Print Friendly, PDF & Email

Die deutschen Seehäfen stehen vor wichtigen Weichenstellungen in

der nationalen und europäischen Seehafenpolitik. Die aktuellen Entwicklungen beleuchtet Klaus Heitmann, langjähriger Geschäftsführer des Zentralverbands Deutscher Seehäfen (ZDS)


In den deutschen Seehäfen zieht der Umschlag nach der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise wieder deutlich an. Nach der Gleitenden Mittelfristprognose[ds_preview], die im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums erstellt wird, wird der Güterumschlag in unseren Seehäfen 2014 insgesamt um 2,7% auf 301 Mio. t steigen. Bis 2017 wird jährlich ein durchschnittliches Wachstum um 2,5% auf 325Mio.t erwartet.

Auch danach wird mit einer dynamischen Umschlagentwicklung gerechnet. Nach der Seeverkehrsprognose 2030, die für den Bundesverkehrswegeplan 2015 erstellt wird, soll sich der Umschlag in den deutschen Seehäfen bis 2030 gegenüber 2010 nahezu verdoppeln und auf 468Mio.t steigen. Der Hinterlandverkehr wird sich in diesem Zeitraum ebenso nahezu verdoppeln. Bereits heute stößt er an seine Kapazitätsgrenzen. Um die Wachstumschancen der deutschen Seehäfen zu nutzen, müssen die Seehafenanbindungen daher bedarfsgerecht ausgebaut werden.

Nationales Hafenkonzept

Das Bekenntnis der neuen Bundesregierung im Koalitionsvertrag, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Seehäfen zu stärken, ist begrüßenswert. Um dieses Ziel zu erreichen, soll das Nationale Hafenkonzept unter Berücksichtigung des Bundesverkehrswegeplans 2015 weiterentwickelt und Engpässe bei der land- und seeseitigen Anbindung unserer Seehäfen beseitigt werden.

Das Nationale Hafenkonzept für die See- und Binnenhäfen der Bundesregierung ist die strategische Leitlinie für die deutsche Seehafenpolitik. Es wurde 2009 verabschiedet und soll nun für die nächsten zehn Jahre fortgeschrieben werden. Dabei muss es das Ziel sein, den Seehafenstandort Deutschland zu stärken. Mit seiner Fortschreibung müssen die Standortbedingungen unserer Häfen verbessert werden.

Der Vorgänger des Nationalen Hafenkonzepts war die gemeinsame Plattform von Bund und Küstenländern zur deutschen Seehafenpolitik aus dem Jahr 1999. Diese bezog sich ausschließlich auf die deutschen Seehäfen. Das Nationale Hafenkonzept gilt jedoch für die See- und Binnenhäfen. Es wird somit nicht nur in Zusammenarbeit mit den Küstenländern, sondern auch mit allen anderen Bundesländern erstellt. Auch in dieser Konstellation muss es darum gehen, den Seehafenstandort Deutschland zu stärken.

Wettbewerbsbedingungen der Rheinmündungshäfen im Hinterlandverkehr zu stärken, kann nicht Gegenstand des Nationalen Hafenkonzepts sein. Dies hätte erhebliche Nachteile für unsere Seehäfen zur Folge. Projekte zum Ausbau der Verkehrsinfrastruktur zwischen ausländischen Wettbewerbshäfen und deutschen Binnenhäfen müssen im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans 2015 diskutiert werden. Sie sind im Nationalen Hafenkonzept fehl am Platz.

Bei der Fortschreibung des Nationalen Hafenkonzepts sollte auch ein neues Programm zur Forderung innovativer Seehafentechnologien (ISETEC III) aufgelegt werden. Mit ISETEC II, das ein Fördervolumen von 30Mio. € hatte, wurde der Hafen- und Logistikstandort Deutschland nachhaltig gestärkt. Auch wichtige Projekte in den Bremischen Häfen wurden damit gefördert. Für die weitere Förderung innovativer Seehafentechnologien besteht erheblicher Bedarf.

Außerdem sollte bei der Fortschreibung des Nationalen Hafenkonzepts die Bedeutung der deutschen Seehäfen beim Ausbau der Offshore-Windenergie berücksichtigt werden.

