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Recyceln statt Verbrennen. In der Kreuzschifffahrt zeichnet sich ein Wechsel beim Umgang mit Bordabfällen ab. Das würde der Branche eine grünere Bilanz verschaffen. Es gibt allerdings noch Hürden.
Die Abfallbehandlung ist ein großes, aber altbekanntes Thema für Kreuzfahrtreedereien. Auf großen Schiffen mit 5.000 Menschen an Bord fallen pro[ds_preview] Tag 12,5t oder 26m3 Müll an. Die Flotte hat eine Vielzahl von Anlagen, um mit den Mengen fertig zu werden. Dazu gehören unter anderem große Schredder und Pressen. Nach wie vor wichtigste Komponente ist ein Ofen, in dem ein Großteil der Abfälle verbrannt wird, so dass im Hafen eine volumenmäßig weit kleinere Menge Asche abgegeben werden muss. Die Schwachstelle dieser Strategie: Der Ofen verbraucht eine Menge Energie und erhöht den CO2-Ausstoß. Angesichts des immer ausgeprägteren »grünen« Bewusstseins in der Schifffahrt wächst auch die Kritik an der Verbrennungsmethode.

Abhilfe könnte ein verstärkter Rückgriff auf Recycling schaffen. Das meinen zumindest die Experten des Oldenburger Schiffbauzulieferers Deerberg-Systems. Sie haben ein System erarbeitet, in dem der Anteil der Verbrennung reduziert und im Idealfall sogar auf Null zurückgefahren wird. Unternehmenschef Jochen Deerberg ist sich der Kritikpunkte an der Verbrennungsmethode bewusst – auch wenn die bestehende Methode umwelteffizienter genutzt werden könnte. »Die bei der Müllverbrennung freigesetzte Energie wird viel zu selten zur Rückgewinnung eingesetzt. Die Technik dafür wäre da, aber sie ist teuer und benötigt einen gewissen Platz an Bord. Daher scheuen sich Kreuzfahrtreedereien davor«, sagte er kürzlich bei der Vorstellung des »Multi-Purpose-Waste-Management-System (MPWMS) Flex«. Deerberg plädiert dafür, einen neuen Kurs einzuschlagen. Bisher stand das Verbrennen an Bord im Vordergrund. Die Oldenburger wollen nun einen anderen Weg gehen. So wenig Müll wie möglich soll verbrannt und so viel wie möglich recycelt und in den Häfen abgegeben werden. So könnten große Mengen Energie und Schiffsemissionen eingespart werden. Der Ansatz beinhaltet einen optimierten Ablauf bei der Sammlung und Behandlung der Abfälle.

Ausgelegt ist das neue System auf eine hohe Flexibilisierung. Je nachdem wo sich das Schiff gerade befindet, kann der Reeder mit einer Verarbeitung der Müllmengen reagieren. Es werden drei Szenarien zu Grunde gelegt.

Szenario A spiegelt eine Situation in einer Region wieder, in der das Recycling nicht hoch im Kurs steht. Es gibt dort keine entsprechenden Annahmestellen oder die vorhandenen Stellen sind nicht für Kreuzfahrtschiffe ausgelegt bzw. veraltet. »So viel verbrennen wie möglich«, lautet die Devise. Lagerraum wird lediglich für Asche, Gläser, Dosen und spezielle Abfälle benötigt.

Szenario B trifft laut Deerberg auf Regionen in der Ostsee oder im Mittelmeer zu, möglicherweise bald auch auf die Karibik. Hier gilt: »So viel Recycling wie möglich«. Es gibt ausreichend Annahmestellen, die Verbrennung wird reduziert. Entsprechend muss jedoch mehr Lagerfläche für die unterschiedlichen Müllsorten zur Verfügung stehen.

Szenario C ist eher ein Ideal. Dabei soll der angefallene Abfall komplett getrennt und an Land abgegeben werden – auch Sondermüll. Auf die Verbrennung wird verzichtet. Nachteil ist dabei der noch größere Bedarf an Stauraum, der vorgehalten werden muss. Um auf alle drei Szenarien vorbereitet zu sein, sind laut Deerberg insgesamt 214m2 Stauraum für die verschiedenen Abfallsorten nötig. Dabei werden die Vorteile der Verbrennung an Bord deutlich. Denn die Menge des abzugebenden Mülls wächst stark an. Bei einer siebentägigen Kreuzfahrt mit 5.000 Personen an Bord von 28t bzw. 40m3 in Szenario A sowie auf 69t bzw. 130m3 und 102t bzw. 206m3 in den Szenarien B und C.

