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Durch einige Fehleinschätzungen der Vorkrisen- und Krisenjahre ist die deutsche Schifffahrt ins Hintertreffen geraten. Doch in der Finanzierung und im Schiffsbetrieb gibt es Chancen, die Herausforderungen zu bewältigen. So lautete das Fazit des diesjährigen »HANSA Forum Schifffahrt & Finanzierung«.
Rund 500 Experten diskutierten im Hamburger Hotel Grand Elysée über neue Chancen im hart umkämpften Wettbewerb. Bereits zum 18. Mal[ds_preview] fand die vom Schiffahrts-Verlag »Hansa« organisierte größte Veranstaltung dieser Art in Deutschland statt. In diesem Jahr unter dem Motto »Schifffahrt 2.0 – Die neue Realität«, gemeinsam moderiert vom HANSA-Chefredakteur Krischan Förster und vom Fachjournalisten Michael Hollmann. Die drei hochrangig besetzten Panels thematisierten Finanzierungsprojekte, Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung der Bestandsflotte sowie Beispiele von den boomenden Schifffahrtsmärkten Oslo und Griechenland.

Die in der Vergangenheit wurzelnden Probleme sind noch nicht bewältigt. Das zeigt sich unter anderem in den Tonnage-Überkapazitäten, die die Märkte belasten. In der Containerschifffahrt haben zudem die vielen Kooperationsprojekte, wirtschaftspolitische Sanktionen und die Effizienz der Schiffe einen großen Einfluss auf die Raten, erläuterte Jan-Hendrik Heikes, Geschäftsführer Ernst Russ Shipbroker. »Ich hoffe nicht, dass es ein ›New Normal‹ gibt«, sagte er bei seiner Marktbewertung. Denn das würde schwere Konsequenzen haben.

Das Orderbuch ist groß. So sind bei Bulkern 366 Caper, 400 Panamaxe, 747 Supramax- und Ultramax-Schiffe sowie 556 Handysize-Carrer in Planung oder im Bau. Das gesamte Auftragsbuch entspricht 21,9% der Flotte, erläuterte Heikes.

Im Containermarkt erwartet er, dass in den kommenden zwei Jahren verstärkt Panamax-Frachter verwertet werden. 2014 wurden bislang Schiffe mit einer Gesamtkapazität von 356.000TEU aus dem Markt genommen. »Das wiegt zu keinem Moment die neu hinzugekommene Transportkapazität auf«, so Heikes weiter. Allein 2015 würden 233 Neubauten abgeliefert werden.

Große Veränderungen

Zu lange haben deutsche Reeder auf das KG-Modell zur Finanzierung ihrer Flotte gesetzt und dabei Alternativen außer Acht gelassen, hieß es. Auch waren und sind nur wenige bereit oder in der Lage, ein Stück Kontrolle an potentielle Partner abzugeben und sich den strukturellen Anforderungen der Kapitalmärkte und anzupassen.

Kein maritimes Zentrum werde so viel Veränderung erfahren wie Hamburg und Deutschland, sagte Christoph Toepfer, CEO von Borealis Maritime. Ein rigoroser Umbau sei zwingend notwendig. »Das Stillhalten der finanierenden Banken hat das Problem möglicherweise nur verschärft«, kritisierte er. Dass Private Equity-Kapital hierzulande nicht wie zum Teil erwartet groß eingestiegen ist, liegt seiner Meinung nach unter anderem daran, dass Ansichten und Strukturen (»cultural fit«) mit deutschen Schifffahrtsunternehmen oft nicht passen. Die Euphorie der Kapitalgeber für den hiesigen Markt habe sich abgekühlt – auch weil einige zu früh investierten. Borealis selbst ist mit dem Investor KKR ein Joint Venture zur Flottenexpansion eingegangen. Toepfer hat Borealis vor rund vier Jahren gegründet und mittlerweile eine Flotte von 38 Schiffen aufgebaut. Dazu zählen auch neun Containerschiffe, die gemeinsam von KKR aus dem Portfolio der Commerzbank übernommen wurden

Die Motive und Anforderungen von Kapitalgebern waren ein wichtiges Thema auf dem HANSA Forum. Roger Iliffe, CEO der Hamburger Schwergutreederei Hansa Heavy Lift gab einen Einblick über den US-Investmentfonds Oaktree, bei dem er als Senior Vice President beschäftigt war: »Oaktree ist ein distressed Investor. Die Schifffahrt ist heute distressed beziehungsweise notleidend. Dehalb ist Oaktree hier. Wenn die Schifffahr irgendwann nicht mehr distressed ist, können Sie sicher sein, dass auch Oaktree nicht mehr dabei ist.« Prinzipiell könne ein Fonds sich über zehn Jahre engagieren.