Neben der Fortschreibung des Nationalen Hafenkonzepts als strategische Leitlinie der deutschen Seehafenpolitik für die nächsten zehn Jahre ist es wichtig, den Ausbau der Seehafenanbindungen im Bundesverkehrswegeplan 2015 prioritär festzuschreiben.

Priorisierung der Mittel wird begrüßt

Der ZDS hat die Absicht der neuen Bundesregierung begrüßt, ein »nationales Prioritätenkonzept« im neuen Bundesverkehrswegeplan unter besonderer Berücksichtigung der Seehafenanbindungen zu definieren. Auch ist die Hafenwirtschaft der Auffassung, beim Einsatz der Mittel Prioritäten zu setzen und in Netzen und Verkehrskorridoren zu denken. Dabei ist es für den Außenhandelsstandort Deutschland wichtig, beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur einen Schwerpunkt auf den Ausbau der Seehafenanbindungen zu setzen.

Es ist positiv, dass die neue Bundesregierung für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes eine verlässliche Finanzierungsgrundlage schaffen und in den nächsten vier Jahren die Bundesmittel für die Verkehrsinfrastruktur substanziell erhöhen wird. Die vorgesehenen 5Mrd. € an zusätzlichen Mitteln, wonach der Investitionsetat durchschnittlich jährlich um 1,25Mrd. € auf gut 11Mrd. erhöht wird, reichen jedoch nicht aus, die erforderlichen Maßnahmen zu realisieren. Alle Experten sind sich einig, dass zur Beseitigung der Unterfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur des Bundes zusätzliche 4Mrd. € jährlich erforderlich sind. Die vorgesehene Investitionslinie ist daher enttäuschend.

Probleme bei den Hinterlandanbindungen

Enttäuschend sind auch aktuelle Entscheidungen über wichtige Maßnahmen zum Ausbau der Hinterlandanbindungen der deutschen Seehäfen. So sind neue Planungen zum Ausbau der Y-Trasse oder einer der drei Alternativen vorgesehen. Die vergangenen 15 Jahre an Planung der Y-Trasse sind möglicherweise damit vergeudete Zeit gewesen.

Auch der seit vielen Jahren verzögerte Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals (NOK) wird sich noch lange hinziehen. Dabei erhöhen sich die Gesamtkosten für den Bau der 5. Schleuse in Brunsbüttel voraussichtlich um 100Mio. €, und der Ausbau der NOK-Oststrecke wird im besten Fall in zehn Jahren fertig sein. Der geforderte Zeit- und Maßnahmenplan mit voraussichtlichem Investitionsmittelbedarf für den Gesamtausbau des NOK steht immer noch aus. Es fehlt jedoch nicht nur an Finanzmitteln, sondern auch an Planungskapazitäten und damit Ingenieuren.

Es kann nicht sein, dass von den rund 500Mio. € an jährlichen Investitionsmitteln für die Bundeswasserstraßen, wobei der Bedarf bei 1 Mrd. im Jahr liegt, 20 bis 30% der Mittel nicht verbaut werden können und in den Bundeshaushalt zurückgehen. Im Hinblick auf die Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes ist daher ein Kompetenzzentrum Küste vonnöten, um ein leistungsfähiges Wasserstraßenmanagement für maritime Belange sicherzustellen.

Auch nach zehn Jahren Planungszeit ist es noch immer nicht gelungen, Klarheit über den Beginn der Baumaßnahmen zur Fahrrinnenanpassungen von Außen- und Unterelbe sowie von Außen- und Unterweser zu schaffen. Beim Bundesverkehrswegeplan 2015 ist es daher wichtig, die richtigen Schwerpunkte zu setzen. Dabei müssen wir mehr in die Zukunft investieren. Wir benötigen einen Pakt zur Sicherung unserer Wettbewerbsfähigkeit!

Den Absichtserklärungen, die Standortbedingungen der deutschen Seehäfen zu stärken, müssen endlich Taten folgen. Werden notwendige Maßnahmen weiter verzögert, sind Wachstumschancen verspielt – mit allen Folgen für Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplätze und Steueraufkommen.

