Print Friendly, PDF & Email

Ulrich Malchow beschreibt die Entwicklung von Containerschiffen unter dem Einfluss der Bunkerkosten, skizziert die Grenzen des Wachstums und hinterfragt den stetigen Hafenausbau. Er ist der Meinung, dass ein weiterer Größensprung den Überseehandel nicht mehr spürbar begünstigen würde
Als Malcom McLean im Jahr 1956 mit der »Ideal X« sein erstes »Containerschiff« (ein modifizierter Tanker aus dem Zweiten Weltkrieg[ds_preview]) entlang der US-Ostküste in Fahrt setzte, hatte er wohl nicht geahnt, dass seine »Erfindung« wahrlich eine globale Transportrevolution auslösen wird, die einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der gesamten Weltwirtschaft genommen hat. In ihrer Folge konnte sich erst das entwickeln, was heute gemeinhin als Globalisierung bezeichnet wird. Die weitgehende Containerisierung des Stückguttransportes über See (sowie mittlerweile auch zahlreicher Bulk- und Tankpartien, aber auch von Projektladungen, die eigentlich gar nicht in einen Container passen) hat den zuverlässigen und kostengünstigen weltweiten Austausch von Halbfertig- und Fertigprodukten und damit die fortschreitende Arbeitsteilung der Weltwirtschaft erst ermöglicht. Da die Arbeitsteilung und das Wachstum des Weltbruttosozialproduktes sehr gut korrelieren, ist es nicht vermessen zu behaupten, dass die Erfindung des Containers einen wesentlichen Beitrag zum weltweiten Wirtschaftswachstum geleistet und damit auch zur Verbesserung der Lebensverhältnisse bzw. gar zur Überwindung von Armut in vielen Gegenden der Erde beigetragen hat. Obwohl der Container seinen Siegeszug im Verkehr zwischen hoch entwickelten Industrieländern begonnen hat, ist zu konstatieren, dass mittlerweile viele Produkte aus Schwellen- und Entwicklungsländern erst durch den Containertransport einen Zugang zum Weltmarkt gefunden haben, d. h. marktfähig und damit überhaupt im großen Stil in diesen Ländern produzierbar geworden sind. Der Erfolg des Containers beruht auf zwei banalen Eigenschaften: Seine genormten Abmessungen verbunden mit seiner Stapelbarkeit. Die hierdurch ermöglichte Mechanisierung und die damit erfolgte Industrialisierung des Stückguttransportes über See hat einen gewaltigen Effizienz­gewinn – insbesondere beim Umschlag – bewirkt. Der Container war jedoch auch Voraussetzung dafür, dass die »Economies of Scale« im Stückguttransport über See voll zuschlagen konnten. Wer könnte sich schon ein konventionelles 196.000-dwt-Stückgutschiff (Tragfähigkeit der Triple-E-Klasse) vorstellen? Es hätte wohl zehn Zwischendecks und läge allein ein halbes Jahr im Hafen, um beladen zu werden. Früher oder später wäre der Container daher wohl auch ohne Mr. McLean erfunden worden. Das bisher Erreichte ist gewaltig: Innerhalb kürzester Zeit sind Schiffe größer als 13. 400TEU zu Arbeitspferden im Europa-Fernost-Verkehr geworden. Mittlerweile sind bereits mehr als 70 Schiffe dieser Größenklasse in Fahrt. Bis Ende 2016 sollen noch weitere rund 90 Einheiten hinzukommen. Den Startschuss gab CMA CGM im November 2012 mit der Indienststellung der »CMA CGM Marco Polo« (16. 020TEU). Schienen die Triple-

