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Daimler verkauft erneut seine MTU-Anteile – diesmal an Rolls-Royce.
Die Meldung vom 26. August »Rolls-Royce schließt Übernahme von Rolls-Royce Power Systems ab« war für die Branche zweifellos[ds_preview] eine Überraschung, auch wenn sich die Dominanz von Rolls-Royce (RR) in der Unternehmensführung schon seit geraumer Zeit abzeichnete. Seit dem Einstieg von RR bei der damaligen Führungsgesellschaft Tognum AG, über die zuvor mit Daimler gegründete Engine Holding GmbH, sind gerade drei Jahre vergangen. Am 7. März 2011 hatte die Tognum AG ihren Aktionären mit einer Ad-hoc-Mitteilung bekannt gegeben, dass die Daimler AG und die RR-Gruppe eine Mehrheitsbeteiligung zu gleichen Teilen an der Gesellschaft anstrebten.

Schon zwei Tage später wurden die Aktionäre informiert, dass die beiden Bieter das gesamte Grundkapital erwerben wollten. Mit einer »Grundsatzvereinbarung« war festgehalten worden, dass Friedrichshafen der Hauptsitz des Unternehmens bleiben sollte und Daimler und RR beabsichtigten, mit »Ausgaben für Forschung und Entwicklung und Sachinvestitionen die technologische Vorreiterschaft der Tognum AG beizubehalten«. Zur Erinnerung: Als die DaimlerChrysler AG 2005 ihre Beteiligung an der MTU Friedrichshafen veräußern wollte, gab es einige Pokerrunden mit unterschiedlicher Besetzung, die letztlich mit einem Preis von 1,6Mrd. € und dem schwedischen Investor EQT Partners als neuer Inhaber sämtlicher Geschäftsanteile endeten.

Wesentliche Voraussetzung für diesen Vorgang war eine Einigung zwischen Daimler und den Minderheitsgesellschaftern der MTU Friedrichshafen, die ihre Geschäftsanteile zunächst der DaimlerChrysler AG übertragen mussten. Das waren die Nachkommen des Grafen Zeppelin und von Karl Maybach. Sie verzichteten zugunsten der weiteren Entwicklung der MTU unter einem langfristig engagierten Investor.

EQT brachte die inzwischen als Holding (von MTU, L’Orange u.a.) gegründete Tognum AG schon 2007, also wesentlich früher als ursprünglich geplant, an die Börse und erzielte für die Ausgabe von 84 Millionen Aktien einen Emissionserlös von rund 2Mrd. €. Die Aktien befanden sich anfangs zu 63% im Streubesitz, EQT hielt noch 22,3%, Aufsichtsräte und Vorstandsmitglieder des Unternehmens rund 12 % und Mitglieder der Familie Schmidt-Maybach 3%. Für EQT Partners war „MTU/Tognum“ bereits im Frühjahr 2008 mit einem Nettoerlös von rund einer Milliarde Euro abgeschlossen, nachdem die noch gehaltenen Aktien an die Daimler AG verkauft worden waren. Daimler äußerte im April 2008 die Absicht, kurz- bis mittelfristig eine Sperrminorität zu erwerben, die Anfang 2009 schon deutlich überschritten war.

Unter aktuellen Aspekten ist die damalige Begründung für den Wiedereinstieg von Daimler bei der Tognum AG und damit bei der MTU nicht ohne Bedeutung. Offiziell hieß es: »Nachdem EQT sein Aktienpaket an Tognum verkaufen wollte, kann Daimler durch die Übernahme dieser Anteile die langfristigen Lieferbeziehungen mit Tognum absichern.« Wenn diese Beziehungen in der jüngsten Meldung ebenfalls betont werden, stellt sich die Frage, wie die Absicherung heute aussieht.

Zurück zum Einstieg von Rolls-Royce bei Tognum: Selbstverständlich begrüßte der Vorstand der Tognum AG das Übernahmeangebot von »zwei finanzstarken Unternehmen« mit erklärter Investitionsbereitschaft »zur Stärkung der Marktposition« des Herstellers schnellaufender Dieselmotoren. Die MTU benötigte zur Umsetzung der ihr verordneten Wachstumsstrategie schon beim Einstieg von EQT erhebliche Mittel. Doch an derartigen Investitionen war der Investor ganz offensichtlich nicht interessiert. Und Daimler – damals noch mit Chrysler verbunden – benötigte selbst eine Stärkung seiner Liquidität, konnte daher und wollte auch nicht weiter in das Offroad-Geschäft der MTU investieren. In der Hauptversammlung der Tognum AG von 2011 war zu hören, dass Daimler und RR über einen Zeitraum von drei Jahren 3Mrd. € in Forschung und Entwicklung sowie in Sachinvestitionen bei Tognum – als weiterhin selbständigem Unternehmen – stecken wollten.

Am 6. Juni 2011 konnte die Tognum AG mitteilen, dass das Übernahmeangebot der Engine Holding GmbH von ihren Aktionären mit einer Quote von 58,35% angenommen und damit die Voraussetzungen zur Übernahme erfüllt waren. Die Absicht der Engine Holding zur vollständigen Übernahme der Aktien führte zwangsläufig zu Auseinandersetzungen mit Minderheitsaktionären, die sich bis zum März 2013 hinzogen. Zwischenzeitlich war am 19. Dezember 2012 noch ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen Tognum und Engine Holding wirksam geworden.

Zum 1. Juli 2013 brachte RR seine norwegische Tochtergesellschaft Bergen Diesel AS in die Tognum AG ein. Wie es hieß, sollte damit »die nächste Phase« der gemeinsamen Aktivitäten beginnen. Die Umfirmierung der Tognum AG in Rolls-Royce Power Systems AG vom Januar 2014 war dann nur noch »der Punkt auf dem i« zur vollen Übernahme der MTU Friedrichshafen, dem Kernunternehmen, wie es immer so schön heißt, und der anderen zur Tognum-Gruppe gehörenden Unternehmen.

Ob damit das Schicksal des Friedsrichshafener Unternehmens zumindest hinsichtlich der Unternehmensführung als abgeschlossen betrachtet werden kann, darf bezweifelt werden. RR kann mit den schnellaufenden Motoren aus Friedrichshafen und den mittelschnellaufenden aus Bergen keine Antriebslösungen für große Schiffe bieten. Bestenfalls sind Lösungen mit aufgeteilten Leistungen bei diesel-elektrischen Antriebsanlagen möglich. Auch auf dem Gebiet der Gasmotoren bleiben selbst mit den neuen Ansätzen auf Basis der MTU-Baureihe 4000 nur relativ kleine Antriebsanlagen im Bereich des Möglichen.

Was bleibt? Die Verhandlungen zwischen Rolls-Royce und Wärtsilä sind Anfang 2014 ohne Ergebnis abgebrochen worden, vermutlich weil bei Wärtsilä schon die Weichen für den Verkauf der Zweitaktmotorensparte nach China gestellt waren. Ein Blick auf die Motorenprogramme der verbliebenen noch selbständig entwickelnden Motorenhersteller zeigt wenig erfreuliche Perspektiven für eine Arrondierung auf dem Gebiet der Schiffs­antriebsanlagen.

Hans-Jürgen Reuß