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Zum dritten Mal nach 2010 und 2012 hat der »Offshore Dialogue« bei der SMM Chancen und Herausforderungen für die maritime Industrie in den Offshore-Märkten beleuchtet.
In Deutschland und anderen europäischen Ländern hat der Ausbau der Offshore-Windenergie zuletzt an Fahrt gewonnen. Auch in den USA[ds_preview] und Asien gibt es mittlerweile mehr oder weniger konkrete Pläne, künftig einen Teil des Strombedarfs mit dieser erneuerbaren Energiequelle zu decken. Zugleich wird die Welt noch eine ganze Weile auf fossile Brennstoffe wie Öl und Gas angewiesen bleiben, die angesichts zur Neige gehender Vorräte an Land verstärkt aus dem Meer beziehungsweise der Tiefsee gewonnen werden müssen. Gemeinsam haben die unterschiedlichen Energieformen, dass zu ihrer Förderung neben Schiffen auch Plattformen und innovative Technologien benötigt werden, woraus sich für die maritime Branche und die Zulieferindustrie sowohl große Chancen als auch besondere Herausforderungen ergeben. Um sie ging es am SMM-Thementag Offshore beim dritten »Offshore Dialogue«, der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sowie verschiedenen Fachverbänden und Institutionen unterstützt wurde.

Der maritimen Industrie komme eine Schlüsselrolle bei der Energieversorgung und der Gewinnung von Rohstoffen aus dem Meer zu, sagte Uwe Beckmeyer, Maritimer Koordinator der Bundesregierung und Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundeswirtschaftsminister, in seiner Eröffnungsrede. Gerade bei der Offshore-Förderung von Öl und Gas seien Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit zentrale Themen: »Das bringt einen Bedarf an nachhaltigen, sicheren und zugleich kosteneffizienten Technologien mit sich«, betonte er. Deutsche Unternehmen hätten in diesem Bereich eine ganze Menge zu bieten – so liege eine wesentliche Stärke der hiesigen Werften in ihrer Fähigkeit, auf spezifische Kundenbedürfnisse eingehen zu können. Beckmeyer erwähnte in diesem Zusammenhang den Nationalen Masterplan Maritime Technologien, der einen umfassenden Handlungsrahmen zur Stärkung der maritimen Wirtschaft und zur Entwicklung neuer Tätigkeitsfelder für die Zukunft bereitstelle. Er sei froh, dass der Schiffbau und die maritimen Technologien damit ihren Platz in der Hightech-Strategie der Bundesregierung gefunden hätten.

Nachdem die Offshore-Windindustrie gemeinsam mit der maritimen Wirtschaft in einer ersten Ausbauwelle bereits Erfahrungen mit dem Bau von Meereswindparks gesammelt hat, hat sich die Branche für künftige Projekte vorgenommen, die Kosten entlang der gesamten Wertschöpfungskette deutlich zu senken und damit die Offshore-Windenergie langfristig wettbewerbsfähig zu machen. So ist es das erklärte Ziel von Siemens, die Stromgestehungskosten (Levelized Cost of Energy, LCOE) von derzeit rund 14 Cent pro Kilowattstunde (kWh) bis zum Ende des Jahrzehnts auf weniger als 10 ct/kWh zu senken. Um das zu erreichen, hat der Weltmarktführer bei der Herstellung von Offshore-Turbinen schon früh auf eine Industrialisierung der Produktionsabläufe gesetzt und arbeitet in diesem Bereich nach eigenen Angaben ebenso an weiteren Optimierungen wie in den Themenfeldern Errichtungslogistik, Netzanbindung sowie Betrieb und Wartung.

Um ein umfassendes Bild für eine realistische Kosten-Nutzen-Analyse im Vergleich mit anderen Energieträgern zu erhalten, hat der Konzern zuletzt ein Konzept mit dem Titel »Society’s Cost of Electricity« (SCOE) entwickelt, das zusätzlich zu den Erzeugungskosten auch Aspekte wie verborgene Subventionen, Arbeitsmarkteffekte, soziale Kosten und geopolitische Faktoren berücksichtigt. Das überraschende Ergebnis: Mit dieser Kalkulation kann Windenergie im Jahr 2025 die günstigste aller Energieformen sein. Jan Rabe, Strategiechef bei Siemens Wind Power, rechnete vor, dass Offshore-Wind unter Anwendung der erstellten Formel mit 6,0 ct/kWh fast genau so günstig sein werde wie Onshore-Wind (5,9 ct/kWh) und damit deutlich vor Photovoltaik (7,6 ct/kWh), Gas (9,4 ct/kWh), Atomenergie (10,0 ct/kWh) und Kohle (10,5 ct/kWh) liege.

»Die Frage ist darum nicht, ob wir uns Offshore-Windenergie leisten können«, machte Rabe deutlich. »Die entscheidende Frage ist vielmehr, ob wir es uns leisten können, Offshore-Wind nicht zu nutzen.« Es sei gut, dass die Regierung in Deutschland mit der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes für die nächsten Jahre Planungssicherheit geschaffen habe. Eher früher als später müsse nun aber die Diskussion darüber beginnen, wie es nach 2020 weitergehen solle.

