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Auf der Posidonia in Athen wurde deutlich, dass sich die griechische Schifffahrt längst wieder im Wachstumszyklus befindet, während andere immer noch die Wunden lecken.
Mit Griechenland wird seit mehr als fünf Jahren das geflügelte Wort »Krise« verbunden. Und wenn das für die Gesamtwirtschaft und[ds_preview] den Finanzhaushalt des Mittelmeeranrainers sicher noch immer gelten mag, so stellt sich die Situation in der maritimen Wirtschaft Griechenlands vollkommen anders da. Von Wachstum, Rekorden und Milliardeninvestitionen ist hier die Rede, während die Hellenen eher mitleidig auf die kriselnde maritime Schifffahrtsbranche Deutschlands schauen – eine scheinbar verkehrte Welt.

Griechisches Selbstbewusstsein

Auf der größten maritimen Fachmesse Südeuropas, der Posidonia in Athen, wurde dies Anfang Juni überdeutlich. So verbuchten die Organisatoren mit rund 19.500 Besuchern (+10%) und 1.843 Ausstellern aus 93 Ländern neue Höchstwerte seit der Erstauflage 1969. Auch wenn beispielsweise SMM in Hamburg, Nor-Shipping in Oslo und Marintec in China zahlenmäßig größer sind, sind die Griechen selbstbewusst genug, ihre Messe als »führende maritime Veranstaltung weltweit« zu titulieren.

Die Bedeutung der Posidonia definiert sich freilich nicht allein durch das Geschehen in den vier Ausstellungshallen auf dem Gelände der Metropolitan Expo nahe des Athener Flughafens, sondern durch die vielen hochkarätigen Gala-Events, VIP-Partys und Hinterzimmergespräche, bei denen internationale Protagonisten der maritimen Wirtschaft zusammen kommen und tatsächlich intensiv Geschäft machen.

»Die enge Verbindung der Posidonia mit der griechischen Schifffahrts-Community und ihre Reputation als Ort, an dem wirklich Deals geschlossen werden, machen für unsere Gäste den Mehrwert aus«, sagte Dimitra Michael, Geschäftsführerin von Posidonia Exhibitions S.A., nach dem Messeende. Es sei in diesem Jahr spürbar gewesen, dass die Schifffahrtskonjunktur parallel zur makroökonomischen Erholung wieder anziehe. Als entsprechend gut bewertete sie die Stimmung – und die Geschäftstätigkeit als sehr hoch.

Rege Geschäftstätigkeit

Messeteilnehmer aus aller Welt bestätigten dies: »Wir haben etliche Kontakte mit potenziellen Geschäftspartnern geschlossen und glauben, dass Griechenland ein idealer Standort ist, um die vielfältigen maritimen Dienstleistungen und Produkte Dubais zu vermarkten«, sagte Al Nawfal Jourani von der staatlichen Dubai Maritime City. Antonio Tacquis von Panama Shipping Services ergänzte: »Wir haben auf der Posidonia so viel Neugeschäft gemacht, dass wir wohl unsere Mitarbeiter in Panama verdoppeln müssen, um diese Nachfrage zu befriedigen.«

Das weltweite Interesse zeigte sich auch an 21 Länderpavillons, darunter die Niederlande, Japan, Türkei und Dänemark. Aber auch kleinere maritime Standorte wie Kroatien, Georgien oder Belize präsentierten sich in Athen. Umso erstaunlicher war es, dass sich der deutsche Cluster nicht einheitlich in den Farben der Landesflagge präsentierte. Offenbar ist hierzulande noch nicht überall durchgedrungen, dass die griechische Flotte mit mehr als 3.900 Schiffen und 290 Mio. dwt die nach Tonnage weltweit größte ist. Und dies wird auch in absehbarer Zeit so bleiben: »Jeden zweiten Tag wird ein Schiff in griechischer Eignerschaft fertiggestellt«, machte Pre­mierminister Antonis Samaris auf der Posidonia deutlich.

Erfolgreiches »Asset Play«

Die Schlagkräftigkeit der griechischen Schifffahrtscommunity liegt beileibe nicht nur an Steuerermäßigungen, welche die Regierung auf internationalen Druck inzwischen reduziert hat, sondern vor allem am vorausschauenden Agieren der Reedereifamilien. Während viele deutsche Schifffahrtsunternehmen durch den nicht nachlassenden Kapitalstrom aus dem KG-Modell im ansteigenden Zyklus immer mehr und immer teurere Frachter bestellten, trennten sich nicht wenige griechische Reeder kurz vor dem Peak 2008 von etlichen Schiffen.

