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In der Krise ist angesichts der zum Teil großen Tonnage-Überkapazitäten

für die Reeder jeder noch so kleine Vorteil gegenüber der Konkurrenz enorm wichtig. Deutsche Unternehmen setzen dabei vor allem auf technische Innovationen und die Kooperation mit kapitalstarken Partnern
Der Schwerpunkt der Modernisierungs­offensive der deutschen Reeder liegt auf der Digitalisierung und Vernetzung der Flotten, der weiteren Senkung des[ds_preview] Treibstoffverbrauchs und nicht zuletzt dem Einsatz größerer Schiffe, wie eine jüngste Umfrage des Beratungsunternehmens PricewaterhouseCoopers (PwC) ergeben hat.

Die Investitionspläne der 104 befragten deutschen Reeder laufen auf eine deutliche Verjüngung der Hochseeflotte hinaus. So wollen knapp zwei Drittel der Betriebe (64%) in den kommenden zwölf Monaten Schiffe kaufen – in der Vorjahresumfrage gab dies lediglich die Hälfte der Unternehmen an. Gleichzeitig ist der Anteil der Reeder, die sich in den vergangenen zwölf Monaten von Schiffen getrennt haben, auf einen Höchstwert gestiegen: 2013 gab es bei 62% der Unternehmen Schiffsverkäufe, im Jahr 2012 hingegen nur bei 45% und 2011 lediglich bei 29%.

»Die deutsche Handelsschifffahrt steuert einen konsequenten Modernisierungskurs, um mit einer effizienteren Flotte und Logistik den extremen Margendruck abzufedern. Eine signifikante Erweiterung der Gesamtkapazität der Flotten steht aber angesichts der erwarteten anhaltend schwachen Marktentwicklung zurzeit nicht auf der Agenda«, kommentiert Claus Brandt, Leiter des Kompetenzzentrums maritime Wirtschaft bei PricewaterhouseCoopers, die Ergebnisse der Branchenumfrage.

Über voll ausgelastete Flotten berichten derzeit nur zwei von drei Reedern. Dies ist der mit Abstand niedrigste Wert seit 2009 (53%). Auch die konjunkturellen Branchenperspektiven werden 2014 pessimistischer beurteilt: Aktuell gehen 60% nicht von einer kurzfristigen Erholung der weltweiten Schifffahrtsmärkte aus, im Vorjahr lag der Wert bei 55%. Auf der anderen Seite scheinen viele deutsche Reeder die Konsolidierung ihres Unternehmens abgeschlossen zu haben: 55% der Befragten sehen sich wieder auf Wachstumskurs (2013: 43%). Zudem wollen mehr Reeder als im Vorjahr Personal einstellen (50%, 2013: 40%).

Einen Sondereffekt für die deutsche Seeschifffahrt könnte der Klimawandel beisteuern: Die Nordostpassage bleibt seit einiger Zeit länger eisfrei und verkürzt so den Seeweg nach Ostasien. Immerhin knapp 40% der Reeder glauben, dass sich dadurch neue Geschäftschancen ergeben. In der Vergangenheit hatten bereits einige internationale Reedereien Schiffe über

den arktischen Seeweg entlang der nord­russischen Küste geschickt. Aus Deutschland war dort beispielsweise die Hamburger Schwergut- und Projektreederei Hansa Heavy Lift aktiv.

Bei geplanten Schiffsneubauten ist Kosteneffizienz das erste Gebot. Nahezu alle Reeder (97%) halten einen niedrigen Treibstoffverbrauch für eine entscheidende Eigenschaft neuer Schiffe, eine höhere Transportkapazität ist demgegenüber nur 46% (sehr) wichtig. Dennoch geht der Trend klar zu immer größeren Schiffen: Knapp vier von fünf Reedern (77%) rechnen auf Sicht der kommenden drei bis fünf Jahre mit dem Bau noch größerer Containerschiffe, und auch Tanker sowie Schwergutfrachter dürften eher größer als kleiner werden. Lediglich bei den Kreuzfahrtschiffen halten sich die Erwartungen die Waage:

33% rechnen mit größeren, 30% mit eher kleineren Neubauten.

