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In der aktuellen Phase der Konsolidierung gehen Reedereien verschiedenste Wege, um ihr Geschäftsmodell den Bedingungen anzupassen. Stephan R. Göthel und Oliver Rossbach zeigen diverse Möglichkeiten der Zusammenarbeit


Die Schifffahrtskrise beherrscht den Markt seit nunmehr über sechs Jahren. Deutschland wurde von dieser globalen Entwicklung besonders hart getroffen. Schließlich[ds_preview] unterhält es die mit Abstand größte Containerflotte der Welt, ist Sitz einiger der führenden Schiffsfinanzierer, beherbergt zwei der größten Reedereien und war vor der Krise einer der bedeutendsten Standorte für Eigenkapital einsammelnde Schiffsfonds (sog. »KG-Modelle«). Seit dem Ausbruch der Krise kämpfen Banken gegen Abschreibungen, Reedereien um ihre Existenz und Investoren wie Anleger mit dem Verlust ihres Eigenkapitals. Und dieser Trend wird sich auf absehbare Zeit nicht ändern, weil eine schnelle und nachhaltige Markterholung weiterhin nicht zu erwarten ist. Manche bezeichnen die Situation sogar als «the new normal».

Hatten die betroffenen Marktteilnehmer bislang in erster Linie mit aktuellen Insolvenz- und Restrukturierungsfragen zu kämpfen und hier um innovative Lösungen zu ringen, so rückt nun eine zweite noch stärker zukunftsgerichtete Herausforderung mehr und mehr in den Fokus: Die Forcierung eines nachhaltigen Strukturwandels der Branche. Dieser Strukturwandel betrifft in erster Linie die Reedereien. Sie werden sich zukünftig in noch stärkerem Maße als bisher neue Finanzierungsquellen erschließen müssen. Denn Banken werden – wegen ihrer derzeitigen Erfahrungen, vor allem aber auch wegen der nochmals gestiegenen Anforderungen an die Eigenkapitalunterlegung im Zuge von Basel III – zukünftig nicht mehr Fremdkapital wie in bisherigem Umfang zur Verfügung stellen. Und das KG-Modell gilt als vorerst »tot«. Damit bleiben als neue Financiers im Wesentlichen institutionelle Investoren (Pensionsfonds, Family Offices, Private Equity Fonds) sowie der Kapitalmarkt übrig. Diese wiederum engagieren sich nur ab einer bestimmten Unternehmens- bzw. Investitionsgröße und wenn das kapitalsuchende Unternehmen marktübliche Standards an Transparenz, Reporting und Corporate Governance erfüllt. Viele, insbesondere kleinere Reedereien erfüllen diese Voraussetzungen derzeit nicht. Ihnen ist daher zu raten, alle Möglichkeiten der Konsolidierung und der Kooperation auszuloten und möglichst zügig umsetzen, um ihren Finanzierungsbedarf auch in Zukunft sicherstellen zu können.

Zwar sind bereits unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit zwischen Reedereien zu beobachten. Diese reichen von einfachen Kooperationsverträgen über Joint Ventures bis hin zu echten Vereinigungen. Doch ist die Entwicklung erst am Anfang, insbesondere wenn sich vor Augen führt, dass nach einer Studie 58% der befragten deutschen Reedereien in Zusammenschlüssen und Kooperationen eine erfolgreiche Zukunftsstrategie sehen. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die genannten Geschäftsmodelle und soll dazu beitragen, dass der Konsolidierungsdruck, der auf der Branche lastet, nicht als Bedrohung empfunden wird, sondern vor allem als Chance, sich zu erneuern und die eigene Wettbewerbsposition nachhaltig zu verbessern.

Möglichkeiten der Unternehmensverbindung

Für die Verbindung von Schifffahrtsunternehmen, seien es kleine, mittelständische oder große, sind verschiedene Formen denkbar. Sie alle können auf rein nationaler Ebene erfolgen, also nur zwischen deutschen Reedereien, oder grenzüberschreitend, also zwischen einem deutschen und einem ausländischen Schifffahrtsunternehmen. Hierbei lässt sich danach unterscheiden, wie intensiv der Zusammenschluss ist und wie stark die Parteien ihre rechtliche und wirtschaftliche Selbständigkeit verändern.

1. Kooperation

Die loseste Form der Zusammenarbeit geht über eine schlichte Kooperation, die einen oder mehrere Geschäftsbereiche erfasst. Die Rechtsbeziehungen der Parteien können sich in einem einzigen Kooperationsvertrag erschöpfen oder weitere Verträge einschließen. Entscheidend ist, dass die Parteien rechtlich selbständig bleiben. Sie gründen auch keine gemeinsame Gesellschaft, in die Geschäftsbereiche ausgelagert werden. Sie sind nur rein schuldrechtlich über den Kooperationsvertrag und gegebenenfalls weitere Verträge miteinander verbunden. Die Gesellschafterstruktur und die Gesellschaftsorgane der Partner bleiben unverändert. Ein Praxisbeispiel ist die geplante Kooperation »2M« zwischen den Reedereien Maersk und Mediterranean Shipping Company (MSC). Die Parteien wollen zukünftig ihre Schiffe auf den Routen Asien-Europa, Transatlantik und Transpazifik gemeinsam nutzen. Die Schiffe bleiben jedoch im Eigentum des jeweiligen Partners. Zudem sind darüber hinaus keine gemeinsamen Geschäftsaktivitäten geplant, so dass jede Partei eigenständig Verkaufs- und Marketingaktivitäten betreiben, Preise festlegen und die Kundenbetreuung durchführen wird.