Das viel geübte »Greek Asset Play« funktionierte mal wieder. Und so sammeln die Reeder mit gut gefüllten Kassen dieselben oder ähnliche Schiffe nun zu einem Bruchteil des Preises auf dem Secondhand-Markt wieder ein. Oder sie bestellen gleich energieeffiziente Eco-Designs, die ihnen große Vorteile am Chartermarkt verschaffen.

Hinzu kommt ausreichend frisches Kapital aus Börsengängen in New York (die Hälfte aller dort gelisteten Schifffahrtsunternehmen haben einen griechischen Hintergrund), von milliardenschweren Pri­vate-Equity-Häusern (Petrofin schätzt die Zahl der griechischen Joint Ventures mit Finanzinvestoren auf rund 40) oder neuerdings von chinesischen Leasing-Instituten.

Somit machen Unternehmen wie Navios, Box Ships oder Diana Shipping den bislang führenden deutschen Trampreedern auch im Containersegment zunehmend Konkurrenz, nachdem Costamare oder Danaos hier schon länger expandieren. »Es ist entscheidend, dass man als Unternehmen im Konjunkturtal schlagkräftig ist, um zu guten Preisen zu investieren. So verdient man am Ende das Geld«, sagte Navios-Chefin Angeliki Frangou auf dem Shipowners Forum von »Tradewinds«.

Größtes Orderbuch weltweit

Per Ende Juni umfasste das Orderbuch griechischer Besteller insgesamt 502 Schiffe mit 47,5 Mio. dwt. Allein im Jahr 2013 wurden über alle Segmente hinweg 275 Schiffe für mehr als 13 Mrd. $ bestellt. Darunter befanden sich laut Newsfront/Greek Shipping Intelligence 134 Bulker (im Wert von 4,5 Mrd. $), 65 Tanker (3,0 Mrd. $), 25 Containerschiffe (1,6 Mrd. $) sowie eine nicht genannte Zahl von LPG- und LNG-Carriern für erstaunliche 4,0 Mrd. $.

Im Gastanker-Markt sind griechische Eigner mit 183 Schiffen – davon 70 Neubauten – laut Lloyd’s Register und »Fairplay« inzwischen führend. Ein weiterer Nischen­markt, der zunehmend in den Fokus rückt, ist Offshore-Öl & Gas. Einer der Vorreiter ist hier Tycoon George Economou mit Ocean Rig, der elf Tiefwasser-Bohrschiffe betreibt. Wie interessant dieser Markt trotz der horrenden Investitionen ist, zeigt die Einnahme­seite: Die laufenden Charterverträge von Ocean Rig summieren sich insgesamt auf 5,4 Mrd. $. Ein Beispiel: Die Tagespreise für die schwimmenden Bohrinseln lagen jüngst im Schnitt bei 526.000 $, wobei dem Vernehmen nach 153.000 $ am Tag als Reingewinn verbleiben sollen – bei einer Auslastung von 92%. Das sind Zahlen, von denen man in der Handelsschifffahrt nur träumen kann.

Economou ermunterte seine Kollegen in Athen denn auch, ebenfalls in den Offshore-Sektor einzusteigen: »Es gibt keinen Grund, warum die Griechen neben dem klassischen Trockenfracht-, Tanker- und Containergeschäft nicht auch in anderen Bereichen wie der Offshore-Branche wachsen sollten«, stellte er fest. Es sei zwar immer schwierig, in einen neuen Markt einzusteigen, aber etwaige Anfangsverluste seien es am Ende wert. Evangelos Pistiolis von der Reederei Top Ships sieht dies offenbar ähnlich und wagt ebenfalls die Diversifizierung. Bei Yantai CIMC Raffles Offshore bestellte er zwei Jack-up-Rigs für 480 Mio. $ mit Optionen für vier weitere, sodass sich die Gesamtorder auf bis zu 1,44 Mrd. $ belaufen könnte. Aktiv sind in diesem Segment bereits auch Gregory Callimanopulos (Toisa und Sealion), Victor Restis (Golden Energy Offshore) und Basil Papachristides (Hellespont Offshore).

Die Zeichen sind in der griechischen Schifffahrt insgesamt also auf Wachstum gestellt. Ein Blick nach Athen kann daher von deutscher Seite aus nicht schaden – auch wenn Deutschland dort sonst den Schulmeister spielt. In maritimen Angelegenheit agieren die Griechen indes mindestens auf Augenhöhe.


Nikos Späth