderprogramm wurde bei verschiedenen Werften platziert, u. a. bei Schlieker in Hamburg, Lindenau in Kiel, der Elsflether Werft, den Flender-Werken in Lübeck usw.

Nach und nach wurden mit wenigen Ausnahmen fast alle deutschen, genauer gesagt westdeutschen Werften in die Marineprogramme einbezogen, sei es mit Neubauten oder Reparaturen und Umbauten. Etliche Betriebe davon gibt es seit langem nicht mehr, wie etwa die Rolandwerft in Bremen oder die Schlichting-Werft in Lübeck-Travemünde, aber es verteilte sich gut. Auch Blohm & Voss stieg wieder richtig ein – nicht zuletzt durch die Übernahmen der Stülcken-Werft und der Schlieker-Werft einschließlich der dort noch nicht abgearbeiteten Marineaufträge.

Die von den deutschen Werften gebauten Marineschiffe haben ganz offensichtlich internationale Anerkennung gefunden. Das gilt bis heute und lässt sich leicht an den Exportaufträgen ablesen. Sie gingen größtenteils an Blohm + Voss (Schreibweise seit 1965) vor allem mit den dort entwickelten MEKO-Typen, an HDW und die Nordseewerke mit U-Booten, sowie Lürssen und Abeking & Rasmussen mit Schnellbooten, Minensuchern und Patrolern. Auch die Fassmer Werft in Berne/Motzen hat sich inzwischen auf diesem Gebiet engagiert.

Diese Exportaufträge haben inzwischen für den deutschen Marineschiffbau eine nahezu existenzsichernde Bedeutung erlangt, denn die Bauaufträge der eigenen Marine reichen nicht aus, um die verbliebenen Kapazitäten im Marineschiffbau und vor allem das dafür notwendige und noch vorhandene Know-how zu erhalten. Es wäre bedauerlich für die deutsche Sicherheitspolitik, für die Deutsche Marine und für den deutschen Schiffbau, wenn es verloren ginge.

Autor: Hans Jürgen Witthöft, Fachjournalist

ProMar Pressebüro, Hamburg, hjw.promar@t-online.de


Hans Jürgen Witthöft