2. Joint Venture

Eine engere Form der Zusammenarbeit ist das sogenannte Gemeinschaftsunternehmen oder Joint Venture. Denn hier gründen die Parteien eine weitere Gesellschaft (Projektgesellschaft), die sie mit eigenem Kapital ausstatten und auf die sie gegebenenfalls geschäftliche Aktivitäten übertragen. Ein Beispiel aus dem Schifffahrtsbereich ist das Unternehmen Quayside Maritime Partners, ein Gemeinschaftsunternehmen der E.R. Capital Holding und der Schulte Group. Nach eigenen Angaben stellen beide Partner signifikantes Eigenkapital zur Verfügung, um die aktuellen Marktchancen gezielt zu nutzen, ein Portfolio von Schiffen zu attraktiven Preisen zu erwerben und in einer Markterholungsphase zu einem angemessenen Wert zu verkaufen. Möglich ist ein Joint Venture aber auch mit einem Finanzpartner, wie das Joint Venture zwischen der Rickmers Gruppe und dem US-amerikanischen Finanzinvestor Apollo zeigt. Die gemeinsame Gesellschaft hat ihren Sitz in Singapur. Sie soll zunächst Schiffe im second-hand Markt erwerben. Rickmers wird für die gemeinsam erworbene Flotte verschiedene Dienstleistungen erbringen, einschließlich des technischen und kommerziellen Schiffsmanagements. Ein weiteres Beispiel für ein Joint Venture sind die sogenannten Auffanggesellschaften, bei denen beispielsweise eine überschaubare Zahl von Investoren und/oder Reedereien eine Gesellschaft gründet, die notleidende Schiffe kauft und kurzfristig deren operative und finanzielle Stabilisierung sichert.

3. Unternehmensvereinigung

Die intensivste Form der Zusammenarbeit ist die Unternehmensvereinigung. Hier schließen sich zwei oder mehr Schifffahrtsunternehmen zu einem Unternehmen zusammen, sei es ganz oder nur teilweise. In diesem Fall erfolgt eine vollständige rechtliche und wirtschaftliche Integration der beteiligten Unternehmen oder Geschäftsbereiche. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die Zusammenlegung der Containergeschäfte von Hapag-Lloyd und der chilenischen Reederei Compañia Sud Americana de Vapores (CSAV), bei dem dieser Geschäftsbereich von CSAV vollständig in Hapag-Lloyd aufgehen und CSAV im Gegenzug Aktionär bei Hapag-Lloyd werden soll.

Motive und Kriterien

Unternehmensverbindungen können verschiedene Ziele verfolgen. Ein häufig genanntes Motiv ist der sog. Synergieeffekt, insbesondere bei Unternehmensvereinigungen: Die Unternehmen schließen sich zusammen, um Wettbewerbsvorteile und Gewinnsteigerungen durch Kostenersparnisse zu erzielen, indem zweifach vorhandene Bereiche zusammengelegt und verkleinert werden, wie etwa die Personalabteilung, die Finanzbuchhaltung oder die Informationstechnologie. Andere Motive können beispielsweise sein: Wachstum, Erweiterung des Angebots, Zugang zu Know-how sowie die Erschließung neuer Märkte und Regionen.

Welche Gesichtspunkte für einen Unternehmenszusammenschluss sprechen und damit auch die Frage, welches Unternehmen der richtige Partner für die Zukunft ist, hängt vom Einzelfall ab. Neben den genannten wirtschaftlichen Aspekten sind zudem steuerliche und rechtliche, aber auch kulturelle Gesichtspunkte in die Erwägungen einzubeziehen. Dies gilt auch für die Wahl der passenden Form der Unternehmensverbindung, also Kooperation, Joint Venture oder Unternehmensvereinigung. Hier ist natürlich auch eine wesentliche Frage, inwieweit die Parteien bereit sind, ihre Selbständigkeit aufzugeben.

All diese Fragen sind möglichst frühzeitig im Transaktionsprozess zu beantworten, auch wenn dies nicht in allen Fällen restlos möglich sein wird. Dies gilt insbesondere für die bei größeren Zusammenschlüssen häufig erforderliche Freigabe der Transaktion durch die Kartellbehörden, was stets einer der letzten Schritte ist. Das wohl bekannteste Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit ist die beabsichtigte P3-Allianz der Reedereien Maersk, MSC Mediterranean Shipping Company und CMA CGM, die an der Untersagung durch die chinesische Kartellbehörde gescheitert ist.

Ausblick

Der vorliegende Beitrag eröffnet eine Serie von Beiträgen zu diesem Thema. In den folgenden Heften werden Einzelbeiträge zu den verschiedenen Formen der Zusammenarbeit folgen, also der Kooperation, dem Joint Venture und der Unternehmensvereinigung. Dem schließt sich eine Serie von Beiträgen über alternative Finanzierungsformen an, wie etwa Anleihen, die Aufnahme neuer Eigenkapitalgeber oder den Börsengang.
Stephan R. Göthel, Oliver Rossbach