Digitale Kontroll- und Steuerungsinstrumente werden künftig immer wichtiger

Weitgehend einig sind sich die Befragten darin, dass Investitionen in digitale Technologien in den kommenden Jahren immer wichtiger werden. Neun von zehn Reedern (93%) erwarten, dass eine lückenlose Schiffs- und Frachtverfolgung durch das Internet und satellitengestützte Datenübertragung selbstverständlich werden. Auch der Status der technischen Anlagen an Bord dürfte nach Einschätzung von rund 90% der Reeder in absehbarer Zeit laufend von Land aus kontrolliert werden können. Allerdings glauben nur vier von hundert Befragten, dass Schiffe künftig ganz von Land aus gesteuert werden können und ohne Kapitän und Besatzung auskommen. Dennoch wird das Monitoring bei vielen Unternehmen immer wichtiger. Mit einer besseren Kontrolle der Abläufe an Bord können die Betriebskosten gesenkt werden. So hat das finnische Unternehmen NAPA jüngst nach der Übernahme durch die japanische Klassifikationsgesellschaft ClassNK ein neues Tool (»ClassNK NAPA Green«) vorgestellt.

»Der Einsatz digitaler Kontroll- und Steuerungsinstrumente kann dazu beitragen, die Transportkapazitäten der Schiffe noch besser auszunutzen und die wartungsbedingten Liegezeiten in den Häfen zu verringern. Konsequent weiter gedacht, eröffnet die Digitalisierung auch die Möglichkeit, Prozesse an Auslandsstandorte zu verlagern, die bislang zum Kern der Geschäftstätigkeit im Inland zählen«, so Brandt weiter. So halten acht von zehn Reedern die Auslagerung von Crewing und Einsatzplanung an Auslands­standorte für denkbar, jeweils über 40% der Befragten können sich auch die Befrachtung und Instandhaltung ihrer Schiffe außerhalb Deutschlands vorstellen.

Unabhängig von der möglichen Auslagerung von Unternehmensbereichen dürfte die deutsche Schifffahrtsbranche in den kommenden Jahren internationaler werden. Gut die Hälfte der Reeder (54%) plant derzeit Kooperationsprojekte mit ausländischen Partnern. Insbesondere zur Finanzierung der Investitionen in neue Schiffe und Technik wird es verstärkt auf internationale Kapitalgeber ankommen: Beispiele gibt es bereits einige, etwa den US-amerikanischen Finanzinvestor Oaktree, der ursprünglich bei der ehemaligen Bremer Beluga-Gruppe eingestiegen war und mittlerweile alleiniger Inhaber der Nachfolgereederei Hansa Heavy Lift ist. Im Neubaubereich hatte Oaktree vor einiger Zeit mehrere Finanzierungskooperationen mit den Containerreedereien Bernhard Schulte und Rickmers abgeschlossen. Schulte arbeitet darüber hinaus in einigen Neubauprojekten mit JP Morgan zusammen. Weitere deutsche Reeder setzen nach eigenen Angaben auf verschiedene »private Partner« bei der Realisierung von Aufträgen. In den meisten Fällen wird deren Identität jedoch nicht veröffentlicht.

90% der befragten Reeder gehen davon aus, dass Kapital von ausländischen Fonds für die deutsche Schifffahrt mittelfristig eine größere Rolle spielen wird. Gleichzeitig erwarten über 80%, dass deutsche Banken ihr Engagement weiter zurückfahren werden. Unter anderem Kredithäuser aus China dürften in diese Lücke stoßen.

Der Verband Deutscher Reeder (VDR) sieht in der Studie Argumente für eine stärkere Förderung der deutschen Schifffahrt durch die Politik. Um den maritimen Standort zu erhalten, fordert er mehr Unterstützung bei der Beschäftigung deutscher Seeleute. »Im sechsten Jahr der weltweiten Schifffahrtskrise ist die Wettbewerbsfähigkeit mehr denn je gefährdet«, erklärte Ralf Nagel, Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des VDR. »Die Auslastung der Schiffe ist nach wie vor völlig unbefriedigend. Die Erlöslage, gerade in der Containerschifffahrt, bleibt äußerst schwierig. Deswegen müssen die Unternehmen alle Möglichkeiten zur Kostensenkung nutzen, um im Markt zu bleiben.«

Die Verlagerung von Aktivitäten ins Ausland müsse von immer mehr Unternehmen aufgrund des hohen Kostendrucks ins Auge gefasst werden. Besonders betroffen davon seien der Personaleinsatz, das Organisieren von Ladung für die Schiffe und die Instandhaltung der Flotte.

»Dies alles sind für die Beschäftigung in Deutschland sensible Bereiche«, so Nagel. »Sie drohen, vom hiesigen Standort zu verschwinden. Wir müssen jetzt – wie in anderen europäischen Ländern auch – mehr tun, um die Branche besser zu unterstützen. Es geht darum, den Kostennachteil zwischen der Beschäftigung deutscher und ausländischer Seeleute auszugleichen.«
mm