E-Schiffe von Branchenprimus Maersk mit 18. 270TEU zunächst einmal den vorläufigen Endpunkt der Gigantomanie zu markieren, hat die vergleichsweise kleine UASC aus Kuwait im Sommer letzten Jahres Schiffe bestellt, die sogar noch (geringfügig) größer sind. Auch China Shipping orderte Schiffe in dieser Kategorie und wird mit 19.000TEU die Nase im Wettlauf um die größten Schiffe der Welt vorne haben – wenn auch vermutlich nur kurz. Durch die schiere Größe in Verbindung mit einer reduzierten Geschwindigkeit (nicht nur im tatsächlichen Betrieb, sondern auch schon in der Auslegung der Schiffe durch kleinere Motoren und völligere Linien) hat sich der heute entscheidende spezifische Brennstoffverbrauch pro Slot gewaltig reduziert. Wer erinnert sich noch an die ersten Ostasien-Panamax-Containerschiffe der sogenannten »dritten Generation« Anfang der 1970er Jahre? Das waren noch Doppelschrauben-Dampfturbinen-Schiffe (teilweise sogar Dreischrauber) für lediglich ca. 3.000TEU mit einer (anfänglichen) Dienstgeschwindigkeit von 27kn (Top-Speed über 30kn). Ihr Tagesverbrauch lag bei über 300t! Heute verbraucht die sechsmal so viel tragende Triple-E-Klasse mit einer Kapazität von 18.270TEU lediglich ca. 150t pro Tag – allerdings bei einer Dienstgeschwindigkeit von nur noch ca. 18kn. Auch wenn sich der Preis für HFO von unter 50$ pro Tonne in den frühen 1970er Jahren (vor der ersten Ölkrise) auf aktuell ca. 600$ pro Tonne mehr als verzwölffacht hat, sind die spezifischen Brennstoffkosten pro TEU seit 40 Jahren damit also ungefähr auf demselben Niveau geblieben. Allerdings sind die Container zwischen Europa und Fernost jetzt ein paar Tage länger unterwegs, was erstens ohnehin kaum ins Gewicht fällt und zweitens durch die ausgereifteren Möglichkeiten im Vor- und Nachlauf mehr als kompensiert wird. Das Größenwachstum der Schiffe ist nicht nur durch den rasant gewachsenen Containerverkehr getrieben, sondern auch umgekehrt haben die reduzierten Slotkosten den Transport vieler Container überhaupt erst ermöglicht. Zum reduzierten Bunkerverbrauch pro Slot haben jedoch nicht nur die »Economies of Scale«-Effekte beigetragen, sondern auch die enormen Fortschritte im Motorenbau (sowohl im Hinblick auf die Größe der Aggregate als auch ihren Gesamtwirkungsgrad) wie auch in der Hydrodynamik der Schiffe (Formgebung und Propellerdesign). Den größten Anteil hat jedoch das mittlerweile abgesenkte Geschwindigkeitsniveau in der Auslegung der Schiffe, da der Brennstoffverbrauch bekanntlich mit der dritten Potenz der Geschwindigkeit wächst. Unabhängig von jeder Ideologisierung müssen wir konstatieren, dass auch in Schifffahrt und Schiffbau bereits vor langer Zeit »Grenzen des Wachstums« erreicht worden sind: Bei den Rohöltankern hatten z. B. lediglich zwei Einheiten die 500. 000-dwt-Marke für eine kurze Zeit geknackt. Beide Einheiten sind längst nicht mehr in Fahrt. Der Schiffbau hätte noch größere Einheiten liefern können. Allein die mit der Größe verbundene Inflexibilität in Bezug auf die anlaufbaren Häfen (und auch die erforderliche Partiegröße der Ladung) hat die Großtanker wieder auf aktuell maximal 320. 000 dwt reduziert. Eine breite Anpassung der Häfen an die Schiffe hat nicht stattgefunden. Anders liegt der Fall in der Containerschifffahrt. Ein Ende der Größenentwicklung ist bislang nicht abzusehen und die Häfen werden fleißig weiter ausgebaut. Im Wettbewerb der Hafenstandorte passen sich die jeweiligen Hafenbehörden und Terminalgesellschaften quasi im vorauseilenden Gehorsam ständig den zu erwartenden Schiffsgrößen an. Die Hafenbehörden lassen immer tiefere Fahrrinnen ausbaggern und verstärken die Kaimauern, damit die örtlichen Terminalgesellschaften immer höhere und weiter ausladendere und damit schwerere Containerbrücken aufstellen können. Darüber hinaus werden Hafenbecken entsprechend den erforderlichen größeren Drehkreisen erweitert.

