Griechische Meeresgöttin mit neun Buchstaben

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Sie hatte ein Wasserflugzeug an Bord und ein Tragflächenboot, vor allem aber fast alle, die in der Nachkriegswelt einen Namen[ds_preview] hatten: Staatsmänner, Stars und Könige. Vor 60 Jahren, am 8.Juli 1954, wurde die Luxusyacht »Christina« von den Howaldtswerken in Kiel an den griechischen Milliardär Aristoteles Onassis übergeben. Benannt nach seiner Tochter, konstruiert und designed von dem deutschen Stararchitekten Caesar Pinnau, ausgestattet mit goldenen Wasserhähnen und edelsten Möbeln, ging ein Schiff auf Jungfernfahrt, das wie kein anderes vorher und nachher die Prominenz der Welt zu Gast hatte. Da konnte auch sein Schwager und Reeder-Rivale Stavros Niarchos, der die große Segelyacht »Creole« besaß, nicht mithalten.

Wie viele, die sich zu Reichtum hochgearbeitet hatten, genoss es Aristoteles Onassis, seinen Besitz zu zeigen und sich mit Schönem, aber auch den Schönen der Zeit zu umgeben. Die Operndiva Maria Callas wurde seine Freundin, Jackie Kennedy seine Frau. Marilyn Monroe, Evita Peron und Liz Taylor reisten auf dem Schiff. Fürstin Gracia Patricia und Fürst Rainier von Monaco feierten ihre Flitterwochen an Bord. Winston Churchill, John F. Kennedy, Tito, der ägyptische König Faruk und der saudische Herrscher Ibn Saud – sie alle kamen gern auf die »Yacht der Yachten«, Nicht zu vergessen: John Paul Getty, Aga Khan, Greta Garbo, Frank Sinatra und John Wayne.

Das Vorleben der fast 99m langen und 1.802 BRT großen »Christina« war schlichter. Sie war im 2.Weltkrieg als kanadische Fregatte »Stormont« eingesetzt worden und 1943 vom Stapel gelaufen. Onassis erwarb das Kriegsschiff, das seit dem Ende des 2.Weltkriegs keine Verwendung mehr hatte, zu einem Spottpreis und ließ es zu einer schwimmenden weißen Villa umbauen, ausgerüstet mit modernster Technik. Das 20kn schnelle Schiff bot Platz für 19 Passagiere und 37 Besatzungsmitglieder. Die ersten Kapitäne waren Deutsche, die Onassis von seiner Walfangflotte her kannte: Sven Thienemann und Willy Schlatermund.

Deutsche Schiffbaukunst stand bei Onassis hoch im Kurs. Er orderte in Kiel, Hamburg und Bremen mehr als ein Dutzend Tanker, darunter bei HDW Hamburg die für damalige Verhältnisse riesigen Tanker »Tina Onassis« und »Al-Malik Saud Al Awal« mit einer jeweiligen Tragfähigkeit von fast 50.000t.

Peter Tamm, damals junger Schifffahrtsredakteur beim »Hamburger Abendblatt«, war bei den Probefahrten und der Indienststellung der »Christina« dabei. Später entwickelte sich eine Freundschaft mit Onassis, der oft nach Hamburg in seine Bürovilla am Harvestehuder Weg kam. Der heutige Chef des Internationalen Maritimen Museums Hamburg erlebte Onassis keineswegs als eine arrogante Persönlichkeit. »Wenn er ein bisschen angab, war das eher Spaß. Ansonsten war er ein prima Kerl und netter Kumpel – und Ästhet.«, sagt er. Was ihn am stärksten auf der »Christina« beeindruckt hat? »Der Swimming-Pool mit dem zur Tanzfläche hochfahrbaren Boden aus minoischem Mosaik – und das goldene Schwert im Salon, ein Geschenk des saudi-arabischen Königs.«

Onassis hatte im luxuriösen Salon der »Christina« einige Knochenschiffe ausgestellt – Modelle, die von Franzosen in englischer Gefangenschaft um 1800 herum aus Rinderknochen gebaut worden waren. Die fast filigran gebauten Schiffe faszinierten damals Peter Tamm. Heute verfügt er nicht nur über die größte Modellschiff-Sammlung der Welt mit 47.000 Exemplaren, sondern auch mit 32 Modellen über die größte Knochenschiff-Sammlung.

Aristoteles Onassis wurde vor allem reich durch seine Tankerflotte, die schon vor dem 2. Weltkrieg bestand. Er hatte früh erkannt, dass Öl die wirtschaftliche Bedeutung der Kohle zunehmend überragen würde. Viel Geld verdiente er dann durch Öltransporte im 2. Weltkrieg und in der Nachkriegszeit. Geschickt handelte er mit König Ibn Saud einen Exklusivvertrag zum Transport saudi-arabischen Öls aus – sehr zum Missfallen amerikanischer und britischer Wirtschaftskreise.

Privates Glück zog sein Erfolg nicht nach sich: Er starb 69jährig in einer Pariser Klinik an Lungenentzündung. Sein Sohn war vorher bei einem Flugzeug tödlich verunglückt. Seine Tochter Christina starb später an einer Medikamenten-Vergiftung.


Wulf Brocke