Neue Herausforderungen für die Errichtungslogistik ergeben sich aktuell aus der Tatsache, dass Komponenten wie Turbinen und Rotorblätter immer größer werden und damit die Installationsschiffe an ihre Grenzen stoßen. Selbst mit Jack-up Vessels der neuesten Generation sei es schon schwierig, die benötigten Kapazitäten zur Verfügung zu stellen, berichtete Hans Schneider, Chief Operating Officer beim Logistikdienstleister A2Sea. Für die Zukunft müsse der Weg vom Multi-Purpose-Schiff zum reinen Spezialisten führen, der entweder zur Turbinen- oder zur Fundamente-Installation eingesetzt werde: Das werde letztlich auch zur Kostenreduzierung beitragen. Um in solche Schiffe investieren zu können, seien allerdings stabile politische Rahmenbedingungen in allen europäischen Ländern sowie eine solide Projektpipeline erforderlich.

Werften profitieren von weltweiten Offshore-Märkten

Dass Werften schon heute von den unterschiedlichen Offshore-Märkten profitieren, wurde anhand mehrerer Beispiele deutlich. Die niederländische Werftengruppe Damen Shipyards etwa hat eine breite Palette von Offshore-Schiffen entwickelt, die sowohl in der Offshore-Windenergie als auch in der Öl- und Gasindustrie eingesetzt werden können, wie Business Development Manager Sybrand Boschma erläuterte. Nordic Yards mit den drei Standorten in Wismar, Warnemünde und neuerdings auch Stralsund hat zuletzt unter anderem mit der Herstellung riesiger Konverterplattformen zur Netzanbindung von Offshore-Windparks (s. HANSA 9/2014), aber auch mit dem Bau des Windturbinen-Wartungsschiffes »Wind Server« für den dänischen Offshore-Dienstleister DBB Jack-up Services auf sich aufmerksam gemacht.

»Öl, Gas und Wind sind für uns die interessantesten Geschäftsfelder«

Der Bedarf an innovativen Serviceschiffen ist offensichtlich da: Schon vor Auslieferung des Jack-up Vessels hatte DBB im Mai verkündet, sich mit Siemens auf eine Drei-Jahres-Charter für die »Wind Server« geeinigt zu haben. Die Positionierung im Offshore-Markt habe maßgeblich dazu beigetragen, dass sich Nordic Yards in den vergangenen Jahren zum maritimen Systemintegrator und EPCI-Contractor (Engineering, Procurement, Construction and Installation) entwickelt habe, betonte Projektmanager Jens Pehlke.

Eine bemerkenswerte Entwicklung hat auch Drydocks World mit Sitz in Dubai vorzuweisen. Schwer von den Folgen der globalen Finanzkrise getroffen, musste das als Reparaturwerft bekannt gewordene Unternehmen in den vergangenen Jahren einen Restrukturierungsprozess durchlaufen und sich nach neuen Geschäftsfeldern umsehen, um die Zukunftsfähigkeit der nach eigenen Angaben größten Werft des Nahen Ostens sicherzustellen.

»Wir haben uns die globalen Marktaussichten bis 2030 angesehen und festgestellt, dass Öl und Gas sowie Offshore-Windenergie die interessantesten Geschäftsfelder für uns sein würden«, berichtete Drydocks-World-Chef Khamis Juma Buamim beim »Offshore Dialogue«. Man habe deswegen die Ausrichtung der Werft entsprechend geändert und damit seither schon viel erreicht: Neben den bisherigen Tätigkeitsbereichen Reparatur und Neubau hätten sich inzwischen auch der Umbau von Schiffen und die Herstellung von Offshore-Strukturen zu wichtigen Einnahmequellen entwickelt. Als Leuchtturmprojekte nannte Buamim unter anderem den Umbau des früheren LNG-Tankers »Golar Frost« zur FSRU-Einheit (Floating Storage and Regasification Unit) »FSRU Toscana« sowie den Bau der Konverterplattform »DolWin beta« zur Anbindung von Offshore-Windparks in der deutschen Nordsee.

Mit Blick auf die zunehmend herausfordernden Bedingungen bei der Offshore-Gewinnung von Öl und Gas betonte Steffen Knodt von Aker Solutions, dass der Bedarf an neuen Technologien in diesem Bereich groß sei. Die Unterwassertechnik sei ein interessantes Feld für Innovationen, wobei sich sein Unternehmen derzeit unter anderem mit einer neuartigen Gaskompressionsanlage beschäftige. Während bisher viel Equipment mit Schiffen zum Einsatzort gebracht werde, werde dies umso teurer und schwieriger, je weiter entfernt von der Küste man arbeite und je tiefer das Wasser werde. »Unsere Idee ist daher, das benötigte Equipment auf dem Meeresboden zu installieren,

wodurch sich letztlich auch die Fördermenge steigern lässt«, erläuterte Knodt. Nach langen Jahren der Vorbereitung nähere man sich nun dem Zeitpunkt, mit dem Prototypen einer solchen Anlage im von Statoil betriebenen Åsgard-Feld vor der norwegischen Küste die Produktion aufzunehmen. Die größte Herausforderung der Branche sei aus seiner Sicht: »Einen Kunden zu finden, der zu so einem Pilotprojekt bereit ist und der sich davon überzeugen lässt, dass man ein sehr gutes Produkt entwickelt hat.«


Anne-Katrin Wehrmann