»Das Verhältnis von

öffentlichem Aufwand zu volkswirtschaftlichem Ertrag wird mit wachsender Schiffsgröße immer ungünstiger«

Es hat ein schleichender Paradigmenwechsel stattgefunden. Wurden die Stückgutschiffe früher auf ihre Fahrtgebiete, d.h. im Wesentlichen auf die anzulaufenden Häfen, zugeschnitten, so werden die Häfen jetzt zunehmend und mit viel Aufwand den wachsenden Schiffsgrößen angepasst. Ein extremes Beispiel findet sich z.B. im Hafen von New York (5,5Mio. TEU in 2013): Dort lässt man sich allein die Anhebung der 80 Jahre alten Bayonne-Bridge um 19m, damit sie zukünftig gerade einmal von den Schiffen der New-Panamax-Klasse ( ca. 13.000TEU) passiert werden kann, sagenhafte 1,3Mrd. $ kosten! Für weitere 1,3Mrd. $ wird der Hafen zusätzlich ausgebaggert. Dagegen nimmt sich die Fahrrinnenanpassung der Unterelbe mit mittlerweile wohl zu veranschlagenden 0,5Mrd. € geradezu bescheiden aus (Hamburg: 9,3Mio. TEU in 2013).

Seitens der Häfen werden erhebliche öffentliche Mittel eingesetzt, damit sie im harten Wettbewerb untereinander mithalten können. Taktgeber sind stets die großen Containerlinien. Allein die Ankündigung einer neuen Containerschiffsgeneration löst bereits hektische Investitionstätigkeit in den potenziellen Anlaufhäfen aus. Dieses Vorgehen hatte bislang zumindest aus der jeweiligen regionalen Hafensicht durchaus seine Berechtigung. Seit Beginn der Containerisierung hat das Größenwachstum der Schiffe eine erhebliche Reduzierung der Stückkosten (pro TEU) ermöglicht und damit zu einem enormen Mengenwachstum des Containerverkehrs auch in den Häfen beigetragen.

Mittlerweile ist jedoch ein Zustand eingetreten, der zumindest dazu angetan ist, die absehbare Entwicklung einmal zu hinterfragen. Der möglicherweise nächste Größensprung auf 22. 000 TEU ist schiff- und maschinenbaulich ohne Weiteres möglich. Der sich durch die »Economies of Scale« nochmals ergebende reduzierende Effekt auf die Slotkosten wäre allerdings nur noch minimal, da die Slotkostenkurve grundsätzlich von regressiver Natur ist (s. Abb. 1). Auch die bislang beispiellose Brennstoffökonomie der Triple-E-Schiffe (18. 270 TEU) beruht hauptsächlich auf dem durch das abgesenkte Geschwindigkeitsniveau möglichen Einbau relativ schwacher Motoren, die zudem auch durch Abwärmenutzung einen sehr hohen Gesamtwirkungsgrad aufweisen, als auf der schieren Größe dieser Schiffe.

Da der eigentliche Seetransport nur 20–30% der Kosten der gesamten Transportkette eines Containers ausmacht, wären die Auswirkungen auf die Gesamttransportkosten des einzelnen Produktes insgesamt ohnehin marginal und würde sich auf seinen Verkaufspreis allenfalls nur noch im einstelligen Cent-Bereich auswirken (an der für den Endverbraucher typischen …,99 €-Preisauszeichnung dürfte sich damit nichts ändern). Ein weiterer Größensprung würde den Überseehandel mit containerisierter Ware daher nicht mehr spürbar begünstigen.