Laut Iliffe haben Fonds zum Teil sehr unterschiedliche Motive. »Man muss sich daher vorher genau überlegen, welchen Investmentfonds man anpsrechen will. Es muss passen«, so der Experte weiter. Dann gebe es einen kurzen »Pitch«, bei dem die grundlegenden Vorstellungen angekündigt werden, bevor es die eigentlichen Verhandlungen beginnen. Das könne unter Umständen einige Zeit in Anspruch nehmen.

Die klassischen Schiffsbanken haben ihr Portfolio mittlerweile deutlich reduziert. Oliver Faak, Head of Shipping Finance beim Bankhaus Nord/LB berichtete, dass der jüngste Stresstest insgesamt »ganz gut gelaufen« ist. Weltweit ist Kapital von Investoren für Reedereien durchaus vorhanden. »Finanzierungsmittel sind da. Aber offensichtlich nicht in Deutschland«, so Faak weiter. Seiner Meinung nach hat der deutsche Tramp-Markt darüber hinaus noch keine Antwort auf die starke Konsolidierung im internationalen Linienmarkt gefunden. Es müsse etwas passieren. Zudem dürften die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt werden, als es zu viele spekulative Order gab, sondern die Marktentwicklung bei Projekten stärker berücksichtigt werden.

Kritik an Versicherungssteuer

Alfred Hartmann, Reeder und Inhaber der Leeraner Hartmann Gruppe, sagte, dass es nicht mehr nur um Wachstum, sondern vor allem um Profitabilität gehen muss. »Auch durch neue Finanzierungsmöglichkeiten wird sich der Markt nicht ändern. Die Schiffe bleiben im Markt«, erläuterte er. Er sprach sich für einen stärkeren Abbau der Flotte aus.

Als spezifisch deutsches Problem machte er die derzeit verschobene Versicherungssteuer auf Pools aus, die die Bundesregierung einführen will. Hartmann tritt ab Januar sein Amt als Präsident des Verbands Deutscher Reeder (VDR) an und will weiter gegen diese Pläne kämpfen. »Ansonsten müssen wir uns überlegen, ob wir nicht ins Ausland abwandern«, so Hartmann weiter. Torsten Westphal, CEO des Harener Schifffahrtsunternehmen Arkon Shipping, kritisierte die geplante Versicherungssteuer als »Farce«. Er sei jedoch überzeugt, dass sie »vor keinem Gericht« standhalten wird.

Einige Redner argumentierten, dass die deutsche Reedereilandschaft zum Teil zu kleinteilig ist. »Size matters« hieß es, um im harten Wettbewerb bestehen zu können und das Interesse bei Investoren zu wecken. Heute geht es weniger um Schiffsfinanzierungen sondern um »corporate funding«. »Deutsche Reeder sollten sich daher die Frage stellen: Bin ich gut genug aufgestellt für die Kapitalmärkte? Bin ich groß genug, um mit dem Kapital effizient arbeiten zu können?«, sagte Simon Madej, Leiter Shipping bei HSH Corporate Finance.

Kostensteigerungen sind jedoch nicht pauschal auf das Alter oder die Größe von Schiffen oder Flotten zurückzuführen. Eine aktuelle und auf dem Forum vorgestellte Studie, die vom Fachmagazin „HANSA International Maritime Journal« und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PKF erstellt wurde, zeigt ein differenziertes Bild. »Bei kleineren Schiffen konnten wir durch das gute Knowhow durchaus Kostenvorteile von kleineren Reedereien feststellen. Ab der Panamax-Größe gibt es dann Kostenvorteile für größere Unternehmen«, analysierte Experte Robert Brückner.

Einsparungen durch Retrofit

Weil das Kapital für effiziente und damit wettbewerbsfähige Neubauten oft fehlt, setzen einige Reeder auf Retrofit-Maßnahmen – ein zweiter Schwerpunkt des diesjährigen HANSA-Forums. Lutz Müller von der Reederei NSB stellte einige Projekte wie die Verbreiterung von Panamax-Containerschiffen vor. Das nötige Kapital von rund 10Mio.$ finanziert NSB mit Anlegern, Banken und dem Charterer. Verbreiterungen sollen ebenso Einsparungen ermöglichen wie Bugwulstoptimierungen oder Propellerumbauten. »Technisch ist das absolut machbar«, sagte Müller.

Hermann Klein, CEO der Reederei E.R. Schiffahrt, bezifferte das Einsparpotential von Bugwulst- und Propelleranpassungen auf 7 bis 12%. Durch moderne Anstriche und Beschichtungen des Rumpfes könnten 10 bis 15% erreicht werden. Bei Containerschiffen mit 13.000TEU sei eine Kraftstoffeinsparung in Höhe von 4Mio.$ pro Jahr möglich.

Je größer ein Schiff ist, desto schneller rechnen sich Investitionen. Vor allem, wenn man davon ausgeht, dass der Öl- und Bunkerpreis mittel- und langfristig weiter steigen wird. »Umbaumaßnahmen sind eine strategische unternehmerische Entscheidung. Da muss man viele Faktoren beachten, beispielsweise die optimale Reisegeschwindigkeit, die sich in den vergangenen Jahren stark reduziert hat«, sagte Klein.

