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Das Duisburger Start-up Nemos entwickelt gemeinsam mit Partnern ein innovatives Konzept zur Nutzung von Wellenenergie bei der Stromproduktion. Eine erste Großanlage soll 2016 installiert werden
Mit der Endlichkeit fossiler Energieressourcen, der angestrebten Reduzierung des CO2-Ausstoßes zur Einschränkung des Klimawandels sowie dem deutschen Ausstieg aus[ds_preview] der Kernenergie gewinnt die Nutzung alternativer Energieträger zunehmend an Bedeutung. Neben den kostengünstigen Kapazitäten der Windenergie an Land werden große Hoffnungen auf die Offshore-Windparks gesetzt. Ein ausgewogenes Energieportfolio kann jedoch bei den erneuerbaren Energien nicht allein auf der Windenergie basieren. Auch Sonnenenergie, Geothermie und Wasserkraft tragen bereits heute zur Versorgungssicherheit bei beziehungsweise werden weiter ausgebaut.

Das Potential der Meeresenergie in Form von Strömungen, Tidenhub, Temperatur- und Salzgradienten sowie Schwerewellen ist weitgehend ungenutzt. Konzepte zur Nutzung existieren seit Jahrzehnten. Ihrer Umsetzung stehen jedoch technische, ökonomische und ökologische Herausforderungen entgegen. Gerade die ökologischen Bedenken gegen Sperrwerke wie dem Gezeitenkraftwerk La Rance führen zu massivem Widerstand gegen neue Anlagen, wie sie beispielsweise im Severn-Estuar seit vielen Jahren geplant werden. Die Umwandlung der Strömungsenergie ohne Stauwerke ist aufgrund der geringen Energiedichte und der großen Lasten je Leistungseinheit nur in wenigen Regionen wirtschaftlich sinnvoll. Die Nutzung von Temperaturgradienten, der größten Ressource der Meeresenergie, ist nur in tropischen und subtropischen Breiten möglich.

Nahezu global verfügbar ist hingegen die Energie der winderregten Meereswellen. In der ausschließlichen Wirtschaftszone der Deutschen Bucht steht beispielsweise im Jahresmittel eine Leistung von bis zu 25kW je Meter Wellenkamm zur Verfügung. Aus dem verlustarmen Energietransport in Schwerewellen resultiert eine gewisse zeitliche und räumliche Entkopplung vom Verlauf der an einem Standort zeitabhängig verfügbaren Windenergie. So kann die kombinierte Nutzung der Genehmigungsgebiete zu einer gleichmäßigeren Auslastung führen und weitere Synergieeffekte nutzen.

Signifikantes Potenzial

Experimentelle Untersuchungen am Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme (DST) in Zusammenarbeit mit der Universität Duisburg-Essen konnten im Vergleich zu den meisten heutigen Wellenenergiewandlern signifikante Optimierungspotenziale aufzeigen. Basierend auf hydromechanischen Erkenntnissen wurde ein neuartiges Gesamtsystem konzipiert, das verhältnismäßig hohe Wirkungsgrade aufweist und geringe Erstellungskosten erwarten lässt.

Das System besteht aus einem länglichen Auftriebskörper, der mit hochfesten Kunststoffseilen zu drei ortsfesten Bezugspunkten am Meeresgrund mit Umlenkrollen abgespannt ist. Die Befestigung der Seile am Körper erlaubt es, diesen rechtwinklig zur Fortschrittsrichtung der Wellen auszurichten. Bei Eintreffen eines Wellenberges ermöglichen die so genannten Führungsseile mit konstanter Länge eine Bewegung des Körpers auf einem Kreisbogensegment um die Verankerungspunkte auf der wellenabgewandten Seite. Die Übertragung der mechanischen Energie an den Generator erfolgt mit Hilfe des so genannten Arbeitsseils auf der wellenzugewandten Seite. Dieser wird an einer Offshore-Plattform oder am Turm einer entsprechend ausgelegten Offshore-Windkraftanlage positioniert. Bei Änderung der Wellenrichtung kann die Funktion der Seile gewechselt werden, sodass wiederum die wellenabgewandten Seile der Führung und die wellenzugewandten Seile der Übertragung der mechanischen Energie dienen.