Der Aufwand, um die Häfen für derartige Mega-Schiffe fit zu machen, steigt hingegen progressiv mit jedem weiteren Meter Tiefgang und Schiffsbreite (Abb. 1). Der Aufwand beschränkt sich dabei nicht nur auf die direkten Kosten der konkreten Maßnahmen, sondern beinhaltet auch die Kosten des Anschubes derartiger Maßnahmen bzw. die Kosten der meistens eintretenden Verzögerungen, wie man am Beispiel der sogenannten Elbvertiefung sehen kann. Diese ist objektiv zwar nur eine Fahrrinnenanpassung, wird aber seit Jahren von selbsternannten Mandatsträgern von Umweltinteressen erfolgreich blockiert. Jeder weitere Meter Wassertiefe (und auch Fahrrinnenbreite) wird langwieriger, schwieriger in der Umsetzung und damit teurer. Das liegt auch an den zwangsläufig erforderlichen Folgemaßnahmen in Form von kontinuierlich notwendigen Unterhaltsbaggerungen. Im Fall der Unterelbe muss man realistischerweise wohl davon ausgehen, dass mehr als die aktuell vor dem Bundesverwaltungsgericht verhandelten 14,50 m an maximalem Tiefgang zukünftig nicht umsetzbar sind.

Das Verhältnis von zumeist öffentlichem Aufwand zu volkswirtschaftlichem Ertrag wird also mit wachsender Schiffsgröße immer ungünstiger. Das hat seine Ursachen in erster Linie in den physikalischen Grundlagen von Schiffbau, Wasserbau (speziell der Morphodynamik in Gezeitengewässern) und Hafenbau (Infra- und Suprastruktur), d. h. auch der Baustatik. Politische Widerstände (meistens mit Naturschutz begründet, aber oft politisch/taktisch motiviert) erhöhen den Aufwand zusätzlich bzw. stellen die Machbarkeit gänzlich in Frage. Ob ihrer Zwangsläufigkeit kann auch hier mittlerweile von einer gewissen Gesetzmäßigkeit (der besonderen Art) gesprochen werden. Die Containerlinien streichen die mit wachsender Schiffsgröße nur noch schwach steigenden »Erträge« in Form von Kostenvorteilen pro TEU aus den »Economies of Scale« ein, während der mit der Schiffsgröße steigende infra- und suprastrukturelle Aufwand von den Häfen und damit meistens von der jeweiligen öffentlichen Hand zu tragen ist. Es ist höchst fraglich, wenngleich auch schwierig zu bilanzieren, ob unter Einschluss aller größenbedingten Infra- und Suprastrukturmaßnahmen (an beiden Enden) beispielsweise des Fahrtgebietes Europa–Fernost überhaupt noch ein positiver Saldo beim Sprung auf z.B. 22. 000TEU bleiben würde.

Werden also erhebliche öffentliche Mittel eingesetzt, nur um den Containerlinien, die sich die Investitionen in die (derzeit allerdings gänzlich überflüssigen) Mega-Carrier leisten (können), einen Kostenvorteil zu ermöglichen, um sich damit im Preiswettbewerb mehr Spielraum nach unten zu schaffen? Übernehmen also die »öffentlichen Hände« diverser Häfen gar einen wesentlichen Teil der Wettbewerbskosten? Könnte man in so einem Fall nicht vielleicht sogar von Wettbewerbsverzerrung zugunsten der ganz großen Linien mit den ganz großen Schiffen sprechen?

Es ist sicherlich zu konstatieren, dass durch die Infahrtsetzung von noch größeren Schiffen mit ihren marginal geringeren Slotkosten und der damit verbundenen Möglichkeit einer weiteren Frachtratenreduktion sicherlich kein Nachfrageschub mehr ausgelöst wird, von dem die Häfen in ihrer Gesamtheit über steigende Umschlagzahlen profitieren würden. Dennoch ist natürlich weiterhin mit einem generellen Wachstum des weltweiten Containerverkehrs zu rechnen (wenn auch regional sehr unterschiedlich ausgeprägt). Gerade die jüngere Vergangenheit hat aber gezeigt, dass auch im Containerverkehr die Bäume nicht kontinuierlich in den Himmel wachsen und bisweilen sogar Rückgänge im Umschlag verkraftet werden müssen. Das zukünftige Wachstum in den Hauptfahrtgebieten wird also weniger schiffsgrößeninduziert sein, was es in der Vergangenheit durchaus war, sondern hängt jetzt im Wesentlichen an den globalen volkswirtschaftlichen Parametern.