Zur Finanzierung brauchen Reeder jedoch das nötige Kapital. Das gilt auch für die Aufrüstung mit Abgaswäschern (»Scrubber«) zur Einhaltung der strengeren Treibstoff-Schwefelgrenzwerte in Schutzgebieten (SECA) wie der Nord- und Ostsee. Für die HSH Nordbank ist es noch ein sehr kleines Geschäft. »Typische Maßnahmen sind Bugwulst- oder Propelleroptimierungen. Dabei geht es aber meist um kleinere Projekte«, berichtete Christian Nieswandt, Global Head von Shipping bei der HSH.

Bei Einzelprojekten lohnt sich der Aufwand für Großbanken aber nur bedingt. »Ab einem Volumen von 30Mio.€ oder bei Flotten-Retrofits sieht es anders aus«, sagte Thomas Ankele von der KfW IPEX-Bank. Er konstatierte für die vergangenen Monate ein gestiegenes Interesse von Reedereien.

Chancen ergeben sich nicht nur im technischen Bereich des Schiffsbetriebs. Auch die administrative Begleitung der Flotte aus der Reederei heraus birgt Einsparpotenziale. Durch effizientes Management, etwa beim Einkauf, der Auswahl der Besatzungen, Dockungs-Planungen und durch gut strukturierte Prozesse an Land sei vieles möglich, sagte Jan-Henrik Hübner, Global Head of Shipping Advisory bei der norwegisch-deutschen Klassifikationsgesellschaft DNV GL. Sehr wichtig ist aber vor allem der Schiffsbetrieb. »Energieeffizienz wird der Faktor sein in Zukunft«, so Hübner weiter. Die Schifffahrt hat seiner Ansicht nach insgesamt durchaus Nachholbedarf: »Es gibt Industrien, die sich schneller bewegen. Man braucht nicht unbedingt neue extrem kreative Maßnahmen. Vielmehr müssen die bestehenden Möglichkeiten schneller umgesetzt werden.«

Blick über den Tellerrand

Mit einem Blick über den Tellerrand hinaus wurden auf dem HANSA-Forum Projektmöglichkeiten auf dem Finanzmarkt Oslo diskutiert. Dort sind deutsche Reeder – noch – nicht aktiv. Kapital sei vorhanden, man müsse es aber auch angehen, hieß es.

Rolf Darboven Zapffe von Pareto Project Finance nannte Projektfinanzierungen als Möglichkeit. Dabei werden beispielsweise neue Unternehmen (»Special Purpose Company«) gegründet und in Kooperation aus Investoren und Reedereien Projekte realisiert. »Es gibt dabei einen effizienten Zugang zu Kapital und zur Reederei«, so Darboven Zapffe. Jørgen Heszlein vom Unternehmen Arctic Securities erläuterte die Zusammenhänge zwischen Oslo und anderen Finanzplätze, etwa in den USA – und wie man auf diese Weise an Kapital gelangen kann.

Neben Norwegen wird immer wieder auch Griechenland als boomender Schifffahrtsmarkt bezeichnet. Einige griechische Reeder haben die sich bietenden Möglichkeiten gut genutzt, um zu wachsen und Marktanteile zu gewinnen. »Sie haben aber auch keine Glaskugel. Alle Reeder auf der Welt sitzen in einem Boot«, sagte Orestis Schinas, Head of Maritime Business School an der Hamburg School of Business Administration. Die Griechen hätten aus den Fehlern und den Krisen der Vergangenheit gelernt. Dazu gehört unter anderem eine anti-zyklische Investitionsstrategie, bei der man in guten Zeiten nur wenig Neubau-Aktivität hat und auf Langzeit-Charter setzt.

Als mögliche alternative Geschäftsmodelle bezeichnete Schinas eine Master Limited Partnerships (MLP) in den USA. Es ist ein öffentlich gehandeltes Unternehmen mit einer begrenzt haftenden Teilhaberschaft und steuerlichen Vergünstigungen. Eine weitere Möglichkeit sind SPAC (Special Purpose Acquisition Company). Dabei wird zunächst Kapital über einen Börsengang eingesammelt. Diese Mittel werden dann genutzt, um eine Übernahme oder eine Fusion vorzubereiten und schließlich zu finanzieren.

Die Finanzexperten auf dem HANSA Forum waren sich weitgehend einig: Es gibt durchaus auch für deutsche Reedereien Möglichkeiten, auf dem internationalen Kapitalmarkt Fuß zu fassen. Es müssen dafür aber auch gewisse Voraussetzungen erfüllt werden, vor allem in Bezug auf Transparenz und Reporting. Auch sollte man sich darüber im Klaren sein, dass ein interessierter Investor auch einen Teil der Kontrolle der Geschäfte übernimmt und eine klare Strategie für sein Investment benötigt.


Michael Meyer