Deerberg ist sich dennoch sicher, dass es dazu kommen wird: »Es wird sich entwickeln, vielleicht von Europa ausgehend. Natürlich ist es schwierig, aber auch machbar.« Mit seinem flexiblen System will er auf einem Kreuzliner für 3.000 Passagiere 2.700t CO2 und rund 100.000€ Betriebskosten pro Jahr einsparen. Es gebe ein verändertes Umweltbewusstsein in der Gesellschaft, das auch die Schifffahrt betreffe. Recycling werde dabei immer wichtiger. Anlagen wie Bone Crusher, Glass Cru­sher, Tin Densifier, Bale Compactor, ein optimierter Sortiertisch oder ein Dryer System spielen eine große Rolle. Sie müssen hochproduktiv sein, um die Mengen, die nicht mehr verbrannt werden, effektiv behandeln zu können. Dadurch verarbeitet und gepresst, wird der Abfall platzsparend gelagert. »Mit der Weiterentwicklung des MPWMS kann ein Schiff alle drei Szenarien der Müllverarbeitung abbilden«, sagt Deerberg.

Einige Hindernisse gibt es aber noch. Darin ist sich Deerberg mit Helge Grammerstorf, Director beim Branchenverband CLIA Deutschland, einig. »Was wir brauchen, ist eine bessere Vernetzung und mehr bzw. bessere Annahmestellen an Land. Wir werden weniger Müll verbrennen, benötigen aber mehr Sammelsysteme, weil es in der Hafenwelt noch nicht ausreichend Infrastruktur gibt«, so der Kreuzfahrtexperte. Ähnlich sieht es die Rostocker Reederei Aida Cruises. Dort setzt man zwar schon im Vorfeld auf die Verringerung von Abfallentstehung, etwa beim Einkauf von Nahrungsmitteln. »Abfallmanagement ist auf unseren Schiffen Standard. Unser Ziel ist es, die Recycling-Quote zu erhöhen«, erläutert Monika Griefahn, Chief Sustainability Officer im Unternehmen. Die Infrastruktur in vielen Häfen reiche aber zum Teil noch nicht aus.

Zu diesen Rahmenbedingungen zählen neben rechtlichen Vorgaben zur Mülltrennung auch Sammelstellen an Land, eine entsprechende Logistik zum Abtransport und zuverlässige Anlagen.

Aus der Politik erhält Deerberg Unterstützung. »Der Schutz unserer Meeresum­welt ist eine Aufgabe, für die es das Zusammenwirken aller Akteure in der maritimen Branche braucht. Daher begrüße ich ausdrücklich die Initiative von Deerberg Systems, Reedereien, Entsorger, Häfen und Werften an einen Tisch zu holen und gemeinsam neue schiffbauliche Konzepte zu beraten«, sagt der Maritime Koordinator der Bundesregierung Uwe Beckmeyer. Denn auch er sieht noch Probleme bei der vollständigen Umstellung auf Recycling. Während deutsche Häfen bereits heute »weitgehend über ein einheitliches Abfallentsorgungssystem« verfügen würden, sehe es in ausländischen Häfen anders aus, »wo die Bestimmungen von Land zu Land sehr unterschiedlich sein können«, so Beckmeyer. Ziel muss es seiner Ansicht nach daher auch sein, bereits das Entstehen von Abfällen zu reduzieren.

In der Entsorgungsbranche an Land wird ein entsprechendes schiffbauliches Engagement ebenfalls begrüßt. »Durch die Innovationen von Entsorgungssystemen an Bord können wir Entsorger deutlich mehr Abfälle verwerten anstatt sie zu beseitigen«, sagt Christoph Buss von der Hamburger Eckelmann Gruppe. Er attestiert der Reedereibranche ein gestiegenes Umweltbewusstsein. Allerdings gebe es bei der Übergabe an Land noch Probleme. Zum Teil würden Abfälle nach der Trennung an Bord bei der Übergabe wieder vermischt. Buss spricht sich daher für ein international standardisiertes Separier- und Behältersystem aus, das an Bord leicht zu bedienen ist und die Übergabe sowie die Verwertung stark vereinfachen würde.

Die Standardisierung ist ein großes Thema unter Experten. Wie bei der Eckelmann Gruppe steht es auch bei Deerberg Systems und im CLIA-Verband weit oben auf der Agenda. Das Behältersystem müsse vereinheitlicht werden, so Grammerstorf, damit die Reedereien den ökologischen Ansprüchen genügen können. In einigen Ländern und Kreuzfahrtdestinationen gibt es seiner Ansicht nach verschiedene Entwicklungsstufen und vor allem ein anderes Verständnis für Umwelt und Abfallverwertung.

Deerberg sieht es ähnlich. »Wir werden aber sicherlich die Verbrennung an Bord in kleinerem Maße beibehalten müssen, da es noch zu viele Hindernisse an Land gibt.« Auch fahren Kreuzfahrtschiffe bis zu 30 oder 40 Jahre. Nicht alle sind auf dem neuesten Stand der Technik. Und während der langen Einsatzzeit müssen Schiffe immer wieder neuen regulatorischen Rahmenbedingungen entsprechen. Mit seinem neuen Ansatz will er eine flexible Kompromissmöglichkeit anbieten.


Michael Meyer