Port Package hemmt Investitionen

Auch in der EU-Seehafenpolitik stehen wir vor wichtigen Weichenstellungen. Im Mai letzten Jahres hat die EU-Kommission den Verordnungsvorschlag zur Schaffung eines Rahmens für den Zugang zum Markt für Hafendienste und für die finanzielle Transparenz der Häfen vorgelegt, der als Port Package III bekannt ist. Die deutsche Hafenwirtschaft hat der EU-Kommission schon in den Beratungen über die gescheiterten Port Packages I und II deutlich gemacht, dass Regelungen über den Marktzugang für Umschlagdienste nicht erforderlich sind. Marktstruktur, Marktverhalten und Marktergebnis erfordern im Umschlagbereich keine neuen Regelungen. Marktzugangsregelungen für Umschlagdienste würden vielmehr Investitionen hemmen, Arbeitsplätze gefährden und die Leistungsfähigkeit der Hafenwirtschaft beeinträchtigen.

Die EU-Kommission hat das Anliegen nach jahrelanger Diskussion in ihrem Hafenverordnungsvorschlag berücksichtigt und klargestellt, dass die vorgesehenen Regelungen über den Marktzugang nicht für Ladungsumschlag- und Fahrgastdienste gelten. Außerdem soll die vorgesehene Verordnung die Anwendung sozial- und arbeitsrechtlicher Vorschriften der Mitgliedstaaten nicht berühren. Ansprüche und Rechte der Beschäftigten werden damit gewahrt. Bestehende arbeitsrechtliche Regelungen für die Häfen bleiben erhalten. Dies gilt insbesondere für Gesamthafenbetriebe in deutschen Seehäfen, die eine wichtige wirtschaftliche und sozialpolitische Bedeutung haben und auf der Grundlage bestehender gesetzlicher Regelungen ihre Aufgaben erfüllen.

Hafenverordnungsvorschlag liegt zunächst auf Eis

Der behutsame Ansatz der EU-Kommission, mit dem Hafenverordnungsvorschlag dort anzusetzen, wo Nachholbedarf besteht, ist vernünftig. Der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments (EP) hat seine Beratungen darüber jedoch eingestellt. Die noch verbleibende Zeit bis zur Neuwahl des Europäischen Parlaments am 25. Mai 2014 reiche nicht aus, zu einem Kompromiss über den Anwendungsbereich der Verordnung und über den Marktzugang für einzelne Hafendienste zu gelangen, hieß es. Außerdem hat der zuständige Berichterstatter des Europäischen Parlaments, Knut Fleckenstein, MdEP, aus seiner Sicht auf den problematischen Zusammenhang mit der vorgesehenen Beihilfeleitlinie der EU-Kommission hingewiesen.

Über das weitere Vorgehen wird nach der Neuwahl des Europäischen Parlaments und der Neuberufung der Europäischen Kommission im Herbst entschieden. Die Vorlage gilt weiterhin als eingebracht, da es keine sachliche Diskontinuität bei Gesetzgebungsverfahren im Europäischen Parlament gibt. Falls die EU-Kommission ihren Vorschlag nicht zurückzieht, könnten das Europäische Parlament in neuer Besetzung und der Rat die Vorlage ab Herbst 2014 grundsätzlich weiter beraten.

Die Diskussion über einen Hafenverordnungsvorschlag, der in der bisherigen Fassung der Hafenwirtschaft bei ihren Investitionen Rechtssicherheit gegeben hätte, wird also in der zweiten Jahreshälfte fortgesetzt.

Konzessionen beim Warenumschlag nicht erforderlich

Auch in der Richtlinie der Europäischen Kommission über die Konzessionsver­gabe wurden die Anliegen der deutschen Hafenunternehmen berücksichtigt. Der ZDS hatte der EU-Kommission immer wieder deutlich gemacht, dass Miet- und Pachtverträge, wie sie bei der Überlassung von Hafengrundstücken zum Zweck des Gewerbebetriebs in deutschen Seehäfen üblich sind, keine Konzessionen sind.