»Die Linien werden in ihrer

Gesamtheit nach der Indienststellung

noch größerer Schiffe nicht besser

dastehen als zuvor«

Containerschifffahrt ist im Wesentlichen Preiswettbewerb, d.h. der Kostenführer hat die Nase vorn. So ist es überhaupt nur zu erklären, dass sogar in Zeiten von Überkapazitäten weitere Schiffe bestellt werden. Aus Sicht der einzelnen Linie macht dies durchaus Sinn (Abb. 1). In Verbindung mit den derzeit niedrigen Baupreisen ergeben sich auch sehr günstige Kapitalkosten pro Slot. Um die niedrigen Slotkosten nutzen zu können, muss der Carrier die Riesenschiffe allerdings mit Ladung füllen können. Das ist meistens zunächst nicht der Fall, sodass die notwendige Ladung im Verdrängungswettbewerb durch günstige Frachtraten »gekauft« werden muss. Damit sinkt das allgemeine Ratenniveau weiter, wodurch die Kostenvorteile lediglich an die Ladungsseite durchgereicht werden, die diesen Vorteil gern mitnimmt, aber darauf nicht angewiesen ist. Eine signifikante Senkung der Transportkosten (zumal über die gesamte Transportkette) stellt dies allerdings nicht dar, sodass sich die Transportnachfrage dadurch nicht erhöht.

Im Endeffekt wächst das Überangebot an Schiffsraum drastisch weiter und das Ratenniveau bleibt weit davon entfernt, für die Linien eine angemessene Rendite abzuwerfen. Gleichzeitig verlieren zahlreiche immer noch relativ junge Schiffe in der Größenklasse 8. 000–10. 000 TEU massiv an Wert, weil sie im Vergleich zu den Riesen schlicht unwirtschaftlich geworden sind. Sie werden umständehalber in Fahrtgebiete verlegt, in denen bislang die nächstkleinere Schiffklasse eingesetzt war, die sie wiederum durch ihre vergleichsweise geringeren Slot-Kosten verdrängen. Der Verdrängungsmechanismus setzt sich also in Richtung der kleineren Schiffe fort (Kaskadeneffekt). Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich durch den Einsatz immer größerer Schiffe die Kostenposition der Linien zwar zunächst verbessert, gleichzeitig aber auch die Erlösseite unter starken Druck gerät, sodass sich die Marge (wenn überhaupt vorhanden) nicht verbessert. Die Linien werden also in ihrer Gesamtheit nach der Indienststellung noch größerer Schiffe nicht besser dastehen als zuvor. Die Riesenschiffe haben allenfalls im Verdrängungswettbewerb der Linien untereinander einen (kurzfristigen) Effekt. Auch volkswirtschaftlich positive Folgen sind mit einem weiteren Größenwachstum der Schiffe nicht mehr verbunden.

Taktgeber für diesen Mechanismus, der niemandem nachhaltige Vorteile bringt, sind die großen Containerlinien, deren kurzzeitiger Kostenvorteil angesichts des selbst ausgelösten Frachtratenverfalls allerdings wieder verpufft. Man könnte also behaupten, dass die Häfen den Verdrängungswettbewerb zwischen den Linien erst ermöglichen, indem sie von Schiffsgeneration zu Schiffsgeneration die Voraussetzungen für weiteres Größenwachstum schaffen. Einzelnen Häfen, die sich nicht für die großen Schiffe ertüchtigen, droht Geschäft in großem Umfang verloren zu gehen – und damit auch an Bedeutung und in dieser Folge noch mehr Geschäft (Feederverkehre). Daher ist es verständlich, dass alle Häfen durch massive Ausbaumaßnahmen bemüht sind, nicht in eine derartige Abwärtsspirale zu geraten.