Das System zeichnet sich zum Einen durch hohe Wirkungsgrade aufgrund der optimierten Bahnkurve und aktiven Steuerung aus. Hinzu kommt ein kostengünstiger Aufbau durch Verwendung einer Seilkinematik mit geringem Materialeinsatz und niedriger Komplexität. Weitere Vorteile sind die große Wirkbreite durch die längliche Körperform, die Anpassungsfähigkeit an veränderliche Wellenrichtungen sowie geringe Wartungskosten auf Grund der Positionierung der empfindlichen Bauteile an einem vor Seewasser geschützten Ort. Außerdem hat das System eine wirksame Überlebensstrategie bei Extrembedingungen durch Abtauchen des Körpers in Wassertiefen geringer Wellenenergie.

Bisherige Untersuchungen

Im Jahr 2009 wurde eine systematische Modellversuchsreihe zur Abhängigkeit der Energieauskopplung von der Bewegungsbahn des Schwimmkörpers durchgeführt. Aus den gewonnenen Erkenntnissen wurde das heutige Konzept mit der vielseitig nutzbaren Seilkinematik entwickelt. Zahlreiche weitere Labor- und Feldversuche sowie Simulationen dienten der Optimierung der Steuerungsstrategie,

einer sicheren Betriebsbetriebsführung und der Prognose von Lastkollektiven für Teilkomponenten.

In diesem Jahr wurde über mehrere Monate hinweg eine Anlage im Maßstab 1:5 im dänischen Testzentrum für Wellenenergie Nissum Bredning untersucht. Das Testzentrum zeichnet sich aus durch passend zu einem für Großanlagen geeigneten Nordsee-Standort skalierte Wellenbedingungen und wurde bereits von zahlreichen Wellenenergieprojekten

genutzt. Vom Installationsvorgang über die Gründung bis zu den Komponenten wurden Lösungen getestet, die auch bei einer ersten Großanlage eingesetzt werden können.

Erste Installation für 2016 geplant

Durch den hohen Kostendruck auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien können zahlreiche Lösungen aus dem Bereich Offshore Öl und Gas nicht direkt genutzt werden. An den Gründungen der Umlenkrollen wirken zyklische Zuglasten mit wechselnder Richtung. Bewährte Schwergewichtsgründungen oder gerammte Pfähle sind in dieser Anwendung sehr kostenintensiv. Daher wird für die Gründung in sandigen Böden ein System mit Schraubankern untersucht. Versuche zu Installation und Haltekräften lieferten bereits vielversprechende Ergebnisse.

Bei den Seilrollen und deren Lagerung werden gemeinsam mit namhaften Kooperationspartnern ebenfalls neue Detaillösungen untersucht. Da jegliche Reibung im System einerseits im Arbeitshub den Ertrag schmälert und andererseits in der Rückholphase Energie kostet, ist die Leichtgängigkeit der Lager für die Gesamtwirtschaftlichkeit von hoher Relevanz. Gleichzeitig sind die Anforderungen an die Präzision deutlich geringer als in klassischen Lageranwendungen. Besondere Aufmerksamkeit erfordert auch die Wahl der Werkstoffe für den langfristigen Einsatz in korrosivem Salzwasser.

Auch für die Bereiche der Seile und des Abtriebstrangs wurden verschiedene Lösungen ausgearbeitet und verglichen. Ein erstes Gesamtsystem in Großausführung soll im Jahr 2016 installiert und getestet werden.

Autoren: Jan Peckolt (Nemos GmbH), jp@nemos.org

Benjamin Friedhoff (DST – Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme e.V.)


Jan Peckolt, Benjamin Friedhoff