Wesentliches Merkmal einer Konzession ist die Übertragung öffentlicher Aufgaben auf Private. Dabei sichert sich die öffentliche Hand ihr Interesse an der Beschaffung einer bisher vom Staat wahrgenommen Leistung.

Das Be- und Entladen von Seeschiffen ist jedoch keine öffentliche Aufgabe. Der Warenumschlag ist keine hoheitliche Tätigkeit, zu deren Ausübung eine Konzession erforderlich ist. Er ist vielmehr eine originär unternehmerische Tätigkeit, deren Ausübung nicht von Konzessionen abhängig gemacht werden darf. Die vom Rat und Europäischen Parlament verabschiedete Konzessionsrichtlinie bezieht zwar den Hafenbereich mit ein, nimmt reine Miet- und Pachtverträge von ihrem Anwendungsbereich jedoch aus.

Der ZDS hatte sich dafür eingesetzt, im Richtlinienvorschlag Miet- und Pachtverträge eindeutig von Konzessionen abzugrenzen. Dies wurde in der Richtlinie klargestellt, sodass die Anliegen der Hafenwirtschaft berücksichtigt wurden.

Fragezeichen hinter Beihilfeleitlinien

So erfreulich diese Klarstellung ist, so groß sind die Sorgen hinsichtlich der Arbeiten an gemeinschaftlichen Leitlinien über staatliche Beihilfen für Hafenunternehmen. Derartige Beihilfeleitlinien wurden seit Jahren gefordert, um einen fairen Seehafenwettbewerb in der EU sicherzustellen.

Bisher war die Generaldirektion MOVE der Europäischen Kommission für Beihilfeleitlinien der Häfen zuständig. Jetzt liegen die Zuständigkeiten hierfür aber bei der Generaldirektion Wettbewerb. Durch diesen Wechsel der Zuständigkeiten besteht nun die Gefahr eines Paradigmenwechsels.

Bislang ist die Errichtung der allgemeinen Hafeninfrastruktur eine staatliche Aufgabe und die Errichtung der Hafen­suprastruktur eine Aufgabe der Unternehmen. Die nutzerspezifische Hafeninfra­struktur, wie Kaimauern etc., wird von der öffentlichen Hand gebaut und über Mieten und Pachten refinanziert.

An dieser bewährten Aufgabenteilung sollte festgehalten werden. Anderenfalls drohen erhebliche Gefahren für die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Hafensystems. Es ist daher sinnvoll, wie vom EP-Abgeordneten Knut Fleckenstein vorgeschlagen, die weiteren Schritte der Generaldirektion Wettbewerb abzuwarten, bevor die Beratungen über einen Hafenverordnungsvorschlag wieder aufgenommen werden.

Fazit: Chancen für gute Rahmenbedingungen sind groß

Die vorliegenden Ausführungen lassen sich abschließend wie folgt zusammenfassen:

Die deutschen Seehäfen stehen vor wichtigen Weichenstellungen in der nationalen und europäischen Seehafenpolitik. Dabei geht es auf nationaler Ebene um die Fortschreibung des Nationalen Hafenkonzepts und um den Bundesverkehrswegeplan 2015.

Auf EU-Ebene stehen vor dem Hintergrund der verabschiedeten Konzessionsrichtlinie die künftige Behandlung des Hafenverordnungsvorschlags der Europäischen Kommission und das Vorhaben, Beihilfeleitlinien für Seehäfen zu erstellen, zur Diskussion.

Bei all diesen Themen steht zu viel auf dem Spiel. Letztlich geht es um die Entwicklungschancen des Seehafenstandortes Deutschland.

Falls die genannten Anliegen berücksichtigt werden, sind in den nächsten zehn Jahren gute, wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen zu erwarten. Wenn nicht, kommen zur konjunkturellen Entwicklung zusätzlich schwierige Rahmenbedingungen in der Hafenpolitik hinzu.

Die Chancen für gute Rahmenbedingungen sind jedoch groß. Bei ihrer Erarbeitung setzen die deutschen Hafenbetriebe insbesondere auf den neuen Maritimen Koordinator der Bundesregierung und Parlamentarischen Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Uwe Beckmey­er, MdB.

Klaus Heitmann