Sowohl Häfen als auch Linien sind also Getriebene einer Entwicklung, von der sie selbst kaum profitieren. Überspitzt formuliert sind die einzigen Nutznießer einige niederländische Nassbaggerunternehmen, drei koreanische (und bald sicher auch einige chinesische) Großwerften sowie im Wesentlichen ein chinesischer Containerbrückenhersteller.

Mittlerweile stellt sich daher die Frage, bis zu welcher Grenze diese Entwicklung noch fortgeführt werden soll? Die bislang bestehenden technischen Grenzen etwa bezüglich der Propulsionsleistung (hat sich aufgrund der Geschwindigkeitsabsenkung ohnehin relativiert) oder der Längsfestigkeit der Schiffe scheinen grundsätzlich verschiebbar zu sein. Nautisch/operationell wäre wohl erst bei Malaccamax (max. Tiefgang: ca. 20m) die Grenze, was ca. 30. 000TEU entsprechen dürfte (eine Ausbaggerung der Malakka-Straße kann wohl nicht erwartet werden).

Ein Limit gänzlich anderer Natur könnte allerdings die Versicherbarkeit derarti-

ger Schiffe inklusive ihrer Ladung darstellen (zu hohes »Klumpenrisiko«).

Soll diese zwangsläufige Entwicklung fortgeführt werden, bis eine dieser Grenzen erreicht ist? Oder sollte vielmehr nicht einmal überlegt werden, ob dieser Mechanismus eventuell schon früher unterbrochen werden kann, anstatt weiterhin erhebliche öffentliche (und auch private) Ressourcen – ohne großen volks- und betriebswirtschaftlichen Nutzen – zu investieren? Und wenn ja, welche Möglichkeiten gibt es?

Solange die Häfen die maximale Abladetiefe als eines ihrer wesentlichen Wettbewerbskriterien ansehen, wird sich der Mechanismus allerdings nicht unterbrechen lassen. Wäre es vor diesem Hintergrund daher nicht eine Überlegung wert, die Häfen in Bezug auf ihre Wassertiefe eine Art Kartell bilden zu lassen, um mithilfe eines »Baggerboykotts« aus der Kostenfalle der schier endlosen Ertüchtigungsspirale herauszukommen? Unter Umständen täte man sogar den Containerlinien einen Gefallen, indem man sie von dem regelrechten Zwang befreit, in immer größere Schiffe zu investieren.

Die potenzielle Bereitschaft, sich innerhalb der Hamburg–Le Havre-Range auf dieser Ebene möglicherweise zu verständigen, wird natürlich unter den Häfen unterschiedlich ausgeprägt sein. Hamburg hat am meisten zu verlieren (zweitgrößtes Umschlagvolumen mit dem engsten Nadelöhr als Zufahrt und einer mit jeder Schiffsgeneration schwieriger werdenden Erreichbarkeit), während Rotterdam relativ gelassen in die Zukunft blicken kann. Aber vielleicht müsste Rotterdam auch gar nicht mit von der Partie sein: Es ist zumindest fraglich, ob die Linien Schiffe in Fahrt setzen würden, die am Nordkontinent nur noch einen einzigen Hafen anlaufen können. Die aktuell anstehenden Fahrinnenanpassungen der Unterelbe und Außenweser sind allerdings zum Erreichen einer einigermaßen vergleichbaren Ausgangsposition noch alternativlos (Tab. 1).

Diese Überlegungen sind aktuell lediglich ein Gedankenexperiment, dessen Umsetzbarkeit nicht abgeschätzt werden kann. Unabhängig von allen Naturschutzerwägungen macht es angesichts der gewaltigen Mittel, die in der Hamburg–Le Havre-Range zukünftig noch erforderlich sein werden, um immer größere Schiffe aufnehmen und abfertigen zu können, jedoch Sinn, diese Überlegungen im Hinblick auf ihre tatsächliche Sinnhaftigkeit sowie ihre praktische und politische Umsetzbarkeit weiterzuentwickeln.


Prof. Dr.-Ing. Ulrich Malchow